J 0004/96 (Teilanmeldung) 15-04-1997
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I. Im Erteilungsverfahren der am 8. März 1991 eingereichten Patentanmeldung Nr. 91.... wurde der Anmelderin mit Prüfungsbescheid vom 17. Dezember 1993 mitgeteilt, daß die Anmeldung nicht einheitlich sei, sondern in drei Erfindungen zerfiele. Mit Schriftsatz vom 21. April 1994 erwiderte die Anmelderin, daß sie in dieser Anmeldung die dritte Erfindung weiterverfolge und sich für die beiden anderen Erfindungen die Einreichung von Teilanmeldungen vorbehalte. Am 3. November 1994 erging an die Anmelderin die Mitteilung gemäß Regel 51 (4) EPÜ, mit welcher ihr die für die Patenterteilung beabsichtigte Fassung des Patents zur Kenntnis gebracht wurde. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, innerhalb einer Frist von vier Monaten ihr Einverständnis mit der mitgeteilten Fassung zu erklären. Dieser Aufforderung kam die Anmelderin am 17. November 1994 mit folgender Erklärung nach: "Auf die Mitteilung gemäss Regel 51 (4) vom 3.11.94 teilen wir Ihnen hiermit unser Einverständnis zur mitgeteilten Fassung mit."
Die Patenterteilung erfolgte am 13. April 1995.
II. Am 18. Februar 1995 hatte die Anmelderin die vorliegende Patentanmeldung 95.... als Teilanmeldung zu der früheren Anmeldung eingereicht.
Mit Mitteilung vom 9. Mai 1995 informierte die Eingangsstelle gemäß Regel 69 (1) EPÜ die Anmelderin, daß die Anmeldung im Hinblick auf Regel 25 (1) EPÜ nicht als Teilanmeldung behandelt werde, da sie zu einem Zeitpunkt eingereicht worden sei, zu dem in der anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung bereits das Einverständnis gemäß Regel 51 (4) EPÜ erklärt gewesen sei.
Auf entsprechenden Antrag der Anmelderin hat die Eingangsstelle gemäß Regel 69 (2) EPÜ mit Entscheidung vom 21. August 1995 festgestellt, daß die Einreichung der vorliegenden Anmeldung als Teilanmeldung zur früheren Patentanmeldung nicht zulässig sei. In ihrer Begründung verwies die Eingangsstelle zusätzlich auf die Stellungnahme G 10/92 der Großen Beschwerdekammer vom 28. April 1994 (ABl. EPA 1994, 633), die den in Regel 25 (1) EPÜ für die Einreichung von Teilanmeldungen festgelegten Zeitpunkt bestätigt und die Gültigkeit der Regel 25 EPÜ feststellt.
III. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1995, eingegangen am gleichen Tag, hat die Anmelderin gegen die Entscheidung unter Entrichtung der entsprechenden Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 21. Dezember 1995 begründet.
IV. Am 15. April 1997 hat auf Antrag der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
V. Das schriftliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Es treffe zwar zu, daß die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 10/92 die Gültigkeit der Regel 25 EPÜ bestätigt habe. Während der Leitsatz dieser Entscheidung, der allerdings bekanntermaßen nicht Teil der Entscheidung sei, feststelle, daß der Anmelder zu der anhängigen früheren europäischen Anmeldung nur bis zu seiner Zustimmung gemäß Regel 51 (4) EPÜ eine Teilanmeldung einreichen könne, heiße es in den Gründen unter Punkt 1, daß nach diesem Zeitpunkt die Einreichung einer Teilanmeldung grundsätzlich nicht mehr möglich sei. Daraus sei zu schließen, daß es von diesem Grundsatz Ausnahmen gebe. Eine solche Ausnahme sei der vorliegende Fall.
Auch sei zum Zeitpunkt der Einreichung der Teilanmeldung die Frist zur Abgabe der Einverständniserklärung gemäß Regel 51 (4) EPÜ noch nicht abgelaufen gewesen. Mit dem Tag der Einreichung der Teilanmeldung habe daher festgestanden, daß mit der gemäß Regel 51 (4) EPÜ mitgeteilten Fassung das Einverständnis nur unter der Bedingung vorgelegen habe, daß der in dieser Fassung nicht mehr enthaltene Gegenstand in der Teilanmeldung weiterverfolgt werden könne. Die Einreichung von Teilanmeldungen sei außerdem in einem früheren Schriftsatz ausdrücklich vorbehalten worden.
Im Einklang mit der Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 10/92, wonach für die Anwendbarkeit der Regel 25 EPÜ immer die letzte vom Anmelder erklärte Zustimmung zu der zu erteilenden Fassung des Patents maßgebend sei, sei Inhalt dieser letzten Zustimmung sowohl die Teilanmeldung wie auch die Einverständniserklärung mit der Fassung des zu erteilenden Patents gewesen.
Zu bedenken sei auch, daß die beiden innerhalb der Frist gemäß Regel 51 (4) EPÜ eingereichten Erklärungen wegen des zeitlichen Nacheinanders zu Zweifeln am gesamten Erklärungsinhalt Anlaß geben könnten, so daß bei Ablauf der Frist das Einverständnis mit der Fassung des Patents nicht zweifelsfrei festgestanden habe. In diesem Fall habe das Verfahren nach Regel 51 (5) EPÜ Anwendung finden müssen, wie sich aus der Entscheidung T 1/92 (ABl. EPA 1993, 685) ergebe. Die Folge davon wäre gewesen, daß die Frist nach Regel 25 EPÜ auch zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdebegründung noch nicht abgelaufen gewesen wäre, so daß in Anbetracht dieses Gesichtspunktes die Teilanmeldung rechtzeitig eingereicht worden sei.
Ferner sei zu berücksichtigen, daß der Vorbehalt, für die in der früheren Anmeldung nicht weiterverfolgten Gegenstände Teilanmeldungen einzureichen, nie aufgegeben worden sei. Deshalb könne die bezüglich des in der früheren Anmeldung verbliebenen Gegenstandes abgegebene Einverständniserklärung nur als unter dem Vorbehalt der Einreichung von Teilanmeldungen stehend interpretiert werden.
Der durch die gegenseitige Abhängigkeit der Erklärungen begründete Erklärungsinhalt habe wegen seiner Bedingtheit zur Folge, daß - entsprechend dem der Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer J 27/94 (ABl. EPA 1995, 831) zugrundeliegenden Fall - keine gültige Zustimmungserklärung im Sinne von Regel 25 (1) EPÜ vorgelegen habe.
Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß durch die Einverständniserklärung auf den früheren Vorbehalt stillschweigend verzichtet worden sei. Eine derartige Auslegung würde den zwischen beiden Erklärungen bestehenden Zusammenhang in unzulässiger Weise außer Acht lassen. Dies ergebe sich aus der Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer J 11/87 (ABl. EPA 1988, 367). Darüber hinaus werde in dieser Entscheidung auch festgehalten, daß ein Verzicht nur dann angenommen werden dürfe, wenn die Begleitumstände zeigten, daß dies der wahren Absicht des Anmelders entspreche. Diese Voraussetzung habe hier aber nicht vorgelegen.
Daß ein Rechtsverzicht nicht ohne weiteres vermutet werden dürfe, ergebe sich auch aus der Entscheidung G 1/88 (ABl. EPA 1989, 189) der Großen Beschwerdekammer zu Regel 58 (4) EPÜ, wonach die Beschwerde eines Einsprechenden nicht deswegen unzulässig sei, weil dieser es unterlassen habe, fristgerecht auf eine Aufforderung nach Regel 58 (4) EPÜ zu der Fassung in der das europäische Patent aufrechterhalten werden solle, Stellung zu nehmen. Das Schweigen dürfe nicht als Verzicht auf das Beschwerderecht verstanden werden.
Hier liege ein vergleichbarer Fall vor, bei dem eine Prozeßerklärung ebenfalls massive materiellrechtliche Wirkungen nach sich ziehe.
Auch sei der Wille des Antragstellers im Zusammenhang mit dem gesamten vorangegangenen Verfahren zu sehen. Denn aus dem Gesamtzusammenhang könne ein bestimmter Wille herausgelesen werden. Hierzu werde auch auf die Entscheidung J 11/94 (ABl. EPA 1995, 596) verwiesen.
Schließlich müsse auch in das Verhältnis von Regel 51 (4) und Regel 25 EPÜ der erklärte Vorbehalt einbezogen werden. Man werde zwar nicht sagen können, daß der Vorbehalt unbegrenzt wirke; eine Grenze werde ohne Zweifel der Patenterteilungsbeschluß sein. Aber zumindest bis zum Ablauf der Frist gemäß Regel 51 (4) müsse der Vorbehalt noch beachtlich sein.
Angesichts des Vertrauensverhältnisses, das zwischen Amt und Anmelder herrsche, sei es im übrigen Pflicht des Amtes, den Anmelder rechtzeitig zu einer Erklärung bezüglich seines Vorbehaltes aufzufordern.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und festzustellen, daß die Einreichung der europäischen Patentanmeldung 95.... als Teilanmeldung zur Patentanmeldung 91.... zulässig ist, hilfsweise die Große Beschwerdekammer mit folgender Rechtsfrage zu befassen:
a) Stellt ein im Prüfungsverfahren ausgesprochener Vorbehalt, Teilanmeldungen auf in der Stammanmeldung nicht mehr weiter verfolgte Anmeldungsteile richten zu wollen, eine Bedingung dar, die im späteren Verfahren nach Regel 51 zu berücksichtigen ist?
b) Kann die Erklärung des Einverständnisses zu der gemäß Regel 51 (4) EPÜ mitgeteilten Fassung einer europäischen Patentanmeldung als Verzicht auf darin nicht mehr enthaltene Anmeldungsteile ausgelegt werden, wenn der Anmelder zuvor erklärt hat, daß er sich die Weiterverfolgung dieser Anmeldungsteile im Rahmen von Teilanmeldungen vorbehält?
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Gemäß Regel 25 (1) EPÜ kann der Anmelder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er gemäß Regel 51 (4) EPÜ sein Einverständnis mit der Fassung erklärt, in der das europäische Patent erteilt werden soll, eine Teilanmeldung zu der früheren Anmeldung einreichen.
3. Im vorliegenden Fall wurde im Verfahren der früheren Anmeldung 91.... die Mitteilung gemäß Regel 51 (4) EPÜ am 3. November 1994 an die Anmelderin gesandt mit der Aufforderung, ihr Einverständnis mit der Fassung des Patents innerhalb von vier Monaten zu erklären. Mit Schriftsatz vom 11. November 1994, eingegangen am 17. November 1994, teilte die Anmelderin umgehend ihr bedingungsloses Einverständnis mit der vorgeschlagenen Fassung mit. Von ihrem knapp sieben Monate früher erklärten Vorbehalt, für die anderen zwei Erfindungen Teilanmeldungen einzureichen, machte sie zu diesem Zeitpunkt keinen Gebrauch.
Eine Teilanmeldung hat die Anmelderin erst am 18. Februar 1995, also etwa drei Monate nach Abgabe der Einverständniserklärung gemäß Regel 51 (4) EPÜ eingereicht. Nach dem Wortlaut von Regel 25 (1) EPÜ war der Zeitpunkt, bis zu dem eine Teilanmeldung hätte eingereicht werden können, somit verstrichen.
4. Die Anmelderin hat zum einen geltend gemacht, daß aus der Stellungnahme G 10/92 hervorgehe, daß es Ausnahmen von dieser Regelung gebe. Sie beruft sich hierbei auf die in den Gründen der Stellungnahme getroffene Feststellung, daß nach dem entscheidenden Zeitpunkt die Einreichung einer Teilanmeldung grundsätzlich nicht mehr möglich sei.
Dieser Ansicht kann die Kammer nicht folgen. Zwar ist richtig, daß beim Gebrauch des Wortes "grundsätzlich" implizit aufgrund des Sachzusammenhangs Ausnahmen mit erfaßt sein können. Aber "grundsätzlich" kann auch eine verstärkende Bedeutung dahingehend haben, daß Ausnahmen gerade nicht möglich sind. In diesem letzteren Sinn ist das Wort hier zu verstehen, wie sich aus der Interpretation des Wortlauts der Regel 25 EPÜ gemäß Punkt 1 der Stellungnahme ergibt. Zunächst wird festgestellt, daß die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Teilanmeldung eingereicht werden könne, eindeutig geregelt sei. Dem wird hinzugefügt, daß der Wortlaut der Regel 25 EPÜ eine klare Antwort auf die vorgelegte Rechtsfrage enthalte. Die Interpretation der Regel 25 wird beendet mit der sich aus den getroffenen Feststellungen ergebenden Schlußfolgerung, daß nach diesem Zeitpunkt die Einreichung einer Teilanmeldung grundsätzlich nicht mehr möglich sei. Weder werden Ausnahmen aufgezählt, noch sind sie angesichts der vorgenommenen Interpretation impliziert.
5. Zum anderen argumentiert die Anmelderin, daß die Frist zur Abgabe der Einverständniserklärung bei Einreichung der Teilanmeldung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Dies trifft zu. Aber hierauf kommt es nach dem Wortlaut von Regel 25 (1) EPÜ nicht an. Diese Vorschrift stellt nicht ab auf die Frist, innerhalb der die Einverständniserklärung abzugeben ist, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die Einverständniserklärung abgegeben wird. Deshalb kann der Umstand, daß die Viermonatsfrist bei Einreichung der Teilanmeldung noch nicht abgelaufen war, hier nicht weiterhelfen.
6. Auch die weitere Einlassung der Anmelderin, daß die am 17. November 1994 eingegangene Einverständniserklärung zusammen mit der am 18. Februar 1995 erfolgten Einreichung der Teilanmeldung die Zustimmung zu der zu erteilenden Fassung des Patents darstelle, ist mit dem Wortlaut von Regel 25 (1)EPÜ nicht vereinbar. Denn danach wird gerade die Einreichung von Teilanmeldungen nach Abgabe der Einverständniserklärung ausgeschlossen und damit deutlich gemacht, daß es sich bei der Erklärung des Einverständnisses zur beabsichtigten Fassung des Patents im Verfahren der früheren Anmeldung einerseits und bei der Einreichung einer Teilanmeldung andererseits um verschiedene, voneinander getrennte Vorgänge handelt. Die Einbeziehung der Einreichung einer Teilanmeldung in die zeitlich früher erfolgte Einverständniserklärung ist deshalb nicht zulässig.
7. Ferner macht die Anmelderin geltend, daß möglicherweise bei Ablauf der für die Abgabe der Einverständniserklärung gewährten Frist dieses Einverständnis wegen des zeitlichen Nacheinanders der eingereichten Erklärungen nicht zweifelsfrei festgestanden habe mit der Folge, daß das Verfahren nach Regel 51 (5) EPÜ hätte Anwendung finden müssen.
Auch diese Überlegungen stellen auf den Ablauf der Frist zur Abgabe der Einverständniserklärung nach Regel 51 (4) EPÜ ab. Diese Frist ist aber für Regel 25 (1) ohne Bedeutung, da es dort, wie bereits unter Punkt 5 ausgeführt, auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Abgabe der Einverständniserklärung ankommt. Deshalb sind Erklärungen und Ereignisse, die zeitlich nach diesem Zeitpunkt liegen, nicht mehr zu berücksichtigen, sofern sie nicht die Einverständniserklärung selbst betreffen, wie dies in der von der Anmelderin zitierten Entscheidung T 1/92 der Fall war. Diese Entscheidung ist deshalb mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu vergleichen. Denn hier hat die Anmelderin nie ihre Einverständniserklärung mit der vorgeschlagenen Fassung des Patents zurückgezogen oder widerrufen. Dies sollte auch nicht durch die Einreichung der Teilanmeldung geschehen. Hier liegt somit genau der von Regel 25 (1) EPÜ erfaßte Sachverhalt vor: die Teilanmeldung wird nach Abgabe der Einverständniserklärung zur vorgeschlagenen Fassung des Patents im Verfahren der früheren Anmeldung eingereicht, wobei die Einverständniserklärung selbst eindeutig war und von der Anmelderin auch nie in Frage gestellt wurde.
8. Auch beruft sich die Anmelderin unter Hinweis auf die Entscheidung J 27/94 darauf, daß ihre Einverständniserklärung wegen des früher erklärten Vorbehalts der Einreichung von Teilanmeldungen an eine Bedingung geknüpft und somit nicht gültig gewesen sei.
Auch dieser Interpretation kann die Kammer nicht folgen. Zwischen der Erklärung, daß die Einreichung von Teilanmeldungen vorbehalten werde und der eindeutigen, dem Wortlaut nach bedingungslosen Einverständniserklärung liegen fast 7 Monate. Die Einverständniserklärung erfolgte ohne jegliche Bezugnahme auf eine beabsichtigte Einreichung von Teilanmeldungen. Dieser Sachverhalt ist folglich mit dem der Entscheidung J 27/94 zugrundeliegenden Fall nicht zu vergleichen. Denn dort wurde in ein und derselben Erklärung sowohl das Einverständnis bekundet als auch die Absicht zur Einreichung einer Teilanmeldung. Der innere Zusammenhang zwischen den beiden Erklärungsteilen und ihre Abhängigkeit voneinander war dadurch offensichtlich.
Im vorliegenden Fall gibt es dagegen nicht nur eine Erklärung, sondern zwei in einem erheblichen zeitlichen Abstand. Mit der ersten Erklärung vom 21. April 1994 wurde die Einreichung von Teilanmeldungen nur vorbehalten. Mit der zweiten Erklärung gemäß Schreiben vom 11. November 1994 wurde klar und unmißverständlich nur das Einverständnis mit der Fassung des Patents erklärt. Eine vergleichbare Abhängigkeit besteht zwischen diesen beiden Erklärungen schon aufgrund des großen zeitlichen Abstandes nicht,und die Einverständniserklärung ist nicht als mit einer Bedingung behaftet anzusehen. Deshalb kann auch die Entscheidung J 27/94 hier nicht weiterhelfen.
9. Die Frage, ob die Einverständniserklärung der Anmelderin gemäß Regel 51 (4) EPÜ als Verzicht auf die Einreichung von Teilanmeldungen anzusehen ist oder nicht, kann hier unbeantwortet bleiben; denn darauf kommt es nicht an. Maßgebend ist hier allein, daß aufgrund einer Vorschrift die Einreichung von Teilanmeldungen nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich ist. Die Zäsur der Regel 25 (1) EPÜ gilt unabhängig davon, ob die Anmelderin auf die Einreichung von Teilanmeldungen verzichten wollte oder nicht. Deshalb sind die von ihr zum Verzicht zitierten Entscheidungen für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sie nicht die Beachtung einer gesetzlichen Vorschrift betreffen.
So ging es bei der Entscheidung J 11/87 um die Frage, ob eine Erklärung als Verzicht auf die Anmeldung zu verstehen war. Da der Verzicht auf eine Anmeldung jederzeit möglich ist und allein vom Anmelder abhängt, kommt es darauf an, dessen Erklärung richtig zu interpretieren.
In dem der Entscheidung G 1/88 zugrundeliegenden Fall ging es um die Frage, welche Folgen das Schweigen eines Einsprechenden auf einen eine Aufforderung zur Stellungnahme nach Regel 58 (4) EPÜ enthaltenden Bescheid nach sich zieht, da im EPÜ bzw. in der Ausführungsordnung selbst keine Folgen ausdrücklich festgelegt sind. Es ist dort also nicht die mangelnde Beachtung einer Vorschrift des EPÜ angesprochen, sondern die mangelnde Beachtung eines Bescheids des Europäischen Patentamts. Deshalb ist auch dieser Fall nicht einschlägig.
Ebensowenig kann die Entscheidung J 11/94 hier weiterhelfen, die der Entscheidung J 11/87 insofern vergleichbar ist, als es dort um die Frage ging, ob ein Schriftsatz eine Beschwerderücknahme darstellte oder nicht. Da eine Beschwerderücknahme ebenfalls jederzeit möglich und an keinen Zeitpunkt gebunden ist, fehlt es auch hier an einer vergleichbaren Ausgangslage.
10. Ferner bringt die Anmelderin noch vor, daß der von ihr gemachte Vorbehalt der Einreichung von Teilanmeldungen wenigstens bis zum Ablauf der Frist gemäß Regel 51 (4) EPÜ beachtet werden müsse.
Dieses Vorbringen stellt wieder auf die zur Abgabe der Einverständniserklärung gewährte Frist ab. Aber gerade dies wird durch Regel 25 (1) EPÜ ausgeschlossen, wie bereits dargelegt. Es wird hierzu auf Punkt 5 bis 7 verwiesen.
11. Schließlich vertritt die Anmelderin die Ansicht, daß das Amt in Anbetracht des zwischen ihm und den Anmeldern herrschenden Vertrauensverhältnisses zu einer Aufforderung an sie, die Anmelderin, sich über den Vorbehalt zu erklären, verpflichtet gewesen wäre.
Dieser Ansicht kann die Kammer nicht zustimmen. Die Prüfungsabteilung hatte die Anmelderin im Rahmen des Verfahrens der früheren Anmeldung auf die Möglichkeit der Einreichung von Teilanmeldungen hingewiesen. Ob die Anmelderin davon Gebrauch macht und wenn sie es tut, daß sie die Handlung auch rechtzeitig vornimmt, ist allein ihre Entscheidung und obliegt allein ihrer Verantwortung. Das Vertrauensverhältnis zwischen Amt und Anmeldern geht nicht so weit, daß den Anmeldern ihre Verantwortung abgenommen werden soll. Es kann eine Anzahl von Gründen geben, warum ein einmal erklärter Vorbehalt sich im Lauf der Zeit erledigt hat oder nicht. Diese Gründe kennt nur der Anmelder, und es ist seine Obliegenheit, entsprechend zu handeln.
Die Eingangsstelle hat sich keinen Verstoß gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes zu Schulden kommen lassen.
11. Entgegen der Ansicht der Anmelderin besteht auch keine Veranlassung die Große Beschwerdekammer zu befassen, da eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgetreten ist.
Zu der unter a) formulierten Frage ist zu sagen, daß ein erklärter Vorbehalt, Teilanmeldungen auf in der Stammanmeldung nicht mehr weiterverfolgte Anmeldungsteile zu richten, nur zum Ausdruck bringt, daß diese Möglichkeit zum Zeitpunkt der Erklärung beansprucht wird und offen gehalten werden soll. Mehr drückt der Vorbehalt hier nicht aus, er beinhaltet nicht einmal eine Absichtserklärung und schon gar keine Bedingung, da diese immer in Relation zu einem anderen Ereignis oder einer Handlung steht.
Zu der unter b) gestellten Frage ist bereits unter Punkt 9 ausführlich dargelegt worden, daß es auf die Frage, ob die Einverständniserklärung zu der gemäß Regel 51 (4) EPÜ mitgeteilten für die Patenterteilung beabsichtigten Fassung als Verzicht auf darin nicht mehr enthaltene Anmeldungsteile ausgelegt werden kann, wenn hierfür die Einreichung von Teilanmeldungen vorbehalten wurde, nicht ankommt.
12. Der Beschwerde mußte daher der Erfolg versagt bleiben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.