D 0005/08 15-01-2009
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I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung des Prüfungssekretariats vom 22. August 2008, mit der die Anmeldung des Beschwerdeführers für die europäische Eignungsprüfung 2009 zurückgewiesen wurde. Mit Brief vom 19. September 2008 hat der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Am 30. September 2008 hat er die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit Schreiben vom 22. Oktober hat er seine Beschwerdebegründung eingereicht. Am 10. November 2008 hat die Prüfungskommission gemäß Artikel 27 (3), Satz 2 VEP die Beschwerde und die Anmeldeakte der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorgelegt mit dem Hinweis, dass das Prüfungssekretariat beschlossen hat, der Beschwerde nicht abzuhelfen.
II. Mit Schreiben der Kammer vom 13. November 2008 wurde der Präsidentin des Europäischen Patentamts sowie dem Präsidenten des Rats des Instituts der zugelassenen Vertreter gemäß Artikel 27 (4) VEP in Verbindung mit Artikel 12, Satz 2 VDV Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats gegeben. Keiner von ihnen hat sich sachlich zur Beschwerde geäußert.
III. Das Prüfungssekretariat hat die Anmeldung des Beschwerdeführers aus folgenden Gründen zurückgewiesen. Gemäß Artikel 10 (1) VEP werden Bewerber zur Prüfung zugelassen, die ein natur- oder ingenieurwissenschaftliches Hochschuldiplom oder gleichwertige natur- oder ingenieurwissenschaftliche Kenntnisse nachweisen und die Voraussetzungen nach Artikel 10 (2) VEP erfüllen. Das von dem Beschwerdeführer absolvierte Studium mit dem Abschluss "Diplom-Ingenieur" im Studiengang Patentingenieurwesen der Fachhochschule Amberg-Weiden ist ein interdisziplinärer Studiengang mit einer Regelstudienzeit von acht Semestern. Aus den von dem Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen hat das Prüfungssekretariat entnommen, dass der technische Anteil dabei wesentlich geringer war als in einem vergleichbaren rein technischen Studium. Damit genügt der Abschluss des Beschwerdeführers nicht den Anforderungen von Artikel 2 der Anweisungen betreffend die für Zulassung zur europäischen Eignungsprüfung erforderlichen Qualifikationen ("Anweisungen"). Entsprechend Artikel 4 der Anweisungen gilt sein Abschluss daher als Befähigungsnachweis nach Artikel 3 (a) der Anweisungen. Für eine Zulassung zur Prüfung müssen somit ebenfalls die Bedingungen von Artikel 3 (b) der Anweisungen erfüllt sein, das heißt drei zusätzliche Jahre Erfahrung gemäß Artikel 10 (2) (a) VEP oder auf einem anderen einschlägigen Gebiet. Zum Zeitpunkt der Prüfung 2009 beträgt die anrechenbare Ausbildungszeit des Beschwerdeführers drei Jahre, vier Monate und sieben Tage. Somit fehlen noch mindestens zwei Jahre, sieben Monate und dreiundzwanzig Tage.
IV. Zur Begründung trägt der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgendes vor.
In der Behandlung des Prüfungssekretariats werde eine ungerechtfertige Ungleichbehandlung gesehen. Grundsätzlich würden nämlich auch Absolventen von interdisziplinären Studienabschlüssen als Bewerber gemäß Artikel 10 (1) VEP behandelt und nach drei Jahren Berufserfahrung zur Prüfung zugelassen werden. In diesem Zusammenhang verweise er auf drei Fälle, nämlich die Bewerber in den Beschwerdefällen D 8/04 und D 18/04 und auf einen Bekannten, der einen Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen, der nicht 100% einem reinen technischen Studiengang entspräche, absolviert habe.
Sein Studiengang Patentingenieurwesen weise insgesamt 160 Semesterwochenstunden ("SWS") auf, diese könnten unter Vorbehalt auf etwa 200 European Credit Transfer System ("ECTS") Punkte umgerechnet werden. Aus den mit der Beschwerdebegründung eingereichten ergänzenden Unterlagen sei erkennbar, dass der technische Inhalt seines Studiums mit 114 SWS bzw. 143 ECTS den überwiegenden Anteil bildete, deshalb schließe der Studiengang mit der gesetzlichen geschützten Bezeichnung "Dipl.-Ing. (FH)" ab. Im Vergleich dazu hatte der Bewerber im Fall D 18/04 120 ECTS technischen Vorlesungen (s. Seiten 2 und 13 der Entscheidung). Aus der Tabelle "Fächer Patentingenieurwesens (gesamt)", die als Anlage 12 mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden seien, sei zu entnehmen, dass der Studiumsinhalt des Beschwerdeführers auf SWS 74% technisch und 26% nicht-technisch und auf ECTS 71.25% technisch und 28.75% nicht-technisch gewesen sei.
Auch die Zuordnung von Fächern als nicht-technisch sei problematisch. Er habe nicht-technische Fächer mit einem direkt patentrelevanten Inhalt zum Beispiel "Angewandter Gewerblicher Rechtsschutz" und "Internationales Patentrecht" studiert. Aus der Rechtssprechung der Kammer (vgl. D 17/04, Punkt 10, D 18/04, Seite 14) sei zu erkennen, dass es nötig sei, die konkreten Inhalte der Studienfächer zu berücksichtigen. Zusätzlich würde auch auf die weiteren technischen Kenntnisse des Beschwerdeführers hingewiesen, die sowohl vor als auch während des Studiums vorhanden gewesen sei.
Selbst wenn die Studien- und Prüfungsordnungen eines "rein-technisch" Ingenieurstudiums betrachtet werde, wie zum Beispiel das Maschinenbaustudium der Universität Dortmund deren Prüfungsordnungen in einen beigefügten Dokument detailliert wurden, seien Fächer wie Betriebsführung, Projektmanagement und dergleichen als Bestandteil eines klassischen ingenieurwissenschaftlichen Studiums zu erkennen.
V. Unter den vom Beschwerdeführer mit seiner Anmeldung eingereichten Unterlagen befindet sich ein Zertifikat der Hochschule Amberg-Weiden, das auf Englisch wie folgt lautet:
"This is to certify that the diploma examination in "Ingenieur für Patentwesen" and the degree "Diplom Ingenieur für Patentwesen (FH)" at the Hochschule Amberg-Weiden, University of Applied Sciences (FH), is considered to be equivalent to a "Bachelor Honours". The course has a regular duration of eight semesters and consists of two parts.
The first part is finished by the "Diplom-Vorprüfung" and is regarded as a general programme. This examination, however, does not qualify the student for becoming a professional. This is only possible after finishing the second part after passing the Diplomprüfung which results in the degree "Diplom Ingenieur für Patentwesen (FH)". According to a decision made by the Conference of German Ministers of Education (Kultusministerkonferenz - KMK) the degree "Diplom Ingenieur für Patentwesen (FH)" is considered to be equivalent to "Bachelor Honours".
VI. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zulassung des Beschwerdeführers zur europäischen Eignungsprüfung 2009. Hilfsweise beantragt der Beschwerdeführer, die von ihm geforderte Ausbildungszeit von sechs Jahren um mindestens sieben Monate und dreiundzwanzig Tage gemäß Artikel 10 (1) der Anweisungen zu reduzieren, sodass er an der europäische Eignungsprüfung 2011 teilnehmen kann.
1. Die Beschwerde, die zulässig ist, ist von der Interpretation der Anweisungen betreffend die für Zulassung zur europäischen Eignungsprüfung erforderlichen Qualifikationen ("Anweisungen" - ABl. EPA 2006, Beil. zu ABl. 12/2206, Seite 17) abhängig. In der Entscheidung D 8/04 vom 23. August 2004 hat die Kammer diese Anweisungen als unklar und zweideutig bezeichnet (s. Entscheidungsgründe, Punkte 3 bis 14). Auch in späteren Entscheidungen hat die Kammer auf die schweren Interpretationsprobleme hingewiesen.
2. In D 18/04 vom 28. Januar 2005 hat sich die Kammer wie folgt geäußert (s. Entscheidungsgründe, Punkt 4.2):
"In its recent decision D 8/04 of 23. August 2004 the Disciplinary Board of Appeal has pointed to the inconsistencies in the examples contained in Articles 2 and 3 Instructions which would give the false impression that the examples contained in each Article respectively were comparable to each other, and to the difficulties to determine whether or not degrees not mentioned corresponded to those mentioned. This will not be repeated here."
3. In D 17/04 vom 11. Februar 2005 war die Kammer der Meinung (s. Entscheidungsgründe, Punkt 3):
"Based on the problems identified in decision D 8/04 with regard to Articles 2 to 4 of the Instructions concerning the qualifications required for enrolment for the European qualifying examination..., the Board is of the opinion that the law is not sufficiently precise and coherent to enable a fair comparison of educational qualifications for the purpose of establishing a candidate's right to sit the European qualifying examination."
4. Diese mangelnde Eignung der Anweisungen, den Vergleich verschiedener Qualifikationen zu erlauben, wird in Fällen wie den jetzigen und wie D 8/04 und D 18/04, die den interdisziplinären Studiengang eines Bewerbers betreffen, besonders problematisch. Solche Fälle sind mit dem Artikel 4 der Anweisungen zu behandeln, es sei aber unmöglich, diesem Artikel eine klare Bedeutung zu geben (s. D 8/04, Entscheidungsgründe, Punkt 14). Deswegen muss die Kammer versuchen, so gut wie möglich, das Niveau der Qualifikation des Beschwerdeführers zu bewerten (ibid, Punkt 15) und dabei nicht nur den Titel sondern auch den Inhalt des Studiums zu berücksichtigen (s. D 17/04, Entscheidungsgründe, Punkt 8) und damit die ungleiche Behandlung von verschiedenen Fällen rechtfertigen (s. D 18/04, Entscheidungsgründe, Punkt 4.5).
5. Auf Grund der in der Akte enthaltenen und den vom Beschwerdeführer präsentierten Fakten ist die Kammer überzeugt, dass es keine Basis dafür gibt, den vorliegenden Fall anders als die Fälle D 8/04 und D 18/04 zu betrachten. Der Beschwerdeführer hat ein Studium von acht Semestern, das heißt vier Jahren, absolviert, wovon fast 75% technisch war. So hat er effektiv während drei Jahren Ingenieurwissenschaft studiert. Es ist aus dem Zertifikat der Hochschule Amberg-Weiden (s. oben, Absatz V) zu entnehmen, dass seine Qualifikation gleichwertig mit einem "Bachelor Honours" ist. Wenn er zum Beispiel an einer englischen Universität ein dreijähriges Ingenieurwissenschaftsstudium absolviert hätte, würde er einen "Bachelor with Honours degree" bekommen und dabei die Anforderungen von Artikel 2 der Anweisungen erfüllen. Außerdem ist bemerkenswert, dass einige nicht-technischen Fächer seines Studiums eine bestimmte Relevanz für eine Patentkarriere haben (s. D 18/04, Entscheidungsgründe, Punkt 4.5, letzte Absatz). Es ist auch aus dem Zertifikat zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nach dem Abschluss seines Studiums als professioneller Ingenieur qualifiziert ist (s. D 8/04, Entscheidungsgründe, Punkt 15.3).
6. Somit ist die Kammer der Meinung, dass der Beschwerdeführer die Erfordernisse von Artikel 10 (1) VEP erfüllt hat.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Beschwerdeführer wird zur europäischen Eignungsprüfung 2009 zugelassen.
3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.