T 1649/06 (Grifola frondosa / COGNIS) 10-05-2007
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Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa
Hauptantrag und 1. Hilfsantrag - patentfähige Erfindung (nein)
Vorlage von Fragen an die Große Beschwerdekammer - (nein)
3. Hilfsantrag - patentfähige Erfindung - (ja); Zurückverweisung - (ja)
I. Die Beschwerde der Anmelderin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung mit der die Europäische Patentanmeldung 01 960 404.0, mit der Veröffentlichungsnummer WO 02/02 129 und dem Titel "Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa", gemäß Artikel 97 (1) EPÜ zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 3 des ihr vorliegenden Antrags, nämlich Ansprüche 1 bis 3 eingereicht mit Schreiben vom 20. September 2004, nicht als gewerblich anwendbare Erfindung gemäß Artikel 52 (4) gelten würde, da er eine therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers mit einschlösse.
III. Die Kammer teilte ihre vorläufige Meinung in einem Bescheid vom 15. Januar 2007 mit.
Am 10. Mai 2007 fand eine mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Zurückweisungs-Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3, eingereicht mit Schreiben vom 20. September 2004 zu erteilen oder, hilfsweise, auf der Basis der Ansprüche 1 bis 3 des 1. Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
weiter, hilfsweise, drei Rechtsfragen, eingereicht mit Schreiben vom 24. August 2006, an die Große Beschwerdekammer vorzulegen oder weiter hilfsweise, auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 3 des 3. Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, ein Patent zu erteilen.
IV. Anspruch 3 des Hauptantrages, eingereicht mit Schreiben vom 20. September 2004, lautete:
"Kosmetische Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa zum kosmetischen Sonnenschutz."
Anspruch 3 des 1. Hilfsantrages, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2007, lautete:
"Kosmetische, nicht-therapeutische, Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa zum Sonnenschutz."
Die drei Rechtsfragen, deren Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ die Beschwerdeführerin hilfsweise beantragte lauteten:
"1. Ist der Zweck der Ausnahmevorschrift des Art. 52 (4) Satz 1 EPÜ darauf beschränkt, die nicht-kommerziellen und nicht-industriellen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen frei zu halten (siehe G 1/83, Nr. 22 der Entscheidungsgründe), oder kann diese Ausnahmevorschrift weiterhin auch Gegenstände vom Patentschutz ausschließen, deren Patentierung keine patentrechtliche Beschränkung der nicht-kommerziellen und nicht-industriellen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin bedeutet?
2. Kann der Gegenstand eines Patentanspruches, der gerichtet ist auf die kosmetische Verwendung einer Sache auch therapeutische (einschließlich prophylaktische)
Verwendungen umfassen?
3. Kann ein Patentanspruch, der gerichtet ist auf die kosmetische Verwendung einer Sache, nicht patentfähig sein, weil er im Widerspruch zu dem Erfordernis des Artikel 52 (4) Satz 1 EPÜ steht, dass Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder
tierischen Körpers nicht als gewerblich anwendbare Erfindungen im Sinne von Art. 52 (1)EPÜ gelten?"
Die Ansprüche 1 bis 3 des 3. Hilfsantrages eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2007, lauteten:
"1. Kosmetische Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa in Pflegemitteln zur kosmetischen Behandlung von Alterserscheinungen der Haut.
2. Kosmetische Verwendung nach Anspruch 1, wobei durch UV-Strahlung induzierte Alterserscheinungen der Haut behandelt werden.
3. Kosmetisches Sonnenschutzmittel enthaltend Extrakte des Pilzes Grifola frondosa."
V. Die Argumente der Beschwerdeführerin können folgendermaßen zusammengefasst werden:
Der Zweck der Ausnahmevorschrift des Artikels 52 (4) Satz 1 EPÜ wäre darauf beschränkt, die nicht-kommerziellen und nicht-industriellen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen frei zu halten.
Der Gegenstand eines Verwendungsanspruches würde durch den durch die Verwendung angestrebten Effekt im Sinne eines funktionellen Merkmales begrenzt.
Eine kosmetische Verwendung zielte auf den Effekt der Steigerung der Schönheit im weiteren Sinne; sie zielte nicht auf die Therapie oder Prophylaxe von Krankheiten. Kosmetik einerseits und Therapie (einschließlich Prophylaxe) von Krankheiten andererseits, wären in teleologischer Hinsicht, also hinsichtlich des angestrebten Effekts oder Zwecks, eindeutig und überschneidungsfrei voneinander abgegrenzt.
Also würde ein Patentanspruch, der auf die kosmetische Verwendung einer Sache gerichtet wäre, nicht die nicht-kommerziellen und nicht-industriellen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin beschränken, soweit es sich bei diesen Tätigkeiten um therapeutische (einschließlich prophylaktische) Tätigkeiten handelte, weil es diesen Tätigkeiten an dem funktionellen Merkmal mangelte einen kosmetischen Effekt anzustreben.
Dementsprechend könnte ein Patentanspruch, der auf die kosmetische Verwendung einer Sache gerichtet wäre, nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis des Artikels 52 (4) Satz 1 EPÜ stehen, wonach Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers nicht als gewerblich anwendbare Erfindungen im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ gelten würden.
Letzteres würde ungeachtet der Frage gelten, ob die konkrete Realisierung der kosmetischen Verwendung automatisch und zwangsläufig eine von der kosmetischen Wirkung untrennbare therapeutische Wirkung nach sich zöge oder nicht.
Es wäre zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung und zur Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Artikel 112 (1) a) EPÜ in jedem Fall erforderlich, die Grosse Beschwerdekammer mit den vorgelegten Fragen zu befassen.
Hauptantrag
Artikel 52 (4) EPÜ
1. Der Gegenstand von Anspruch 3 bezieht sich auf die Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa zum Sonnenschutz. Sowohl die Verwendung als auch der Begriff Sonnenschutz werden im Anspruch als "kosmetisch" bezeichnet.
2. Die Prüfungsabteilung war in ihrer Entscheidung zu der Ansicht gelangt, dass die verwendeten Pilzextrakte pharmakologische Eigenschaften besäßen, die implizit in jedem Fall vorhanden seien, wenn die Extrakte als Sonnenschutzmittel angewendet werden. Daraus ergebe sich, dass die kosmetische Verwendung nicht von einer therapeutischen Verwendung und den dabei auftretenden therapeutischen Effekten trennbar sei. Die Prüfungsabteilung entschied, dass der Gegenstand von Anspruch 3 in jedem Fall eine therapeutische Verwendung miteinschließe und daher keine patentfähige Erfindung im Sinne von Artikel 52 (4) EPÜ darstelle.
3. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die kosmetische Verwendung einer Substanz auf einen anderen Effekt ziele als die therapeutische Verwendung derselben Sache. Sie verweist auf die Entscheidungen der Grossen Beschwerdekammer G 2/88 (ABl EPA 1990, 93) und G 6/88 (ABl EPA 1990, 114) wonach der Gegenstand eines Verwendungsanspruchs durch den angestrebten Effekt im Sinne eines funktionellen Merkmals begrenzt sei. Ein Anspruch, der auf eine kosmetische Verwendung einer Substanz gerichtet sei, würde sich daher nicht auf die therapeutische Verwendung derselben Substanz erstrecken, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der therapeutisch beabsichtigte und der kosmetisch beabsichtigte Effekt unweigerlich miteinander verknüpft auftreten würden.
4. In Punkt (6) der Entscheidungsgründe der Entscheidungen G 2/88 (Punkt (4) der Entscheidung G 6/88) (supra) weist die Große Beschwerdekammer darauf hin, dass die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Patentierbarkeit von Ansprüchen auf eine neue Verwendung eines bekannten Stoffes Gegenstand der ersten sieben Entscheidungen waren, die von der Großen Beschwerdekammer getroffen wurden, nämlich G 1-7/83 (G 1/83 veröffentlicht im OJ EPO 1985, 60). Bei allen diesen Entscheidungen ging es um die Patentierbarkeit weiterer medizinischer Indikationen eines Stoffes, von dem bereits eine medizinische Anwendung bekannt war, sowie um die für solche Erfindungen geeignete Anspruchsform.
Eine der Aufgaben der Grossen Beschwerdekammer in
der Entscheidung G 2/88 (supra), war es, zu überprüfen inwieweit die in diesen früheren Entscheidungen entwickelten Überlegungen auf die im vorliegenden Fall zu klärende Rechtsfrage, die sich auf eine zweite nicht-medizinische Indikation bezieht, von Bedeutung sind.
Es wird festgehalten, dass sich die, der Grossen Beschwerdekammer in den früheren Fällen (G 1-7/83, supra) vorgelegten Rechtsfragen, durch den besonderen Ausschluss des Patentschutzes für "Verfahren zur ... Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers" in Artikel 52 (4) Satz 1 EPÜ und die in Artikel 54 (5) EPÜ vorgesehene Ausnahme ergeben haben. Die Kammer fasst dort zusammen, dass für die zweite und alle weiteren therapeutischen Anwendungen eine begrenzte Ausnahme von den allgemeingültigen Neuheitsregeln geschaffen wurde, allerdings mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese besondere Ableitung der Neuheit nur auf Ansprüche angewandt werden könne, die auf die Verwendung von Stoffen oder Stoffgemischen für die Anwendung in einem Verfahren nach Artikel 52 (4) EPÜ gerichtet seien.
Im den Entscheidungen G 2/88 und G 6/88 (supra) schließt sich die Große Beschwerdekammer dieser Auffassung explizit an und hält fest, dass sie für den ihr jeweils vorliegenden Fall nicht zutreffend sei, da die Rechtsfrage, mit der sie befasst worden sei, sich nicht auf medizinische Erfindungen beziehe, sondern allgemeiner Natur sei und in erster Linie die Auslegung des Artikels 54 (1) und (2) EPÜ betreffe.
5. Die Grosse Beschwerdekammer hat in der Entscheidung
G 1/83 festgestellt, dass sowohl bei einer therapeutischen Verwendung als auch bei einem therapeutischen Verfahren der aktive Stoff in einem Zustand vorliegen muss, in dem er seine therapeutische Wirkung entfalten kann, was voraussetzt dass das aktive Material formuliert und dosiert wurde. Nach Ansicht der Großen Beschwerdekammer widersprechen daher Ansprüche, die auf die Verwendung von Stoffen für die therapeutische Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers gerichtet sind, den Bestimmungen des Artikel 52 (4) EPÜ, da sie sich auf ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers beziehen, die als nicht gewerblich anwendbar im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ gelten (siehe Punkte (11) und (12) der Entscheidungsgründe).
6. Die Beschwerdekammern des europäischen Patentamts haben sich in einer Vielzahl von Entscheidungen mit der Frage der Patentierbarkeit von Verfahren (Verwendungen) mit sowohl therapeutischer als auch nichttherapeutischer Wirkung auseinandergesetzt.
Die Rechtsprechung, die sich zu diesem Thema in den letzten Jahren entwickelt hat ist im Punkt I.A.2.3.2 des Buches "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 5. Auflage, 2006, zusammengefasst.
Der erste Abschnitt dieses Punktes (I.A.2.3.2 a)) enthält Entscheidungen, die sich mit Patentansprüchen befassen, welche sich auf Verfahren (Verwendungen) beziehen, bei denen unweigerlich miteinander verknüpfte therapeutische und nichttherapeutische Wirkungen auftreten. Die jeweils zuständigen Kammern entschieden, dass bei einer derartigen Sachlage Ansprüche auf eine nichttherapeutische (z.B. kosmetische) Verwendung gegen die Erfordernisse von Artikel 52 (4) EPÜ verstoßen.
Im zweiten Abschnitt (I.A.2.3.2 b)) werden Entscheidungen angeführt, denen Ansprüche zugrunde liegen, die auf Verwendungen abzielen, die unterscheidbare therapeutische und nichttherapeutische Wirkungen haben. In diesen Fällen kommen die jeweils zuständigen Kammern zu der Entscheidung, dass Ansprüche auf eine nichttherapeutische Verwendung nicht gegen das Patentierungsverbot gemäß Artikel 52 (4) EPÜ verstoßen.
7. In der Beschreibung der vorliegenden Patentanmeldung wird die Wirkung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa bei deren Verwendung als Sonnenschutzmittel folgendermaßen beschrieben:
Auf Seite 7, vierter Absatz wird angeführt, dass die Extrakte als UV-Absorber oder Lichtfilter wirken, die UV-Strahlung in unschädliche Wärme umwandeln.
Im Beispiel 7 auf Seiten 26 bis 27 der Patentanmeldung wird an Hand von in vitro Untersuchungen mit menschlichen Keratinozyten die Schutzwirkung der Pilzextrakte gegenüber schädlichen UV-B-Strahlen untersucht, welche die enzymatische Freisetzung von Arachidonsäure aus der Plasmamembran aktiviert. Die Arachidonsäure ist die Vorstufe der Prostaglandine, die die Ursache von Entzündungen (Erythem- und Ödembildung) und damit verbundene Zellmembranschädigungen sind. Es wird gezeigt, dass die Extrakte den Gehalt an freigesetzter Laktat Dehydrogenase (LDH) reduzieren, welches als Marker für den Grad einer inflammatorischen, erythematösen Schädigung humaner Keratinozyten dient.
8. Demnach üben die Pilzextrakte bei ihrer Verwendung als Sonnenschutzmittel, neben der auf Seite 7 beschriebenen Filterwirkung, eine, auf ihren pharmakologischen Eigenschaften beruhende, zellschützende und entzündungshemmende Wirkung aus.
Neben einer Wirkung als UV-Absorber oder Lichtfilter, die als nichttherapeutisch bezeichnet werden kann, tritt also bei der erfindungsgemäßen Verwendung der Pilzextrakte als Sonnenschutzmittel eine unweigerlich und untrennbar verknüpfte therapeutische Wirkung auf, die auf einer Wechselwirkung der Extrakte mit der menschlichen Haut auf zellulärer Ebene beruht.
9. Die Beschwerdeführerin stützte sich in ihrer Argumentation, wonach ein Anspruch, der auf eine kosmetische Verwendung einer Substanz gerichtet sei, sich nicht auf die therapeutische Verwendung derselben Substanz erstrecke, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der therapeutisch beabsichtigte und der kosmetisch beabsichtigte Effekt unweigerlich miteinander verknüpft auftreten würden, auf die Entscheidungen T 144/83 (ABl EPA 1986, 301) und T 36/83 (ABl EPA 1986, 295).
10. Die der Entscheidung T 144/83 zugrunde liegende Patentanmeldung betraf ein Verfahren zur Gewichtsreduzierung. Die Kammer entschied, dass ein in den Ansprüchen als kosmetisch bezeichnetes Verfahren nicht gegen das Patentierungsverbot gemäß Artikel 52 (4) EPÜ verstoße. Ein Gewichtsverlust werde nämlich - ebenso wie eine Gewichtszunahme - meist nicht aus medizinischen Gründen angestrebt, sondern zur Verbesserung des Aussehens, also mit einer kosmetischen Zielsetzung. Die Kammer erkannte an (Punkt (4) der Entscheidungsgründe), dass es nicht leicht sei, eine klare Grenze zwischen der kosmetischen und der therapeutischen Wirkung des Wirkstoffes zu ziehen. Dies dürfe jedoch nicht einem Anmelder zum Nachteil gereichen, der Patentschutz für die kosmetische Behandlung gesunder, nicht pathologisch fettsüchtiger Patienten begehre. Demgemäß entschied die Kammer, dass die Verwendung eines Stoffes zur Erzielung einer kosmetischen, das Erscheinungsbild verschönernden Wirkung bei einem gesunden Menschen nicht unter das Patentierungsverbot gemäß Artikel 52 (4) EPÜ falle, selbst wenn die Verwendung des Stoffes bei Menschen mit pathologischer Fettsucht einen therapeutischen Effekt verursache, der sich ebenfalls in einer Gewichtsreduktion manifestiere. Die Kammer sah es angesichts des Anspruchswortlauts als gegeben an, dass die Behandlung krankhaft fettleibiger Patienten nicht beansprucht war, wodurch die Unterscheidbarkeit der therapeutischen von der nichttherapeutischen Wirkung des Stoffes gegeben war.
11. In Punkt (6) der Entscheidungsgründe der Entscheidung
T 36/83 befasste sich die beauftragte Kammer mit einem Anspruch 8, der sich auf die "Anwendung von Thenoylperoxid als kosmetisches Erzeugnis" bezog. Im Streitpatent wurde sowohl die bakterizide als auch eine kosmetische (komedolytische) Wirkung des Wirkstoffes offenbart. Die Kammer kam zu der Entscheidung, dass zwischen der therapeutischen, bakterizide Wirkung von Thenoylperoxid und seiner kosmetischen, komedolytischen Wirkung unterschieden werden konnte. Als Folge dieser nichttherapeutischen Wirkung kam es bei ihrer topischen Anwendung zu einer Vergrößerung des äußeren Durchmessers von Komedonen (Mitessern), sodass die darin enthaltene Hornmasse leichter herausgedrückt werden konnte, was die Reinigung der Haut erleichterte. Die Kammer sah darin eine gegenüber der bakteriziden Wirkung unterscheidbare Wirkung, die als Maßnahme zur nichtmedikamentösen Körperhygiene angesehen wurde und deren Nutzung nicht unter das Patentierungsverbot von Artikel 52 (4) EPÜ fiel.
In Punkt (6.4) merkte die Kammer im Zusammenhang mit der Formulierung des ihr vorliegenden Anspruchs 8 an, dass ein Verstoß gegen die Erfordernisse von Artikel 52 (4) EPÜ auch mittels eines Disclaimers ausgeschlossen hätte werden können.
12. Die Kammer stellt fest, dass sich der, den Entscheidungen T 144/83 und T 36/83 zugrunde liegende technische Sachverhalt von der Situation im vorliegenden Fall unterscheidet. Diese Entscheidungen sind für den vorliegenden Fall nicht relevant.
13. Der Entscheidung T 1077/93 vom 30. Mai 1996 lagen Ansprüche zugrunde, die sich auf die Verwendung des Kupferkomplexes der 3,5-Diisopropylsalicylsäure (CuDIPS) als kosmetisches Erzeugnis bezogen, sowie auf eine kosmetische Zusammensetzung und ein kosmetisches Behandlungsverfahren zum Schutz der menschlichen Epidermis, das auf der Verwendung dieses Komplexes basierte. Ziel der patentgemäßen Zusammensetzung war es, die menschliche Epidermis vor UV-Strahlen zu schützen und insbesondere die Hautrötung, sowie Zellveränderungen
in der Haut wie die Bildung entarteter und nekrotischer Keratinozyten zu verringern. Die Beschwerdekammer stellte fest, dass das in Artikel 52 (4) EPÜ verankerte Patentierungsverbot nicht dadurch umgangen werden könnte, dass der Anspruch so formuliert würde, als sei der Gegenstand des Verfahrens als unteilbares Ganzes nicht- therapeutischer Natur. Bei der Prüfung der Patentierbarkeit der Ansprüche müssten die Wirkungsweise des CuDIPS und der Zusammenhang zwischen all seinen Wirkungen geklärt werden. Die Kammer
gelangte zu dem Schluss, dass die Schutzwirkung für die Haut zumindest teilweise nicht nur auf eine Filterung des Lichts an der Hautoberfläche, sondern vielmehr auf eine Wechselwirkung mit dem Zellgeschehen in der Epidermis zurückzuführen wäre. Da auf diese Weise pathologische Folgen (Hautrötung) vermieden würden sollten, läge eine echte therapeutische Wirkung vor, was zur Folge hatte, dass der beanspruchte Gegenstand nicht als patentierbare Erfindung gemäß Artikel 52 (4) EPÜ angesehen wurde.
14. Wie in Punkt (8) oben beschrieben, ist bei der Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa als Sonnenschutzmittel deren Wirkung als Lichtfilter unweigerlich und untrennbar mit einer therapeutischen Wirkung auf zellulärer Ebene verbunden.
Es ist daher nicht möglich, die Verwendung gemäß Anspruch 3 durch die bloße Voranstellung des Adjektivs "kosmetisch" als Verfahren nichttherapeutischer Natur darzustellen.
Angesichts dieser Sachlage und im Lichte der relevanten Rechtsprechung der Beschwerdekammern gelangt die Kammer zu der Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 3 ein Verfahren zur therapeutisches Behandlung des menschlichen Körpers betrifft, das gemäß Artikel 52 (4) EPÜ keine patentfähige Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ darstellt.
1. Hilfsantrag
Artikel 52 (4) EPÜ
15. Anspruch 3 des 1. Hilfsantrages unterscheidet sich von Anspruch 3 des Hauptantrages dadurch, dass die Verwendung zusätzlich als "nicht-therapeutisch" definiert wird.
Die Beschwerdeführerin beabsichtigt damit, in Form eines Disclaimers, zu verdeutlichen, dass sich die beanspruchte Verwendung ausschließlich auf der kosmetischen Wirkung der Pilzextrakte beruht und sich nicht auf mögliche therapeutische Verwendungen derselben Substanz erstreckt.
16. Die beauftragte Kammer in der Entscheidung T 36/83 (supra) hatte, nachdem sie entschieden hatte, dass in dem ihr vorliegenden Fall eine unterscheidbare therapeutische und nichttherapeutische Wirkung des Wirkstoffes Thenoylperoxid vorlag (siehe Punkt (11) oben), abschließend in Punkt (6.4) der Entscheidungsgründe angemerkt, dass im Zusammenhang mit der Formulierung des ihr vorliegenden Anspruchs 8, ein Verstoß gegen die Erfordernisse von Artikel 52 (4) EPÜ auch mittels eines Disclaimers ausgeschlossen hätte werden können.
17. In der Entscheidung T 1077/93 (supra) stellte die beauftragte Kammer fest, dass die beanspruchte Verwendung von CuDips zum Teil auf einer kosmetischer Wirkung als Lichtfilter beruht, dass aber gleichzeitig und untrennbar und unweigerlich damit verknüpft eine therapeutische Wirkung des Stoffes, beruhend auf einer Wechselwirkung mit dem Zellgeschehen in der Epidermis, vorliegt (siehe Punkt (13) oben). In einem derartigen Fall stellte die Beschwerdekammer fest, dass das in Artikel 52 (4) EPÜ verankerte Patentierungsverbot nicht dadurch umgangen werden könnte, dass der Anspruch so formuliert würde, als sei der Gegenstand des Verfahrens als unteilbares Ganzes nicht therapeutischer Natur.
18. Die Kammer hat bei der Prüfung des Hauptantrages in Punkt (8) oben befunden, dass auch im vorliegenden Fall der Wirkstoff, ein Extrakt des Pilzes Grifola frondosa, bei seiner Verwendung als Sonnenschutzmittel, neben einer Wirkung als Lichtfilter, eine, auf seinen pharmakologischen Eigenschaften beruhende, zellschützende und entzündungshemmende, also therapeutische, Wirkung ausübt.
Wie in dem Fall, der der Entscheidung T 1077/83 zugrunde lag, ist diese therapeutische Wirkung unweigerlich und untrennbar mit der nichttherapeutischen (kosmetischen) Wirkung verknüpft.
19. In einem solchen Fall kann das in Artikel 52 (4) EPÜ verankerte Patentierungsverbot auch nicht durch Einfügen eines Disclaimers umgangen werden kann.
Der Gegenstand von Anspruch 3 des 1. Hilfsantrages betrifft somit ebenfalls ein Verfahren zur therapeutisches Behandlung des menschlichen Körpers, das gemäß Artikel 52 (4) EPÜ keine patentfähige Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ darstellt.
Vorlage von Fragen an die Grosse Beschwerdekammer
Artikel 112 EPÜ
Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung
20. Die Beschwerdeführerin hatte folgendermaßen argumentiert:
Sollte die Kammer entscheiden, die Patentanmeldung
zurückzuweisen, weil der Gegenstand von Anspruch 3 des Hauptantrages und des 1. Hilfsantrages im Widerspruch zu den Erfordernissen von Artikel 52 (4) Satz 1 EPÜ stünden, so würde dies im Widerspruch zu den Entscheidungen T 144/83 und T 36/83 (supra) und außerdem im Widerspruch zu den Entscheidungen der Grossen Beschwerdekammer
G 2/88 und G 6/88 (supra) stehen, weil der Gegenstand einer kosmetischen Verwendung keine therapeutische Verwendung und auch kein therapeutisches Verfahren umfasste und dementsprechend nicht dem Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) Satz 1 EPÜ unterliegen könnte.
Sollte die Kammer jedoch entscheiden, die Patentanmeldung nicht zurückzuweisen, weil der Gegenstand von Anspruch 3 des Hauptantrages und des 1. Hilfsantrages nicht im Widerspruch zu den Erfordernissen von Artikel 52 (4) Satz 1 EPÜ stünden, dann würde dies im Widerspruch zu der Entscheidung T 1077/83 stehen.
21. Die Kammer stellt fest, dass diese Argumentation der Beschwerdeführerin bedeutet, dass sie die Meinung vertritt, dass die Entscheidungen T 144/83 und T 36/83 einerseits und die Entscheidung T 1077/83 andererseits widersprüchlich sind.
Die Kammer stimmt dem nicht zu. Wie in den Punkten (10), (11) und (13) oben ausführlich dargelegt, und in Punkt I.A.2.3.2 der "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes", 5. Auflage 2006, zusammengefasst, beziehen sich diese Entscheidungen auf unterschiedliche Sachverhalte.
22. Aufgabe der Kammer war es, im Rahmen der Prüfung der Patentierbarkeit des Gegenstandes von Anspruch 3 des Hauptantrages und des 1. Hilfsantrages zu klären, welcher dieser unterschiedlichen Sachverhalte vorliegt. Es war zu beantworten, ob die therapeutische Wirkung der Pilzextrakte bei ihrer Verwendung als Sonnenschutzmittel unweigerlich und untrennbar mit ihrer kosmetischen Wirkung verknüpft ist, oder ob diese beiden Wirkungen voneinander unterscheidbar sind, sei es, weil, wie im Fall der Entscheidung T 144/83 (supra), nur eine Wirkung, nämlich die des Gewichtsverlustes, vorliegt, die, abhängig davon, ob der Wirkstoff von kranken (fettleibigen) oder von gesunden Konsumenten verwendet wird, entweder therapeutisch oder nichttherapeutisch ist, sei es, weil, wie im Fall der Entscheidung T 36/83 (supra), zwei verschiedene Wirkungen eines Stoffes auftreten, nämlich eine bakterizide (therapeutische) und eine komedolytische (kosmetische), die voneinander unterscheidbar sind.
23. Die Kammer gelangte zu der Überzeugung, dass die beiden Wirkungen, wie im Fall der der Entscheidung T 1077/83, (supra) untrennbar miteinander verknüpft sind und entschied, dass der beanspruchte Gegenstand gemäß Artikel 52 (4) EPÜ keine patentfähige Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ darstellt.
Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu einschlägigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe T 1077/83). Demgegenüber sind die Entscheidungen T 144/83 und T 36/83 im vorliegenden Fall nicht relevant, da ihnen eine andere technische Sachlage zugrunde liegt.
24. Die Entscheidungen der Grossen Beschwerdekammer G 2/88 und G 6/88 (supra) stellen in Punkt (6) bzw. Punkt (4) der jeweiligen Entscheidungsbegründung fest, dass sich die Rechtsfragen, mit denen sie sich zu befassen haben, nicht auf medizinische Erfindungen beziehen und somit nicht die Erfordernisse von Artikel 52 (4) EPÜ beträffen, sondern allgemeiner Natur seien und in erster Linie die Auslegung des Artikels 54 (1) und (2) EPÜ beträfen (siehe Punkt (4) oben).
Es liegt daher kein Widerspruch der vorliegenden Entscheidung, die sich in Bezug auf Anspruch 3 des Hauptantrages sowie des 1. Hilfsantrages ausschließlich mit den Erfordernissen des Artikel 52 (4) EPÜ befasst, mit den beiden Entscheidungen der Grossen Beschwerdekammer vor.
Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
25. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die Frage zu beantworten wäre, ob sich der Zweck der Ausnahmevorschrift des Artikel 52 (4) Satz 1 EPÜ darauf beschränken würde, die nicht-kommerziellen und nicht-industriellen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen frei zu halten, oder ob es der Zweck dieser Ausnahmevorschrift wäre, auch Gegenstände vom Patentschutz auszuschließen, deren Patentierung keine patentrechtliche Beschränkung der Human- oder Veterinärmedizin bedeuteten.
26. Eine Beschwerdekammer kann die Grosse Beschwerdekammer befassen, wenn sie die Klärung einer sich stellenden Rechtsfrage für erforderlich hält (Artikel 112 (1) a) EPÜ). Das bedeutet, dass sich die Rechtsfrage in dem anhängigen Verfahren tatsächlich stellen muss. Dies hat die vorlegende Kammer nach Artikel 17 (2) Satz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammer darzulegen. Daraus hat die Grosse Beschwerdekammer abgeleitet, dass die Vorlagefrage im Ausgangsverfahren nicht von nur theoretischer Bedeutung sein darf (siehe Entscheidung G 3/98, ABl. EPA 2001, 62, Entscheidungsgründe 1.1 bis 1.2.4, insbesondere 1.2.3). Aufgabe der Grossen Beschwerdekammer ist nicht die Erstellung von Rechtsgutachten und die wissenschaftliche Aufarbeitung des Übereinkommens, sondern die Entscheidung von Rechtsfragen, die sich in einem konkreten Fall stellen.
27. Die Kammer hat in den Punkten (14) und (19) oben entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 3 des Hauptantrages bzw. des 1. Hilfsantrages ein Verfahren zur therapeutisches Behandlung des menschlichen Körpers betrifft, das gemäß Artikel 52 (4) EPÜ keine patentfähige Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ darstellt.
Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage ist somit für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich.
28. Der Antrag der Beschwerdeführerin, drei Rechtsfragen, eingereicht mit Schreiben vom 24. August 2006, an die Große Beschwerdekammer vorzulegen, ist somit zurückzuweisen.
3. Hilfsantrag
Artikel 123 (2) EPÜ
29. Die Ansprüche 1 und 2 beruhen auf den Ansprüchen 5 und 6 der ursprünglich eingereichten Anmeldung. Anspruch 3 basiert auf Anspruch 12 sowie Seite 7, Zeilen 1 bis 7 der ursprünglich eingereichten Anmeldung.
Der Gegenstand der geänderten Ansprüche geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinaus. Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind somit erfüllt.
Artikel 52 (4) EPÜ
30. Die Ansprüche 1 und 2 beziehen sich auf die kosmetische Verwendung von Extrakten des Pilzes Grifola frondosa. Diese Verwendung beruht auf in der Beschreibung angeführten Wirkungen, die der Verbesserung des Aussehens der Konsumenten dienen, wie z.B. Straffung und Revitalisierung der Haut, Erhöhung der Elastizität der Haut und Behandlung von Alterserscheinungen der Haut, wie Fältchen- und Faltenbildung. Diese Wirkungen sind kosmetischer Natur und von der ebenfalls in der Beschreibung angeführten starken anti-inflammatorischen Aktivität der Pilzextrakte zu unterscheiden.
Gemäß der in Punkt I.A.2.3.2 b) zusammengefassten relevanten "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes", 5. Auflage 2006, stellen Ansprüche, die auf derartige nichttherapeutische Verwendungen gerichtet sind, keine Verletzung des Patentierungsverbotes gemäß Artikel 52 (4) EPÜ dar.
31. Der Gegenstand von Anspruch 3 ist ein kosmetisches Sonnenschutzmittel.
Im zweiten Satz von Artikel 52 (4) EPÜ wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das im ersten Satz formulierte Patentierungsverbot für chirurgische, therapeutische oder diagnostische Methoden nicht für Erzeugnisse, insbesondere Stoffe oder Stoffgemische gilt, die in einem derartigen Verfahren angewendet werden.
Der Gegenstand von Anspruch 3 fällt somit nicht unter das Patentierungsverbot gemäß Artikel 52 (4) EPÜ.
Zurückverweisung - Artikel 111 (1) EPÜ
32. Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an diese Organ zurück.
Die Prüfungsabteilung hat sich in der beschwerten Entscheidung ausschließlich mit Fragen beschäftigt, die Artikel 52 (4) EPÜ betreffen. Andere, für die Erteilung eines Patents grundsätzliche Erfordernisse des EPÜ, wie z.B. Neuheit (Artikel 54 EPÜ) oder erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) wurden von der ersten Instanz noch nicht geprüft.
Angesichts dieser Sachlage erachtet es die Kammer im Rahmen ihres Ermessens als gerechtfertigt und angemessen, den Fall gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Antrag auf Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.
3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung der Ansprüche 1 bis 3 des 3. Hilfsantrags, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, zurückverwiesen.