T 1465/19 28-05-2021
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Bremssteuermodul
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das europäische Patent Nr. 2060457 zu widerrufen.
II. In ihrer Entscheidung ist die Einspruchsabteilung u.a. zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in erteilter Fassung zwar neu, jedoch nicht erfinderisch ist.
Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.
III. Die angefochtene Entscheidung nimmt unter anderem Bezug auf die Entgegenhaltungen
D6: GB 2 284 458 B
D8: ISO 7638-1 Road vehicles - Electrical connectors for braking systems - Part 1, 1997-09-15
D11: ISO 7638 Road vehicles - Brake anti-lock device connectors, 1985-02-15,
die auch der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegen.
IV. Am 28. Mai 2021 fand eine als Videokonferenz durchgeführte mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt (Gliederung gemäß erteiltem Anspruch):
Bremssteuermodul für einen Erstanhänger eines Lastkraftwagen, mit
(a) einer Zugfahrzeug-Schnittstelle (12), die
(i) eine Zugfahrzeug-CAN-Schnittstelle (14) zum Verbinden mit einem Zugfahrzeug-CAN-Anschluss eines Zugfahrzeugs,
(ii) eine Zugfahrzeug-Spannungsversorgungs-Schnittstelle (16) zum Verbinden mit einem Zugfahrzeug-Spannungsversorgungs-Anschluss des Zugfahrzeugs und
(iii) eine Zugfahrzeug-Warnlampen-Schnittstelle (18) zum Verbinden mit einem Zugfahrzeug-Warnlampen-Anschluss des Zugfahrzeugs umfasst, und
(b) einer Zweitanhänger-Schnittstelle (48) zum Anschließen eines Zweitanhängers, der an dem Erstanhänger angekoppelt ist, die
(i) eine Zweitanhänger-CAN-Schnittstelle (36) zum Verbinden mit einem Zweitanhänger-CAN-Anschluss des Zweitanhängers,
(ii) eine Zweitanhänger-Spannungsversorgungs-Schnittstelle (40) zum Verbinden mit einem Spannungs-Anschluss des Zweitanhängers und
(iii) eine Zweitanhänger-Warnlampen-Schnittstelle (44) zum Verbinden mit einem Zweitanhänger-Warnlampen-Anschluss (46) des Zweitanhängers umfasst,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Zugfahrzeug-Schnittstelle (12) über einen einzigen Zugfahrzeuganschlussstecker (22) mit dem Zugfahrzeug verbindbar ist und dass der Zugfahrzeuganschlussstecker (22) mittels eines einzigen Zugfahrzeuganschlusskabels (20) angeschlossen ist
und die Zweitanhänger-Schnittstelle über einen einzigen Zweitanhängeranschlussstecker (52) mit dem Zweitanhänger verbindbar ist und dass der Zweitanhängeranschlussstecker (52) mittels eines einzigen Zweitanhängeranschlusskabels (50) angeschlossen ist.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin)- soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Neuheit:
D6 sei nicht neuheitsschädlich für das beanspruchte Bremssteuermodul, da insbesondere keine CAN-Schnittstelle offenbart sei. Weiterhin fehle es an der Offenbarung des Anschlusses eines einzigen Steckers über ein einziges Kabel.
Der Figur 4 der D6 sei den gestrichelten Rechtecken keine Modularisierung von Bauteilen zu entnehmen. Ein Bremssteuermodul umfasse zumindest eine Bremssteuerung. Eine solche sei der Figur 4 in Form der Steuereinrichtung 47 als kleinste identifizierbare Einheit entnehmbar. Diese sei über zwei waagrechte Leitungen mit den beiden Anschlussstellen 100 und 101 verbunden. Ein Zusammenfassen der beiden Leitungen zu einem einzigen Kabel sei der D6 nicht entnehmbar. Weiterhin könne der Verweis auf die ISO 7638 für die Verbindungsstelle 100 in der D6 auf Seite 15, Zeilen 17-20, nicht auf die D8 (ISO 7638 vom 15. September 1997) bezogen sein, da die D6 bereits 1995 veröffentlicht wurde. Daher müsse die D11 (ISO 7638 vom 15. Februar 1985) herangezogen werden, in der noch keine CAN-Schnittstellen an den Kontakten 6 und 7 bei den Anschlüsse 100 vorgesehen waren (Tabelle 1 in Kapitel 6.2).
Dem Streitpatent sei die Bedeutung des Begriffs Modul klar entnehmbar. In der einzigen Figur des Streitpatents stelle das Referenzzeichen 31 schematisch den Erstanhänger und nicht, wie von der Einsprechenden vorgetragen, das Bremssteuermodul dar. Das Modul habe im Streitpatent das Referenzzeichen 10 und betreffe das Rechteck mit durchgezogener Linie oben mittig in Figur 1. Ein Modul sei eine austauschbare bauliche Einheit. Der Anspruch sei weiterhin auf ein Modul 10 mit einer Zugfahrzeug-Schnittstelle 12 einerseits und einer Zweitanhänger-Schnittstelle 48 andererseits gerichtet. Diese Schnittstellen seien jeweils über ein einziges Kabel 20, 50 mit jeweils einem einzigen Stecker 22, 52 zum Verbinden am Zugfahrzeug oder Zweithänger angeschlossen.
Erfinderische Tätigkeit:
Die Kombination der D6 mit der D8 führe nicht zum beanspruchten Gegenstand. Zum einen würde der Fachmann die D8 nicht berücksichtigen, da die darin beschriebene Stecker-Buchsen-Verbindung nicht auf die ältere Technik der D6 anwendbar wäre. In der D6, Fig. 1, werde über die Leitung 66 lediglich das Betätigen des Bremspedals signalisiert. Eine Datenübertragung wie bei einer CAN-Schnittstelle sei damit nicht möglich. Stattdessen könne den Hängern in dem pneumatischen Bremssystem lediglich ein bald folgender Bremsdruck signalisiert werden. Das Bremsen der Anhänger 11, 12, 13 selbst erfolge verzögert, da sich der pneumatische Bremsdruck erst aufbauen müsse. Die Höhe des Bremsdrucks werde in der D6 über die Bremsleitungen 28 weitergegeben und nicht wie in der vorliegenden Erfindung elektrisch über die CAN-Schnittstellen.
Sollte der Fachmann die D8 dennoch berücksichtigen, wäre die Steuereinrichtung 47 technisch nicht mit der CAN-Schnittstelle kompatible, da sie nicht dazu ausgebildet sei, Daten wie die Höhe des Bremsdrucks zu verarbeiten.
Gleiches gelte auch für die Kombination von D8 mit D6. Dabei sei zu betonen, dass die D8 entgegen der Ansicht der Einspruchabteilung nicht als nächstliegender Stand der Technik anzusehen sei, da sie nur einen Standard für Steckerverbindung darstelle und kein Bremssteuermodul zeige.
Eine simple Zusammenschau von D6 und D8 bzw. von D8 und D6 sei eine nicht zulässige rückschauende Betrachtungsweise.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) - soweit es für die Entscheidung wesentlich war - lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Neuheit:
D6 sei neuheitsschädlich für das beanspruchte Bremssteuermodul. Dem Streitpatent sei nicht klar zu entnehmen, was unter einem Modul zu verstehen sei. Daher könne die mit 31 bezeichnete Einheit in Figur 1 des Streitpatents als Modul angesehen werden, was den Einheiten 11, 12, 13 der D6 (Figuren 1 und 4) entspräche. Der Stecker 100 in Figur 4 der D6 sei gemäß Seite 15, Zeilen 17-20, nach ISO 7638 ausgebildet. Da gemäß Artikel 54(2) EPÜ alles, was vor dem Anmeldetag der Patentanmeldung öffentlich zugänglich gemacht wurde als Stand der Technik anzusehen ist, sei der Verweis auf die ISO 7638 als Verweis auf die D8 (ISO 7638 vom 15. September 1997) zu verstehen. Darin werde in Tabelle 1 im Kapitel 5.3 die Anschlussbelegung mit den CAN-Schnittstellen an den Kontakten 6 und 7 offenbart.
D6 nenne auf Seite 15, Zeilen 17-20 die beiden Anschlüsse 100 und 101 als Alternativen. Folglich werde nur ein einziges Kabel tatsächlich genutzt. Weiterhin wäre mit der Verwendung eines Steckers gemäß der D8 die in der D6, Figur 4, gezeigte eventuelle zweite Leitung hinfällig.
Das Vortragen der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), dass ein Modul eine einfach handhabbare, austauschbare Einheit darstellen müsse, sei nicht überzeugend. Auch das Streitpatent zeige keine solche Einheit. Die Figur 1 des Streitpatents zeige ein Modul, dessen Stecker und Kabel sich über die gesamte Hängerlänge erstreckten. Derartige Dimensionen könnten nicht als leicht handhabbar angesehen werden.
Da sich das beanspruchte Modul offenbar nicht auf das in der Figur gezeigte Rechteck in der oberen Mitte beschränke, sondern die Kabel 20, 50 und die Stecker 22, 52 umfasse, könne auch jedes weitere gezeigte Bauteil als Teil des Moduls definiert werden.
Demnach lasse sich der Streitschrift keine klare Bedeutung des Begriffs Modul entnehmen.
Erfinderische Tätigkeit:
Sollte die in der D6 genannte ISO 7638 nicht als auf die D8, sondern als auf die D11 bezogen angesehen werden, unterscheide sich Anspruch 1 lediglich durch die CAN-Schnittstellen. Der Fachmann würde die D8 berücksichtigen, da diese lediglich die zum Fachwissen gehörende, technische Weiterentwicklung der D11 zum Anmeldetag der Streitschrift darstelle. Es wäre daher selbstverständlich, die D8 in das Bremssteuermodul der D6 zu implementieren. Hierzu gäbe es nicht einmal ein zu lösendes Problem.
Die Kombination von D8 mit D6 führe ohne erfinderisches Zutun gemäß der Entscheidung der Einspruchsabteilung (Punkt 5) zum Gegenstand des erteilen Anspruchs 1. Da das Streitpatent den Begriff Modul nicht weiter definiere, könne die in der D8, Figur 4 in Kapitel 5.3, gezeigte Steckerverbindung als Teil eines Bremssteuermoduls angesehen werden. Anspruch 1 unterscheide sich lediglich durch die Zweitanhänger-Schnittstelle, die identisch zu der Zugfahrzeug-Schnittstelle ausgebildet sei. Die zu lösende Aufgabe wäre darin zu sehen, das Bremssteuermodul für einen Lastzug mit mehreren Hängern auszubilden. Die D6, Figur 1, zeige einen solchen Lastzug (Roadtrain), worin eine identische Verbindungsstelle zum Zweitanhänger wie zum Zugfahrzeug vorgeschlagen werde. Dem Fachmann werde der beanspruchte Gegenstand folglich nahegelegt.
1. Neuheit gegenüber D6
1.1 Anspruch 1 in erteilter Fassung erfüllt die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.
1.2 Die Kammer bestätigt die Ansicht der Einspruchsabteilung, dass in der D6 bei der Neuheitsbetrachtung die ISO-Fassung D11 aus dem Jahr 1985 zu berücksichtigen ist. Die D6 wurde am 7. Juni 1995 veröffentlicht. D8 wurde 1997 veröffentlicht. Diese kann somit zum Zeitpunkt, an dem die D6 verfasst wurde, dem Fachmann nicht bekannt gewesen sein. Die Belegung der Kontakte einer Steckerverbindung nach ISO 7635 (D11) ist der Tabelle 1 in Kapitel 6.2 zu entnehmen.
1.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber D6, da auch mit dem Inhalt der D11 (Kapitel 6.2, Tabelle 1) zumindest keine CAN-Schnittstellen (Merkmale a(i) und b(i)) offenbart sind.
2. Erfinderische Tätigkeit D6 mit D8
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
2.2 D6 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. D6 ist auf ein Bremssystem für aufeinander folgende Anhänger gerichtet, wobei den Unterbremssystemen für die einzelnen Anhänger ein Bremssteuermodul in Form einer Steuereinrichtung 47 zu entnehmen ist.
2.3 Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von der D6 dadurch, dass das Bremssteuermodul die Merkmale a(i), b(i) und die Merkmale des kennzeichnenden Teils aufweist.
2.3.1 Die Kammer ist der Ansicht, dass ein Modul zumindest eine erkennbare Einheit als Teil eines Geräts oder Maschine formt. In der D6 (Figur 4) kann die Steuereinheit 47 als eine Einheit erkannt und als Bremssteuermodul bezeichnet werden (D6, Seite 17, Absatz 4). Das Argument der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden), dass aufgrund der Darstellung im Streitpatent der ganze Hänger 11, 12, 13 als Bremssteuermodul angesehen werden könnte, ist nicht überzeugend. Ein Fachmann würde unter einem "Bremssteuermodul für einen Erstanhänger" nicht den ganzen Anhänger verstehen. Vielmehr muss es sich um eine Teileinheit handeln. Es wird angemerkt, dass eine willkürliche Auswahl von Merkmalen aus der Figur 4 (D6) zur Definition des Bremssteuermoduls ohne Berücksichtigung ihrer technischen Zusammenhänge auf einer rückschauenden Betrachtungsweise basiert.
2.3.2 An die Steuereinheit 47 ist über eine Leitung beidseitig ein ISO 7638-Anschluss 100 angeschlossen. Wie zur Neuheit erläutert, ist die Ausbildung des Anschlusses 100 der D11 zu entnehmen, wonach keine CAN-Schnittstellen vorhanden sind (Merkmale a(i), b(i)).
2.3.3 Die Steuereinheit 47 ist nicht mit einem einzigen Stecker mit dem Zugfahrzeug/ Zweitanhänger verbindbar, sondern wird mit zwei Steckern 100 und 101 mit je einer eigenen Leitung verbunden. Das Argument der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden), dass die Anschlüsse 100 und 101 als Alternativen beschrieben seien (S. 15, Zeilen 17 bis 20 "or") und nicht gleichzeitig angeordnet seien, kann nicht gefolgt werden. D6, Seite 15, Zeilen 17 bis 20, bezieht sich lediglich auf die Stromversorgung des Hänger-Bremssystems, die alternativ über den einen oder den anderen Stecker erfolgen kann.
2.4 Die CAN-Schnittstellen ermöglichen über eine bidirektionale Kommunikation ein elektrisches Bremsen der Hänger, wodurch die Bremsen in den Hängern schneller ansprechen (Streitschrift, Absatz [0008]). Durch den kennzeichnenden Teil und die Zusammenfassung der Bremssteuerung mit den Stecker-Kabel-Anschlüssen zu einer Einheit ist die Verbindung des Bremssteuermodul zum Zugfahrzeug oder dem Zweithänger einfach und wartungsarm.
Die Aufgabe kann somit darin gesehen werden, ein Bremssteuermodul zu schaffen, das die Bremswirkung in den Hängern verbessert und einfach an das Zugfahrzeug bzw. den Zweitanhänger angeschlossen werden kann.
2.5 Die Kammer ist der Ansicht, dass es, wie von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) vorgetragen, für einen Fachmann zwar naheliegend sein mag, ausgehend von der D6 zu einem späteren Zeitpunkt die D8 zu Rate zu ziehen. Die D8 stellt eine neuere Fassung der ISO 7638 dar und offenbart an den Kontaktstellen 6 und 7 des Steckanschlusses eine CAN-Schnittstelle (D8, Kapitel 5.3, Tabelle 1).
Wie von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vorgetragen ist die Steuereinheit 47 der D6 jedoch nicht dazu ausgebildet, mit einer CAN-Schnittstelle zu kommunizieren, so dass lediglich wie bisher ein vom Fahrer initialisiertes Bremssignal empfangen werden kann (D6, Seite 14, Absatz 2). Die CAN-Schnittstelle am Anschluss 100 würde vom Fachmann auch nicht als Teil einer Einheit mit der Steuereinrichtung 47 angesehen werden, da diese technisch inkompatibel sind. Es wären weitere Modifikationen an der Steuereinrichtung 47 erforderlich, um diese mit dem Zugfahrzeug-CAN-Anschluss kompatibel zu gestalten. Gleiches gilt für die Zweitanhänger-CAN-Schnittstelle am Zweitanhänger -Anschluss.
Wie ein Fachmann den Inhalt der D8 auf naheliegende Weise auf die ältere Technik der D6 anwenden würde, wurde von der Einsprechenden nicht vorgetragen.
Auch bleibt offen, warum ein Anschluss 100 gemäß der D8 dazu führen soll, dass der Anschluss 101 für das Bremslicht mit dem zweiten Kabel in der D6 wegfallen sollte.
2.6 Folglich führt die Kombination von D6 mit D8 nicht auf naheliegende Weise zum Gegenstand des erteilen Anspruchs 1.
3. Erfinderische Tätigkeit D8 mit D6
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
3.2 D8 stellt aus Sicht der Kammer keinen besseren Ausgangspunkt für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz dar als die D6. D8 ist lediglich eine ISO-Norm für Steckanschlüsse, die zwar zur elektrischen Verbindung von Bremssystemen geeignet sind, ein Bremssystem selbst oder ein Bremssteuermodul ist jedoch nicht offenbart. Auch wenn Anspruch 1 ein Bremssteuermodul mit einem Steckanschluss gemäß D8 definiert, gilt im Umkehrschluss nicht, dass ein Steckanschluss gemäß der D8 automatisch Teil eines Bremssteuermoduls ist oder die im Begriff beinhaltete Funktion einer Bremsensteuerung realisiert.
3.3 Selbst wenn die Kammer dem Vortrag der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) folgen und D8 als nächstliegenden Stand der Technik heranziehen würde, wird der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht durch die Kombination mit D6 nahegelegt.
3.4 Anspruch 1 unterscheidet sich von der D8 unumstritten durch die Offenbarung einer Zweitanhänger-Schnittstelle. Die Kammer sieht weiterhin wie unter Punkt 3.2 erläutert keine Offenbarung eines Bremssteuermoduls.
3.5 Auch wenn die D6 zur Lösung der von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) gestellten Aufgabe, mehrer Hänger an ein Zugfahrzeug anschließen zu können, eine Duplizierung der Steckerverbindung zwischen dem Erstanhänger und Zweitanhänger vorschlägt, fehlt weiterhin ein Bremssteuermodul. Die D6 wird von der Einsprechenden lediglich für die Offenbarung eines Roadtrains herangezogen. Der Fachmann hätte dann jedoch keinen Anlass, das in D6 offenbarte Bremssteuermodul in Form der Steuereinrichtung 47 zu berücksichtigen, da es zur Lösung der Aufgabe nicht relevant ist. Des Weiteren wird auf die technische Inkompatibilität der Steuereinrichtung 47 mit einem Anschluss gemäß der D8, wie bzgl. der Kombination D6 mit D8 diskutiert, hingewiesen.
3.6 Folglich ist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auch erfinderisch gegenüber einer Kombination von D8 mit D6.
4. Weitere, das Verfahren betreffende Anträge
Da die Kammer den Hauptantrag, auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin vorgetragenen Argumente, als neu und erfinderisch ansieht, können die dem Verfahren noch anhängigen Anträge der Parteien unbeantwortet bleiben. Diese umfassen
- den Antrag der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), die Erwiderung sowie weitere Eingaben der Beschwerdegegnerin nicht zuzulassen, da das Zeitlimit für eine Erwiderung auf die Beschwerdebegründung nicht fristgemäß bis um 12. Dezember 2019, sondern erst am 13. Dezember 2019 eingegangen sei, und
- den Antrag der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden), die Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, nicht im Verfahren zuzulassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
- Das Patent wird wie erteilt aufrechterhalten.