T 0308/06 21-12-2006
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Flaschendispenser
Poulten & Graf GmbH
Dr. Giso MEYER-ROEDERN
Verallgemeinerung eines Merkmals ursprünglich offenbart
Erfinderische Tätigkeit: bejaht
Akzeptanz durch die Fachwelt
I. Das europäische Patent Nr. 0 542 241 (Anmeldenummer 92 119 309.0) wurde von der Einspruchsabteilung mit der Begründung widerrufen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte, da er durch eine Kombination der unten genannten Druckschriften D4 oder D6 mit D14 nahegelegt wurde. Einsprüche waren gegen das Patent im gesamten Umfang gestützt auf Einspruchsgründe unter Artikel 100 a) i. V. m. Artikel 52 (1), 54 (1) und 56 sowie Artikel 100 c) i. V. m. Artikel 123 (2) EPÜ eingelegt worden. Die folgenden Dokumente wurden genannt:
D1: DE-A-23 43 687
D2: US-A-3 067 915
D3: US-A-2 978 149
D4: US-A-4 306 670
D5: FR-A-0 799 174 (Zusatz 46655)
D6: US-A-3 430 813
D7: EP-A-0 222 609
D8: DE-A-30 19 426
D9: DE-A-475 096
D10: DE-A-38 14 076
D11: DE-U-1975037
D13: DE-A-33 43 134
D14: GB-A-386 410
II. Gegen die obige Entscheidung hat die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt. In ihrer Beschwerdebegründung hat sie beantragt, gemäß einem Hauptantrag das Patent in der erteilten Fassung und hilfsweise gemäß einem der eingereichten Hilfsanträge I bis III aufrecht zu erhalten. Sie hat argumentiert, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 aller Anträge gegenüber den genannten Druckschriften sowohl neu ist, als auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die Argumentation der Patentinhaberin zu dem Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber einer Kombination von D4 oder D6 mit D14 lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Ausgehend von dem Flaschendispenser gemäß dem Dokument D4 sei es die objektive Aufgabe, die Betriebssicherheit zu verbessern. Nur eine genaue Analyse bringe zutage, dass in D4 die Steckverbindung der Ausströmleitung ungesichert sei. D4 selbst gebe keine Anregungen zu einer Verbesserung der Betriebssicherheit, sondern scheine die perfekte Lösung für das Problem der Entlüftung zu liefern, weil die komplette Druckleitung bis hin zur Spitze entlüftet werden könne. Der Fachmann hätte auf jeden Fall versucht, diese vollständige Entlüftung beizubehalten, was ihn von einer ernsthaften konstruktiven Veränderung des Flaschendispensers abgehalten hätte. Dies werde auch durch D6 belegt, das mit D4 eine Entwicklungslinie bilde, aus der es eines Ausbrechens bedurft habe, um überhaupt nach alternativen Rücklaufleitungen zu suchen. Die in D14 beschriebene Vorrichtung hätte der Fachmann nicht in Betracht gezogen, da es sich dabei nicht um einen Flaschendispenser handele, sondern um eine Fettpresse, bei der es nicht um das Problem der Entlüftung gehe. D14 sei im Übrigen fast 60 Jahre vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlicht worden und betreffe eine Technik, die bereits seit Jahrzehnten vom Markt verschwunden sei.
Die Patentinhaberin hat zur Untermauerung ihrer Argumentation als Anlage IV eine Tabelle mit im Verfahren befindlichen Patentdokumenten und dem Streitpatent mit ihren relevanten Daten sowie mit nachfolgenden Patentdokumenten von Wettbewerbern eingereicht. Außerdem wurde als Anlage V ein Konvolut von Katalogen mit Flüssigkeitsdispensern von Wettbewerbern eingereicht.
Die Patentinhaberin hat unter Hinweis auf ein ausgesetztes Verletzungsverfahren des vorliegenden Patents und auf ihr bekannt gewordene weitere Patentverletzungen um Beschleunigung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gebeten.
III. Die Einsprechenden und Beschwerdegegnerinnen haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie haben noch auf folgendes Dokument hingewiesen und wie folgt argumentiert:
D15: Duden, das große Fremdwörterbuch, Dudenverlag, 1994, Seite 351
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sei unzulässig erweitert. Ein Gegenstand ohne das Merkmal "stromabwärts von dem Druckventil" sei nicht ursprünglich offenbart, da dieses Merkmal sowohl als wesentlich in den ursprünglichen Unterlagen dargestellt sei als auch seine Streichung eine wesentliche Angleichung bzw. Änderung übriger Merkmale erfordere.
Ausgehend von dem Dokument D4 werde der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag dem Fachmann unter Berücksichtigung der in D2 beschriebenen von der Druckleitung abzweigenden Leitung nahegelegt.
Was den weiteren Stand der Technik angehe, so sei mit der Definition von "Dispenser" in D15 ein Flaschendispenser jegliche Art einer Ausgabevorrichtung für Inhalte aus einer Flasche. Ein Fachmann, der mit der Aufgabe konfrontiert sei, die Handhabbarkeit eines Flaschendispensers, wie er aus D4 bekannt sei, zu vereinfachen und zu verbessern, werde in naheliegender Weise auf die in D5, D13 oder D14 beschriebenen Lösungen zurückgreifen.
Das gemäß Hilfsantrag I dem Oberbegriff des Anspruchs 1 hinzugefügte Merkmal beruhe auf einer Verallgemeinerung, die von den ursprünglichen Unterlagen nicht getragen werde. Im Übrigen offenbare D4 das zusätzlich aufgenommene Merkmal eines längsverschieblichen und arretierbar geführten Anschlags. Unabhängig davon, ob das zusätzliche den Kolbenanschlag näher definierende Merkmal aus D4 bekannt sei, finde der Fachmann in D1, D2, D6 oder D10 Anregungen zur Hubeinstellung des Kolbens.
Das jeweils im Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen II und III hinzugefügte Merkmal "stromabwärts vom Druckventil" könne zu keiner anderen Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dieser im Übrigen mit denen des Hauptantrags bzw. Hilfsantrags I identischen Ansprüche führen.
IV. In einer Anlage zur Ladung zu der von allen Parteien hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung hat die Kammer im Einklang mit Artikel 11 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eine vorläufige Stellungnahme abgegeben. In der mündlichen Verhandlung am 21.12.2006 hat die Patentinhaberin noch die Gebrauchsmusteranmeldung DE 296 22 929 U auszugsweise und eine Aufstellung von Patentdokumenten mit Zitaten eingereicht. Sie hat zuletzt beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
Der Anspruch 1 in der erteilten Fassung, die demzufolge der Entscheidung zugrunde liegt, lautet wie folgt:
"1. Flaschendispenser zum Ansaugen und Abgeben von Flüssigkeit aus einem Behälter, bestehend aus einem Gehäuse (1) mit einem Zylinder (4) und einem Kolben (10), der in dem Zylinder (4) längsverschieblich geführt ist, wobei in dem Gehäuse (1) eine vom Behälter zum Zylinder (4) führende Ansaugleitung (41) mit einem Ansaugventil (42) und eine vom Zylinder (4) aus dem Gehäuse (1) herausführende Druckleitung (43) mit einem Druckventil (44) vorgesehen ist, gekennzeichnet durch eine von der Druckleitung abzweigende Rücklaufleitung (45), durch die angesaugte Flüssigkeit in den Behälter zurück abgegeben werden kann und die durch ein Ventil (46) aufsteuerbar und verschließbar ist."
1. Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ
1.1 Der erteilte Anspruch 1 ist aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 durch Weglassen des Merkmals, wonach die Rücklaufleitung stromabwärts von dem Druckventil abzweigt, und durch Hinzufügen, dass die Rücklaufleitung durch ein Ventil aufsteuerbar und verschließbar ist, hervorgegangen. Während das sich auf das Ventil beziehende Merkmal explizit in dem ursprünglichen Anspruch 3 offenbart ist, der auf den Anspruch 1 zurückbezogen ist, gibt es keine expliziten Angaben in den Anmeldeunterlagen, aus denen hervorgeht, dass die Rücklaufleitung auch anders als stromabwärts von dem Druckventil abzweigen kann.
1.2 Für diesen Fall der Verallgemeinerung von Merkmalen hat die Rechtsprechung drei Kriterien entwickelt, die für einen Fachmann unmittelbar und in eindeutiger Weise erfüllt sein müssen, wenn die Verallgemeinerung als ursprünglich offenbart angesehen werden soll, siehe T 331/87 (ABl. 1991, 22). Die Parteien haben die Offenbarung der Weglassung eines Merkmals auf der Grundlage besagter drei Kriterien diskutiert. Verfährt man im vorliegenden Fall in dieser Weise, so geht es darum, anhand der drei Kriterien zu untersuchen, ob ein Flaschendispenser mit den in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 3 angegebenen Merkmalen ohne das Merkmal "stromabwärts" die drei Kriterien erfüllt.
1.3 Das erste Kriterium besagt, dass es für den Fachmann ersichtlich sein soll, dass das betreffende Merkmal nicht als wesentlich hingestellt worden ist. Im vorliegenden Fall ist zwar in den Anmeldeunterlagen, siehe A-Schrift, Spalte 1, Zeilen 37 bis 43, unmittelbar nach der Angabe, dass die Aufgabe durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöst wird, angegeben: "Um die Betriebssicherheit zu verbessern, besitzt der Flaschendispenser eine stromabwärts vom Druckventil abzweigende Rücklaufleitung, durch die angesaugte Flüssigkeit in den Behälter zurück abgegeben werden kann." Hierbei handelt es sich aber lediglich um die stereotype Wiederholung der Aufgabe und des Anspruchswortlauts, was noch nicht bedeutet, dass die Abzweigung "stromabwärts von dem Druckventil" als wesentlich hingestellt worden ist. Weitere nähere Erläuterungen einer Abzweigung "stromabwärts von dem Druckventil" finden sich nicht in den Anmeldeunterlagen. Ganz im Gegenteil, im Rahmen von Erläuterungen, wie die Aufgabe gelöst wird, wird nur auf "die Rücklaufleitung" Bezug genommen, vgl. Spalte 2, Zeilen 2 bis 18. Somit ist das Merkmal "stromabwärts von dem Druckventil" in keiner Weise als wesentlich offenbart worden.
1.4 Nach dem zweiten Kriterium darf das weggelassene Merkmal für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der Aufgabe, die sie lösen soll, nicht unerlässlich sein. Die in den Anmeldeunterlagen genannte Aufgabe bezieht sich auf die Verbesserung der Betriebssicherheit. Diese wird ganz offensichtlich allein schon durch das Vorhandensein einer Rücklaufleitung verbessert, ohne dass es darauf ankommt ob sie in Strömungsrichtung vor oder hinter dem Druckventil abzweigt, weil die Rücklaufleitung ein unerwünschtes Austreten von Flüssigkeit bei der Verwendung eines gesonderten Auffanggefäßes für diese oder beim manuellen Einführen des Abgabeschlauches in eine Öffnung des Gefäßes vermeidet.
1.5 Das dritte Kriterium besagt, dass das Weglassen des Merkmals keine wesentliche Angleichung anderer Merkmale erfordern soll. Die Kombination des ursprünglichen Anspruchs 1 mit dem ursprünglichen Anspruch 3 hat dazu geführt, dass nunmehr ein Ventil vorgesehen ist, durch das die Rücklaufleitung aufsteuerbar und verschließbar ist. Gegenüber dieser ursprünglich offenbarten Kombination wurde lediglich das Merkmal "stromabwärts von dem Druckventil" weggelassen, wodurch offensichtlich keine weiteren Angleichungen erforderlich wurden.
1.6 Die Einsprechende I hat darauf hingewiesen, dass es in der Anmeldung ganz offensichtlich darum gehe, dass der Spülvorgang einen möglichst großen Bereich des Dispensers erfasse. Die Rücklaufleitung müsse daher möglichst weit am Ende der Druckleitung abzweigen. Das Druckventil müsse ebenfalls gespült werden. Vor dem Druckventil sei gar kein Platz für den Abzweig. Außerdem würde bei einer anderen Anordnung der Abzweigleitung der Auslauf nicht mit gespült. Was das erste Kriterium angehe, sei in der Anmeldung die Abzweigung der Rücklaufleitung nur stromabwärts von dem Druckventil gezeigt und erläutert, siehe A-Schrift, Figur 5 und Spalte 8, Zeilen 33 bis 39. Bei einer anderen Anordnung werde der Auslauf nicht gespült. Zum zweiten Kriterium werde auf Spalte 1, Zeile 45 bis Spalte 2, oben hingewiesen, woraus hinsichtlich der Funktion hervorgehe, dass ein vollständiger Spülvorgang nur bei stromabwärts vom Druckventil abzweigender Rücklaufleitung gewährleistet sei. Was das dritte Kriterium anbelange, so ergebe sich im Falle einer stromaufwärts von dem Druckventil abzweigenden Rücklaufleitung ein "Kurzschlussbetrieb", der zwingend ein zusätzliches Ventil erforderlich mache. Nach Meinung der Einsprechenden II reiche die Definition eines zusätzlichen Ventils bei der Streichung von "stromabwärts" aber nicht aus. Die Spülung funktioniere nicht.
1.7 Diese Argumente können die Kammer nicht überzeugen. Zwar ist die Vollständigkeit der Spülung nicht ganz von der Betriebssicherheit zu trennen, aber die Letztere beruht entsprechend der Darstellung in den Anmeldeunterlagen und auch bei objektiver Betrachtung auf der Rückführung von mit dem Kolben angesaugter mit Luft vermischter Flüssigkeit unmittelbar in das Gefäß, wozu es offenbar unerheblich ist, wo die Rücklaufleitung abzweigt. Der vermutete Kurzschlussbetrieb wird dadurch vermieden, dass die Rücklaufleitung "durch ein Ventil aufsteuerbar und verschließbar ist", wie es gemäß dem ursprünglichen Anspruch 3 in den Anspruch 1 aufgenommen wurde.
1.8 Die drei soeben erörterten Kriterien von T 331/87 werden allerdings in der Entscheidung T 910/03 (nicht veröffentlicht) unter Berufung auf G 2/98 (ABl. 2001, 413) abgelehnt. G 2/98 betrifft die Bedeutung des in Artikel 87 (1) EPÜ genannten Erfordernisses "derselben Erfindung" für die Inanspruchnahme der Priorität einer früheren Anmeldung für einen Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung gemäß Artikel 88 EPÜ. Nach der in T 910/03 vertretenen Auffassung sind die Voraussetzungen für eine rechtsgültige Inanspruchnahme der Priorität (sofern bestimmte andere Erfordernisse gemäß Artikeln 87 und 88 erfüllt sind) und für die Frage, ob Änderungen die Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllen, dieselben. Die Änderung eines Anspruchs erfüllt die Anforderungen von Artikel 123 (2) EPÜ, wenn der Fachmann den Gegenstand des geänderten Anspruchs unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig der Gesamtheit der eingereichten Anmeldeunterlagen entnehmen kann. Nach Auffassung der erkennenden Kammer folgt aus der Erörterung oben, insbesondere aus Punkt 1.4, dass auch diesen Anforderungen Genüge getan wird. Die Frage, ob T 910/03 zu folgen ist, kann daher im vorliegenden Fall offen bleiben.
1.9 Auch unter Berücksichtigung der wesentlichen Argumente der Einsprechenden kommt die Kammer daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
2. Einspruchsgründe unter Artikel 100 a) EPÜ
Die Neuheit des Streitgegenstandes wurde zuletzt nicht mehr bestritten. Im Folgenden geht es daher um die Erörterung der erfinderischen Tätigkeit.
Kombination von D4 oder D6 mit D14
2.1 Ein Flaschendispenser zum Ansaugen und Abgeben von Flüssigkeiten mit allen im Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 enthaltenen Merkmalen ist in der Druckschrift D4 beschrieben, siehe Figur 3 mit sie erläuternder Beschreibung. Der bekannte Dispenser besitzt eine Druckleitung, deren flexibler Teil 20 gemäß Spalte 1, Zeile 60 bis Spalte 2, Zeile 6 in eine Öffnung 2a gesteckt werden kann und in diesem Fall die Funktion einer Rücklaufleitung im Sinne des Patentgegenstands übernimmt. Allerdings zweigt diese Leitung im Unterschied zu der des Patents nicht von der Druckleitung ab und ist auch nicht durch ein Ventil aufsteuerbar und verschließbar. Mit diesen Merkmalen wird offenbar die Betriebssicherheit weiter verbessert, da kein Hantieren mit dem flexiblen Ende der Druckleitung erforderlich ist.
2.2 Die Druckschrift D14, siehe Seite 1, Zeilen 9 bis 14, betrifft ausdrücklich Vorrichtungen zur Abgabe von abgemessenen Mengen von Fluiden und bezieht sich insbesondere auf eine mit der Auf- und Abbewegung eines Hubkolbens arbeitende Vorrichtung zur Abgabe abgemessener Mengen von Fett, schweren Schmierölen oder halbflüssigen Substanzen. Mit einer Anordnung, siehe die Figuren 1 und 3 mit zugehörigem Text, aus einem Behälter, in dem sich der Fluid-Vorrat befindet, einem in das Fluid eintauchenden Zylinder mit einem entsprechenden Hubkolben, den eine in einem inneren Zylinder geführte Zahnstange betätigt, wird zunächst eine Menge Fluid angehoben, die der abzugebenden Menge plus 10-15% entspricht. Mit der Abwärtsbewegung des Kolbens wird ein hoher Druck von bis zu 40 bar (vgl. Seite 3, Zeilen 120-127) auf die angehobene Menge des Fluids ausgeübt. Dadurch wird in dem Fluid eingeschlossene Luft komprimiert und die überschüssige Fluidmenge über eine Bypass-Leitung mit einem Druckventil F zurück in den Behälter gedrückt. Bei der nächsten Abwärtsbewegung wird die verbleibende genau bemessene Fluidmenge über eine Abgabeleitung D abgegeben, während erneut Fluid aus dem Behälter in den Zylinder eingezogen wird.
2.3 Bei der in D14 in den Figuren 1 und 3 gezeigten Vorrichtung ist zwar eine von der Druckleitung abzweigende Rücklaufleitung in Form der Bypass-Leitung 32 vorhanden, aber, abgesehen von der Rückführung von Fluid in den Behälter, ist die Funktion dieser Rückführleitung verschieden von der in dem Streitpatent definierten. So dient sie weniger der Erhöhung der Betriebssicherheit bei der erstmaligen Inbetriebnahme der Vorrichtung als vielmehr der Abgabe einer genau definierten Menge von Fluid. Hierzu wird mittels des Druckventils F in der Bypass-Leitung bei jedem Kolbenhub eine starke Komprimierung durchgeführt, bei der das Volumen von in dem Fluid eingeschlossener Luft verringert und die dann noch überschüssige Menge von Fluid in den Behälter zurückgeführt wird. Im Streitpatent wird dagegen keine überschüssige Menge, sondern lediglich bei Inbetriebnahme der Vorrichtung mit Luft vermischte Flüssigkeit zurückgeführt und dies mit mehreren Kolbenhüben, bis die Flüssigkeit keine Luftblasen mehr enthält.
2.4 Angesichts der unterschiedlichen Funktionsweisen war es für einen Fachmann am Anmeldetag nicht naheliegend, das bei dem aus D4 bekannten Flaschendispenser vorhandene flexible Ende der Druckleitung als die in der - übrigens bereits im Jahre 1933 veröffentlichten - Druckschrift D14 beschriebene Rückführleitung umzugestalten.
Übrige Dokumente
2.5 Kombinationen mit den übrigen genannten Dokumente kommen dem Streitpatent nicht näher. Sie werden zweckmäßigerweise zusammen mit den von den Einsprechenden vorgebrachten Argumenten diskutiert.
Argumente der Parteien
2.6 Die Einsprechende I hat ausgeführt, dass ausgehend von der Druckschrift D4 die Aufgabe darin bestehe, die Betriebssicherheit zu verbessern. Aus D4 ebenso wie aus der Druckschrift D6, die ebenfalls dem Oberbegriff des vorliegenden Anspruchs 1 entspreche, gehe bereits eine Rückführleitung hervor, die zum Spülen diene. Eine Verbesserung dieser Anordnung werde angestrebt bei Wahrung der Rückführung. Die Lösung beruhe auf einem Kompromiss zwischen optimaler Spülung und Rückführung mittels der verlängerten Druckleitung wie in D4 oder D6 und einer stationären Rückführung, wie sie auch in Figur 13 des Patents gezeigt sei. Dieser Kompromiss sei die von der Druckleitung abzweigende Rücklaufleitung gemäß dem Streitpatent. In D2 sei eine Druckleitung beschrieben, die mit Hilfe eines Ventils auf zwei Ausströmöffnungen umgeschaltet werden könne, da zwei Flüssigkeiten ausgegeben würden. Im Falle nur einer Flüssigkeit ergebe sich automatisch die Verwendung eines Ventils, z. B. des Dreiwegeventils des Streitpatents. In D14 gehe es um die Abgabe von genauen Fluidmengen. Dies war ausreichende Anregung für den Fachmann, die dort beschriebene Rücklaufleitung mit dem Zweiwegeventil zu verwenden. D13 offenbare ebenfalls eine Dosiervorrichtung präziser Mengen von Flüssigkeiten mit einem Dreiwegeventil und einer Rücklaufleitung.
2.7 Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass D4 und D6 zwar eine Rückführung offenbaren, aber keine von einer Druckleitung abzweigende Rücklaufleitung im Sinne des Streitpatents. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der vorliegenden Lösung um einen Kompromiss zwischen den Lehren gemäß D4 bzw. D6 und der Anordnung gemäß Figur 13 des Streitpatents handelt, da diese Figur zwar nicht unter den vorliegenden Anspruch 1 fällt, aber auch keinen Stand der Technik darstellt. D2 betrifft die Mischung von zwei Flüssigkeiten und ihre Ausgabe in dosierten Mengen mit Hilfe eines Dreiwegeventils. Eine Rücklaufleitung ist jedoch nicht vorhanden. Abfallflüssigkeit wird mittels einer gesonderten Leitung in ein entsprechendes Abfallgefäß geleitet. D13 und D14 betreffen die dosierte Abgabe von Fluiden, insbesondere Fetten, bzw. Flüssigkeiten, insbesondere Getränken. Die in D13 beschriebene Rücklaufleitung ist nötig, da die dort beschriebene Abfüllanlage kontinuierlich arbeitet. D14 betrifft, wie oben dargelegt wurde, im Grunde ein anderes Problem, das eng mit der Dosierung zusammenhängt, nicht aber mit einer Verbesserung der Betriebssicherheit wie in dem Streitpatent.
2.8 Die Einsprechende II hat argumentiert, dass D6 dem Streitgegenstand noch näher komme als D4, nachdem in der Rücklaufleitung ein Ventil angeordnet sei. Der Unterschied zum Streitpatent bestehe nur darin, dass kein Abzweigen der Rücklaufleitung, sondern ein Umstecken in eine Flaschenöffnung erfolge. Dies habe den Nachteil der Tropfenbildung. Dies könne mit einem Ventil vermieden werden, wie es in D2 beschrieben sei. D6 werde auch in der Recherche zu D2 zitiert. Nach der Definition von D15 sei die Vorrichtung in D14 ein "Flaschendispenser". Dieser weise sowohl eine Rücklaufleitung als auch ein Ventil auf. Auch die Abfüllvorrichtung gemäß D5 stelle einen Dispenser dar, dessen Zapfvorrichtung eine Rücklaufleitung aufweise.
2.9 Diese Argumentation vermag die Kammer ebenfalls nicht zu überzeugen. Druckventile in der Druck- bzw. Rücklaufleitung sind sowohl in D4 ("19" in Figur 3) als auch in D6 ("28" in Figur 1) vorhanden. Auf das Ersetzen des Umsteckens durch ein Mehrwegeventil zur Verbesserung der Betriebssicherheit kann D2 schon deswegen keinen Hinweis geben, weil dort keine Rücklaufleitung beschrieben ist. Dass D6 in der Recherche zu D2 genannt wird, bedeutet wohl eher, dass D6 ein Dispenserprinzip beschreibt, das in D2 verwendet wird. Das in D6 beschriebene Umstecken der Druckleitung ist für D2 irrelevant, da dort keinerlei Rückführung verwendet wird. Die sich auf D14 beziehende Argumentation betrifft wohl eher die Frage, ob der Streitgegenstand neu ist. Abgesehen davon, dass dies zuletzt nicht mehr bestritten wurde, kann der Gegenstand des Anspruchs 1 auch nicht mit dem identifiziert werden, was in D14 beschrieben ist, So fehlt das Druckventil in der Druckleitung. Zum Ausstoßen des Fluids wird nämlich einfach das Zweiwegeventil E umgestellt, das aber kein Druckventil ist. Dagegen verschließt ein Druckventil F die Bypass-Öffnung 24. Bei der in D5 beschriebenen Zapfvorrichtung für Kraftstoff an einer Tankstelle dient die Rücklaufleitung zur Aufnahme der im Tank verdrängten Luft und evtl. von überlaufendem Kraftstoff, nicht aber zum Entfernen von mit Luft vermischtem Kraftstoff vor dem eigentlichen Zapfen, was der Anwendung in dem vorliegenden Patent entspräche.
2.10 Die Kammer fand auch eine Argumentation der Patentinhaberin überzeugend, wonach zwischen der Publikation des nächstliegenden Standes der Technik, d.h. D4 und D6, und dem Prioritätstag des Streitpatents ca. 10 Jahre bzw. 22 Jahre liegen und nach der Publikation der zum Streitpatent gehörenden Anmeldung nicht nur eine Reihe von sechs Anmeldungen durch andere Anmelder getätigt worden sind, in deren Spezifikationen oder Prüfungsverfahren das Streitpatent bzw. die entsprechende Prioritätsanmeldung (DE 4137351) zitiert werden, siehe die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Aufstellung von Zitaten zu Patentdokumenten, sondern auch eine Reihe von Wettbewerbern entsprechende Ausführungen in ihre Kataloge aufgenommen haben (siehe die von der Patentinhaberin eingereichte Anlage V) und sie teilweise unter Lizenz der Patentinhaberin herstellen. Das lässt offensichtlich darauf schließen, dass das Konzept eines Flaschendispenses, wie es aus dem Streitpatent hervorgeht, unmittelbar nach der Veröffentlichung des Gegenstands des Patents eine breite Akzeptanz durch die Fachwelt erfahren hat, was nach Auffassung der Kammer als weiteres Indiz dafür zu werten ist, dass dieses Konzept nicht nahelag.
2.11 Die Einsprechenden haben hierzu eingewandt, dass jede der genannten sechs Anmeldungen zu einem oder mehreren Patenten geführt habe, was darauf schließen lasse, das es sich hierbei um Erfindungen handele, die vom Streitpatent nicht vorweggenommen oder nahegelegt würden. So beträfen aus dem Gebrauchsmuster DE 296 22 929 U hervorgegangene Patente Flaschendispenser ohne Rücklaufleitung. Die Kammer kann dieser Argumentation nicht folgen, da es sich bei den genannten, aus den sechs Anmeldungen hervorgegangen Patenten auch um abhängige Patente handeln könnte, die Weiterentwicklungen unter Benutzung des Konzepts der Erfindung gemäß dem Streitpatent darstellen. In dem genannten Gebrauchsmuster ebenso wie in der dieselbe Priorität in Anspruch nehmenden internationalen Anmeldung, veröffentlicht als WO 97/49974, ist jedenfalls eine Rücklaufleitung in Form des Sprühkanals 39 (Figur 4) offenbart.
2.12 Unter Berücksichtigung der von den Parteien vorgetragenen Argumente kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3. Schlussfolgerung
Die unter Artikel 100 a) und c) genannten Einspruchsgründe stehen daher einer Aufrechterhaltung des Patents nicht im Wege.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.