T 0026/20 (Einander zugeordnet/FRESENIUS) 12-07-2022
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Medizinisches Behandlungssystem mit einer Vorrichtung zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten
Patentansprüche - Klarheit (nein)
Änderungen - zulässig (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Anmeldung zurückzuweisen. Die angefochtene Entscheidung kam zu dem Ergebnis, dass die Anmeldung die Erfordernisse der Artikel 56, 123(2) und 84 EPÜ nicht erfüllt.
II. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags zu erteilen, der dem Hilfsantrag 2 entspricht, auf Grundlage dessen die Prüfungsabteilung beabsichtigt hatte, ein Patent zu erteilen. Sie beantragte hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
III. Die Kammer hat die Beschwerdeführerin zu einer mündlichen Verhandlung geladen. In ihrer vorläufigen Meinung erhob die Kammer Einwände unter anderem nach Artikel 84 und 123(2) EPÜ.
IV. Als Antwort hierauf zog die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück, ohne inhaltlich zu den Einwänden der Kammer Stellung zu nehmen. Die anberaumte mündliche Verhandlung wurde somit annulliert.
V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Medizinisches Behandlungssystem mit
mindestens einer Vorrichtung zur Durchführung einer medizinischen Behandlung (1, 1', 1"), die eine zentrale Steuereinheit, eine Einrichtung (1B) zur Eingabe und Anzeige von maschinenbezogenen Daten zur Steuerung der Behandlungsvorrichtung und eine Einrichtung (1B) zur Eingabe und Anzeige von patientenbezogenen Daten aufweist,
einer Vorrichtung (2) zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten, die eine Einrichtung zur Speicherung von patientenbezogenen Daten aufweist, wobei
die mindestens eine Behandlungsvorrichtung und die Vorrichtung zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten derart zusammenwirken, dass mit der Eingabe- / Anzeigeeinrichtung eingegebene Daten mit der Speichereinrichtung gespeichert und mit der Speichereinrichtung gespeicherte Daten mit der Eingabe- / Anzeigeeinrichtung angezeigt werden können,
die Eingabe-/Anzeigeeinrichtung (1B) eine Mehrzahl von Mitteln zur Eingabe und Anzeige unterschiedlicher Gruppen von patientenbezogenen Daten aufweist, wobei jedes Mittel zur Eingabe und Anzeige einer Gruppe von patientenbezogenen Daten aufweist:
Mittel zur Anzeige einer Mehrzahl von Datensätzen,
Mittel zur Auswahl eines oder mehrerer Datensätze aus der Mehrzahl der Datensätze, und
Mittel zur Anzeige eines oder mehrerer der ausgewählten Datensätze, und wobei
die Behandlungsvorrichtung und die Speichereinrichtung derart zusammenwirken, dass mindestens ein Teil der ausgewählten Datensätze mit der Speichereinrichtung gespeichert werden können,
dadurch gekennzeichnet,
die Mittel zur Eingabe und Anzeige einer Gruppe von patientenbezogenen Daten Mittel zur Eingabe eines oder mehrerer Datensätze aufweisen, wobei die Mittel zur Auswahl eines oder mehrerer Datensätze mit den Mitteln zur Eingabe eines oder mehrerer Datensätze derart zusammenwirken, dass die eingegebenen Datensätze den jeweils ausgewählten Datensätzen zugeordnet und angezeigt werden, wobei
zu einer Gruppe von patientenbezogenen Daten während der Behandlung auftretende Ereignisse (17) und zu einer Gruppe von patientenbezogenen Daten während der Behandlung vorgenommene Aktionen (16) zählen und
die Eingabe- / Anzeigeeinrichtung (1B) und die Vorrichtung (2) zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten derart zusammenwirken, dass die ausgewählten Ereignisse und Aktionen einander zugeordnet werden und zur Dokumentation mit der Speichereinrichtung der Reihe nach abgespeichert und in einer Liste (18) von abgespeicherten Ereignissen und Aktionen angezeigt werden".
VI. Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet wie folgt:
"Medizinisches Behandlungssystem mit
mindestens einer Vorrichtung zur Durchführung einer medizinischen Behandlung (1, 1', 1"), die eine zentrale Steuereinheit, eine Einrichtung (1B) zur Eingabe und Anzeige von maschinenbezogenen Daten zur Steuerung der Behandlungsvorrichtung und eine Einrichtung (1B) zur Eingabe und Anzeige von patientenbezogenen Daten aufweist, wobei die Eingabe- / Anzeigeeinrichtung (1B) derart ausgebildet ist, dass in einem Behandlungsmodus maschinenbezogene Datensätze und in einem Patientenmodus patientenbezogene Datensätze angezeigt werden können,
einer Vorrichtung (2) zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten, die eine Einrichtung zur Speicherung von patientenbezogenen Daten aufweist, wobei
die mindestens eine Behandlungsvorrichtung und die Vorrichtung zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten derart zusammenwirken, dass mit der Eingabe- / Anzeigeeinrichtung eingegebene Daten mit der Speichereinrichtung gespeichert und mit der Speichereinrichtung gespeicherte Daten mit der Eingabe- / Anzeigeeinrichtung angezeigt werden können,
die Eingabe- /Anzeigeeinrichtung (1B) im Patientenmodus eine Mehrzahl von Mitteln zur Eingabe und Anzeige unterschiedlicher Gruppen von patientenbezogenen Daten aufweist, wobei jedes Mittel zur Eingabe und Anzeige einer Gruppe von patientenbezogenen Daten aufweist:
Mittel zur Anzeige einer Mehrzahl von Datensätzen,
Mittel zur Auswahl eines oder mehrerer Datensätze aus der Mehrzahl der Datensätze, und
Mittel zur Anzeige eines oder mehrerer der ausgewählten Datensätze, und wobei
die Behandlungsvorrichtung und die Speichereinrichtung derart zusammenwirken, dass mindestens ein Teil der ausgewählten Datensätze mit der Speichereinrichtung gespeichert werden können,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Mittel zur Eingabe und Anzeige einer Gruppe von patientenbezogenen Daten Mittel zur Eingabe eines oder mehrerer Datensätze aufweisen, wobei die Mittel zur Auswahl eines oder mehrerer Datensätze mit den Mitteln zur Eingabe eines oder mehrerer Datensätze derart zusammenwirken, dass die eingegebenen Datensätze den jeweils ausgewählten Datensätzen zugeordnet und angezeigt werden können, wobei
zu einer Gruppe von patientenbezogenen Daten während der Behandlung auftretende Ereignisse (17) und zu einer Gruppe von patientenbezogenen Daten während der Behandlung vorgenommene Aktionen (16) zählen und
die Eingabe- /Anzeigeeinrichtung (1B) und die Vorrichtung (2) zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten derart zusammenwirken, dass die ausgewählten Ereignisse und Aktionen einander zugeordnet werden und zur Dokumentation mit der Speichereinrichtung der Reihe nach abgespeichert und in einer Liste (18) von abgespeicherten Ereignissen und Aktionen angezeigt werden können, und wobei
zu einer Gruppe von patientenbezogenen Daten verordnete Medikamente (Medikament 1, Medikament 2, Medikament 3, Medikament 4, Medikament 5) zählen und die Eingabe- /Anzeigeeinrichtung (1B) und die Vorrichtung (2) zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten derart zusammenwirken,
dass aus einer Mehrzahl von jeweils ein verordnetes Medikament (Medikament 1, Medikament 2, Medikament 3, Medikament 4, Medikament 5) beschreibenden Datensätzen, die von der Vorrichtung (2) zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten geladen werden, der das gewünschte Medikament beschreibende Datensatz auswählbar ist, wobei der Schriftzug des ausgewählten Medikaments farblich unterlegt wird, und das verordnete Medikament durch Betätigung eines Buttons angenommen oder abgelehnt werden kann, wobei
in einer Liste angenommener oder abgelehnter Medikamente, wenn durch Betätigung des Buttons das ausgewählte Medikament angenommen wurde, das ausgewählte Medikament angezeigt und mit einem Haken gekennzeichnet wird, und wenn das ausgewählte Medikament abgelehnt wurde, das Medikament angezeigt und mit einem Kreuz gekennzeichnet wird."
1. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Im Anspruch 1 beider Anträge ist unklar, was technisch damit gemeint ist, dass "die eingegebenen Datensätze den jeweils ausgewählten Datensätzen zugeordnet und angezeigt werden" und "die ausgewählten Ereignisse und Aktionen einander zugeordnet werden". Soweit es verstanden werden kann, handelt es sich bei den anspruchgemäßen "Mitteln" um Seiten mit einzeln selektierbaren Feldern, die auf einem Touchscreen wiedergegeben werden (siehe die Beschreibung, Seite 2, letzter Absatz). Die Anmeldung definiert nicht, was im vorliegenden Fall unter "zuordnen" zu verstehen ist. Das Wort "zugeordnet" wird in dem einschlägigen Ausführungsbeispiel auf Seiten 9-10 der Beschreibung mit Verweis auf Figuren 4A bis 4D nur einmal im letzten Satz des ersten vollständigen Absatzes auf Seite 10 verwendet ("Dem ausgewählten Datensatz 'Medikament 3, Einheit' ist der eingegebene Datensatz '5' zugeordnet worden."). In diesem Beispiel handelt es sich darum, dass, obwohl die Bedienperson "Medikament2, Einheit" aus der Aktions-Liste 16 wählt (die Kammer nimmt an, dass diese Elemente den Elementen "Actions" und "Medication2, unit" im sprachlich nicht einheitlichen GUI der Figuren entsprechen), eine Seite geöffnet wird, auf der die von der Bedienperson eingegebene 5 Einheiten aus nicht nachvollziehbaren Gründen im Zusammenhang mit einer anderen Aktion mit dem Titel "Medikament 3, Einheit" eingetragen wird, und danach auf der vorhergehenden Seite ein neuer Schriftzug "5 Medikament 3, Einheit" grün unterlegt wird. Der obenzitierte Satz folgt dem Satz "Die Aktion '5 Medikament 3, Einheit' ist jetzt grün unterlegt". Es ist unklar, ob mit "zuordnen" die Verkettung von zwei Textteilen gemeint wird, wobei ein Textteil von der Bedienperson eingegeben wurde und der andere Textteil vom System ausgewählt wurde, oder allgemein die Verkettung von Textteilen, oder dass sowohl beide eine Aktion betreffende Textteile als auch der Schriftzug des vorher ausgewählten Ereignisses "Ereignis 6" (siehe Seite 9, letzter Absatz und Seite 10, erster Absatz der Beschreibung) zeitnah grün unterlegt werden.
2. Unzulässige Erweiterung (Artikel 123(2) EPÜ)
2.1 Anspruch 1 beider Anträge weist die Merkmale
(M9) "die Eingabe- /Anzeigeeinrichtung (1B) und die Vorrichtung (2) zur Bereitstellung von patientenbezogenen Daten derart zusammenwirken, dass die ausgewählten Ereignisse und Aktionen einander zugeordnet werden" und
(M10) "zur Dokumentation mit der Speichereinrichtung der Reihe nach abgespeichert und in einer Liste (18) von abgespeicherten Ereignissen und Aktionen angezeigt werden".
auf.
2.2 Es ist jedoch der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht zu entnehmen, dass die Vorrichtung (2) bei der obendiskutierten Zuordnung gemäß Merkmal M9 eine Rolle spielt.
2.3 Im darauf folgenden Merkmal M10 werden die einander zugeordneten Ereignisse und Aktionen "zur Dokumentation mit der Speichereinrichtung der Reihe nach abgespeichert und in einer Liste (18) von abgespeicherten Ereignissen und Aktionen angezeigt". Es ist jedoch dem Ausführungsbeispiel auf Seite 10, dritter und vierter Absatz der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht zu entnehmen, dass die Anzeige von Ereignissen und Aktionen in einer Liste ohne Angabe des Zeitpunktes stattfinden kann, auch nicht ohne dass der Schriftzug blau hinterlegt wird oder grau unterlegt wird. Die Kammer stimmt auch der angefochtenen Entscheidung zu, dass es in diesem Ausführungsbeispiel um eine Möglichkeit im sogenannten Patientenmodus geht, die nicht, wie von der Präambel des Anspruchs 1 des Hauptantrags angedeutet, auf den Behandlungsmodus verallgemeinert werden darf.
2.4 Im vorletzten Absatz des Anspruchs 1 des Hilfsantrags wird "der Schriftzug des ausgewählten Medikaments farblich unterlegt". Jedoch ist diese Verallgemeinerung der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht zu entnehmen. Seite 11, erster Absatz gibt nur an, dass "Der Schriftzug des ausgewählten Medikaments [...] nunmehr grün unterlegt [wird]". Die Kammer stellt fest, dass dieser Einwand von der Prüfungsabteilung erhoben, jedoch nicht aufrechterhalten wurde, mit der Begründung dass "grün unterlegt" für die Fachperson auch "farblich unterlegt" impliziere. Diese Begründung kann die Kammer nicht nachvollziehen. Es ist dem obenzitierten Absatz nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen, was der technische Sinn davon ist, dass ein Schriftzug grün unterlegt wird. Deswegen kann der Fachperson diesbezüglich nichts implizit sein. Wenn "grün unterlegt" jedoch keinen technischen Sinn haben soll, kann wieder der Fachperson nichts weiteres implizit sein, denn die Fachperson ist eine technische Fachperson und kein(e) Designer(in).
2.5 Anspruch 1 beider Anträge erfüllt daher nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
3. Die Kammer teilte der Beschwerdeführerin bereits in ihrer vorläufigen Meinung diese Einwände mit. Die Beschwerdeführerin antwortete darauf nicht. Unter diesen Umständen sieht die Kammer keinen Grund, ihre vorläufige Meinung zu ändern.
4. Aus diesen Gründen sind Haupt- und Hilfsantrag nicht gewährbar.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.