T 2085/08 20-11-2012
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ZENTRALER KINO-SERVER
Cinecom AG
Cinecom & Media Werbeagentur GmbH
I. Das Europäische Patent Nr. 1 206 879 wurde am 12. Januar 2005 mit Patentansprüchen 1 bis 8 erteilt.
II. Patentanspruch 1 des Patents hat folgenden Wortlaut:
"Verfahrenzur zentralen Organisation der Vorstellung digitalisierter Werbefilmsequenzen oder Einzelbilder in mehreren Filmtheatern, die jeweils mit einem Videoprojektor ausgestattet sind, dadurch gekennzeichnet, dass
- jeweilseinem Filmtheater (3) eine individuelle Playlist, erstellt von einer dafür vorgesehenen Agentur, die im direkten Kontakt zum Auftraggeber für die Werbung steht, mit Spieldatum, Uhrzeit, Liste der Werbefilme mit Verweisen auf den tatsächlichen Speicherplatz der entsprechenden Daten zugeordnet wird, in der nach Art eines Spielplans die Abfolge der Werbefilme verzeichnet ist, zugeordnetwird;
- die Playlists für mehrere Filmtheater (3) auf einem zentralen Rechner (2) gespeichert werden,
- ein dezentraler Rechner (4) die Werbefilme in der in der Playlist gespeicherten Abfolge an den digitalen Videoprojektor (5) jedes Filmtheaters (3) übergibt, der die Werbefilmsequenzen projiziert; und
- die leistungsgerechte Abrechnung anhand einer über eine Datenleitung (15) übermittelten Rückmeldung der projizierten Werbefilmsequenzen erfolgt."
III. Drei Einsprechende legten gegen das Patent jeweils gesondert Einspruch ein. Die Einsprechenden hatten aber den gleichen Vertreter und trugen inhaltlich gleich vor. Sie stützten ihre Einsprüche auf Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und nach Artikel 100 c) EPÜ. Die Einsprechenden trugen unter anderem vor, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Patents nicht neu sei gegenüber Dokument
D8: WO 97/41546 A1.
Die Einsprechende 3 nahm während des Einspruchsverfahrens ihren Einspruch zurück.
IV. Die Einspruchsabteilung beschloss mit Entscheidung vom 8. September 2008 den Widerruf des Patents (Artikel 101 (3) b) EPÜ). Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Patents nicht neu sei gegenüber Dokument D8. Die Einspruchsabteilung führte in der Entscheidung auch aus, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ sowie ein auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützter Einwand der mangelnden Neuheit nicht zum Widerruf des Patents führen würden.
V. Die Entscheidungsgründe zur Frage der Neuheit des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Patents gegenüber D8 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Dokument D8 beschreibe ein System zum Bespielen von Bildschirmen an verschiedenen Orten. D8 offenbare explizit, dass dieses System auch zum Abspielen von Werbung in Filmtheatern gedacht sei. Ein Kontrollzentrum (12) sei eine Zentrale für die Playlists, deren Inhalte über Agenturen gebucht würden.
Des Weiteren führte die angefochtene Entscheidung im Einzelnen auf, wo die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Patents im Dokument D8 offenbart seien.
VI. Die Patentinhaberin reichte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beantragte die Aufhebung der Entscheidung sowie die Zurückweisung der Einsprüche.
VII. Die Einsprechenden 1 und 2 (im Folgenden "die Beschwerdegegnerinnen") beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
VIII. Die Kammer erließ eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (VOBK), mit Datum vom 26. Juli 2012, als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung. In dieser Mitteilung wies die Kammer auf diejenigen Punkte im Vorbringen der Parteien hin, auf die sich die Diskussion in der mündlichen Verhandlung konzentrieren sollte, nämlich auf die Frage der Neuheit und gegebenenfalls erfinderischen Tätigkeit gegenüber Dokument D8.
IX. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 reichte die Beschwerdeführerin Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag 1 ein. Des Weiteren brachte sie Argumente zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens gegenüber D8 vor.
X. Mit Schreiben vom 13. November 2012 erhoben die Beschwerdegegnerinnen Einwände nach Artikel 83, 84 und 123 (2) EPÜ gegen die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag 1. Zudem trugen sie vor, dass die im Hilfsantrag hinzugefügten Merkmale auch in D8 offenbart seien und deshalb die Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber D8 nicht herstellten.
XI. Am 20. November 2012 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Nach der Diskussion über die Neuheit gegenüber Dokument D8 bezüglich des Hauptantrags reichte die Beschwerdeführerin einen neuen 1. Hilfsantrag ein und erklärte ihren 1. Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 22. Oktober 2012, zu ihrem 2. Hilfsantrag. Nach der Diskussion über diese Hilfsanträge reichte sie einen neuen 3. Hilfsantrag ein.
XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung der Einsprüche,
hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß
1. Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
2. Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 22. Oktober 2012, oder
3. Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Vor dem Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
XIII. Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sind kursiv hervorgehoben):
"Verfahrenzur zentralen Organisation der Vorstellung digitalisierter Werbefilmsequenzen oder Einzelbilder in mehreren Filmtheatern, die jeweils mit einem Videoprojektor ausgestattet sind, dadurch gekennzeichnet, dass
- eine Einrichtung (1) mit einem zentralen Rechner (2) über eine sichere Datenleitung (15) mit den Filmtheatern (3) mit dezentralen Rechnern (4) in Verbindung steht
- jeweilseinem Filmtheater (3) eine individuelle Playlist, erstellt von einer dafür vorgesehenen Agentur, die im direkten Kontakt zum Auftraggeber für die Werbung steht, mit Spieldatum, Uhrzeit, Liste der Werbefilme mit Verweisen auf den tatsächlichen Speicherplatz der entsprechenden Daten zugeordnet wird, in der nach Art eines Spielplans die Abfolge der Werbefilme verzeichnet ist, zugeordnetwird;
- die Playlists für mehrere Filmtheater (3) auf einem zentralen Rechner (2) gespeichert werden, wobei der zentrale Rechner (2) jederzeit die vollständige Kontrolle über den Ablauf der Filme hat und eine genaue Dokumentation betreiben kann, um unzulässige Werbung zu unterbinden;
- ein dezentrale Rechner (4) die Werbefilme in der in der Playlist gespeicherten Abfolge an den digitalen Videoprojektor (5) jedes Filmtheaters (3) übergibt, der die Werbefilmsequenzen projiziert; und
- die leistungsgerechte Abrechnung anhand einer über eine Datenleitung (15) übermittelter Rückmeldung der projizierten Werbefilmsequenzen erfolgt."
Patentanspruch 1 des 2. Hilfsantrags entspricht Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags unter Weglassung des Merkmals nach dem ersten Spiegelstrich ("eine Einrichtung (1) ... in Verbindung steht").
Patentanspruch 1 des 3. Hilfsantrags entspricht Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags mit dem Wort "projizierten" im letzten Merkmal ersetzt durch "ausgestrahlten".
XIV. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
In der angefochtenen Entscheidung sei der Inhalt von D8 unzulässig ex post facto gewürdigt und Einzelmerkmale seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Maßgeblich für die Beurteilung der Neuheit sei nach ständiger Rechtsprechung aber die Offenbarung eines Dokuments des Standes der Technik im Gesamtzusammenhang. Kinos seien zwar in D8 erwähnt, doch sei D8 insgesamt nicht auf Kinowerbung zugeschnitten, sondern auf das Abspielen von Informationen auf Bildschirmen an Bahnhöfen. Die Zielsetzung von D8 sei es, ein hochdynamisch-chaotisches System zu schaffen, bei dem jederzeit ein Eingriff in das Abspielen der Playlist möglich sei. Mehrere Werbeagenturen könnten Playlists erstellen und in einem zentralen Server ablegen. Jeder, der Zugang zum zentralen Server habe, könne die Playlist verändern. So könnten beispielsweise wichtige aktuelle Informationen wie Zugverspätungen auf dem Bildschirm abgespielt werden. Deshalb fehle in D8 eine zentrale Kontrolle über die Playlist durch die Werbeagentur. In D8 werde nicht an die Agentur zurückgemeldet, ob und zu welchem Zeitpunkt ein bestimmter Werbefilm abgespielt worden sei. Nur die Gesamt-Abspielzeit für die jeweilige Agentur werde aufgezeichnet. Deshalb sei mit dem System von D8 auch keine leistungsgerechte Abrechnung für Kinowerbung möglich.
Die Erfindung hingegen sei speziell für Kinowerbung ausgelegt. Sie beruhe darauf, dass eine Agentur die vollständige Verfügungsgewalt über die Playlist habe. Die Agentur könne so als zentrales Kontrollorgan das Einhalten gesetzlicher Bestimmungen sowie der Verträge mit dem Werbekunden für die Kinowerbung sicherstellen. Dritte hätten keinen Eingriff auf die Playlist. Kinowerbung sei ganz anderen Bestimmungen unterworfen als Werbung in öffentlichen Räumen wie z. B. Bahnhöfen. Auch die Abrechnung mit dem Werbekunden erfolge nach anderen Kriterien. Beispielsweise sei die genaue Uhrzeit der Ausstrahlung eines Werbefilms in einem Kino von zentraler Bedeutung, bei Werbung in einem Bahnhof aber nicht relevant und könne durch die Einblendung von aktuellen Informationen beeinflusst werden. Deshalb hätten Zeitangaben und die leistungsgerechte Abrechnung in D8 eine andere Bedeutung als im Streitpatent.
Die Hilfsanträge sollten ins Verfahren zugelassen werden, da sie als eine Reaktion auf den Ladungsbescheid der Kammer (2. Hilfsantrag), auf die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Meinung der Kammer betreffend die Neuheit (1. Hilfsantrag) oder auf das Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung (3. Hilfsantrag) anzusehen seien.
XV. Die Beschwerdegegnerinnen führten aus, warum es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, die Argumente der Einspruchsabteilung zur fehlenden Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber D8 zu widerlegen. Vorsorglich trugen sie in Erwiderung der Beschwerdebegründung unter anderem auch vor, dass D8 dem Verfahren nach Patentanspruch 1 des Patents auch die erfinderische Tätigkeit nehme.
Die Beschwerdegegnerinnen widersetzten sich der Zulassung der ihrer Auffassung nach verspätet eingereichten drei Hilfsanträge. Die Auswirkungen der Änderungen auf die Bedeutung des jeweiligen Patentanspruchs im Kontext ließen sich nicht kurzfristig erfassen. Außerdem sei die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 c) EPÜ falsch und müsste im Zusammenhang der Hilfsanträge neu erörtert werden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Die Einspruchsabteilung hat den Widerruf des Patents damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Patents nicht neu sei gegenüber Dokument D8. Daher ist primär die Anfechtung dieser Entscheidung (mangelnde Neuheit gegenüber D8) durch die Patentinhaberin Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.
2.2 Es ist unbestritten, dass D8 ein Verfahren zur zentralen Organisation der Vorstellung digitalisierter Werbefilmsequenzen offenbart und auch Filmtheater erwähnt. Strittig ist die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass D8 die Vorstellung digitalisierter Werbefilmsequenzen in Filmtheatern und somit ein gattungsgemäßes Verfahren offenbare.
2.2.1 D8 offenbart auf Seite 3, Zeilen 22 und 23 im Abschnitt "Description of the background art", dass die an Kinos gesandte Werbung während der Projektion eines Films statisch, also nicht kurzfristig veränderbar sei. Auf Seite 27, Zeilen 16 bis 18, offenbart D8, dass in einem Ausführungsbeispiel der Erfindung von D8 die an Kinos gesandte Werbung kurzfristig veränderbar sei. Zudem offenbart D8 auf Seite 7, letzte Zeile bis Seite 8, Zeile 5, dass das System von D8 an Orten verwendet werden könne, an denen große Teile der Öffentlichkeit bekannterweise Werbung anschauten, beispielsweise in Bahnhöfen, Flughäfen, Kinos etc., auch wenn die Ausführungsbeispiele sich auf U-Bahnhöfe bezögen.
2.2.2 Unter diesen Umständen ist für den Fachmann unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass D8 auch eine technische Lehre für die Vorstellung digitalisierter Werbefilmsequenzen in Filmtheatern offenbart. Diesbezüglich ist das Argument der Beschwerdeführerin, D8 sei insgesamt nicht auf Kinowerbung zugeschnitten, nicht entscheidend für die Frage der Neuheit. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass D8 ein Verfahren gemäß der Gattung des Patentanspruchs 1 des Patents offenbart.
2.3 Des Weiteren ist unbestritten, dass in D8 eine Playlist offenbart ist ("display list" oder "exposure list" genannt). Die Beschwerdeführerin bestreitet aber, dass es sich dabei um eine Playlist im Sinne des Patentanspruchs 1 des Patents handelt.
2.3.1 Zur Erstellung und Aktualisierung der Playlist
D8 offenbart auf Seite 4, Zeile 27 bis Seite 5, Zeile 14, dass ein Kontrollzentrum (12) die Playlist generiert und "in real time" aktualisiert. Die Aktualisierung erfolgt über Steueranweisungen in Buchungsinformationen von Werbeagenturen oder Werbekunden (beide unter dem Begriff "external information mediators" subsumiert, siehe Seite 9, Zeile 19 bis Seite 10, Zeile 16).
Das Argument der Beschwerdeführerin, das System von D8 sei wegen vielfältiger Eingriffsmöglichkeiten bei der Erstellung ein hochdynamisch-chaotisches System und deshalb nicht vergleichbar mit dem von ihr beanspruchten Gegenstand, überzeugt die Kammer nicht, denn die Aktualisierungs- und damit Eingriffsmöglichkeiten bei der Erstellung und Aktualisierung der Playlist nach D8 sind bestimmten Randbedingungen unterworfen. Beispielsweise macht D8 auf Seite 13, Zeilen 12 bis 19 deutlich, dass ein Server ("exposure handler") im Kontrollzentrum direkt Aufträge der Werbeagenturen bzw. -kunden in eine Playlist einsortieren kann. Das geschieht aber nur auftragsgemäß, wenn in der gewünschten Playlist (oder in einer von alternativen Playlisten) noch Platz verfügbar ist. Ausgebuchte Playlisten führen zu einer Verzögerung von Neuaufträgen (Seite 9, Zeilen 25 bis 28). Alternativ kann Bedienungspersonal im Kontrollzentrum die Aufträge in den Server geben (Seite 14, Zeile 24 bis Seite 15, Zeile 18). Unberechtigter Zugriff auf die abzuspielenden Filmsequenzen und Missbrauch des Systems wird durch spezielle Interfaces für diejenigen Werbeagenturen bzw. -kunden, die direkt auf den Server zugreifen können, oder durch das Bedienungspersonal im Kontrollzentrum verhindert (Seite 10, Zeilen 3 bis 16).
Somit wird in D8 die Playlist immer vom Kontrollzentrum erstellt und aktualisiert, das seinerseits vom Werbekunden oder der Werbeagentur beauftragt ist. Die Kammer kann diesbezüglich keinen technischen Unterschied zum beanspruchten Verfahren sehen, gleichgültig ob die digitalisierten Filmsequenzen in Kinos oder Bahnhöfen projiziert werden.
2.3.2 Zur Erstellung der Playlist durch eine Agentur
Das Argument der Beschwerdeführerin, dass in D8 die Agentur nicht die alleinige Kontrolle über die Playlist habe, überzeugt die Kammer nicht davon, dass die Playlist im Patentanspruch 1 des Patents sich technisch von der Playlist in D8 unterscheidet. Der Begriff "Agentur, die im direkten Kontakt zum Auftraggeber für die Werbung steht" im Patentanspruch 1 hat im Rahmen des Patentanspruchs 1 nur die technische Bedeutung des Erstellers der Playlist. Patentanspruch 1 enthält keine technischen Merkmale der Playlist, die eine alleinige Kontrollierbarkeit durch die Agentur (also den Ersteller der Playlist) implizieren. Er impliziert auch keine technischen Merkmale der Arbeitsweise der Agentur bei der Erstellung und Aktualisierung der Playlist und lässt auch offen, wie viele Agenturen eine jeweilige Playlist erstellen.
2.3.3 Zum Inhalt der Playlist
Auch der Inhalt der Playlist im Patentanspruch 1 unterscheidet sich nicht vom Inhalt der Playlist in D8. Denn der Inhalt "Spieldatum, Uhrzeit, Liste der Werbefilme mit Verweisen auf den tatsächlichen Speicherplatz der entsprechenden Daten" ist in D8, Seite 5, Zeilen 5 bis 10 und Seite 18, Zeilen 2 und 3 dadurch offenbart, dass die Playlist eine Reihe von Anweisungen darüber enthält, was gezeigt werden soll, wo es gezeigt werden soll, wann und wie lange es gezeigt werden soll. Der genannte Inhalt der Playlist kann somit in technischer Hinsicht auch keine unterschiedlichen Merkmale der Playlist implizieren.
Das Argument der Beschwerdeführerin, durch den Bezug auf Werbung in Filmtheatern habe die Angabe von Datum und Uhrzeit im Patentanspruch 1 des Patents eine engere Bedeutung als die Angabe in D8, wann etwas gezeigt werden soll, überzeugt die Kammer nicht. Denn in D8 ist die Angabe, wann etwas gezeigt werden soll, im Zusammenhang mit den weiteren Angaben zu sehen, was und wo und wie lange es gezeigt werden soll. Im Falle des in D8 angesprochenen Zeigens von Werbefilmen in einem Filmtheater hat die Angabe, wann ein Werbefilm gezeigt werden soll, die Bedeutung des Festlegens von Datum und Uhrzeit mit Bezug auf eine vorher festgelegte Referenz. Patentanspruch 1 enthält keine Merkmale, die eine bestimmte Auflösung der Uhrzeit in der Playlist oder einen Bezug auf den nach dem Werbefilm folgenden Hauptfilm festlegen.
2.3.4 Zur Struktur der Playlist
Die Angabe im Patentanspruch 1, dass in der Playlist "nach Art eines Spielplans die Abfolge der Werbefilme verzeichnet ist" (siehe auch Absatz [0010] der Patentschrift) gibt die übliche Bedeutung der Playlist an und impliziert keine weiteren technischen Merkmale.
2.3.5 Unter diesen Umständen ist die Kammer der Auffassung, dass die in D8 offenbarte Playlist eine Playlist im Sinne des Patentanpruchs 1 des Patents ist.
2.4 Unstrittig ist weiter, dass in D8 eine Rückmeldung von Abspieldaten erfolgt und dass das System von D8 so verwendbar ist, dass die Werbeagentur nur für die Zeit zu bezahlen braucht, während der die betreffende Information dargestellt wurde. Die Beschwerdeführerin bestreitet aber, dass D8 eine Rückmeldung im Sinne des Patentanpruchs 1 des Patents offenbart.
2.4.1 Im Merkmal nach dem letzten Spiegelstrich des Patentanspruchs 1 ist "die leistungsgerechte Abrechnung" für sich genommen wirtschaftlicher, nicht technischer, Art. In technischer Hinsicht erfordert dieses Merkmal die Rückmeldung bestimmter Daten für die Abrechnung, legt aber kein bestimmtes Format der übermittelten Daten fest. Deshalb ist die technische Bedeutung des Merkmals nach dem letzten Spiegelstrich die, dass Daten der projizierten Werbefilmsequenzen über eine Datenleitung so rückgemeldet werden, dass eine leistungsgerechte Abrechnung ermöglicht ist.
Die Beschwerdeführerin argumentiert diesbezüglich, dass in D8 nicht an die Agentur zurückgemeldet werde, ob und zu welchem Zeitpunkt ein bestimmter Werbefilm abgespielt worden sei. Nur die Gesamt-Abspielzeit für die jeweilige Agentur werde aufgezeichnet und zurückgemeldet.
Dieses Argument beruht auf der Annahme, dass die rückgemeldeten Daten der projizierten Werbefilmsequenzen im Kontext des Patentanspruchs 1 des Patents einen bestimmten Inhalt mit technischer Auswirkung auf das Verfahren hätten. Dieser bestimmte Inhalt ist aber dem Patentanspruch 1 aus den oben angeführten Gründen nicht zu entnehmen.
Deshalb überzeugt dieses Argument der Beschwerdeführerin, dass die Rückmeldung von Daten der projizierten Werbefilmsequenzen in D8 keine Rückmeldung im Sinne des Patentanspruchs 1 des Patents sei, die Kammer nicht.
2.5 Insgesamt überzeugen die Argumente der Beschwerdeführerin, dass die angefochtene Entscheidung, das Patent wegen mangelnder Neuheit des Verfahrens nach Patentanspruch 1 des Patents gegenüber D8 zu widerrufen, falsch sei, die Kammer nicht. Deshalb ist der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht neu nach Artikel 54 (1) EPÜ 1973 und der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 stand der Aufrechterhaltung des Patents entgegen. Somit ist der Hauptantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.
2.6 Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob die angefochtene Entscheidung auch bezüglich des Einspruchsgrundes nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 richtig ist.
3. Hilfsanträge
3.1 Nach Artikel 13 (1) VOBK steht es "im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung ... zuzulassen und zu berücksichtigen". Nach Artikel 13 (3) VOBK werden "Änderung des Vorbringens ... nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist." Im vorliegenden Fall wurden alle Hilfsanträge nach der Anberaumung der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht. Deshalb handelt es sich bei den Hilfsanträgen um Änderungen des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Sinne des Artikels 13 (1) VOBK. Also steht es im Ermessen der Kammer, die Hilfsanträge zuzulassen und zu berücksichtigen, wobei der Ermessensspielraum der Kammer allerdings beschränkt ist nach Maßgabe des Artikels 13 (3) VOBK.
3.2 Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung haben die Beschwerdegegnerinnen unter anderem mit dem Einwand mangelnder Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber D8 den Widerruf des Patents zu erreichen versucht. Die Reaktion der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren war, das Patent in der erteilten Fassung zu verteidigen.
Die Beschwerdeführerin hat auch in der Beschwerdebegründung das Patent nur in der erteilten Fassung verteidigt. Die Kammer hat in der Mitteilung mit Datum vom 26. Juli 2012 nur auf diejenigen Punkte im Vorbringen der Parteien hingewiesen, auf die sich die Diskussion in der mündlichen Verhandlung konzentrieren sollte, nämlich auf die Frage der Neuheit und gegebenenfalls erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach dem erteilten Patentanspruch 1 gegenüber D8. Die Kammer hat keine neuen Einwände von Amts wegen erhoben. In dieser Situation hat die Beschwerdeführerin erstmals einen Hilfsantrag (nunmehr Hilfsantrag 2) mit Schreiben vom 22. Oktober 2012 eingereicht. Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer konzentrierte sich die Diskussion auf den Einwand mangelnder Neuheit des im erteilten Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahrens gegenüber D8, ohne dass neue Gesichtspunkte hinzugekommen wären, und in dieser Situation hat die Beschwerdeführerin zwei weitere Hilfsanträge gestellt.
3.3 Da seit dem Einlegen der Einsprüche der Einwand der mangelnden Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber D8 im Raum stand, hätten Hilfsanträge, die diesem Einwand Rechnung tragen, während des Einspruchsverfahrens oder spätestens mit der Beschwerdebegründung eingereicht werden können. Zudem lässt sich aus der angefochtenen Entscheidung entnehmen, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ nicht zum Widerruf des Patents geführt hätte. Somit war zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung der einzige entscheidende Widerrufsgrund identifiziert.
3.4 Im vorliegenden Fall würde eine Berücksichtigung der Hilfsanträge insofern zu einer Komplizierung des Verfahrens führen, dass die zusätzlich aufgenommenen Merkmale auch nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin (nur) aus der Beschreibung stammen. Schon vor und insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer war zwischen den Parteien strittig, ob die (insbesondere im Patentanspruch 1 nach dem 1. Hilfsantrag) eingefügten Merkmale aus dem Zusammenhang der ursprünglichen Offenbarung gerissen wurden. Ein Zulassen der Hilfsanträge hätte aber nicht nur für die Hilfsanträge insgesamt zu Diskussionen bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ geführt. Vielmehr war in der mündlichen Verhandlung vorhersehbar, dass ein Zulassen dieser Anträge auch zu Diskussionen über die technische Bedeutung dieser Merkmale im Kontext des jeweiligen Patentanspruchs und zu Diskussionen über die Notwendigkeit längerer Analysen der Hilfsanträge durch die Beschwerdegegnerinnen, eventuell auch einer weiteren Recherche, führen würde. Zudem bilden die Patentansprüche 1 des 2. und 3. Hilfsantrags nebengeordnete Alternativen, die sich jeweils durch unterschiedliche Änderungen des Patentanspruchs 1 nach dem 1. Hilfsantrag ergeben, (wobei Patentanspruch 1 nach dem 2. Hilfsantrag breiter ist als Patentanspruch 1 nach dem 1. Hilfsantrag), so dass die Hilfsanträge insgesamt in der mündlichen Verhandlung keine verfahrensökonomische Fokussierung der Diskussion auf die Frage ermöglicht hätten, wie die geänderten Patentansprüche die Neuheit gegenüber D8 herstellen und damit der angefochtenen Entscheidung die Grundlage entziehen sollten. Diese vorgenannten Gesichtspunkte hätten auch bei einer möglichen Diskussion zu dem in der angefochtenen Entscheidung nicht diskutierten Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden müssen und folglich die Diskussion dazu noch weiter verkompliziert.
3.5 Das Argument der Beschwerdeführerin, die Hilfsanträge seien als Reaktionen auf Äußerungen der Kammer im Ladungsbescheid sowie der Beschwerdegegnerinnen in das Verfahren zuzulassen, ändert diese Einschätzung nicht. Denn dieses Argument beschäftigt sich nur mit dem Anlass für die Einreichung der Hilfsanträge, nicht jedoch mit dem in der mündlichen Verhandlung zu diskutierenden Inhalt der geänderten Patentansprüche und der Frage, warum eine Behandlung dieser Anträge der Kammer und den Parteien ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung zuzumuten ist.
3.6 Unter diesen Umständen hat die Kammer unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK entschieden, die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht zum Verfahren zuzulassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.