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J 0005/87 (Zahl der gebührenpflichtigen Patentansprüche) 06-03-1987
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Zahl der gebührenpflichtigen Ansprüche
Ansprüche/gebührenpflichtige
Inhalt der Beschreibung
Beschreibung/Inhalt
Ansprüche/Form und Inhalt
Berichtigung von Mängeln (abgelehnt)
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 86 101 061.9 mit 10 Ansprüchen wurde am 27. Januar 1986 im Namen der Firma Phillips Petroleum Company aus Bartlesville, Oklahoma, USA eingereicht. Am Anmeldetag wurden die Anmeldegebühr, die Recherchengebühr und die Benennungsgebühren entrichtet. Für die Anmeldung wurde die Priorität der am 28. Januar 1985 eingereichten US-Anmeldung 695 786 mit 33 Ansprüchen in Anspruch genommen. Es wurden keine Anspruchsgebühren nach Regel 31 (1) EPÜ entrichtet.
II. Am 10. April 1986 wies die Eingangsstelle den Vertreter der Anmelderin schriftlich darauf hin, daß die in Artikel 91 (2) EPÜ vorge schriebene Prüfung durch die Eingangsstelle ergeben habe, daß die Gebühren für die der Beschreibung beiliegenden 33 zusätzlichen Ansprüche noch nicht gemäß Regel 31 (1) EPÜ entrichtet worden seien; nach Regel 31 (3) EPÜ gelte es als Verzicht auf einen Patentanspruch, wenn die Anspruchsgebühr dafür nicht rechtzeitig entrichtet werde. Die Eingangsstelle führte ferner aus, daß die Anmeldung unter der Überschrift "Patentansprüche" 10 Ansprüche enthalte. Sie weise jedoch 33 weitere Ansprüche auf, die der Beschreibung mit folgen den Worten beigefügt seien: "Bei den folgenden Teilen der Beschreibung handelt es sich um die in Form von Ansprüchen abge faßten bevorzugten Ausführungsarten 1 bis 33." Außerdem seien diese 33 zusätzlichen Ansprüche in Anspruchsform abgefaßt und würden in der genannten Einführung und in den Bezugnahmen auf die abhängigen Ansprüche auch als Ansprüche bezeichnet. Formal stehe daher fest, daß diese 33 Sätze nicht Teil der Beschreibung, sondern der Ansprüche seien. Auch inhaltlich bestehe kein Zweifel daran, daß jeder der 33 Sätze einen Sachverhalt definiere, für den Schutz begehrt werde. Auch wenn die zusätzlichen Ansprüche der Beschreibung beigefügt seien, blieben sie doch Ansprüche. Die Anmelderin habe sie in die Anmeldung aufgenommen, um sich die Möglichkeit vorzubehalten, sie als Grundlage für die Sachprüfung zu benutzen. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut der Anmeldung, sondern auch daraus, daß die 33 zusätzlichen Ansprüche in der europäischen Patentanmeldung mit den 33 Ansprüchen der Prioritätsunterlage, den einzigen Ansprüchen der Voranmeldung, identisch seien. In Regel 31 (1) Satz 1 EPÜ heiße es, daß bei mehr als 10 Patentansprüchen für jeden weiteren Anspruch eine Anspruchsgebühr zu entrichten sei. Die Anmelderin könne Regel 31 nicht dadurch umgehen, daß sie die Ansprüche in den falschen Teil der Anmeldung aufnehme.
III. Die Anmelderin bat das Amt in einem am 17. April 1986 eingegangenen kurzen Schreiben, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Ausführungsarten 1 bis 33 zur Beschreibung gehörten und somit keine zusätzlichen Gebühren anfielen.
IV. Am 27. Juni 1986 teilte die Eingangsstelle der Anmelderin gemäß Regel 31 (3) EPÜ mit, daß die 33 zusätzlichen Ansprüche in der Anlage zu der Beschreibung als fallengelassen gälten, da die vorgeschriebenen Anspruchsgebühren nicht rechtzeitig entrichtet worden seien.
V. Die Anmelderin erwiderte mit einem am 14. Juli 1986 eingegangenen Schreiben, daß die Feststellung des Europäischen Patentamts ihres Erachtens nicht zutreffe. Sie stellte sich erneut auf den Standpunkt, daß es sich - wie in der Anmeldung auf S. 19 angegeben - "bei den folgenden Teilen der Beschreibung" (S. 20 bis 23) "um die in Anspruchsform abgefaßten bevorzugten Ausführungsarten 1 bis 33" handle. Dieser Satz lasse keinen Zweifel daran, daß die Ausführungsarten 1 bis 33 Teil der Beschreibung seien. Die Anmeldung enthalte 10 Ansprüche, die mit "Patentansprüche" überschrieben seien; diese Zahl stimme mit der Anspruchszahl überein, die unter X auf S. 3 des Anmeldeformblatts eingetragen sei. Die Anmelderin beantragte eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPÜ, mit der festgestellt werden sollte, daß sie auf keinen Teil der Anmeldung verzichtet habe.
VI. Am 13. August 1986 traf die Eingangsstelle die Entscheidung, daß die der Beschreibung beigefügten 33 Ansprüche gemäß Regel 31 (3) EPÜ als fallengelassen gälten. Sie begründete dies u. a. wie folgt:
a) Nicht die Überschrift eines Teils der Anmeldung entscheide darüber, um welchen Teil es sich handle. Wenn z. B. überhaupt keine Überschriften angegeben seien, müsse das EPA anhand des Inhalts feststellen, welcher Teil die Beschreibung und welcher die Ansprüche darstelle. Auch wenn nur ein Teil mit der Überschrift "Beschreibung", aber keiner mit der Überschrift "Ansprüche" vorhanden sei, müsse das EPA nach Artikel 80 und 90 (1) a) EPÜ einen Anmeldetag zuerkennen, falls unter der Überschrift "Beschreibung" der Gegenstand definiert sei, für den Schutz begehrt werde (Art. 84 EPÜ). Auch könne die Überschrift "Zeichnungen" über einem Text, bei dem es sich offen sichtlich um Ansprüche handle, das Wesen dieses Anmeldungsteils nicht verändern. Kurz gesagt, sei es immer der Inhalt eines Anmeldungsteils, der seinen rechtlichen Charakter bestimme, und nicht die vom Anmelder gewählte Reihenfolge oder Überschrift. Die Befolgung dieses Grundsatzes wirke sich bei der Zuerkennung eines Anmeldetags zugunsten des Anmelders und bei der Berechnung der Anspruchsgebühren zu seinen Ungunsten aus.
b) In den Regeln 27 und 29 EPÜ seien Form und Inhalt der Beschreibung bzw. der Patentansprüche festgelegt. Der Anmelder dürfe sich über diese Vorschriften nicht einfach hinwegsetzen und seine Anmeldung so abfassen, daß er damit die Absichten und Vorschriften der Ausführungsordnung zum EPÜ unterlaufe und die in Regel 31 (1) EPÜ vorgesehene Entrichtung von Anspruchs gebühren umgehe. Die Aufnahme der Ansprüche in den falschen Teil der Anmeldung ändere nichts an der Tatsache, daß die Anmeldung insgesamt 43 Ansprüche enthalte, von denen 33 gemäß Regel 31 (1) EPÜ gebührenpflichtig seien.
c) Da die Anmeldung 43 Ansprüche enthalte und keine Anspruchsgebühren entrichtet worden seien, müsse die Mitteilung der Eingangsstelle vom 27. Juni 1986 (vgl. Nr. IV) aufrechterhalten werden; die zusätzlichen 33 Ansprüche gälten als fallengelassen. Der Antrag der Anmelderin auf Aufhebung dieser Entscheidung werde dementsprechend zurückgewiesen.
VII. Mit dem am 23. Oktober 1986 eingegangenen Schreiben legte die Anmelderin gegen die Entscheidung der Eingangsstelle Beschwerde ein. Die Beschwerdegebühr wurde ordnungsgemäß entrichtet und die Beschwerdebegründung mit Schreiben vom 19. Dezember 1986 nachgereicht. Dem Schreiben war ein Antrag auf Berichtigung der Beschreibung nach Regel 88 EPÜ beigefügt; danach sollen in dem Satz "bei den folgenden Teilen der Beschreibung handelt es sich um die in Anspruchsform abgefaßten bevorzugten Ausführungsarten 1 bis 33" (s. Nr. II) die Worte "in Anspruchsform abgefaßten" gestrichen werden und in dem darauf folgenden Text in den Bezugnahmen auf "Anspruch 1", "Anspruch 2" usw. das Wort "Anspruch" jeweils durch "Ausführungsart" ersetzt werden.
VIII. Hilfsweise macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die ursprüngliche Aufzählung von 33 bevorzugten Ausführungsarten, die der Beschreibung in Form von Ansprüchen beigefügt seien, Bestandteil der Beschreibung und dazu gedacht sei, die Erfindung gemäß Artikel 83 EPÜ so deutlich und vollständig zu offenbaren, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Wenn feststehe, daß eine Offenbarung Teil der Beschreibung sei, gälten nur die in Artikel 83 EPÜ gestellten Anforderungen. Durch die Forderung, daß alle möglichen in der Ausführungsordnung zum EPÜ genannten Formerfordernisse erfüllt werden müßten, würde das grundsätzliche Recht des Anmelders ausgehöhlt, in der Beschreibung eine Offenbarung zu geben. Die Formalprüfung durch die Eingangsstelle dürfe nicht dahingehend ausgedehnt werden, daß sachlich geprüft werde, ob ein Teil der Anmeldung, der im Erteilungsantrag als Beschreibung bezeichnet sei, als Ansprüche ausgelegt werden könnte. Der Anmelder könne vielmehr in die Beschreibung jegliche Art von Offenbarung - in welcher Form auch immer - aufnehmen, solange sie zur Erläuterung der Erfindung diene. Außerdem trage die von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall angewandte Verfahrensweise auch dazu bei, der Recherchenabteilung des EPA die Arbeit zu erleichtern. Die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, die Beschwerdeführerin habe den Wortlaut der zugrundeliegenden US-Ansprüche deshalb in die Beschreibung aufgenommen, um sich die Möglichkeit vorzubehalten, diese Offenbarung als Grundlage für die Sachprüfung zu benutzen (vgl. Nr. II), sei durchaus zutreffend. Dies sei jedoch nur zum Nutzen der Recherchenabteilung und liege vor allem durchaus im Rahmen der Bestimmungen des EPÜ, wie Regel 31 (2) und 51 (4) EPÜ in Verbindung mit Artikel 84 und 123 (2) EPÜ zu entnehmen sei. Schließlich sei das in der vorliegenden Anmeldung praktizierte System seit über 8 Jahren in rund 500 Fällen anstandslos angewandt worden.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. Enthält nach Regel 31 (1) EPÜ eine europäische Patentanmeldung bei der Einreichung mehr als 10 Patentansprüche, so ist für jeden weiteren Patentanspruch eine Anspruchsgebühr zu entrichten. Die Anspruchsgebühren sind bis zum Ablauf eines Monats nach Einreichung der Anmeldung zu entrichten. Wird die Gebühr für einen Patentanspruch nicht rechtzeitig entrichtet, so gilt dies nach Regel 31 (3) EPÜ als Verzicht auf diesen Anspruch. Diese zusätz liche Gebühr ist offensichtlich durch den höheren Arbeitsaufwand bei der Recherche und Prüfung einer Anmeldung mit so vielen Patentansprüchen begründet.
3. Es ist festzuhalten, daß die Frage, ob eine Anspruchsgebühr nach Regel 31 (1) EPÜ anfällt, bereits bei der ersten Formalprüfung der Anmeldung zu stellen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Sachprüfung später ergibt, daß eine solche Gebühr aufgrund von Regel 31 (2) in Verbindung mit Regel 51 (4) EPÜ entrichtet werden muß.
4. Die Kammer schließt sich der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung an, daß ein Anmelder sich nicht über die in Regel 27 und 29 EPÜ enthaltenen Vorschriften über Form und Inhalt der Beschreibung bzw. der Ansprüche hinwegsetzen darf. Das europäische Patentsystem kann nur dann richtig funktionieren, wenn diese Bestimmungen eingehalten werden.
5. Die Kammer kann im vorliegenden Fall das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht gelten lassen, daß der angefochtene Anhang zur Beschreibung dazu benötigt wird oder auch nur dazu beiträgt, die Erfindung in der in Artikel 83 EPÜ geforderten Weise zu offenbaren. Der Anhang besteht vielmehr sowohl von der Form als auch vom Inhalt her nur aus Ansprüchen im Sinne von Artikel 84 und Regel 29 EPÜ. Außerdem hat die Beschwerdeführerin diesen Anhang, der mit den Ansprüchen der prioritätsbegründenden US-Anmeldung identisch ist, unstreitig deshalb in die Anmeldung aufgenommen, um sich die Möglichkeit vorzubehalten, seinen Inhalt der Sachprüfung zugrunde zu legen.
6. Unter diesen Umständen vertritt die Kammer die Auffassung, daß die Eingangsstelle die Anspruchsgebühren für die 33 Ansprüche im Anhang zur Beschreibung gemäß Regel 31 (1) EPÜ zu Recht verlangt hat. Da die Beschwerdeführerin es abgelehnt hat, diese Gebühren zu entrichten, ist die Eingangsstelle wiederum zu Recht davon ausgegangen, daß sie damit gemäß Regel 31 (3) EPÜ auf diese Ansprüche verzichtet.
7. Was den Antrag auf Berichtigung der Beschreibung nach Regel 88 EPÜ angeht, so ist die Kammer nicht davon überzeugt, daß die beantragte Berichtigung so offensichtlich ist, daß sofort erkennbar ist, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird. Die Argumente, die die Beschwerdeführerin zur Aufrechterhaltung der Anmeldung in der eingereichten Fassung anführt, sprechen im Gegenteil eher dafür, daß keine Unrichtigkeit im Sinne der Regel 88 EPÜ vorliegt. Der Antrag muß daher zurückgewiesen werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag auf Berichtigung der Beschreibung nach Regel 88 EPÜ wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.