T 0740/06 (Stücklistenorganisation/VOLKSWAGEN) 17-11-2010
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Verfahren und Vorrichtung zur Handhabung von Kennzeichnungsdaten einer Mehrzahl von Komponenten eines Produktes
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent
B1: EP-B1-0 838 773
mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur Handhabung von Kennzeichnungsdaten einer Mehrzahl von Komponenten eines Produkts" wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ 1973) gegenüber dem Stand der Technik nach
D2: EP-A-0 481 907
zu widerrufen. Unterschiede betrachtet die Einspruchsabteilung als nicht-technisch (Informationsmodellie rung, betriebswirtschaftliche Fragestellung) oder dem Fachmann naheliegend. Hinsichtlich der technischen Implementierung bleibe die Patentschrift weitgehend unspezifisch.
II. Die beschwerdeführende Patentinhaberin beantragt, die Widerrufsentscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang aufgrund eines von vier mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anspruchssätzen (Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 3) aufrechtzuerhalten. Zu jedem Anspruchssatz wurde auch eine geänderte Beschreibungseinleitung eingereicht.
Weiterhin wurde hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für den Fall beantragt, dass das Patent nicht in beschränktem Umfang gemäß Hauptantrag oder Hilfsantrag 1 aufrechterhalten werde.
a) Anspruch 1 gemäß dem aktuellen Hauptantrag umfasst zwei Ergänzungen (nachstehend fett gedruckt) gegenüber dem der angegriffenen Entscheidung zu Grunde liegenden Hauptantrag:
"1. Vorrichtung zur Handhabung von Kennzeichnungsdaten einer Mehrzahl von Komponenten eines Produktes, wobei die Komponenten Module, bestehend aus mindestens zwei Einzelteilen, oder Einzelteile darstellen, welche mindestens eine elektronische Verarbeitungseinrichtung (1), eine Speichereinrichtung (2), eine Einrichtung (3) zur Eingabe der Kennzeichnungsdaten und eine Einrichtung (4) zur Ausgabe von Kennzeichnungsdaten umfasst, wobei die über die Einrichtung (3) zur Eingabe eingegebenen Kennzeichnungsdaten (k) in der Speichereinrichtung (2) hierarchisch in Ebenen (E1 - E4) abgelegt sind, die Ebenen Knoten (k) aufweisen, die jeweils die Kennzeichnungsdaten (k) einer Komponente enthalten, die Knoten (k) in Teiledateien gespeichert sind, mehrere Knoten einer untergeordneten Ebene (E2 - E4) einem Knoten (k) mit Kennzeichnungsdaten (k) eines Moduls einer übergeordneten Ebene (E1 - E3) zugewiesen sind und jeder Knoten einer Ebene (E1 - E3) mit Kennzeichnungsdaten (k) eines Moduls durch die Gesamtheit der dem Knoten (k) zugeordneten Knoten (k) der untergeordneten Ebene (E2 - E4) vollständig beschrieben ist, wobei Verknüpfungsoperatoren (t) vorgesehen sind, die die Zuordnung der Knoten (k) zweier benachbarter Ebenen (E1 - E4) herstellen, wobei die Verknüpfungsoperatoren (t) in Strukturdateien gespeichert sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Verknüpfungsoperatoren (t) die Anzahl der benötigten Komponenten eines Knotens (k) einer Ebene (E2 - E4) in der nächst höheren Ebene (E1 - E3) beinhalten und das Produkt (p) mehrere Produktvarianten (P1 - PN) aufweist und mindestens einer der Knoten (k) Kennzeichnungsdaten (k) mehrerer Varianten (v) der Komponente umfasst."
b) Hilfsantrag 1 fügt dem Anspruch 1 des Hauptantrags folgenden Absatz hinzu:
"wobei die Kennzeichnungsdaten (k) der Komponenten einer Ebene (E2 - E4) Merkmalsdaten der Komponenten zumindest der nächst höheren Ebene (E1 - E3) aufweisen, denen sie über die Verknüpfungsoperatoren (t) zugeordnet sind."
c) Hilfsantrag 2 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 folgenden Absatz hinzu:
"und wobei die Kennzeichnungsdaten (k) der Komponenten eines Produktes oder einer Produktvariante mittels der Merkmalsdaten in der Verarbeitungseinrichtung (1) verknüpfbar und über die Einrichtung (4) zur Ausgabe der Kennzeichnungsdaten (kr) teilweise oder in ihrer Gesamtheit ausgebbar sind."
d) Hilfsantrag 3 fügt dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 folgenden Absatz hinzu:
"wobei eine Auswahl einer Komponentenvariante nach Festlegung einer Produktvariante nach den Merkmalsdaten erfolgt."
III. Die Beschwerdeführerin argumentiert wie folgt.
a) Die hierarchische Ablage der Kennzeichnungsdaten in mehreren Ebenen in der Speichereinrichtung beschreibe nicht nur eine logische Hierarchie, sondern auch eine physikalische Speicherungsstruktur (Beschwerdebegründung, Seite 3, letzter Absatz). Eine Tabelle gemäß D2, Figur 2 enthalte die Kennzeichnungsdaten zahlreicher Komponenten in einer (einzigen) Datei, während das Streitpatent pro Komponente einen Knoten mit einer Teiledatei für die jeweiligen Kennzeichnungsdaten vorsehe.
b) Aus den Unterscheidungsmerkmalen des Anspruchs 1 (Hauptantrag) gegenüber der Druckschrift D2 ergebe sich, dass mit der Vorrichtung nach Anspruch 1 eine Verwaltung von Kennzeichnungsdaten mehrerer Varianten eines Produkts möglich sei, die in der Vorrichtung nach D2 nicht vorgesehen sei. Hieraus ergebe sich die in B1, Absatz 0005 genannte technische Aufgabe (Beschwerdebegründung, Seite 4 unten bis Seite 5 oben).
c) Die von der Einspruchsabteilung angeführte Entscheidung T 49/99 wird von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt, aber für den vorliegenden Fall nicht als relevant angesehen. Die beanspruchten Verfahrensmerkmale würden nicht den gedanklichen Vorgang einer Informationsmodellierung betreffen. Vielmehr sei das resultierende Modell beschrieben, das zur Abspeicherung und Verwaltung der Kennzeichnungsdaten eines Produkts, also eines physikalischen Systems, verwendet werde. Die Merkmale des Produkts würden nur verwendet, um die Datenstruktur auf einfache und eindeutige Weise in knappen Worten kennzeichnen zu können (Beschwerdebegründung, Seite 6, Absatz 2).
d) Die Abtrennung eines Informationsmodells vom technischen Gegenstand oder von der zu lösenden technischen Aufgabe sei abzulehnen. Eine solche Abtrennung sei dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz nicht angemessen und somit weder zweckdienlich noch zulässig (Beschwerdebegründung, Seite 6, Absätze 3 und 4). Sogar ein abstrahiertes Informationsmodell hätte noch Einfluss auf die Implementierung der Abspeicherung (Beschwerdebegründung, Seite 7, Absatz 2).
e) Die beanspruchte Art der Speicherung sei insgesamt notwendig, um zu der gewünschten Vorrichtung nach dem Patentanspruch zu gelangen. Nur auf diese Weise sei es möglich, den Speicherungsebenen auch Ebenen in der Fertigung und Montage des Produkts zuzuordnen (Beschwerdebegründung, Seite 7, vorletzter Absatz).
f) Für die Abspeicherung der Kennzeichnungs daten mehrerer Varianten einer Komponente werde ein und derselbe Knoten verwendet (Beschwerdebegründung, Seite 7, letzter Absatz). Eine Teiledatei umfasse die Kennzeichnungsdaten mehrerer Varianten der Komponente. Obwohl das Problem der Verwaltung von Produkten mit Varianten seit langem bekannt sei, sei es der Einspruchsabteilung nicht gelungen, druckschriftlich zu belegen, dass es bekannt war, Kennzeichnungsdaten mehrerer Varianten in einem Knoten zusammenzufassen. Genau durch diese Überlegung werde aber eine Speicherersparnis bewirkt, denn es würden keine zusätzlichen strukturellen Daten gespeichert, sondern für die Varianten einer Komponente werde derselbe Verknüpfungsoperator verwendet. Daher scheine die Betrachtungsweise, dass das Auffinden einer solchen Lösung im Bereich des normalen fachmännischen Handelns liege, auf einer ex post Betrachtung zu beruhen (Beschwerdebegründung, Seite 8, Absatz 3).
g) Eine Erweiterung der aus D2, Figur 2 bekannten Tabelle um zusätzliche Spalten, um pro Zeile (d.h. pro Komponente oder Knoten) Varianten anfügen zu können, erscheine nicht praktikabel, da die Spaltenanzahl auf die Komponente mit der größten handhabbaren Variantenanzahl auszulegen wäre und ferner eine Umprogrammierung der Datenbank erfordern würde (Beschwerdebegründung, Seite 8, Absatz 4 bis Seite 9, Absatz 1).
h) Außerdem wäre eine erweiterte Tabelle immer noch eine (einzige) Datei und würde daher nicht unter den beanspruchten Gegenstand fallen, dessen Knoten in mehreren Teiledateien gespeichert seien. Teiledateien könnten leicht verändert werden; hierdurch könne für jeden Knoten ein optimaler Speicherplatz bereitgehalten werden, der im Zeitpunkt der Anwendung flexibel angepasst werden könne (Beschwerdebegründung, Seite 9, Absatz 3).
IV. Der beschwerdeführenden Patentinhaberin steht keine andere Verfahrensbeteiligte gegenüber, da der einzige Einspruch am 15. Oktober 2005, also noch in erster Instanz, zurückgenommen wurde und die Einspruchs abteilung das Einspruchsverfahren von Amts wegen fortsetzte (Regel 60 (2) EPÜ 1973).
V. Die Kammer beraumte eine mündliche Verhandlung an und äußerte in einem Ladungsanhang begründete Zweifel an einem erfinderischen technischen Beitrag gegenüber D2 im Licht der Druckschrift
D3: US-A-5 119 307,
die ebenfalls im Einspruchsschriftsatz genannt worden war.
VI. Als Antwort auf den Ladungsbescheid teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie den Verhandlungstermin nicht wahrnehmen und auch keine weiteren Stellungnahmen einreichen würde.
VII. Hierauf hob die Kammer den Verhandlungstermin auf und teilte der Beschwerdeführerin mit, dass das Verfahren schriftlich fortgeführt werde.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die beschwerte Patentinhaberin hat auch nach Rückzug des Einsprechenden das Recht, die Widerrufsentscheidung überprüfen zu lassen (zB T 135/86).
2. Streitpatent und zu Grunde liegende Anmeldung
2.1 Das Patent strebt eine speicherschonende Handhabung von Kennzeichnungsdaten von Komponenten eines zu fertigenden Produkts an (B1, Spalte 2, Zeilen 11 bis 15). Resultierende Stücklisten sollen eine Kontrolle auf Vollständigkeit der zu einem Produkt gehörenden Komponenten vereinfachen (B1, Spalte 1, Zeilen 17 bis 30; Spalte 2, Zeilen 15 bis 17).
Gemäß dem erteilten Anspruch 1 schlägt das Patent vor, dass Kennzeichnungsdaten der Komponenten als Knoten in mehreren hierarchischen Ebenen gespeichert werden, wobei die Knoten benachbarter Ebenen durch Verknüpfungsoperatoren einander zugeordnet sind. Die Verknüpfungs operatoren geben ferner an, in welcher Anzahl die jeweilige Komponente in der nächst höheren Ebene benötigt wird.
2.2 Die dem Streitpatent zu Grunde liegende Anmeldung wurde veröffentlicht als
A1: EP-A1-0 838 773.
Hauptantrag
3. Zulässigkeit des geänderten Anspruchs 1 nach Artikel 123 (2) EPÜ
Der geänderte Anspruch 1 fasst die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 3 (A1, Spalten 5/6) zusammen und ergänzt sie um das Merkmal, dass die Knoten in Teiledateien und die Verknüpfungsoperatoren in Strukturdateien gespeichert sind. Diese Präzisierung beruht auf einer Feststellung in der ursprünglichen Beschreibung (A1, Spalte 2, Zeilen 35 bis 37). Das geänderte Patentbegehren liegt daher innerhalb der ursprünglichen Offenbarung.
4. Zulässigkeit des geänderten Anspruchs 1 nach Artikel 123 (3) EPÜ
Der geänderte Anspruch 1 enthält alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 und zusätzlich die Merkmale des erteilten Anspruchs 2 sowie die vorgenannte Präzisierung aus der ursprünglichen Beschreibung. Der Schutzbereich des erteilten Anspruchs wurde somit nicht erweitert.
5. Artikel 84 EPÜ 1973 - Auslegung des Anspruchs 1
Im Hinblick auf den anzustellenden Vergleich mit dem Stand der Technik legt die Kammer folgende Merkmale des Anspruchs 1 breiter als die Beschwerdeführerin aus.
5.1 Die Pluralform des Anspruchsmerkmals "[wobei] die Knoten (k) in Teiledateien gespeichert sind" lässt offen, wie viele Knoten pro Teiledatei gespeichert sind.
Daher kann die Beschwerdeführerin sich nicht auf etwaige Vorteile stützen, die sich aus einer 1:1-Zuordnung von Knoten und Teiledateien ergeben würden.
5.2 Der Anspruchswortlaut schließt nicht aus, dass eine Teiledatei zugleich eine Strukturdatei ist.
Daher ist auch Stand der Technik relevant, bei dem Teiledateien (Stücklisten) zugleich Strukturdaten (hierarchische Verknüpfungen) enthalten.
5.3 Anspruch 1 lässt die Anzahl der Verknüpfungsoperatoren pro Knoten offen und umfasst daher die Möglichkeit, dass für jede Produktvariante ein eigener Verknüpfungs operator vorgesehen ist.
Die in der Beschwerdebegründung (Seite 8, Absatz 3) geltend gemachte Speicherersparnis wird somit nicht im gesamten beanspruchten Bereich erzielt.
5.4 Das Streitpatent gibt keinen Anlass, die anspruchsgemäße Ablage der Kennzeichnungs daten auf physikalische Speicherebenen zu beziehen. Vielmehr weist es jeweils auf die "hierarchische" Anordnung der Ebenen hin (B1, Absatz 0007, ursprüngliche Ansprüche 1 und 8). Auch die "Knoten" in den Ebenen bedeuten nicht physikalische Knoten, sondern logische Objekte.
6. Artikel 52(1)(2)(3) EPÜ - Grundsätzliche Zugänglichkeit zum Patentschutz
Die beanspruchte Vorrichtung zur Handhabung von Kennzeichnungsdaten umfasst eine elektronische Verarbeitungseinrichtung, eine Speichereinrichtung, eine Einrichtung zur Eingabe der Kennzeichnungsdaten und eine Einrichtung zur Ausgabe von Kennzeichnungsdaten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist daher den erforderlichen technischen Charakter auf, siehe die Entscheidung T 258/03-Auktionsverfahren/HITACHI (ABl. EPA 2004, 575).
7. Artikel 54 (1) (2) EPÜ 1973 - Neuheit gegenüber D2
7.1 Ausweislich ihres Titels und ihrer Zusammenfassung betrifft die Entgegenhaltung D2 ein Verfahren und ein System zum Verarbeiten einer mehrere Ebenen aufweisenden Stückliste (bill of material) in einer relationalen Datenbank. Hierarchische Ebenen gehen insbesondere aus den Figuren 2, 3A und 3B hervor. Figur 1 zeigt eine elektronische Verarbeitungs einrichtung (30) und eine relationale Datenbank (40), die von einem Benutzer des Systems (end user 20) bedient werden und daher implizit auch Ein- und Ausgabeeinrichtungen aufweisen.
7.2 Die Teiledateien (Tabellen 42, 44) gemäß Figur 2 der D2 enthalten Knoten im Sinn des Streitpatents, nämlich Zeilen, die jeweils die Kennzeichnung (zB A145_J19 oder A167_E27) einer Komponente enthalten.
Da das Anspruchsmerkmal "[wobei] die Knoten (k) in Teiledateien gespeichert sind" offen lässt, wie viele Knoten pro Teiledatei gespeichert sind, steht dieses Merkmal zu Recht im Oberbegriff des geänderten Anspruchs 1.
7.3 In den Tabellen 42, 44 gemäß Figur 2 der D2 wirkt die Kennzeichnung (zB A145_J19 oder A167_E27) einer Komponente zugleich als Verknüpfungsoperator, indem sie die betreffende Zeile mit einer hierarchisch benachbarten Zeile (zB B730_A01 oder A123_D45) verknüpft.
Die Tabellen 42, 44 der D2 dienen somit auch als Strukturdateien im Sinn des Anspruchs 1, so dass das Merkmal "wobei die Verknüpfungsoperatoren (t) in Strukturdateien gespeichert sind" ebenfalls zu Recht im Oberbegriff des Anspruchs 1 steht.
7.4 Die Zeilen der Tabelle 44 aus Figur 2 der D2 geben für jede Komponente auch die erforderliche Anzahl an (siehe Tabellenspalte quantity). Daher ist auch das Merkmal, dass
"die Verknüpfungsoperatoren (t) die Anzahl der benötigten Komponenten eines Knotens (k) einer Ebene (E2 - E4) in der nächst höheren Ebene (E1 - E3) beinhalten",
für eine der Strukturdateien aus D2 bekannt und insoweit dem Oberbegriff des Anspruchs zuzuordnen.
7.5 Als Unterschiede gegenüber D2 verbleiben demnach die Merkmale, dass
- das Produkt (p) mehrere Produktvarianten (P1 - PN) aufweist und mindestens einer der Knoten (k) Kennzeichnungsdaten (k) mehrerer Varianten (v) der Komponente umfasst, und
- die in Strukturdateien gespeicherten Verknüpfungsoperatoren (t) die Anzahl der benötigten Komponenten eines Knotens (k) einer Ebene (E2 - E4) in der nächst höheren Ebene (E1 - E3) beinhalten.
8. Artikel 54 (1) (2) EPÜ 1973 - Neuheit gegenüber D3
Im Hinblick auf den im Einspruchsverfahren fokussierten Schwerpunkt des Patent begehrens (Handhabung von Produktvarianten) ist auch die im Einspruch genannte Druckschrift D3 relevant.
8.1 D3 betrifft ebenfalls eine automatische Stücklisten erstellung (siehe Titel und Zusammenfassung) und zeigt in Figur 4 eine relationale Datenbank mit objektorientierter hierarchischer Darstellung eines Produkts (lawn mower) und seiner Komponenten (blade, engine, deck, wheels). Dabei sind Varianten des Produkts und seiner Komponenten in Form von Attributen in den Objekten (Knoten) beider Ebenen mitgespeichert und durch die Attribute miteinander verknüpft (D3, Spalte 5, Zeilen 48 bis 59). Resultierende Stücklisten für die Produktvarianten sind zB in Figur 5 der D3 dargestellt.
8.2 In Figur 4 der D3 führt von jeder Komponente (blade, engine, deck, wheels) ein einziger Verknüpfungsoperator (Pfeil) zu dem hierarchisch übergeordneten Knoten (Endprodukt lawn mower), obwohl die Komponenten jeweils mehrere Varianten umfassen. Eine Vermehrung der Verknüpfungs operatoren wird also auch schon in D3 vermieden und insoweit die Erweiterung des Speicherbedarfs gering gehalten: In den Knoten werden nur die Produktvarianten zusätzlich abgelegt, zusätzliche Verknüpfungsoperatoren fallen nicht an.
Somit erzielt auch schon D3 die in der Beschwerde begründung (Seite 8, Absatz 3) geltend gemachte Speicherersparnis (keine Speicherung zusätzlicher struktureller Daten).
8.3 Als Unterschied des Anspruchs 1 gegenüber D3 sieht die Kammer daher nur das Merkmal, dass jeder Verknüpfungsoperator beinhaltet, in welcher Anzahl die im jeweiligen Knoten definierte Komponente in der nächsthöheren Ebene benötigt wird.
9. Artikel 56 EPÜ 1973 - Erfinderische Tätigkeit
Als Ausgangspunkt der Erörterung nutzt die Kammer (wie die Einspruchsabteilung und die Beschwerdeführerin) die relationale Datenbank mit Tabellen gemäß den Figuren 1 und 2 der D2.
9.1 Nur Beiträge mit technischem Charakter gehen in die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit ein (T 641/00-Zwei Identitäten/COMVIK, Leitsatz I, ABl. EPA 2003, 352). Wenn eine technische Wirkung der Varianten speicherung anerkannt wird, stellt sich die Frage, ob es erfinderisch ist, in einer hierarchischen Datenbank gemäß D2 in wenigstens einem der Knoten auch Varianten des Produkts bzw einer Komponente zu speichern.
Zugunsten der Beschwerdeführerin geht die Kammer davon aus, dass grundsätzlich eine technische Wirkung erzielbar ist, wenn eine Datenbank um Datenfelder erweitert wird, die zusätzliche Daten (hier: Varianten eines Produkts) in recherchierbarer und abrufbarer Form bereitstellen. Allerdings ist diese Erweiterung aus der einschlägigen D3 bekannt und daher nahegelegt. Figur 4 der D3 zeigt eine relationale Datenbank mit objektorientierter hierarchischer Darstellung eines Produkts und seiner Komponenten, wobei Varianten des Produkts und seiner Komponenten in Form von Attributen in den Objekten (Knoten) beider Ebenen mitgespeichert sind (D3, Spalte 5, Zeilen 48 bis 59).
Eine Abspeicherung von Produktvarianten in den Knoten eines hierarchischen Produktmodells für den bekannten Zweck (Stücklistenerstellung) liegt daher nahe.
9.2 Gemäß Anspruch 1 beinhalten die in Strukturdateien gespeicherten Verknüpfungsoperatoren die Anzahl benötigter Komponenten, während in D2, Figur 2 nur eine (44) der beiden Strukturdateien (42, 44) eine Spalte mit Mengenangabe (Quantity) aufweist.
Dem Fachmann liegt es jedoch nahe, nach dem Muster der Tabelle 44 auch die Tabelle 42 der D2 mit Stückzahlangaben zu versehen, sobald aus den Tabellen Stücklisten erstellt oder etwa Produktkosten ermittelt werden sollen (siehe die Preisspalte in Tabelle 42).
9.3 Es mag sein, dass das "Problem der Verwaltung von Produkten mit Varianten seit langem bekannt" ist (Beschwerdebegründung, Seite 8, Absatz 3). Aber sowohl das Problem als auch seine Lösung (Speicherung von Produktvarianten in den Knoten) sind aus einer gemeinsamen Quelle (D3) bekannt. Eine diesbezügliche Kombinations leistung, die ggf im Licht eines lange bestehenden Bedürfnisses auf erfinderische Tätigkeit zu untersuchen wäre, war somit nicht mehr erforderlich.
9.4 Sobald eine Datenbank für das Produkt, seine Komponenten und Varianten zur Verfügung steht, ist auch die Teilaufgabe mitgelöst, dass eine Kontrolle auf Vollständigkeit der zu einem Produkt gehörenden Komponenten und Varianten auf einfache Weise möglich ist, indem eine oder mehrere Stücklisten ausgegeben werden.
9.5 Auch auf der Implementierungsebene lässt die anspruchsgemäße Vorrichtung mit (Datenbank-)Speicher eine erfinderische Bereicherung der Technik durch die Berücksichtigung von Produktvarianten nicht erkennen. Die Anmeldung nennt nur die zu speichernden Zusatzdaten (Produktvarianten) und überlässt die Implementierung der Speicherung, etwa durch zusätzliche Datenfelder der Datenbank, dem Fachmann.
9.6 Nach dem Urteil der Kammer enthält daher Anspruch 1 des Hauptantrags keinen erfinderischen Beitrag gegenüber D2 im Licht der D3 und fachmännischer Überlegungen.
Hilfsantrag 1
10. Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Artikel 123 (2) EPÜ
Im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags fügt der erste Hilfsantrag folgenden Absatz hinzu:
"wobei die Kennzeichnungsdaten (k) der Komponenten einer Ebene (E2 - E4) Merkmalsdaten der[jenigen] Komponenten zumindest der nächst höheren Ebene (E1 - E3) aufweisen, denen sie über die Verknüpfungsoperatoren (t) zugeordnet sind."
Dieser Absatz gibt die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 5 wieder (siehe A1, Spalte 6) und beruht somit auf ursprünglicher Offenbarung.
11. Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Artikel 123 (3) EPÜ
Der hinzugefügte Absatz erweitert den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 nicht.
12. Artikel 56 EPÜ 1973 - Erfinderische Tätigkeit
Die im geänderten Anspruch 1 zusätzlich genannten "Merkmalsdaten" entsprechen in D3, Figur 4 den Attributen, die in den Objekten (Knoten) beider hierarchischer Ebenen jeweils eine Produktvariante des Rasenmähers (zB motive power) bezeichnen und es ermöglichen, nach Auswahl einer Produktvariante die zugehörigen Komponentenvarianten zusammenzuführen.
Hilfsantrag 1 fügt daher nichts Erfinderisches hinzu.
Hilfsantrag 2
13. Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Artikel 123 (2) EPÜ
Im Vergleich zu Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags fügt der zweite Hilfsantrag folgenden Absatz hinzu:
"und wobei die Kennzeichnungsdaten (k) der Komponenten eines Produktes oder einer Produktvariante mittels der Merkmalsdaten in der Verarbeitungseinrichtung (1) verknüpfbar und über die Einrichtung (4) zur Ausgabe der Kennzeichnungsdaten (kr) teilweise oder in ihrer Gesamtheit ausgebbar sind."
Dieser Absatz gibt die Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 6 wieder (siehe A1, Spalte 6) und beruht somit auf ursprünglicher Offenbarung.
14. Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Artikel 123 (3) EPÜ
Der hinzugefügte Absatz erweitert den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 nicht.
15. Artikel 56 EPÜ 1973 - Erfinderische Tätigkeit
Die hinzugefügten Merkmale betreffen die bereits genannte Zuordnungsfunktion der aus D3, Figur 4 bekannten Attribute: Nach Auswahl einer Produktvariante wird mit Hilfe der Attribute für jede Komponente die zugehörige Variante bestimmt, um die jeweilige(n) Stückliste(n) auszugeben.
Hilfsantrag 2 ändert daher die negative Beurteilung bezüglich erfinderischer Tätigkeit nicht.
Hilfsantrag 3
16. Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Artikel 123 (2) EPÜ
Im Vergleich zu Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags fügt der dritte Hilfsantrag folgenden Absatz hinzu:
"wobei eine Auswahl einer Komponentenvariante nach Festlegung einer Produktvariante nach den Merkmalsdaten erfolgt."
Dieser Absatz gibt Merkmale der ursprünglichen Beschreibung wieder (siehe A1, Spalte 4, Zeilen 49 bis 55) und beruht somit auf ursprünglicher Offenbarung.
17. Zulässigkeit des Anspruchs 1 nach Artikel 123 (3) EPÜ
Der hinzugefügte Absatz erweitert den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 1 nicht.
18. Artikel 56 EPÜ 1973 - Erfinderische Tätigkeit
Die hinzugefügten Merkmale drücken nur explizit die innewohnende Zuordnungsfunktion der aus D3, Figur 4 bekannten Attribute aus: Nach Auswahl einer Produktvariante wird mit Hilfe der Attribute für jede Komponente die zugehörige Variante bestimmt, um passende Stücklisten auszugeben.
Auch Hilfsantrag 3 ändert daher die negative Beurteilung nicht.
19. Aus den vorgenannten Gründen erkennt die Kammer in keiner der vier Fassungen des Anspruchs 1 eine erfinderische Bereicherung der Technik.
Antrag auf mündliche Verhandlung
20. Die Ankündigung einer Partei, eine anberaumte mündliche Verhandlung nicht wahrnehmen zu wollen, wird nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern wie eine Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung behandelt (siehe zB T 3/90).
21. Die Kammer ist in der Lage, ohne mündliche Verhandlung und unter Wahrung des rechtlichen Gehörs zur vorliegenden Entscheidung zu gelangen. Die dem Streitpatent entgegenstehenden Gründe wurden zusammen mit der Ladung mitgeteilt, so dass die Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (Artikel 113 (1) EPÜ 1973).
Daher sieht die Kammer eine mündliche Verhandlung nicht als erforderlich an.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.