T 0224/06 22-10-2007
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Optisch variables Sicherheitsmerkmal
Ausführbarkeit (Anspruch 1 des Hauptantrags - ja)
Gültigkeit der Priorität - nein
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 4 und 6) - nein
Klarheit (Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7) - nein
Rückkehr zu Anspruch 1 wie erteilt - nein (Verstoß gegen Verschlechterungsverbot)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung, mit der das europäische Patent Nr. 1 185 422 in geändertem Umfang aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) und Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit, Artikel 83 EPÜ) angegriffen worden.
II. Am 22. Oktober 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 1 185 422.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und, als Hauptantrag, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 6 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf Grundlage der mit Schreiben vom 20. September 2007 als Hilfsanträge 1 bis 7 eingereichten Anspruchssätze oder auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 des Streitpatents wie erteilt aufrechtzuerhalten.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin lautet wie folgt:
"1. Optisch variables Sicherheitsmerkmal mit diffraktiven Strukturen, bestehend aus einem elektrisch leitenden Polymer und mindestens einer Trägerfolie (1), einer Schutzschicht (7), einer Lackschicht (3) und einer Reflexionsschicht (4), dadurch gekennzeichnet, dass das elektrisch leitende Polymer ein an unterschiedlichen Lagen angeordnetes Polyethylendioxythiophenpolystyrolsulfonat (PEDT/PSS) ist und sich das Design des PEDT/PSS und ein funktionelles Design (6) der Reflexionsschicht (4) gegenseitig bildlich oder durch Überbrückung von Unterbrechungen zwischen elektrisch leitfähigen Zonen funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen."
Anspruch 1 gemäß der Hilfsanträge 1 und 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal "und sich das Design des PEDT/PSS und ein funktionelles Design (6) der Reflexionsschicht (4) gegenseitig bildlich oder durch Überbrückung von Unterbrechungen zwischen elektrisch leitfähigen Zonen funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen" (weiterhin mit Design-Merkmal bezeichnet) durch das Merkmal "das PEDT/PSS (2) und die Reflexionsschicht (4) in voneinander getrennten Ebenen angeordnet sind und ihr Design derart gestaltet ist, dass sie erst zusammen ein vollständiges Bild ergeben, das mit entsprechenden Prüfmitteln erkennbar ist" ersetzt worden ist.
Der unabhängige Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 1, 4 und 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass der Ausdruck "gegenseitig bildlich oder" gestrichen worden ist.
Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2, 5 und 7 enthalten alle das oben erwähnte Merkmal, dass "das PEDT/PSS (2) und die Reflexionsschicht (4) in voneinander getrennten Ebenen angeordnet sind und ihr Design derart gestaltet ist, dass sie erst zusammen ein vollständiges Bild ergeben, das mit entsprechenden Prüfmitteln erkennbar ist".
Anspruch 1 des weiteren und letzten Hilfsantrags entspricht Anspruch 1 wie erteilt. Dieser Anspruch unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Design-Merkmal nicht enthalten ist.
V. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Druckschrift Bezug genommen:
E1 WO 99/66128
VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Hauptantrag - Einwand der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Gemäß Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei das elektrisch leitende Polymer "an unterschiedlichen Lagen" angeordnet. In der Beschreibung des Streitpatents finde sich keine Erklärung für dieses Merkmal. Dort sei nur davon die Rede, dass das Polymer und die Reflexionsschicht in voneinander getrennten bzw. in benachbarten Ebenen angeordnet seien (siehe Spalte 4, Zeile 36 bzw. 44 des Streitpatents). In der angefochtenen Entscheidung sei dahingegen das fragliche Merkmal als "an unterschiedlichen Positionen" interpretiert worden. Der Fachmann sei hier überfordert, er wisse nicht, wo das Polymer anzuordnen sei. Das Design des PEDT/PSS und das Design der Reflexionsschicht, z. B. das Design des Hologramms, sollten sich laut Anspruch 1 des Hauptantrags gegenseitig bildlich ergänzen. Ein optisch variables Sicherheitsmerkmal sei aber ein Humanmerkmal, das visuell geprüft werde, wohingegen das elektrisch leitende Polymer PEDT/PSS maschinell geprüft werde. Der Fachmann sei also nicht in der Lage dieses Merkmal in die Praxis umzusetzen. Die Reflexionsschicht müsse nicht elektrisch leitend sein. Dann aber könne der Fachmann Unterbrechungen der Reflexionsschicht nicht durch die leitfähige Polymerschicht derart überbrücken, dass sich die jeweiligen Designs "funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen". Zusammengefasst wisse der Fachmann nicht, wie er das Design der beiden Schichten wählen muss, so dass das Design-Merkmal realisiert sei.
Hauptantrag - Gültigkeit der beanspruchten Priorität (Artikel 87 EPÜ)
Die beanspruchte Priorität sei nicht gültig, da in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Reflexionsschicht nicht näher spezifiziert werde, wohingegen die Prioritätsanmeldung offenbare, dass die Reflexionsschicht aus mindestens einem filmartige Metallpigmente enthaltenen Lackauftrag bestehe. Es gebe keine Offenbarung in der Prioritätsanmeldung, dass das Merkmal "aus mindestens einem filmartige Metallpigmente enthaltenen Lackauftrag besteht" weggelassen werden könne. Aus der Abhandlung des Standes der Technik und der Darstellung der Erfindung in der Prioritätsanmeldung (siehe insbesondere Seite 2, letzter Absatz, Seite 3, erster und zweiter Absatz, Seite 6, Zeilen 1 und 2 sowie 18 bis 24) ergebe sich vielmehr, dass es sich hier um ein wesentliches Merkmal handele.
Hauptantrag - Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Druckschrift E1 bilde den nächstliegenden Stand der Technik nach Artikel 54(2) EPÜ, da der Zeitrang des Streitpatents der Anmeldetag und nicht der Prioritätstag sei. Diese Druckschrift offenbare ein Sicherheitsmerkmal bestehend aus einer Trägerfolie, einer Schutzschicht, einer Lackschicht, einer Reflexionsschicht und einer Schicht aus PEDT/PSS (siehe Beispiel 4 und die Ansprüche 33 und 52). Auch das Merkmal, wonach das Design der Reflexionsschicht in Form von Unterbrechungen durch das Design des PEDT/PSS elektrisch leitfähig überbrückt werde, sei der Druckschrift E1 zu entnehmen, siehe Seite 11, Zeilen 13 bis 26. Der einzige Unterschied zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und dem aus der Druckschrift E1 bekannten Sicherheitsmerkmal sei, dass patentgemäß das Sicherheitsmerkmal mit diffraktiven Strukturen ausgestattet sein soll, also beispielsweise die Reflexionsschicht als Prägehologramm ausgebildet sei. Dem Fachmann auf dem Gebiet der Sicherheitsmerkmale sei diese Maßnahme zur Erhöhung der Fälschungssicherheit bzw. der optischen Attraktivität eines Sicherheitsmerkmals hinlänglich bekannt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge 1, 4 und 6 - Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Der Gegenstand des Anspruchs 2 des 1., 4. und 6. Hilfsantrags entspreche der aus der Druckschrift E1 bekannten Variante des Anspruchs 1 des Hauptantrags gemäß der das Design der Reflexionsschicht in Form von Unterbrechungen durch das Design des PEDT/PSS elektrisch leitfähig überbrückt werde. Der Gegenstand dieser Ansprüche beruhe daher aus dem gleichen Grund nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7 - Einwand der mangelnden Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
In Anspruch 1 von jedem dieser Anträge sei das Merkmal enthalten, dass das Design des PEDT/PSS und das Design der Reflexionsschicht derart gestaltet seien, dass "sie erst zusammen ein vollständiges Bild ergeben". Dies sei für den Fachmann unklar, da dies impliziere, dass das Design des PEDT/PSS und das Design der Reflexionsschicht jeweils für sich "unvollständig" seien. Die maschinelle Auswertung des jeweiligen Designs sei aber das Messergebnis eines Prüfverfahrens und es gebe keinen Unterschied zwischen einem "unvollständigen" und einem "vollständigen" Bild.
Weiterer Hilfsantrag - Grundsatz des Verschlechterungsverbots
Der Beschwerdegegnerin könne nicht gestattet werden, zu den Ansprüchen 1 bis 6 in der erteilten Fassung zurückzukehren, da dies dem Grundsatz des Verschlechterungsverbots zuwiderlaufe.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Hauptantrag - Einwand der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Die Einwände der Beschwerdeführerin bezüglich Artikel 83 EPÜ seien im Grunde Einwände der mangelnden Klarheit nach Artikel 84 EPÜ. Da Anspruch 1 gemäß Hauptantrag Anspruch 3 des erteilten Patents entspreche, seien Klarheitseinwände außer Betracht zu lassen, da mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund sei. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sei aber an sich klar. Das Wort "Lagen" (Singular "Lage") bedeute Positionen und nicht "Schichten". Die Erfindung sei auch ausführbar. In der Beschreibung sei ein Ausführungsbeispiel beschrieben (siehe Absätze [0012] und [0013], insbesondere Spalte 4, Zeilen 43 bis 47, wo genau beschrieben sei, wie das Design des PEDT/PSS und das Design der Reflexionsschicht gestaltet sein müssten, nämlich so "dass sie erst zusammen ein vollständiges Bild ergeben, das mit entsprechenden Prüfmitteln erkennbar ist" (siehe auch den Passus in Spalte 4, Zeilen 36 bis 40, der den Fall betreffe, bei dem die Designs derart zusammenwirkten, dass Unterbrechungen in der Reflexionsschicht überbrückt würden).
Hauptantrag - Gültigkeit der beanspruchten Priorität (Artikel 87 EPÜ)
Der Fachmann entnehme der Prioritätsanmeldung eindeutig Ausführungsformen, bei denen die Reflexionsschicht nicht aus filmartigen Metallpigmenten bestehe. So sei zum Beispiel auf Seite 4, Zeilen 12 bis 21 und in den Figuren 1 bis 3 der Prioritätsanmeldung ein optisch variables Sicherheitselement offenbart, bei dem die Reflexionsschicht nicht näher definiert sei. Die in der Figur 6 gezeigte Ausführungsform zeige dahingegen einen Aufbau, der zu der in den Figuren 1 bis 3 gezeigten Ausführungsform unterschiedlich sei. In Figur 6 sei die Reflexionsschicht mit dem Bezugszeichen 4a angegeben und im Text, siehe Seite 4, Zeilen 22 bis 24 als "Reflexionsschicht 4a mit filmartigen Metallpigmenten und UV-härtbarem Lackanteil" bezeichnet, wohingegen die in den Figuren 1 bis 3 gezeigte Schicht lediglich als "Reflexionsschicht" bezeichnet und mit dem Bezugszeichen 4 angegeben sei. Es handele sich hier um eine besondere Ausführungsform. Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass Anspruch 1 der Prioritätsanmeldung auf eine speziell definierte Ausgestaltung der Erfindung, hier: eine Reflexionsschicht aus einem filmartige Metallpigmente enthaltenden Lackauftrag, beschränkt sei. Aus dem Passus auf Seite 3, Zeilen 23 bis 25 gehe klar hervor, dass auch einzelne Merkmale des optisch variablen Sicherheitselement "für sich allein oder zu mehreren in Form von Unterkombinationen schutzfähige Ausführungen darstellen, für die hier Schutz beansprucht wird". Die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts sei somit korrekt.
Hauptantrag - Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Druckschrift E1 beschreibe nicht den nächstliegenden Stand der Technik, da diese Druckschrift keine Sicherheitsmerkmale als solche, sondern in eine Papierstoffbahn einzubringende Sicherheitsmerkmale beschreibe (siehe Seite 3, Zeilen 16 bis 20). Es handele sich bei dem Sicherheitsmerkmal nach der Erfindung und bei dem Sicherheitsmerkmal zur Integration in die Papierstoffbahn nach der Druckschrift E1 um verschiedene Gegenstände. Der Fachmann könne der Druckschrift E1 kein Hinweis entnehmen, zusätzlich das Sicherheitsmerkmal mit diffraktiven Strukturen auszustatten, geschweige denn, das Design der diffraktiven Strukturen, zum Beispiel in Form eines Hologramms, so zu gestalten, dass das Design der Reflexionsschicht und das Design des PEDT/PSS sich gegenseitig bildlich ergänzen bzw. die Designs sich durch Überbrückung von Unterbrechungen zwischen elektrisch leitfähigen Zonen funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen. Die der Erfindung zu Grunde liegende Idee, ein Hologramm mit Hilfe einer PEDT/PSS Schicht abzusichern, sei durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge 1, 4 und 6 - Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Aus obigen Gründen beruhe der Gegenstand des Anspruchs 2 des 1., 4. sowie 6. Hilfsantrags ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7 - Einwand der mangelnden Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Bei der Neuformulierung des Design-Merkmals, nämlich, dass "das PEDT/PSS (2) und die Reflexionsschicht (4) in voneinander getrennten Ebenen angeordnet sind und ihr Design derart gestaltet ist, dass sie erst zusammen ein vollständiges Bild ergeben, das mit entsprechenden Prüfmitteln erkennbar ist", wurde zusätzlich das Merkmal aufgenommen, dass "das PEDT/PSS (2) und die Reflexionsschicht (4) in voneinander getrennten Ebenen angeordnet sind". Diese Formulierung sei auf Seite 5, Zeilen 13 bis 16 der ursprünglich eingereichten Anmeldung (veröffentliche Fassung) offenbart und bringe klar zum Ausdruck, dass beide Designs erst zusammen ein vollständiges Bild ergäben.
Weiterer Hilfsantrag - Grundsatz des Verschlechterungsverbots
Die Ausnahme vom Verschlechterungsverbot unter den in den Leitsätzen der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/99 genannten Voraussetzungen müsse auch hier möglich sein, wenn ein oder mehrere Hilfsanträge als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet habe, zurückgewiesen werden.
Hauptantrag
1. Auslegung des Anspruchs 1
Anspruch 1 betrifft ein optisch variables Sicherheitsmerkmal mit diffraktiven Strukturen, bestehend aus einem elektrisch leitenden Polymer und mindestens
i) einer Trägerfolie (1),
ii) einer Schutzschicht (7),
iii) einer Lackschicht (3) und
iv) einer Reflexionsschicht (4).
"bestehend aus"
Der Ausdruck "bestehend aus" wird durch das Wort "mindestens" qualifiziert mit der Folge, dass die Aufzählung "elektrisch leitende Polymer, Trägerfolie, Schutzschicht, Lackschicht und Reflexionsschicht" keine abschließende Aufzählung der Komponenten des Sicherheitsmerkmals darstellt. So wird zum Beispiel in Absatz [0011] des Streitpatents ein optisch variables Sicherheitsmerkmal nach der Erfindung beschrieben, das zusätzlich eine Klebschicht 5 aufweist (siehe Figuren 1 und 2).
"diffraktive Strukturen"
Optisch variable Sicherheitsmerkmale mit diffraktiven Strukturen werden unter anderem dazu eingesetzt, um die Fälschungssicherheit von Dokumenten, Wertpapieren, Banknoten, Verpackungen, usw. zu erhöhen. Ein Beispiel eines optisch variablen Sicherheitsmerkmals ist ein Hologramm, bei dem üblicherweise diffraktive Strukturen in eine härtbare Lackschicht geprägt sind (siehe Spalte 1, Zeilen 10 bis 20 des Streitpatents). Ferner sind dem Fachmann diffraktive Strukturen in Form von Beugungsgitter bekannt. Gemäß Anspruch 1 weist das optisch variable Sicherheitsmerkmal diffraktive Strukturen auf. Eine Zuordnung der diffraktiven Strukturen zu den oben erwähnten Komponenten des Sicherheitsmerkmals, z. B. Lackschicht und Reflexionsschicht, ist in Anspruch 1 weder definiert noch impliziert, wie die Beschwerdegegnerin auch bestätigt hat. Die diffraktiven Strukturen können somit eine eigenständige Komponente darstellen, siehe auch Absatz [0011] des Streitpatents, wo ausgeführt wird, dass die Lackschicht vorzugsweise Träger von diffraktiven Strukturen ist (Hervorhebung von der Kammer).
"an unterschiedlichen Lagen angeordnet"
Das erste kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1, wonach "das elektrisch leitende Polymer ein an unterschiedlichen Lagen angeordnetes Polyethylendioxythiophenpolystyrolsulfonat (PEDT/PSS) ist" definiert einerseits das im Oberbegriff erwähnte elektrisch leitende Polymer, andererseits wo das elektrisch leitende Polymer angeordnet ist. Der Ausdruck "an unterschiedlichen Lagen" kann nach Auffassung der Kammer sowohl "an unterschiedlichen Stellen" als auch "an unterschiedlichen Positionen" bedeuten. Dieser Ausdruck schließt nicht aus, dass das elektrisch leitende Polymer auch an unterschiedlichen Schichten angeordnet werden kann. Andererseits bedeutet dieser Ausdruck nicht zwingend, dass das elektrisch leitende Polymer an unterschiedlichen Schichten angeordnet sein muss, da dies in den im Streitpatent beschriebenen Ausführungsbeispielen (siehe Spalte 3, Zeile 29, bis Spalte 4, Zeile 47 sowie die Figuren 1 bis 3) nicht der Fall ist. Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass besagtes Merkmal des Anspruchs 1 lediglich zum Ausdruck bringt, dass das elektrisch leitende Polymer PEDT/PSS im Sicherheitsmerkmal vorhanden ist.
"sich ... gegenseitig bildlich ergänzen" bzw. "sich ... funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen"
Das zweite kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 lautet: "und sich das Design des PEDT/PSS und ein funktionelles Design (6) der Reflexionsschicht (4) gegenseitig bildlich oder durch Überbrückung von Unterbrechungen zwischen elektrisch leitfähigen Zonen funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen". In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, dass das Design des PEDT/PSS "humanvisuell nicht erkennbar und nur durch den Nachweis ihrer elektrischen Leitfähigkeit detektierbar" ist (siehe Spalte 4, Zeilen 6 bis 9, des Streitpatents). Das Design des PEDT/PSS ist also mittels eines Prüfverfahrens detektierbar. Da sich das Design des PEDT/PSS und das funktionelle Design der Reflexionsschicht "gegenseitig bildlich ergänzen" bzw. "funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen", ist das funktionelle Design der Reflexionsschicht ebenfalls mittels eines Prüfverfahren detektierbar (siehe Absatz [0013] des Streitpatents, worin die im oben genannten Merkmal zweitgenannte Alternative beschrieben ist).
Die verwendeten Begriffe "Design" (des PEDT/PSS) und "funktionelles Design" (der Reflexionsschicht) sind nach Auffassung der Kammer nicht äquivalent. So kann - muss aber nicht - die Schicht aus dem PEDT/PSS ein funktionelles Design bilden, siehe Spalte 4, Zeilen 10 bis 24 des Streitpatents. Der Begriff "Design" schließt nicht aus, dass das Design (oder Muster) des "an unterschiedlichen Lagen" angeordneten PEDT/PSS und/oder das Design der Reflexionsschicht homogen sind. Als Beispiel einer Reflexionsschicht mit funktionellem Design ist im Streitpatent eine Reflexionsschicht erwähnt, die ein Design in der Form einer Mikroschrift oder anderer humanvisuell nicht mehr erkennbaren Unterbrechungen enthält.
Das optisch variable Sicherheitsmerkmal gemäß Anspruch 1 weist also zwei Komponenten ("Designs") auf, die mittels Prüfverfahren detektierbar sind, wobei das Messergebnis bzw. die Messergebnisse in Kombination ein Signal ("Bild") ergeben. Nach Auffassung der Kammer sind die Ausdrücke "sich ... gegenseitig bildlich ergänzen" bzw. "sich ... funktionell zu einem prüfbaren Ganzen ergänzen" in diesem Sinne - d.h. wie im letzten Satz zum Ausdruck gebracht - zu verstehen. Wie das Prüfverfahren gestaltet ist bzw. die Prüfverfahren gestaltet sind und wie das Signal aussieht bzw. die Signale aussehen (z. B. 1- oder 2-dimensional) ist der Beschreibung des Streitpatents und dem Anspruch 1 nicht zu entnehmen. Das Wort "bildlich" ist nach Auffassung der Kammer so zu verstehen, dass das Signal bzw. die Signale ausgewertet oder "bildhaft" dargestellt werden kann bzw. können, zum Beispiel um festzustellen, ob eine Fälschung vorliegt oder nicht. Die Prüfung an sich und damit die Prüfkriterien sind übrigens nicht Gegenstand des Anspruchs 1. Obwohl ein optisch variables Sicherheitsmerkmal mit diffraktiven Strukturen üblicherweise in Aufsicht oder Durchsicht visuell geprüft werden kann, ist so eine humanvisuelle Prüfung der diffraktiven Strukturen (z. B. des "Designs" des Hologramms) ebenfalls nicht Gegenstand des Anspruchs 1.
2. Einwand der mangelnden Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Nach Auffassung der Kammer ist der Fachmann aufgrund seines Fachwissens im Prinzip in der Lage humanvisuell nicht erkennbare, aber maschinell detektierbare Merkmale auszuwerten bzw. bildhaft darzustellen.
Da die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass unter Berücksichtigung der in Punkt 1 dargelegten Auslegung des Anspruchs 1 die Ausführbarkeit gegeben sei, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
Nach Auffassung der Kammer ist der in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, Artikel 83 EPÜ
3. Inanspruchnahme der Priorität (Artikel 87 EPÜ)
3.1 Das Streitpatent nimmt die Priorität vom 15. Juni 1999 der deutschen Patentanmeldung DE 19928060 (weiterhin mit Prioritätsanmeldung bezeichnet) in Anspruch.
In der Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer G 2/98 (ABl. 2001, 413; Erfordernis für die Inanspruchnahme einer Priorität für "dieselbe Erfindung") wurde festgestellt (siehe "Schlussfolgerung"): Das in Artikel 87 (1) EPÜ für die Inanspruchnahme einer Priorität genannte Erfordernis "derselben Erfindung" bedeutet, daß die Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Artikel 88 EPÜ nur dann anzuerkennen ist, wenn der Fachmann den Gegenstand des Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der früheren Anmeldung als Ganzes entnehmen kann.
Anspruch 1 des Hauptantrags betrifft ein optisch variables Sicherheitsmerkmal mit diffraktiven Strukturen, bestehend aus einem elektrisch leitenden Polymer und mindestens einer Trägerfolie (1), einer Schutzschicht (7), einer Lackschicht (3) und einer Reflexionsschicht (4), die ein funktionelles Design (6) aufweist. Diese Reflexionsschicht selbst ist jedoch nicht näher definiert.
Die im vorliegenden Fall zu klärende Frage ist, ob ein optisch variables Sicherheitsmerkmal mit diffraktiven Strukturen (wie in Anspruch 1 des Hauptantrags beansprucht), bei dem die Reflexionsschicht nicht "aus mindestens einem filmartige Metallpigmente enthaltenen Lackauftrag besteht", in der Prioritätsanmeldung offenbart ist. Die Prioritätsanmeldung offenbart jedoch eindeutig und nachdrücklich, dass die Reflexionsschicht aus mindestens einem filmartige Metallpigmente enthaltenen Lackauftrag besteht (Anspruch 1, Brückenabsatz der Beschreibungsseiten 5 und 6 sowie Beschreibungsseite 6, Zeilen 18 bis 23). Die Prioritätsanmeldung grenzt sich gegen die aus dem Stand der Technik bekannten Sicherheitsmerkmale mit aufgedampften Metallisierungen ab (siehe Beschreibungsseite 2 unten und 3 oben) und beschreibt als Lösung für die der Erfindung zu Grunde liegenden Aufgabe eine Reflexionsschicht, die aus mindestens einem filmartige Metallpigmente enthaltenen Lackauftrag besteht.
Nach Auffassung der Kammer kann der Fachmann, auch nicht unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens, der früheren Anmeldung als Ganzes nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass das dort beschriebene Sicherheitsmerkmal in das ein elektrisch leitendes Polymer eingebettet ist, mit einer beliebig eingebrachten Reflexionsschicht ausgestattet sein kann.
Die vom Streitpatent beanspruchte Priorität ist somit nicht gültig.
3.2 Die Beschwerdegegnerin hat insbesondere auf den Passus auf Seite 3, Zeilen 23 bis 25 der Prioritätsanmeldung, nämlich "Die Merkmale der Erfindung gehen außer aus den Ansprüchen auch aus der Beschreibung und der Zeichnung hervor, wobei die einzelnen Merkmale jeweils für sich allein oder zu mehreren in Form von Unterkombinationen schutzfähige Ausführungen darstellen, für die hier Schutz beansprucht wird" und auf die Passage auf Seite 4, Zeilen 12 bis 29 gestützt, woraus hervorginge, dass das Merkmal der filmartigen Metallpigmente in der Reflexionsschicht kein zwingendes Merkmal sei. In den Figuren 1 bis 6 seien unterschiedliche Aufbauten eines optisch variablen Sicherheitsmerkmals gezeigt. In den Figuren 1 bis 5 seien Ausführungsbeispiele mit unter anderem einer härtbaren Lackschicht 3 und einer Reflexionsschicht 4 gezeigt. In Figur 6 sei ein Ausführungsbeispiel gezeigt, bei dem auf eine Trägerfolie 1 ein elektrisch leitendes Polymer 2 aufgebracht sei und auf dieses eine Reflexionsschicht 4a mit filmartigen Metallpigmenten und UV-härtbarem Lackanteil. Da die Reflexionsschichten 4 und 4a unterschiedlich seien, müsse im Umkehrschluss die Reflexionsschicht 4 keine filmartigen Metallpigmente aufweisen.
Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Der hier wesentliche Unterschied zwischen den Ausführungsbeispielen in den Figuren 1 bis 5 und dem Ausführungsbeispiel in Figur 6 ist, dass in den Beispielen gemäß Figuren 1 bis 5 die Lackschicht 3 und die Reflexionsschicht 4 separate Schichten bilden, wohingegen gemäß dem in Figur 6 gezeigten Ausführungsform die Lackschicht und Reflexionsschicht als eine einzige Schicht 4a vorliegen.
4. Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Da die Priorität vom 15. Juni 1999 nicht in Anspruch genommen werden kann, ist die Druckschrift E1 Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ.
Diese Druckschrift, die den nächstliegenden Stand der Technik darstellt, offenbart einen elektrisch leitenden Merkmalsstoff in Form eines elektrisch leitenden Polymers (Schicht 30), beispielsweise PEDT/PSS, für ein in eine Papierbahn einzubringendes Sicherheitsmerkmal, das vor seiner Verbindung mit der Papierbahn mit mindestens einer Trägerfolie 28 ("Trägerschicht"), einer hartbären Lackschicht, einer Metallisierung 29 ("Reflexionsschicht") und einer Schutzschicht verbunden ist, vgl. Ansprüche 32, 33, 48 bis 50 und Anspruch 52 sowie Beispiel 4 (Seite 10, Zeile 21 bis Seite 5, Zeile 26) und Figuren 11 bis 14. Dass diese Lackschicht, oder eine andere Schicht, diffraktive Strukturen aufweist, ist der Druckschrift E1 nicht zu entnehmen.
Die Metallisierung 29 enthält ein funktionelles Design, siehe Seite 10, Zeilen 31 und 32. Die Schicht 30 aus PEDT/PSS kann homogen (siehe Figuren 11 bis 14), oder als zumindest eine zusammenhängende Fläche (Anspruch 48), oder als eine Fläche, die durch mindestens eine Unterbrechung geteilt ist (Anspruch 49), oder als mindestens eine Linie (Anspruch 50) auf das Trägermaterial aufgetragen sein und enthält somit ebenfalls ein Design.
Das Sicherheitsmerkmal gemäß der Druckschrift E1 weist also zwei Komponenten ("Designs") auf, die mittels Prüfverfahren detektierbar sind (siehe Seite 11, Zeilen 13 bis 26), wobei das Messergebnis bzw. die Messergebnisse in Kombination ein Signal ("Bild") ergeben (auch wenn durch Falten, Biegen oder Knicken in zufälligerweise verteilte Haarrisse auftreten können, die das beabsichtigte Messen der Leitfähigkeit von vorgegebenen Abschnitten der Metallisierung unmöglich machen, vgl. Seite 11, Zeilen 15 bis 17). Die beiden in Anspruch 1 genannten Alternativen des Design-Merkmals sind der Druckschrift E1 somit ebenfalls zu entnehmen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von dem aus der Druckschrift E1 bekannten Sicherheitsmerkmal lediglich dadurch, dass das Sicherheitsmerkmal (optisch variable) diffraktive Strukturen aufweist.
Auf Seite 14, Zeilen 2 bis 4 der Druckschrift E1 wird ausdrücklich daraufhin gewiesen, dass zur Verbesserung der Fälschungssicherheit, neben dem Merkmal der elektrischen Leitfähigkeit, weitere Sicherheitsmerkmale vorzusehen sind.
Ein zum Anmeldetag des Streitpatents allgemein bekanntes und verbreitetes Sicherheitsmerkmal zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von Wertpapieren, Banknoten, Ausweisen usw. sind Hologramme, Beugungsgitter und ähnliche diffraktive Strukturen.
Nach Auffassung der Kammer war es für den Fachmann nahe liegend, als weiteres Sicherheitsmerkmal diffraktive Strukturen vorzusehen, zudem im Sicherheitsmerkmal gemäß der Druckschrift E1 bereits, neben einer Trägerfolie 28 und einer Schutzschicht, sowohl eine härtbare Lackschicht als auch eine Reflexionsschicht (Metallisierung 29) vorhanden sind und die härtbare Lackschicht sich als Träger von diffraktiven Strukturen dem Fachmann anbietet.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin ist somit nicht gewährbar.
Hilfsanträge 1, 4 und 6
5. Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Der unabhängige Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 1, 4 und 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass der Ausdruck "gegenseitig bildlich oder" gestrichen worden ist.
Der Gegenstand des Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag 1, 4 und 6 beschränkt sich somit lediglich auf eine der Alternativen des Anspruchs 1 des Hauptantrags, wobei jedoch beide bereits aus dem nächstliegenden Stand der Technik bekannt sind (siehe Punkt 4 oben). Nach Auffassung der Kammer kann diese Änderung keine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ begründen.
Die Hilfsanträge 1, 4 und 6 sind somit ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7
6. Einwand der mangelnden Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
6.1 Anspruch 1 der Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7 weist folgendes Merkmal auf:
"[das PEDT/PSS (2) und die Reflexionsschicht (4)] ... und ihr Design derart gestaltet ist, dass sie erst zusammen ein vollständiges Bild ergeben, das mit entsprechenden Prüfmitteln erkennbar ist".
Dieses Merkmal ersetzt die in Anspruch 1 des Hauptantrags erstgenannte Alternative, wonach "sich das Design des PEDT/PSS und ein funktionelles Design (6) der Reflexionsschicht (4) gegenseitig bildlich ergänzen". Die ursprüngliche Formulierung in Anspruch 1 des Hauptantrags ist so auszulegen, dass das Design des PEDT/PSS und das funktionelles Design der Reflexionsschicht mittels Prüfverfahren detektierbar sind und das Messergebnis bzw. die Messergebnisse in Kombination ein Signal (Bild) ergeben (vgl. Punkt 1 oben).
6.2 Nach Auffassung der Kammer ist der Ausdruck "dass sie erst zusammen ein vollständiges Bild ergeben" unklar.
Das Design des PEDT/PSS und das Design der Reflexionsschicht sind mittels Prüfverfahren detektierbar und die Messergebnisse ergeben jeweils ein auszuwertendes bzw. bildhaft darzustellendes Signal. Diese Signale sind, als gemessenes Ergebnis des verwendeten Prüfverfahrens und im Rahmen des Prüfverfahrens, einzeln und in Kombination, immer als "vollständig" zu betrachten. Eine mögliche Auslegung dahingehend, dass unter den Ausdruck "vollständiges Bild" ein zu erwartendes "Referenzsignal" (siehe Punkt 1, letzter Absatz) zu verstehen ist, ist außer Betracht zu lassen, da das optisch variable Sicherheitsmerkmal als solches beansprucht ist.
Die Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7 sind schon aus diesem Grund ebenfalls nicht gewährbar, Artikel 84 EPÜ. Die Frage, ob die Ansprüche der Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7 den Erfordernissen des Artikels 123(2) und Regel 57a EPÜ genügen und ob die Hilfsanträge 2, 3, 5 und 7 nicht gegen den Grundsatz des Verschlechterungsverbots verstoßen, kann daher dahingestellt bleiben.
Weiterer Hilfsantrag
7. Zulässigkeit des Antrags, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 des Streitpatents wie erteilt aufrechtzuerhalten
7.1 Die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung G 9/92 (ABl. 1994, 875; Nicht-beschwerdeführende Beteiligter / BMW) bzw. G 4/93 (Non-appealing party/MOTOROLA) folgendes ausgeführt (siehe Entscheidungsformel 2, erster Satz):
Ist der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so ist der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat.
In der Entscheidung G 1/99 (ABl. EPA 2001, 381; reformatio in peius / 3M) beantwortete die Große Beschwerdekammer die ihr vorgelegte Rechtsfrage "Muß ein - z. B. durch Streichung eines einschränkenden Anspruchsmerkmals - geänderter Anspruch zurückgewiesen werden, durch den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer schlechtergestellt würde als ohne die Beschwerde?" wie folgt (siehe Entscheidungsformel und Entscheidungsgründe 15): "Grundsätzlich muß ein geänderter Anspruch, durch den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer schlechtergestellt würde als ohne die Beschwerde, zurückgewiesen werden." Sie fügte aber hinzu: "Von diesem Grundsatz kann jedoch ausnahmsweise abgewichen werden, um einen im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte." Außerdem hat die Große Beschwerdekammer strenge Anforderungen hinsichtlich der Rangfolge eventuell gewährbarer Änderungen zur Beseitigung des Mangels gestellt.
7.2 Die Beschwerdegegnerin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung das Patent in geändertem Umfang auf der Basis des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aufrechtzuerhalten keine Beschwerde eingelegt und ist somit primär darauf beschränkt, das Patent in dieser Fassung zu verteidigen.
Die Beschwerdegegnerin hat jedoch in einem weiteren Hilfsantrag, die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 7 in der erteilten Fassung beantragt und sich hierbei auf die in der Entscheidung G 1/99 (loc. cit.) behandelte Ausnahme gestützt. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass im vorliegenden Fall aus den unten genannten Gründen die Voraussetzungen für eine Abweichung des grundsätzlich geltenden Verschlechterungsverbots nicht gegeben sind.
7.3 Anspruch 1, auf dessen Grundlage die Einspruchsabteilung das Streitpatent in geändertem Umfang aufrechterhalten hat, entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags und ist eine Kombination der Ansprüche 1 und 3 des Streitpatents wie erteilt. Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen diesen Anspruch 1 wurden im Einspruchsbeschwerdeverfahren weder von den Parteien noch von der Kammer vorgebracht. Die in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Erfindung ist ferner so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, Artikel 83 EPÜ (vgl. Punkt 2 oben). Die Beschwerdeführerin hat zwar in ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt "Es wird nicht verkannt, dass der Vorwurf der mangelnden Ausführbarkeit sich hier mit der mangelnden Klarheit überlappt", Einwände auf der Grundlage des Artikels 84 EPÜ gegen Anspruch 1 des Hauptantrags wurden aber von ihr nicht erhoben. Nach gängiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern konnten im vorliegend Fall solche Einwände unter Artikel 84 EPÜ auch nicht gegen Anspruch 1 des Hauptantrags im Einspruchsbeschwerdeverfahren erhoben werden, da dieser Anspruch - wie oben ausgeführt - unverändert gegenüber Anspruch 3 des Streitpatents in der erteilten Fassung ist und mangelnde Klarheit nicht zu den in Artikel 100 EPÜ abschließend aufgezählten Einspruchsgründen gehört. Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass Anspruch 1 des Hauptantrags keine Änderungen enthält, die als "unzulässige" Änderungen im Sinne von G 1/99 (loc. cit) betrachtet werden könnten. Die in dieser Entscheidung erwähnte Möglichkeit, ausnahmsweise von dem Grundsatz des Verschlechterungsverbots abweichen zu dürfen, ist im vorliegenden Fall aus genanntem Grund ausgeschlossen.
7.4 Anspruch 1 des weiteren Hilfsantrags entspricht Anspruch 1 des Streitpatents. Durch Stattgabe des weiteren Hilfsantrags würde die Einsprechende und alleinige Beschwerdeführerin schlechter gestellt als ohne die Beschwerde.
Dieser Antrag der Beschwerdegegnerin ist daher zurückzuweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.