T 1500/19 12-04-2022
Download und weitere Informationen:
VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON ISOCYANATEN
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP 2 751 073 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent auf der Grundlage des Artikels 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) sowie des Artikels 100(b) EPÜ wegen mangelnder Offenbarung angegriffen worden.
III. Unter anderem wurde auf die folgenden Dokumente verwiesen, die auch für die vorliegende Entscheidung relevant sind:
D5: US 3,234,253
D9: US 3,465,021
D11: US 2004/0008572
D12: US 4,419,295
Anlage 1: BASF We create chemistry, Anlage 1,
"Erfindungsgemäße Beispiele 2 und 3",
erstmalig eingereicht von der
Patentinhaberin im Einspruchsverfahren
IV. In ihrer Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, die gemäß Hauptantrag (erteiltem Patent) beanspruchte Erfindung werde ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ). Des weiteren sei der beanspruchte Gegenstand neu (Artikel 54 EPÜ). Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit wurde jedoch verneint, unter anderem ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments D5 (Artikel 56 EPÜ).
Der ihr vorliegende erste Hilfsantrag erfülle nach Ansicht der Einspruchsabteilung die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ sowie der Artikel 84 und 123(2) EPÜ. Das beanspruchte Verfahren sei auch neu (Artikel 54 EPÜ), beruhe aber aus den für den Hauptantrag genannten Gründen ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Auch Hilfsantrag 2 erfülle die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ sowie der Artikel 84 und 123(2) EPÜ. Das darin beanspruchte Verfahren sei ebenfalls neu (Artikel 54 EPÜ). Es beruhe zudem auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ, und zwar ausgehend von der jeweiligen Offenbarung der Dokumente D5, D11 sowie D12.
V. Gegen diese Entscheidung wurden sowohl von der Patentinhaberin, als auch von der Einsprechenden Beschwerde eingereicht. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) hat ihre Beschwerde fristgerecht begründet. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) hat ihre am 20. Mai 2019 eingereichte Beschwerde am 16. Juli 2019 zurückgenommen.
VI. In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin brachte die Beschwerdegegnerin Argumente in Bezug auf die Gewährbarkeit ihrer mit der Erwiderung gestellten Anträge vor und reichte erneut das bereits im Einspruchsverfahren eingereichte Dokument "Anlage 1" ein.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit betreffend den Hauptantrag der Patentinhaberin (Hilfsantrag 2 des Einspruchsverfahrens), auf dessen Basis das angegriffene Patent von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten wurde. Die Kammer vertrat in der Mitteilung die vorläufige Auffassung, dass das beanspruchte Verfahren ausführbar offenbart werde (Artikel 83 EPÜ), sowie dass es dem Fachmann nicht nahegelegt werde, und zwar unabhängig von der Wahl eines der Dokumente D5, D11 und D12 als nächstliegendem Stand der Technik (Artikel 56 EPÜ).
VIII. Die Beschwerdeführerin reagierte auf die vorläufige Meinung der Kammer mit einem weiteren Schriftsatz enthaltend Ausführungen zur Frage der erfinderischen Tätigkeit sowie zu den von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Hilfsanträgen.
IX. Am 12. April 2022 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz statt.
X. Der vorliegende Hauptantrags der Patentinhaberin (Hilfsantrag 2 des Einspruchsverfahrens) enthält einen unabhängigen Anspruch, der den folgenden Wortlaut hat:
"1. Verfahren zur Herstellung von Isocyanaten durch Umsetzung der korrespondierenden Amine, enthalten in mindestens einem Eduktstrom A, mit Phosgen, enthalten in mindestens einem Eduktstrom P, in einer Reaktoranlage umfassend mindestens eine Mischzone und mindestens eine Reaktionszone, wobei Eduktstrom A und/oder Eduktstrom P gegebenenfalls einen oder mehrere inerte Stoffe enthalten, und
wobei in Zeiträumen von mindestens 6 h, in denen der Mengenstrom S**(x) der eingesetzten Amine unterhalb von 95 % des Mengenstroms S° der eingesetzten Amine bei Betrieb bei der Nennkapazität der Reaktoranlage liegt, im Vergleich zum Betrieb bei der Nennkapazität des Reaktors
(i) das Verhältnis von Phosgen zu Amin erhöht wird und
(ii) die Konzentration des inerten Stoffs oder der
inerten Stoffe in dem Amin enthaltenden Eduktstrom
A und/oder dem Phosgen enthaltenden Eduktstrom P
erhöht wird."
XI. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen folgendes vor:
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich des ihr vorliegenden Hilfsantrags 2 sei fehlerhaft, da der darin beanspruchte Gegenstand weder ausführbar sei (Artikel 83 EPÜ), noch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ), und zwar unabhängig davon, welches der Dokumente D5, D11 oder D12 als nächstliegender Stand der Technik herangezogen werde. Die jeweils gelöste objektive technische Aufgabe sei lediglich in der Bereitstellung eines zum Stand der Technik alternativen Verfahrens der Phosgenierung von Aminen zur Herstellung von Isocyanaten zu sehen. Die herangezogenen Vergleichsbeispiele seien nicht aussagekräftig, und daher bei der Formulierung der technischen Aufgabe nicht zu berücksichtigen.
XII. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerde und im weiteren verfahren brachte die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vor:
Die Beurteilung der Punkte betreffend ausreichende Offenbarung sowie erfinderische Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung sei in Bezug auf den ihr vorliegenden Hilfsantrag 2 korrekt. Insbesondere werde der Gegenstand des Anspruchs 1 dem Fachmann ausgehend von den von der Beschwerdeführerin erneut herangezogenen Dokumenten D5, D11 und D12 nicht nahegelegt. Durch die im Streitpatent selbst enthaltenen Beispiele sowie die mit Anlage 1 bereits im Einspruchsverfahren vorgelegten weiteren Versuche werde insbesondere gezeigt, dass durch die Unterscheidungsmerkmale in Bezug auf die Offenbarung des Dokuments D5 eine nicht zu erwartende Verbesserung des bekannten Phosgenierungsverfahrens erreicht werde. Daher liege erfinderische Tätigkeit vor. Auch wenn die gegenüber der Offenbarung des Dokuments D12 gelöste technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer Alternative gesehen werde, sei die beanspruchte Lösung für den Fachmann ausgehend von diesem Dokument ebenfalls nicht naheliegend.
XIII. Anträge der Parteien
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 751 073 und die Zulassung der Dokumente D16 und D17 ins Verfahren.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis von Hilfsantrag 2 (Hauptantrag), oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis der Hilfsanträge 3, 5 und 6 eingereicht am 7. Dezember 2018 im Einspruchsverfahren, sowie die Nicht-Zulassung der Dokumente D16 und D17 ins Verfahren.
Hauptantrag der Beschwerdegegnerin - Hilfsantrag 2 des Einspruchsverfahrens
1. Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
1.1 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Frage der Ausführbarkeit zunächst in Bezug auf den ihr vorliegenden Hauptantrag (erteilten Patents) erörtert. Sie kam darin zu dem Schluss, dass das Streitpatent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Da es in Bezug auf den ihr ebenfalls vorliegenden Hilfsantrag 2 des Beschwerdeverfahrens keine weiteren Einwände seitens der Einsprechenden gebe, gelte ihre Beurteilung auch für diesen Antrag.
1.2 Die Beschwerdeführerin widersprach dieser Auffassung. Sie brachte insbesondere vor, dass der Fachmann ohne extensive Nutzung seines allgemeinen Fachwissens nicht in die Lage versetzt werde zu beurteilen, ob das beanspruchte Verfahren über die gesamte beanspruchte Breite ausführbar sei. Vielmehr sei das Verfahren aufgrund der verwendeten Parameter so breit definiert, dass zunächst ein Forschungsprogramm durchgeführt werden müsse, um dessen Ausführbarkeit festzustellen. Hierzu verwies die Beschwerdeführerin insbesondere auf fehlende Angaben zu den zu verwendenden Aminen, zu den Mengen bzw. Mengenströmen der Ausgangsmaterialien oder deren Verhältnis zueinander, sowie zu den Verfahrensparametern. Sie argumentierte ferner, der Anspruch verlange auch, dass das Verfahren sowohl in gasförmiger als auch in flüssiger Phase durchgeführt werden könne. Im Patent werde jedoch lediglich ein Beispiel eines Flüssigphasenverfahrens beschrieben. Weder dieses Verfahren, noch ein anderes der im Streitpatent beschriebenen Verfahren falle jedoch unter das Verfahren gemäß Anspruch 1.
1.3 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann einen Mangel an ausführbarer Offenbarung nicht begründen.
Der vorliegende Anspruch 1 bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Isocyanaten. Hierbei werden Amine mit Phosgen umgesetzt. Zwar werden, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, weder die verwendeten Amine, noch die Mengenströme der eingesetzten Verbindungen im Anspruch angegeben, doch finden sich Informationen hierzu in der Beschreibung, beispielsweise zu den geeigneten Aminen (siehe die Absätze [0085] bis [0088]). Auch werden, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, in der Beschreibung Prozessparameter genannt, unter denen das beanspruchte Verfahren durchgeführt werden kann. Zudem werden in der Beschreibung des Streitpatents Beispiele beschrieben, die dem Fachmann als Grundlage für die Durchführung von anspruchsgemäßen Verfahren dienen können (siehe die Absätze [0090] bis [0093]).
Von der Beschwerdeführerin wurde weder vorgebracht, warum der Fachmann nicht in der Lage sein sollte, beispielsweise das im Absatz [0093] beschriebene Verfahren so abzuwandeln, dass darin auch das Verhältnis von Phosgen zu Amin gegenüber der Ausführungsform der vorangehend beschriebenen Beispiele erhöht wird, noch welche spezifischen Ausführungsformen der Fachmann nicht ausführen könne.
Auch wurde nicht begründet, auf welche konkreten Probleme der Fachmann bei der Nacharbeitung des beanspruchten Verfahrens stoßen würde, oder warum ihm aus der Patentschrift selbst und unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens nicht genügend Informationen zur Verfügung stünden, um diese gegebenenfalls auftretenden Probleme zu lösen.
Nach Ansicht der Kammer wurde deshalb nicht überzeugend dargelegt, dass der Fachmann nicht dazu imstande ist, das beanspruchte Verfahren über die gesamte beanspruchte Breite auszuführen.
1.4 Die Kammer stimmt daher der Einschätzung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin in Bezug auf die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens zu. Der Antrag erfüllt die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ.
2. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
2.1 Von der Einspruchsabteilung wurde das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit anerkannt. Sie hat dies ausgehend von den in den Dokumenten D5, D11 oder D12 offenbarten Verfahren als möglichem nächstliegenden Stand der Technik begründet. Sie sah ein Unterscheidungsmerkmal zwischen dem beanspruchten Verfahren und den jeweiligen Verfahren des Stands der Technik in den unter (i) und/oder (ii) des Anspruchs gemäß vorliegendem Antrag genannten Maßnahmen (Merkmal (i) gegenüber den in den Dokumenten D5 oder D11 offenbarten Verfahren, Merkmal (ii) gegenüber den in den Dokumenten D12 oder D11 offenbarten Verfahren). Die Einspruchsabteilung sah das gelöste technische Problem in der Bereitstellung alternativer Verfahren (gegenüber D5 und D12) bzw. in der Bereitstellung eines verbesserten Verfahrens (gegenüber D11). Sie stützte ihre Begründung teilweise auf die "Anlage 1". Diese war von der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) mit Erwiderung auf die Einspruchsschrift eingereicht worden. In der genannten Anlage werden Phosgenierungsverfahren beschrieben.
2.2 Die Beschwerdeführerin widersprach dieser Beurteilung durch die Einspruchsabteilung. Ihrer Ansicht nach sei das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht gegeben, und zwar ausgehend von jedem der drei genannten Dokumente.
2.3 Die Kammer vertritt in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass die Bereitstellung des beanspruchten Verfahrens auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Gründe hierzu sind die wie folgenden:
2.3.1 Die beanspruchte Erfindung
Das Streitpatent beschäftigt sich mit einem Verfahren zur Herstellung von Isocyanaten durch Umsetzung der korrespondierenden Amine mit Phosgen, und zwar bei einem Betrieb unterhalb der Nennkapazität der verwendeten Reaktoranlage (siehe die Absätze [0001], [0010] und [0011] der Beschreibung). Nach den Angaben des Streitpatents liegt die Problematik bei einer derartigen Umsetzung unterhalb der Nennkapazität darin, dass die verwendeten Anlagen aufgrund spezieller Anforderungen, beispielsweise hinsichtlich schneller Durchmischung der Eduktströme und enger Verweilzeitfenster des Reaktionsgemischs in den Reaktionsräumen, auf eine bestimmte Nennkapazität ausgelegt und für diese optimiert seien. Bei einem Betrieb unterhalb ihrer Nennkapazität arbeite eine Anlage nicht mehr im optimalen Bereich, was zu Ausbeuteverlusten, Foulingproblemen und/oder Qualitätseinbußen führe. Vor diesem Hintergrund sollte ein Verfahren bereitgestellt werden, bei dem bei unterschiedlichen Auslastungen, insbesondere im Teillastbereich, das Mischen der Ausgangsstoffe und/oder deren Reaktion miteinander in dem jeweils optimierten Verweilzeitfenster erfolge (Absätze [0010] und [0011]).
2.3.2 Nächstliegender Stand der Technik
Von der Beschwerdeführerin wurden, wie schon bereits im Einspruchsverfahren, zunächst die Dokumente D5, D11 und D12 als möglicher nächstliegender Stand der Technik herangezogen. Im Laufe der mündlichen Verhandlung räumte sie ein, dass sich Dokument D11 weniger gut als Ausgangspunkt zur Beurteilung von erfinderischer Tätigkeit eigne. Sie hat daher ihre zunächst vorgebrachte Argumentation während der mündlichen Verhandlung nicht weiterverfolgt.
In Bezug auf die Dokumente D5 und D12 verwies die Beschwerdeführerin auf Beispiel 3 (Dokument D5), bzw. auf die Beispiele 4 und 5 (Dokument D12). Aus diesen Beispielen lasse sich entnehmen, dass eine in den jeweiligen Dokumenten verwendete Anlage mit unterschiedlichen Ausgangsströmen an Aminen betrieben werde. Somit beschrieben die genannten Beispiele entweder einen Betrieb bei Nennlast, oder einen Teillastbetrieb.
Nach Ansicht der Kammer eignen sich als nächstliegender Stand der Technik zunächst prinzipiell Dokumente, die sich mit der Herstellung von Isocyanaten durch Umsetzung der korrespondierenden Amine mit Phosgen beschäftigen. Dies ist bei jedem der beiden letztendlich zur Erörterung der erfinderischen Tätigkeit herangezogenen Dokumente der Fall (D5: Beispiel 3, D12: Beispiele 3 und 4). Geeignete Dokumente sollten sich jedoch möglichst auch mit der Aufgabenstellung des Streitpatents beschäftigen, also mit der Aufgabe, ein Verfahren bereitzustellen, bei dem auch insbesondere im Teillastbereich der verwendeten Anlage auftretende Probleme vermieden werden können.
Dies wird jedoch in keinem der genannten Dokumente thematisiert.
Die Dokumente D5 und D12 offenbaren weder explizit die Durchführung der Verfahren unterhalb der Nennlast der verwendeten Anlagen, noch verweisen sie auf damit verbundene Probleme. Zwar werden, wie von der Beschwerdeführerin mit Verweis auf die vorstehend genannten Beispiele vorgebracht, Verfahren offenbart, die augenscheinlich auf den jeweils gleichen Anlagen realisiert werden, und bei denen verschiedene Mengan an Amin zugeführt werden, jedoch wird kein Zusammenhang hergestellt zwischen den verschiedenen darin beschriebenen Verfahren. Insbesondere wird in keinem der beiden Dokumente darauf eingegangen, ob und gegebenenfalls welche Schlussfolgerungen der Fachmann aus einem etwaigen Vergleich der jeweiligen Beispiele ziehen soll.
Die beiden genannten Dokumente eignen sich daher aus den vorstehend angegeben Gründen nur bedingt zur Beurteilung von erfinderischer Tätigkeit. In Ermangelung besser geeigneter Dokumente können sie jedoch, der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend, als möglicher nächstliegender Stand der Technik herangezogen werden. Wie nachstehend erläutert wird der Anspruchsgegenstand dem Fachmann ausgehend von keinem der Dokumente nahegelegt.
A. Dokument D5 als nächstliegender Stand der Technik
2.3.3 D5 - Unterscheidungsmerkmale
2.3.3.1 Dokument D5 offenbart im Beispiel 3 zwei Varianten eines Verfahrens zur Herstellung eines Isocyanats (Spalte 9, Zeile 10: "toluene diisocyanate") durch Umsetzung des korrespondierenden Amins (Spalte 8, Zeile 72: "2,4-tolylenediamine") mit Phosgen (Spalte 8, Zeile 74). Die Varianten werden in derselben Anlage durchgeführt (siehe die Zeilen 72 bis 74 der Spalte 8 sowie die Zeilen 30 bis 50 der Spalte 7).
2.3.3.2 Zunächst wird dabei eine Verfahrensvariante beschrieben, bei der der Reaktoranlage 65,3 Anteile Phosgen pro Stunde und 15,5 Anteile Amin in 253 Anteilen inertem Stoff (o-Dichlorbenzol als Lösungsmittel) pro Stunde zugeführt werden. Das Verhältnis von Phosgen zu Amin beträgt somit 4,2 (65,3 : 15,5), und die Konzentration des inerten Stoffs im Amin beträgt 16,3 (253 : 15,5) (Spalte 8, Zeile 72 bis Spalte 9, Zeile 10).
2.3.3.3 In einer weiteren Variante werden der Reaktoranlage 120,5 Anteile Phosgen pro Stunde und 28,6 Anteile Amin in 253 Anteilen inertem Stoff (o-Dichlorbenzol als Lösungsmittel) pro Stunde zugeführt. Das Verhältnis von Phosgen zu Amin beträgt somit ebenfalls 4,2 (120,5 : 28,6). Jedoch beträgt die Konzentration des inerten Stoffs im Amin hierbei lediglich 8,8 (253 : 28,6)(Spalte 8, Zeile 72 bis Spalte 9, Zeile 10).
2.3.3.4 Die beiden im Beispiel 3 des Dokuments D5 offenbarten Varianten unterscheiden sich demnach zunächst dadurch, dass in der ersten Variante pro Stunde deutlich weniger Amin eingesetzt wird als in der zweiten Variante (15,5 Anteile gegenüber 28,6 Anteilen). Daraus schloss die Beschwerdeführerin, dass die erste Variante ein Verfahren unter Teillast beschreibt, die zweite hingegen ein Verfahren, bei dem die verwendete Anlage bei ihrer Nennkapazität betrieben wird. Diese Betrachtungsweise war zwischen den Parteien unstrittig.
Ebenfalls unstrittig war, dass das Verhältnis von Phosgen zu Amin in beiden Varianten dasselbe ist (4,2 - siehe vorstehende Absätze), sowie dass sich die Varianten in der Konzentration des inerten Stoffes in dem Amin enthaltenden Eduktstrom unterscheiden, wobei diese Konzentration in der "Teillast"-Betriebsweise gegenüber der "Nennkapazität"-Ausführung erhöht ist (16,3 gegenüber 8,8 - siehe vorstehende Absätze). Merkmal (ii) des anspruchsgemäßen Verfahrens wird somit bei einem Vergleich der beiden Ausführungsvarianten erfüllt.
2.3.3.5 Aus den vorgenannten Überlegungen folgerten die Parteien übereinstimmend, dass sich das gemäß vorliegendem Hauptantrag beanspruchte Verfahren vom Verfahren des Beispiels 3 aus Dokument D5 einerseits dadurch unterscheidet, dass beim Betrieb unterhalb der Nennkapazität einer Reaktoranlage im Vergleich zum Betrieb bei Nennkapazität das Verhältnis von Phosgen zu Amin erhöht wird (Merkmal (i) im Anspruch 1). Andererseits wird im Dokument D5 auch nicht offenbart, dass die in (i) und (ii) des Anspruchs 1 genannten Maßnahmen "in Zeiträumen von mindestens 6 Stunden, in denen der Mengenstrom S**(x) der eingesetzten Amine unterhalb von 95% des Mengenstroms S**(0) der eingesetzten Amine bei Betrieb bei der Nennkapazität der Reaktoranlage liegt, im Vergleich zum Betrieb bei der Nennkapazität des Reaktors" durchgeführt werden. Auch dies war unstrittig zwischen den Parteien.
2.3.4 D5 - Technische Aufgabe
2.3.4.1 Einigkeit zwischen den Parteien herrschte zudem darin, dass das sich auf den Zeitraum von 6 Stunden beziehende Merkmal nicht zu einer belegbaren technischen Wirkung führt.
2.3.4.2 Die Parteien vertraten jedoch unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der technischen Wirkung, die durch das Merkmal betreffend die Veränderung des Verhältnisses von Phosgen zu Amin hervorgerufenen wird. Während die Beschwerdeführerin vorbrachte, durch dieses Merkmal werde keine erkennbare technische Wirkung hervorgerufen, argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass eine Erhöhung des Verhältnisses von Phosgen zu Amin beim Übergang von einer Betriebsweise bei Nennkapazität auf eine Betriebsweise in Teillast dazu führe, dass ein Ausbeuteverlust vermieden werden könne. Sie verwies hierzu auf die Beispiele im Streitpatent sowie die im Dokument "Anlage 1" beschriebenen Beispiele.
2.3.4.3 Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin ist aus folgenden Gründen überzeugend:
Im "Vergleichsbeispiel 1" des Streitpatents wird ein Verfahren beschrieben, bei dem Toluendiisocyanat (TDI) durch Phosgenierung von Toluenyldiamin (TDA) in einer Anlage hergestellt wird, die bei Nennkapazität arbeitet (Absatz [0090]). Die Konzentration des Amins (TDA) im inerten Stoffs (Monochlorbenzol) beträgt 30 Gew.-%, umgekehrt beträgt somit die Konzentration des inerten Stoffs in dem Amin enthaltenden Produktstrom 70%. Das Verhältnis von Phosgen zu Amin beträgt 10. Die durch das beschriebene Verfahren erreichte Ausbeute an TDA beträgt 93,4% (Absatz [0091]).
Gemäß "Vergleichsbeispiel 2" des Streitpatents werden sowohl amin- als auch phosgenhaltiger Eduktstrom halbiert, um die Anlage unterhalb ihrer Nennkapazität, nämlich bei 50%, zu betreiben. Dadurch fällt die Ausbeute an TDA im Vergleich zu "Vergleichsbeispiel 1" von 93,4% auf 80,2% (Absatz [0092]).
Durch das in Anlage 1 als "Erfindungsgemäßes Beispiel 2" bezeichnete Verfahren wird gezeigt, dass - ausgehend von der unter 50% ihrer Nennlast betriebenen Anlage des Vergleichsbeispiels 2 des Streitpatents - eine Erhöhung des Verhältnisses Phosgen zu Amin von 10 (Streitpatent, Vergleichsbeispiel 2) auf 18,4 (Anlage 1, Erfindungsgemäßes Beispiel 2) zu einer Erhöhung der Ausbeute auf 93,4 % erfolgt, also auf den bei der Umsetzung bei Nennkapazität erhaltenen Wert (Absatz [0091]).
Somit lässt der Vergleich der Verfahren gemäß "Vergleichsbeispiel 2" (Absatz [0092] der Beschreibung) und "Erfindungsgemäßes Beispiel 2" (Anlage 1) mit "Vergleichsbeispiel 1" (Absatz [0090] der Beschreibung) den Schluss zu, dass beim untersuchten Phosgenierungsverfahren eine Ausbeuteverringerung vermieden werden kann, wenn bei der mit einer Verringerung der Kapazität einer Anlage zunächst verbundenen gleich großen Reduzierung beider Eduktströme das Verhältnis von Phosgen zu Amin erhöht wird. Das vorstehend genannte Unterscheidungsmerkmal zum Verfahren gemäß Dokument D5, Beispiel 3, (Merkmal (i) von Anspruch 1, siehe unter Punkt 2.3.3 dieser Entscheidung) führt demnach zu einer Verringerung des Ausbeuteverlusts bei einem Verfahren, welches unterhalb der Nennkapazität der Anlage betrieben wird.
2.3.4.4 Von der Beschwerdeführerin wurde vorgebracht, dass sich diese geltend gemachte technische Wirkung bereits durch die alleinige Maßnahme einer Erhöhung der Konzentration des inerten Stoffs in dem Amin enthaltenden Eduktstrom erreichen ließe. Daher könne dem genannten Unterscheidungsmerkmal keine technische Wirkung zugeschrieben werden. Sie verwies hierzu insbesondere auf das als "Erfindungsgemäßes Beispiel 1" bezeichnete Verfahren des Streitpatents (Absatz [0093] der Beschreibung).
2.3.4.5 Aus dem von der Beschwerdeführerin herangezogenen Verfahren "Erfindungsgemäßes Beispiel 1" geht in der Tat hervor, dass die unter Punkt 2.3.4.3 dieser Entscheidung erläuterte technische Wirkung ausgehend von "Vergleichsbeispiel 2" (Absatz [0092] der Beschreibung) auch alternativ durch das im Anspruch 1 unter (ii) angeführte Merkmal erreicht werden kann. Auch eine Erhöhung der Menge des inerten Mittels Monochorbenzol im Amin enthaltenden Eduktstrom von 70% ("Vergleichsbeispiel 1" und "Vergleichsbeispiel 2") auf 82% ("Erfindungsgemäßes Beispiel 1", die Konzentration von Toluyldiamin in Monochlorbenzol beträgt hier lediglich 18 Gew.-%) bewirkt nämlich eine Ausbeutesteigerung auf erneut 93,4%. Dadurch wird jedoch nicht in Zweifel gezogen, dass der besagte Effekt auch durch das Merkmal (i) des Anspruchs 1 hervorgerufen wird, wie vorstehend erläutert.
2.3.4.6 Zudem wurde durch das in Anlage 1 als "Erfindungsgemäßes Beispiel 3" bezeichnete Verfahren gezeigt, dass die Maßnahme (i) - also das Unterscheidungsmerkmal zum nächstliegenden Stand der Technik des Beispiels 3 aus Dokument D5 - auch dann eine technische Wirkung hervorruft, wenn gleichzeitig auch die Maßnahme (ii) ergriffen wird. Im genannten Beispiel wird - ausgehend vom Verfahren aus "Vergleichsbeispiel 2" sowohl das Verhältnis von Phosgen zu Amin erhöht, nämlich von 10 zu 12,6 (Maßnahme (i) des Anspruchs 1), als auch die Konzentration des inerten Stoffs in dem Amin enthaltenden Eduktstrom erhöht, nämlich von 70% auf 74,6% - die Konzentration des Amins in Monochlorbenzol beträgt 25,4% (Maßnahme (ii) des Anspruchs 1). Die erreichte Ausbeute beträgt wiederum 93,4%. Unter Berücksichtigung der gemäß "Erfindungsgemäßes Beispiel 3" erhaltenen Ausbeute von ebenfalls 93,4% - bei einer Erhöhung der Konzentration des inerten Stoffs in dem Amin enthaltenen Produktstrom von 70% auf 82% wäre eine geringere Ausbeutesteigerung zu erwarten, wenn alleine die Konzentration von 70% auf 74,6% erhöht worden wäre. Daher muss die tatsächlich beobachtete Ausbeuteverbesserung auch durch die Erhöhung des Verhältnisses von Phosgen zu Amin hervorgerufen worden sein.
2.3.4.7 Aus der Gesamtschau der genannten Beispiele lässt sich daher der Schluss ziehen, dass durch das erste vorstehend genannte Unterscheidungsmerkmal zum nächstliegenden Stand der Technik Beispiel 3 des Dokuments D5, nämlich dass gemäß Merkmal (i) des Anspruchs 1 "das Verhältnis von Phosgen zu Amin erhöht wird" ein Ausbeuteverlust vermieden oder zumindest verringert werden kann. Dieser Effekt tritt sowohl dann auf, wenn keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden (siehe unter Punkt 2.3.4.3 dieser Entscheidung), als auch wenn im Teillastbetrieb verglichen mit dem Betrieb bei Nennkapazität die Konzentration des inerten Stoffs in dem Amin enthaltenden Eduktstrom erhöht ist (siehe unter Punkt 2.3.4.6 der vorliegenden Entscheidung).
2.3.4.8 Die Beschwerdeführerin brachte auch vor, dass weder das erste Beispiel der Anlage 1, noch das Beispiel im Absatz [0093] der Beschreibung des Streitpatents erfindungsgemäß seien. Darin seien nämlich jeweils nur eines der beiden Merkmale (i) und (ii) realisiert. Dahingegen seien anspruchsgemäß beide Maßnahmen zusammen anzuwenden. Auch wenn dies zutrifft, was von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde, können die herangezogenen Beispiele jedoch eine durch das Unterscheidungsmerkmal (Merkmal (i) des Anspruchs) gegenüber der Offenbarung aus Dokument D5 hervorgerufene technische Wirkung belegen, wie vorstehend erläutert.
2.3.4.9 Von der Beschwerdeführerin wurde zudem vorgebracht, dass die herangezogenen Beispiele keine tatsächlich durchgeführten Verfahren repräsentierten, sondern lediglich auf Berechnungen der Beschwerdegegnerin beruhten. Dies gehe bereits aus der Beschreibung des Streitpatents hervor (Absatz [0089]). Berechnungen seien jedoch gegebenenfalls mit Ungenauigkeiten verbunden, daher sollten die Ergebnisse entsprechend vorsichtig interpretiert werden.
Durch die Beschwerdegegnerin wurde dies im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Kammer dahingehend bestätigt, dass die in den Beispielen beschriebenen Verfahren das Ergebnis von Berechnungen darstellten, die jedoch unter Verwendung von Daten, wie beispielsweise Mengenströmen und Mischzeiten, aus realen Verfahren beruhten. Daher seien die Ergebnisse verlässlich und aussagekräftig.
Für die Kammer ist kein Grund ersichtlich, warum die genannten Beispiele nicht für die Frage möglicher technischer Wirkungen herangezogen werden sollten. Zunächst wurden von der Beschwerdegegnerin lediglich Bedenken vorgetragen, jedoch keine nachvollziehbaren Argumente, die dazu führen würden, die Versuchsergebnisse nicht zu berücksichtigen. Zudem bestand Einigkeit zwischen den Parteien, dass insbesondere bei großtechnischen Verfahren routinemäßig Simulationen durchgeführt, und deren Ergebnisse für die Planung von durchzuführenden Verfahren berücksichtigt werden.
2.3.4.10 Von der Beschwerdeführerin wurde im Weiteren vorgebracht, dass eine etwaige technische Wirkung zumindest nicht über die gesamte beanspruchte Breite gezeigt wurde. Ihrer Ansicht nach umfasse der Anspruchswortlaut beispielsweise auch Ausführungsformen, bei denen zwar einerseits das Verhältnis von Phosgen zu Amin erhöht werde, andererseits schließe der Anspruchswortlaut aber nicht aus, dass gleichzeitig beispielsweise die Konzentration des inerten Stoffs in dem Amin enthaltenden Eduktstrom erniedrigt werde. Dadurch würden die jeweiligen gegenteiligen Teilwirkungen kompensiert, und im Ergebnis wäre eine Gesamtwirkung in Form verringerter Ausbeuteverluste nicht erreichbar.
2.3.4.11 Die Kammer erachtet diese Argumentation nicht für durchgreifend. Das beanspruchte Verfahren wird durch Merkmale definiert, die zur Realisierung des Verfahrens durchgeführt werden müssen. Auch wenn zusätzliche Merkmale oder Verfahrensschritte nicht explizit ausgeschlossen werden, kann der vorliegende Anspruch nicht derart interpretiert werden, dass er zusätzlich zu den angegebenen Merkmale auch noch beliebige weitere Merkmale enthält. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie von der Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall vorgebracht, aus der Gesamtheit des Streitpatents keinerlei diesbezüglichen Hinweise entnommen werden können.
2.3.4.12 Zusammenfassend kann daher die objektive technische Aufgabe, die auch tatsächlich gelöst wurde, darin gesehen werden, bei einer unter Teillast betriebenen Reaktoranlage, und der hierbei reduzierten Menge an zugeführtem Amin, eine damit verbundene Verringerung der Ausbeute an Isocyanaten zu reduzieren.
2.3.5 D5 - Vorgeschlagene Lösung
Anspruchsgemäß wird die genannte technische Aufgabe durch das Merkmal (i) gelöst, nämlich dadurch, dass das Verhältnis von Phosgen zu Amin erhöht wird.
2.3.6 D5 - Nicht-Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
2.3.6.1 Von der Beschwerdeführerin wurde argumentiert, dass der Fachmann bereits Dokument D5 selbst entnehmen würde, das im Beispiel 3 beschriebene Verfahren durch Erhöhung des Verhältnisses von Phosgen zu Amin abzuändern. Sie verwies hierzu insbesondere auf die Zeilen 12 bis 20 der Spalte 4 des Dokuments. Dort werde dem Fachmann vorgeschlagen, den Anteil an Phosgen zu erhöhen. Der Fachmann würde auch bereits durch routinemäßiges Vorgehen die Verfahrensbedingungen systematisch ändern, und daher automatisch zu den beanspruchten Maßnahmen gelangen. Er würde daher auch über den im Beispiel 3 offenbarten Anteil an Phosgen zu Amin hinausgehen. Diese Maßnahme werde dem Fachmann zudem auch im Dokument D12 vorgeschlagen (Spalte 3, Zeilen 27 bis 33). Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, dass der Fachmann aufgrund der genannten Anregungen das Verhältnis Phosgen zu Amin insbesondere im erstgenannten Verfahren des Beispiels 3 erhöhen würde, also im Verfahren unter reduzierter Reaktorauslastung. Dieses Beispiel alleine sei als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten, da im betrachteten Antrag kein zweistufiges Verfahren beansprucht werde.
2.3.6.2 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt die Kammer nicht.
Zunächst ist bei der Beurteilung des Naheliegens der im Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik getroffenen Maßnahme die objektive technische Aufgabe zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, ob der Fachmann aus dem herangezogenen Stand der Technik eine Anregung dazu erhalten würde, die Lehre des Dokuments D5 anspruchsgemäß abzuändern, um zu einem Verfahren zu gelangen, bei dem im Teillastbetrieb - also unter reduzierter Aminzufuhr - ein Ausbeuteverlust des hergestellten Isocyanats reduziert werden kann. Dies ist nach Ansicht der Kammer vorliegend jedoch nicht der Fall.
Von der Beschwerdegegnerin wurde hierzu argumentiert, dass bei einer Verringerung der Auslastung einer Phosgenierungsanlage über einen bestimmten Zeitraum - anspruchsgemäß mindestens 6 h - mit der Reduktion des zugeführten Amins auch die Menge an zugeführtem Phosgen in etwa anteilsmäßig reduziert werde. Dies führe unter anderem zu einer Vermeidung der Notwendigkeit der Rückgewinnung von nicht umgesetztem Phosgen und damit verbundenen Risiken von überschüssigem Phosgen in der Anlage. Daher ändere sich das Verhältnis von Phosgen zu Amin zunächst nicht. Die Kammer erachtet dieses Vorbringen nachvollziehbar.
Zwar wird - wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht - sowohl im Dokument D5 selbst (Spalte 4, Zeilen 12 bis 20), als auch im Dokument D12 (Spalte 3, Zeilen 27 bis 33) darauf verwiesen, dass Phosgen im Verhältnis zu Amin im Überschuss eingesetzt werden kann. Jedoch würde dies zunächst dazu führen, dass diese Maßnahme bei beiden im Beispiel 3 beschriebenen Verfahrensvarianten getroffen würde. Hierdurch verändert sich jedoch nicht das Verhältnis von Phosgen zu Amin eines Verfahrens unter Teillast im Vergleich zu einem Verfahren, welches bei Nennkapazität eines Reaktors betrieben wird. Gerade dies wird jedoch im Anspruch gefordert. Zwar hat die Beschwerdeführerin auch vorgebracht, dass der Fachmann die Maßnahme lediglich im ersten der beiden beschriebenen Verfahren ergreifen würde. Warum dies der Fall sein sollte wurde allerdings nicht durch weitere Ausführungen gestützt. Der Kammer erscheint dies auch nicht überzeugend.
Daher geben die genannten Passagen der Dokumente D5 und D12 dem Fachmann bereits keinen Hinweis dazu, das Verhältnis von Phosgen zu Amin mit der Reduktion der Anlagenauslastung zu erhöhen. Umso weniger kann in den genannten Passagen ein Hinweis darauf entnommen werden, diese Maßnahme zu ergreifen im Hinblick auf die genannte technische Aufgabe, die durch das anspruchsgemäße Vorgehen gelöst wird.
2.3.7 Somit wird das beanspruchte Verfahren dem Fachmann ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments D5 nicht nahegelegt, und zwar ungeachtet der Berücksichtigung des weiteren, sich auf den Zeitraum von 6 h beziehende Unterscheidungsmerkmal (siehe unter Punkt 2.3.3.5 dieser Entscheidung).
B. Dokument D12 als nächstliegender Stand der Technik
2.3.8 D12 - Unterscheidungsmerkmal
2.3.8.1 Im Zusammenhang mit erfinderischer Tätigkeit wurden von den Parteien die Beispiele 3 und 4 des Dokuments D12 herangezogen. In diesen Beispielen wird ebenfalls ein Verfahren zur Herstellung eines Isocyanats (1,6-diisocyanatohexane) durch Umsetzung von Phosgen mit dem entsprechenden Amin (1,6-diaminohexane) beschrieben. Dabei werden im Beispiel 4 54 kg/h an Amin (als 16,8%-ige Aminlösung in o-Dichlorbenzen als Lösungsmittel) zugeführt, im Beispiel 3 hingegen nur 40 kg/h (als 17,8%-ige Lösung in o-Dichlorbenzen als Lösungsmittel). Einigkeit zwischen den Parteien bestand dahingehend, dass Beispiel 4 somit als Verfahren bei Nennkapazität der verwendeten Reaktoranlage angesehen werden kann, Beispiel 3 hingegen als ein Verfahren, welches unter Teillast des Reaktors durchgeführt wird.
2.3.8.2 Unstrittig zwischen den Parteien war, dass im Teillastbetrieb (Beispiel 3) das Verhältnis von Phosgen zu Amin im Gegensatz zum Verfahren bei angenommener Nennkapazität (Beispiel 4) unter Berücksichtigung der jeweiligen Konzentrationen höher, nämlich etwa verdoppelt, ist. Merkmal (i) des vorliegenden Anspruchs ist daher im Verfahren gemäß Dokument D12 ebenfalls erfüllt.
2.3.8.3 Auch war unstrittig, dass beim Verfahren unter Teillast (Beispiel 3) im Vergleich zum Verfahren bei angenommener Nennkapazität (Beispiel 4) weniger Lösungsmittel eingesetzt wird, und zwar sowohl im das Phosgen, als auch im das Amin enthaltenden Eduktstrom. So beträgt die Konzentration an Phosgen in o-Dichlorbenzen im Beispiel 3 61,7%, im Beispiel 4 hingegen nur 43,9%, die Konzentrationen des inerten Stoffs (Lösungsmittel) in dem Phosgen enthaltenden Produktstrom ergibt damit etwa 38% im Beispiel 3 bzw. 56% im Beispiel 4. Ebenso ist die Konzentration des Amins im Beispiel 3 (Teillast) mit 17,8% höher als im Beispiel 4 (Nennkapazitäät), die jeweiligen Konzentrationen der inerten Stoffs daher niedriger im Teillastbetrieb. Dies steht im Gegensatz zu Merkmal (ii) des anspruchsgemäßen Verfahrens, da hierbei in einer der beanspruchten Möglichkeiten die Konzentration des inerten Stoffs in dem Phosgen und/oder Amin enthaltenden Eduktstrom erhöht wird.
2.3.8.4 Des weiteren war unstrittig, dass das Merkmal "in Zeiträumen von mindestens 6 h", wie gegenüber der Offenbarung des Dokuments D5, ein weiteres Unterscheidungsmerkmal darstellt.
2.3.9 D12 - Technische Aufgabe
In Übereinstimmung sahen beide Parteien die in Bezug auf die Offenbarung des Dokuments D12 zu definierende objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Herstellung von Isocyanaten durch Phosgenierung der entsprechenden Amine. Die Kammer erachtet diese Definition ebenfalls als zutreffend.
2.3.10 D12 - Vorgeschlagene Lösung
Beide Parteien brachten vor, dass zur Lösung der gestellten Aufgabe anspruchsgemäß vorgeschlagen wird, dass "(ii) die Konzentration des inerten Stoffs oder der inerten Stoffe in dem Amin enthaltenden Eduktstrom A und/oder dem Phosgen enthaltenden Eduktstrom P erhöht wird." Die Kammer stimmt auch dieser Betrachtung zu.
2.3.11 D12 - Nicht-Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
Zur Stütze ihrer Argumentation des Naheliegens der vorgeschlagenen Lösung hat die Beschwerdeführerin neben Dokument D12 selbst auch auf Dokument D9 verwiesen. Aus beiden Dokumenten entnehme der Fachmann die technische Lehre, das Amin gegebenenfalls in einer größeren Menge Lösungsmittel zuzusetzen, als in den Beispielen 3 und 4 des Dokuments D12 verwendet werde. So beschreibe Dokument D12 beispielsweise im Beispiel 1 eine Aminkonzentration von lediglich 15%, und damit also eine höhere Konzentration des inerten Stoffs (85%) im Vergleich zu den Beispielen 3 und 4. Im Dokument D9 seien Konzentrationen von minimal 2% Amin im Lösungsmittel vorgeschlagen (Spalte 2, Zeilen 9 bis 12 und Zeilen 16 bis 55), und damit ein deutlich höherer Wert an inertem Stoff als in den angeführten Beispielen des Dokuments D12. Aus Dokument D9 gehe zudem hervor, dass bei größerer Verdünnung mit weniger Nebenprodukten zu rechnen sei. Auch sei davon auszugehen, dass der Fachmann auf der Suche nach einer Verbesserung der Ausbeute von 96% im Beispiel 3 des Dokuments D12 eine höhere Verdünnung des zugeführten Amins und damit eine Erhöhung der Konzentration des inerten Stoffs in Betracht ziehen würde.
2.3.12 Auch diese Argumentation überzeugt nicht. Zwar ist zutreffend, dass für die betrachtete Phosgenierungsreaktion im Stand der Technik verschiedene Konzentrationen der zugeführten Eduktströme offenbart werden. Jedoch entnimmt der Fachmann keiner der herangezogenen Passagen, den oder die Eduktströme beim Übergang vom Nennlastbetrieb zum Teillastbetrieb zu verdünnen. Ein Vergleich der Beispiele 3 und 4 des Dokuments D12 beschreibt ja gerade die gegenteilige Vorgehensweise, wie vorstehend erläutert. Eine Erhöhung der Konzentration des oder der inerten Stoffe(s) in beiden Verfahren unterschiedlicher Reaktorauslastung führt jedoch nicht zur anspruchsgemäßen Lösung des technischen Problems, da hierbei die Konzentration des inerten Stoffes beim Teillastbetrieb im Vergleich zum Betrieb bei Nennkapazität erhöht wird.
2.3.13 Somit wird das beanspruchte Verfahren dem Fachmann auch ausgehend von der technischen Lehre des Dokuments D12 nicht nahegelegt.
2.4 Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist somit nicht geeignet, um einen Mangel an erfinderischer Tätigkeit zu belegen. Der vorliegende Hauptantrag erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ, auch die diesbezügliche Entscheidung der Einspruchsabteilung hat deshalb Bestand.
Weitere Anträge
3. Da dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin - der Zurückweisung der Beschwerde - stattgegeben wird, können deren hilfsweise gestellten Anträge, also die Aufrechterhaltung auf der Basis einer der Hilfsanträge 3, 5 und 6, unberücksichtigt bleiben.
Da die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht auf die Dokumente D16 und D17 gestützt hat, erübrigt sich eine Entscheidung über deren Zulassung ins Verfahren.
4. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Patent auf der Grundlage des vorliegenden Hauptantrags der Beschwerdegegenerin - des Hilfsantrags 2 des Einspruchsverfahrens - den Voraussetzungen des EPÜ, insbesondere hinsichtlich der Ausführbarkeit im Sinne des Artikels 83 EPÜ sowie des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ genügt. Die von der Einsprechenden angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung hat somit Bestand.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.