D 0002/80 08-12-1981
Download und weitere Informationen:
1. Beschwerden über die Durchführung der Eignungsprüfung für die beim EPA zugelassenen Vertreter können gemäß Punkt 6 der Anweisungen, die die Bewerber vor Beginn der Arbeiten bekommen, nur in einer bestimmten Form und in einer bestimmten Frist erhoben werden. Beschwerden, die diesen Erfordernissen nicht genügen, können weder durch die Prüfungskommission noch durch die Beschwerdekammer überprüft werden.
2. Nach der Pruefung hat der Bewerber Anspruch auf Einsicht in die Prüfungsakten. Solange ihm diese Möglichkeit nicht eingeräumt wird, ist er nicht imstande, seine Beschwerde vollständig und zutreffend zu begründen. Folglich wird eine Abhilfe durch die Prüfungskommission gemäß Artikel 23(3) der Prüfungsvorschriften praktisch ausgeschlossen. Die normale Entwicklung des Verfahrens wird unterbrochen; unter diesen Umständen ist die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
I. Der Beschwerdeführer hat sich am 21., 22. und 23. November 1979 der ersten Eignungsprüfung für die beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter unterzogen.
II. Am 19. März 1980 wurde ihm vom Präsidenten der Kommission mitgeteilt, daß er die Prüfung nicht bestanden habe. Er wurde davon benachrichtigt, daß die Prüfungsarbeiten B, C und D als "unzureichend" beurteilt worden seien, und daß die anderen Arbeiten nicht ausreichten, um insgesamt die zum Bestehen erforderliche Bewertung zu erzielen. Außerdem wurde im dem Schreiben ausgeführt, daß die Mitteilung den Erfordernissen des Artikels 21 Abs. 2 der Vorschriften vom 21. Oktober 1977 über die europäische Eignungsprüfung (Prüfungsvorschriften) entspreche und daß der Bewerber keine weiteren Informationen über seine Leistung in der Prüfung erhalten werde.
III. Am 8. April 1980 erhob der Beschwerdeführer unter Berufung auf Art. 23 der Prüfungsvorschriften Beschwerde vor der Prüfungskommission und beantragte, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, daß er die genannte Eignungsprüfung bestanden habe.
IV. In einem Schriftsatz vom 14. Mai 1980 an den Vorsitzenden der Prüfungskommission klagt der Beschwerdeführer darüber, daß er keine Einsicht in seine Prüfungsarbeiten und deren Beurteilung durch die Kommission erhalten habe. Diese Verweigerung sei ein Verstoß insbesondere gegen Artikel 21 Abs. 2 der Prüfungsvorschriften und hindere ihn daran, seine Beschwerde ausführlich zu begründen.
V. Außerdem beanstandete der Beschwerdeführer die äußeren Umstände des Ablaufs der Prüfung. Die Prüfungsarbeiten hätten im angemieteten Festsaal des Münchner Künstlerhauses stattgefunden und hinsichtlich der Heizung und der Beleuchtung seien die Raumverhältnisse "katastrophal" gewesen. Darüber hinaus rügte er den Vorsitzenden der Prüfungskommission, der, seiner Ansicht nach ohne triftigen Grund, während der Prüfung nicht anwesend gewesen sei.
VI. Obwohl der Beschwerdeführer ausdrücklich den Standpunkt vertreten hatte, daß er die Bewertung seiner Arbeiten und das Resultat der Prüfung an sich solange nicht kritisieren konnte, bis er Einsicht in die Prüfungsakten bekommen hätte, formulierte er schon diesbezüglich einige Anmerkungen - unter anderem ist der Beschwerdeführer der Meinung, daß die von der Kommission festgesetzte Dauer der einzelnen Prüfungsarbeiten viel zu kurz bemessen gewesen sei, daß die Festlegung der Arbeiten A und B an einem einzigen Tag zu beanstanden sei und endlich, daß die Kommission falsche Maßstäbe zur Bewertung der Arbeiten angelegt hätte. Anders sei der hohe Prozentsatz der Bewerber, die die Prüfung nicht bestanden haben - ca. 64% - nicht zu erklären. Der Beschwerde wurde innerhalb eines Monats gemäß Art. 23(3) der Prüfungsvorschriften nicht abgeholfen; sie wurde daher der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorgelegt, und zwar am 19. Juni 1980.
Auf den Hilfsantrag des Beschwerdeführers fand am 15. Dezember 1980 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, und am selben Tag erkannte die Kammer dem Beschwerdeführer das Recht auf Einsicht in seine Prüfungsakten zu.
Dem Beschwerdeführer wurde eine zweimonatige, mit der Wahrnehmung der Akteneinsicht beginnende Frist zur Einreichung einer allfälligen Beschwerdeergänzung eingeräumt. In einer nachträglichen Erläuterung ihrer Zwischenentscheidung führte die Kammer am 29. Januar 1981 aus, daß in folgende Dokumente Einsicht gewährt werden sollte:
- alle Prüfungsarbeiten des Beschwerdeführers und deren gefertigten Kopien
- alle Tabellen, Listen usw., die Punkte, Prozentsätze und Eingruppierungen enthalten, insofern sie den Beschwerdeführer selbst betreffen
- alle schriftlichen Beurteilungen der Prüfer bzw. der Prüfungsausschüsse
- alle sonstigen schriftlichen, die Bewertung der Prüfungsarbeiten betreffenden Erklärungen der Prüfer.
X. Nach Einsichtnahme in seine Prüfungsakte ergänzte der Beschwerdeführer am 14. Mai seine Beschwerde wie folgt: Er beanstandete:
- von neuem die äußeren Umstände der Prüfung: er habe z.B. der Kälte wegen im Mantel schreiben müssen
- die Anweisungen der Kommission, welche die Prüfer zur restriktiven Bewertung veranlaßt hätten
- die Tatsache, daß ein Teil der gefertigten Kopien verschwunden sei - insbesondere sei ihm von der Arbeit C keine mit Kommentaren der Punktbewertungen versehene Kopie vorgelegt worden
- die Bewertungen im einzelnen.
XI. Zur Bewertung der einzelnen Arbeiten macht der Beschwerdeführer geltend: Prüfungsarbeit A - Die Prüfer seien zuerst stark voneinander abgewichen - sie hätten sich dann aber auf die ursprünglich untere Bewertung geeinigt.
Außerdem sei eine Ermessensfrage (Umfang des Hauptanspruchs) zum Gegenstand der Bewertung gemacht worden. Schließlich sei die Bewertung der Unteransprüche überhaupt kritikwürdig.
Prüfungsarbeit B - Auch hier sei eine Ermessensfrage, nämlich die erfinderische Tätigkeit, zu Unrecht zum Gegenstand der Bewertung gemacht worden. Außerdem seien für eine "Stellungnahme" des Bewerbers keine Punkte gegeben worden.
Prüfungsarbeit D - Bei der Abstimmung zwischen den beiden Prüfern sei der unterste Wert beibehalten und nicht der arithmetische Durchschnitt errechnet worden, was ungerecht sei.
Prüfungsarbeit C - Der Beschwerdeführer begnügt sich damit, wegen mangelnder Informationen seitens der Prüfungskommission einen Analogieschluß zu ziehen.
1. Alle Bewerber haben vor der Prüfung eine Anweisung bekommen, deren Artikel6 lautet: "Beschwerden über die Durchführung der Prüfung werden von der Prüfungskommission nur dann behandelt, wenn sie spätestens eine Stunde nach dem Schlußzeichen am letzten Prüfungstag gegenüber einer Aufsichtsperson schriftlich unter Darlegung der Tatsachen vorgebracht worden sind." Da gemäß Art. 23(1) der Prüfungsvorschriften die Beschwerdekammer auf diesem Gebiet über die Entscheidungen der Prüfungskommission zu beschließen hat, gilt notwendig die obengenannte Verfügung auch vor der Kammer.
Im vorliegenden Fall gibt der Beschwerdeführer zu, daß er die "Anweisungen an die Bewerber für den Ablauf der Prüfung" erhalten, aber in der vorgesehenen Frist keine Klage erhoben habe. Folglich ist die die äußeren Umstände der Prüfung betreffende Rüge unzulässig. Sie ist daher schon jetzt zu verwerfen.
2. Was die Bewertung der Arbeiten und das Ergebnis der Prüfung angeht, verfügt Art. 23(3) der Prüfungsvorschriften: "Erachtet die Prüfungskommission die Beschwerde als zulässig und begründet, so hat sie ihr abzuhelfen".
Im vorliegenden Fall waren die Beschwerde am 8. April 1980 und deren Begründung vom 14. Mai 1980 nicht vollständig. Der Beschwerdeführer behielt sich aber ausdrücklich vor, eine weitere Begründung nachzureichen, nachdem er die beantragte Einsicht in die Prüfungsakten bekommen hatte.
Dieser Anspruch auf Einsicht in die Prüfungsakten wurde ihm aber erst am 15. Dezember 1980 durch die Beschwerdekammer zuerkannt. Es ist offensichtlich, daß der Beschwerdeführer ohne vorangehende Einsicht in die Prüfungsakten seine Beschwerde nur ganz allgemein, und hauptsächlich nur was die äußeren Umstände anbelangte, begründen konnte. Daher war es praktisch ausgeschlossen, daß die Prüfungskommission der Beschwerde hätte abhelfen können - mit anderen Worten wurde mangels einer vorherigen Einsicht in die Prüfungsakten die normale Entwicklung des Verfahrens verhindert, insbesondere die vollständige Begründung und eine etwaige Abhilfe unmöglich gemacht. Unter diesen Umständen ist der Beschwerde im Sinne des Hilfsantrags stattzugeben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Prüfungskommission zurückzuverweisen. Dabei wird die Prüfungskommission auch zu überlegen haben, ob bei unterschiedlicher Notengebung durch die Prüfer die angewandte Methode der Notenabgleichung tatsächlich richtigere Ergebnisse gewährleistet als die Methode der arithmetischen Mittelwertbildung.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entscheiden:
Die die Organisation der Prüfung betreffenden Beanstandungen sind, als verspätet, unzulässig. Insoweit wird die Beschwerde verworfen.
Im übrigen wird die Entscheidung der Prüfungskommission über die Eignungsprüfung des Beschwerdeführers aufgehoben und die Angelegenheit zur erneuten, Entscheidung an die Prüfungskommission zurückverwiesen.