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J 0009/87 (Angaben zur Hinterlegung eines Mikroorganismus) 30-11-1987
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Mikroorganismus Angaben zur Hinterlegung
Mangel/verspätet einger.Angaben über die Hinterlegung einer Kultur
Mangel/Anmelder nicht zur Beseitigung aufgefordert/kein Rechtsverlust
Wiedereinsetzungsgebühr - Rückzahlung bejaht
Beschwerdegebühr - Rückzahlung bejaht
Prüfung des Berichtigungsantrags und Entscheidung nicht veranlasst
Verfahensmangel - wesentlicher
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 85 101 009.0 wurde am 31. Januar 1985 unter Inanspruchnahme der Priorität einer am 31. Januar 1984 in den Vereinigten Staaten eingereichten nationalen Anmeldung im Namen der Beschwerdeführerin eingereicht.
II. Die Erfindung betrifft die Verwendung eines Mikroorganismus; auf Seite 26 der Beschreibung erklärte die Beschwerdeführerin, daß bei der American Type Culture Collection (ATCC) ein Mikroorganismus hinterlegt worden sei, ohne jedoch das Aktenzeichen der Hinterlegung anzugeben; dieses war auch bei Ablauf der Frist von 16 Monaten nach Regel 28 (2) EPÜ am 31. Mai 1985 noch nicht beim EPA nachgereicht worden. Es wurde erst in einem am 31. Juli 1985 beim EPA eingegangenen Schreiben mitgeteilt.
III. Mit einem Bescheid vom 31. Juli 1985, der sich mit dem bereits erwähnten Schreiben des Vertreters der Beschwerdeführerin kreuzte, teilte die Eingangsstelle dieser mit, daß die technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der betreffenden europäischen Patentanmeldung abgeschlossen seien und die Anmeldung am 25. September 1985 veröffentlicht werde.
IV. Mit einem weiteren Bescheid vom 23. August 1985 teilte die Eingangsstelle der Beschwerdeführerin mit, daß die Angaben nach Regel 28 (1) c) EPÜ nicht innerhalb der Frist nach Regel 28 (2) EPÜ eingereicht worden seien. Sie wies darauf hin, daß die Anmeldung nach Artikel 97 (1) EPÜ im Prüfungsverfahren wegen unzureichender Offenbarung (Art. 83 und R. 28 EPÜ) zurückgewiesen werden müsse, wenn der Mikroorganismus der Öffentlichkeit nicht zugänglich sei oder in der Anmeldung nicht so beschrieben werden könne, daß ein Fachmann die Erfindung danach ausführen könne.
V. Mit Fernschreiben vom 12. September 1985 beantragte der Vertreter der Beschwerdeführerin, daß das dem EPA am 31. Juli 1985 mitgeteilte Aktenzeichen der Hinterlegung der Kultur zusammen mit der Anmeldung am 25. September 1985 veröffentlicht oder in die Beschreibung der Anmeldung aufgenommen werde. Hilfsweise beantragte er, daß die Veröffentlichung so lange hinausgeschoben werde, bis die Eingangsnummer eingefügt werden könne.
VI. Mit Fernschreiben vom 3. September 1985 teilte das EPA dem Vertreter der Beschwerdeführerin mit, daß die technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung der Anmeldung am 31. Juli 1985 bereits abgeschlossen gewesen seien und daß deshalb weder die Eingangsnummer eingefügt noch die Veröf fentlichung aufgeschoben werden könne.
VII. Am 25. Oktober 1985 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung (Art. 122 EPÜ) in die Frist nach Regel 28 (2) EPÜ.
VIII. Mit Bescheid vom 3. Februar 1986 teilte die Eingangsstelle der Beschwerdeführerin mit, daß Artikel 122 EPÜ ihres Erachtens für die Frist von 16 Monaten nach Regel 28 (2) EPÜ nicht in Frage komme, da es sich bei der Hinterlegung, den Angaben über die Hinterlegungsstelle und dem Aktenzeichen der Hinterlegung um eine besondere Form der Offenbarung im Sinne des Artikels 83 EPÜ handele. Somit sei die Einreichung des Aktenzeichens nicht nur eine bloße Verfahrenshandlung; sie betreffe vielmehr eine der Voraussetzungen für die Patentierbarkeit, nämlich die ausreichende Offenbarung.
IX. Am 30. Juli 1986 stellte die Beschwerdeführerin an das EPA einen Antrag nach Regel 88 EPÜ auf Berichtigung der Beschreibung der Patentanmeldung durch Aufnahme des Aktenzeichens der Hinterlegung des Mikroorganismus. ...
X. Am 24. September 1986 traf der Leiter der Formalprüfungsstelle der GD 2 die beiden angefochtenen Entscheidungen, mit denen die Anträge auf Wiedereinsetzung und auf Berichtigung nach Regel 88 EPÜ zurückgewiesen wurden.
XI. Am 20. November 1986 legte die Beschwerdeführerin gegen die beiden Entscheidungen des Leiters der Formalprüfungsstelle der GD 2 Beschwerde ein. Sie entrichtete die beiden Beschwerdegebühren am selben Tag.
XII. Am 30. Januar 1987 reichte die Beschwerdeführerin zwei getrennte Beschwerdebegründungen nach. Zwar ist gegen zwei verschiedene Entscheidungen Beschwerde eingelegt worden; da jedoch beide Beschwerden dieselbe europäische Patentanmeldung und denselben Gegenstand betreffen und derselben Kammer in derselben Besetzung zugewiesen worden sind, wurde die Beschwerdeführerin gefragt, ob sie einer gemeinsamen Behandlung der beiden Beschwerden zustimme. Der Vertreter der Beschwerdeführerin gab diese Zustimmung mit Schreiben vom 3. September 1987. Dementsprechend hat die Beschwerdekammer gemäß Artikel 9 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern beide Beschwerden in einem gemeinsamen Verfahren behandelt.
1. Die gemeinsam behandelten Beschwerden entsprechen den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie sind somit zulässig. Antrag nach Artikel 122 EPÜ
2. Zunächst ist zu entscheiden, ob die Beschwerdeführerin einen Rechtsverlust erlitten hat, der Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrags nach Artikel 122 EPÜ sein könnte.
2.1. Bezieht sich eine Erfindung auf ein mikrobiologisches Verfahren oder ein damit gewonnenes Erzeugnis und wird hierbei ein Mikroorganismus verwendet, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und in der europäischen Patentanmeldung nicht so beschrieben werden kann, daß ein Fachmann die Erfindung danach ausführen kann, so gilt diese Erfindung nach Regel 28 EPÜ nur dann als gemäß Artikel 83 EPÜ offenbart, wenn innerhalb einer festgesetzten Frist bestimmte Angaben über den Mikroorganismus beim EPA eingereicht werden. Das Aktenzeichen der Hinterlegung der Kultur muß innerhalb von 16 Monaten nach dem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, nach dem Prioritätstag eingereicht werden (R. 28 (2) a) EPÜ).
2.2. In einem anderen Fall, in dem die beglaubigte Abschrift der Prioritätsunterlage nicht innerhalb der in Regel 38 (3) EPÜ vorgeschriebenen Frist von 16 Monaten eingereicht worden war, hat die Juristische Beschwerdekammer erklärt, daß dem Anmelder Gelegenheit gegeben werden müsse, diesen Mangel innerhalb einer weiteren Frist zu beseitigen (J 1/80, ABl. EPA 1980, 289: vgl. Nr. 3 der Entscheidungsgründe). Die Kammer hat festgestellt, daß ein Rechtsverlust erst dann eintrete, wenn der Anmelder von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch mache.
2.3. Nach Auffassung der Kammer war dieser Fall ähnlich gelagert wie der vorliegende, weil hier wie dort der Mangel erst bei Ablauf der Frist vorlag. Sie ist deshalb der Auffassung, daß in beiden Fällen ähnlich entschieden werden sollte. Daß die in Regel 28 (2) a) EPÜ vorgeschriebene Frist in Artikel 91 EPÜ nicht erwähnt wird, schließt nicht aus, daß sie hätte erwähnt werden können; Regel 28 EPÜ lautete nämlich zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Übereinkommens anders als jetzt.
2.4. Außerdem muß die Eingangsstelle entsprechend den Prüfungsrichtlinien, A-IV, 4.2 dem Anmelder eine entsprechende Mitteilung machen, wenn die in Regel 28 (1) EPÜ verlangten Angaben Mängel aufweisen oder nicht fristgerecht beigebracht werden. Im vorliegenden Fall wurde die Anmelderin über den betreffenden Mangel überhaupt nicht unterrichtet, so daß sie auch keine Gelegenheit zu seiner Beseitigung hatte. Somit ist ihr auch zu keinem Zeitpunkt ein Rechtsverlust entstanden.
2.5. Die Eingangsstelle hat daher eine Wiedereinsetzung zu Unrecht erwogen, da nie ein Rechtsverlust eingetreten ist. Daraus folgt, daß die Wiedereinsetzungsgebühr vom EPA zu Unrecht angenommen wurde und der Beschwerdeführerin zusammen mit der entsprechenden Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden muß (R. 67 EPÜ). Antrag auf Berichtigung nach Regel 88 EPÜ
3. In Anbetracht dessen brauchte das EPA diesen Antrag nicht zu prüfen; die Entscheidung, mit der die Berichtigung abgelehnt wurde, ist deshalb aufzuheben und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen (R. 67 EPÜ). Die Kammer weist auch darauf hin, daß Entscheidungen über eine Berichtigung der Beschreibung einer europäischen Patentanmeldung nicht zu den Geschäften gehören, mit deren Wahrnehmung die Formalsachbearbeiter aufgrund von Regel 9 (3) EPÜ betraut worden sind (s. Nr. 23 der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 15. Juni 1984, ABl. EPA 1984, 317).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung des Leiters der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 vom 24. September 1986, mit der der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Nachreichung des Aktenzeichens der Hinterlegung der Kultur zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
2. Die Wiedereinsetzungsgebühr ist zurückzuzahlen.
3. Die Entscheidung des Leiters der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 vom 24. September 1986, mit der der Antrag auf Berichtigung eines Mangels nach Regel 88 EPÜ zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
4. In die Beschreibung der europäischen Patentanmeldung Nr. 85 101 009.0 ist auf Seite 26 in Zeile 22 das Aktenzeichen der hinterlegten Kultur (Nr. 39 590) einzufügen.
5. Beide Beschwerdegebühren sind zurückzuzahlen.