T 1948/11 21-07-2015
Download und weitere Informationen:
Verfahren zur Herstellung eines wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterials sowie ein durch das Verfahren hergestelltes Aufzeichnungsmaterial
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 21. Juni 2011 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt worden ist, dass das europäische Patent Nr. 1 755 901 B auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem Hilfsantrag den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens genüge.
Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und mit einem Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit, sowie einer unzureichenden Offenbarung der Erfindung begründet worden (Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) und b) EPÜ 1973).
II. Am 21. Juli 2015 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
III. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 755 901 zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Im Beschwerdeverfahren wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
E3: Dähling et al.: "Heutiger Stand der Glätt-Technik für gestrichenes Paper und gestrichenen Karton", Das Papier 2002, ipw 11/2002, Seiten 37 bis 40
E13: Svenka: "Glättung von Papier und Karton - heutiger Stand der Technik", Wochenblatt für Papierfabrikation, 130. Jahrgang, Nr. 23/24, Mitte Dezember 2002, Seiten 1590 bis 1593
E15: Rixen/Kurth: "OptiFeed - Praxisbeispiel KANZAN", Wochenblatt für Papierfabrikation, 131. Jahrgang, Nr. 11-12, Mitte Juni 2003, Seiten 752 bis 757
E18: Schmidt: "Die Streichmaschine SM3 für Mitsubishi HiTec Paper Bielefeld", twogether - Magazin für Papiertechnik-, Nr. 13, 2002, Seiten 31 bis 34
E22: pUS-A-5 068 133
V. Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung eines wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterials, welches ein Trägersubstrat, sowie eine einen Farbbildner und einen Farbentwickler enthaltende Thermoreaktionsschicht aufweist, insbesondere zur Herstellung eines Thermopapiers, wobei bei dem Verfahren auf das Trägersubstrat eine die Ausgangsmaterialien der Thermoreaktionsschicht enthaltende Auftragssuspension aufgebracht wird, das Trägersubstrat mit aufgebrachter Auftragssuspension getrocknet und zum Glätten durch ein Schuhglättwerk geführt wird, in welchem das getrocknete Trägersubstrat mit aufgebrachter Thermoreaktionsschicht mit vorgegebenem Anpressdruck großflächig gegen eine mitgeführte Walze gedrückt wird und das getrocknete Trägersubstrat mit aufgebrachter Thermoreaktionsschicht vor dem Glätten im Schuhglättwerk auf seiner der Thermoreaktionsschicht abgewandten Rückseite befeuchtet und das befeuchtete Trägersubstrat mit aufgebrachter Thermoreaktionsschicht vor dem Glätten im Schuhglättwerk nochmals getrocknet wird, wobei die Fördergeschwindigkeit des Trägersubstrates durch das Schuhglättwerk, der Anpressdruck, mit dem das Trägersubstrat mit aufgebrachter Thermoreaktionsschicht gegen die Walze gedrückt wird, sowie die wirksame Anpressfläche, mit der das Trägersubstrat beim Glätten gegen die Walze gedrückt wird, so gewählt sind, dass sich die Thermoreaktionsschicht auf dem Trägersubstrat beim Durchlaufen des Schuhglättwerkes nur so stark erwärmt, dass noch keine sichtbare Verfärbungsreaktion der Thermoreaktionsschicht auftritt, wobei die maximal zulässige Temperatur, bei der noch keine sichtbare Verfärbungsreaktion der Thermoreaktionsschicht auftritt, in einem Bereich von 60 bis 70°C liegt."
VI. Der Vortrag der Beschwerdeführerin lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin zur erfinderischen Tätigkeit ziele darauf ab, dass die im Stand der Technik genannte Walzentemperatur und die damit angeblich einhergehenden Probleme den Fachmann davon abhielten, Schuhglättwerke für Thermopapiere einzusetzen. Die Walzentemperatur sei also auch nach Auffassung der Beschwerdegegnerin ein erfindungswesentlicher Parameter. Der Fachmann könne zwar davon ausgehen, dass der Walzentemperatur gewisse Grenzen gesetzt seien, erhalte aus dem Streitpatent aber keinen Hinweis, wo diese lägen. Der in dieser Hinsicht bedeutsame Faktor des Wärmeübergangs von der (warmen) Walze auf das Thermopapier werde dort ebenfalls nicht angesprochen, wobei die maximal zulässige Walzentemperatur und der Wärmeübergang keine festen Werte hätten, sondern von weiteren Parametern, wie der Fördergeschwindigkeit, dem Anpressdruck und der wirksamen Anpressfläche abhingen. Da auf all dies aber im Streitpatent gar nicht eingegangen werde, sei die Offenbarung der Erfindung in dieser Hinsicht jedenfalls unvollständig. Hinzu komme, dass nicht belegt sei, dass mit den Merkmalen von Anspruch 1 die in Absatz [0013] des Streitpatents gestellte Aufgabe, den Mottling-Effekt zu verringern, tatsächlich gelöst werde. Auch die Absätze [0045] und [0057] beschänkten sich diesbezüglich auf Behauptungen, ohne jedoch eine Begründung oder einen Beleg aufzuzeigen. Schließlich sei im Streitpatent kein Zusammenhang zwischen Glätte, Vorreaktion, Homogenität der Verdichtung und Mottling erwähnt, behauptet oder belegt. Insbesondere sage die dortige Tabelle in Absatz [0045] nichts aus über die Homogenität der Oberflächenverdichtung, die die Beschwerdegegnerin als wesentlich für das Auftreten einer Vorreaktion oder eines Mottlings ansehe. Beides werde nicht nur von der Homogenität der Verdichtung beeinflusst, sondern hänge ab vom Zusammenspiel vieler Betriebsparameter: Für das Auftreten einer Vorreaktion seien beispielsweise die Temperatur, der die Thermoreaktionsschicht während der Glättung ausgesetzt sei, die Dauer der Einwirkung der Temperatur auf die Thermoreaktionsschicht während des Glättens, sowie die Qualität und Verarbeitung der verwendeten Ausgangsmaterialien von Bedeutung. So könne unabhängig von der Homogenität der Verdichtung ein steigender Druck oder eine längere Verweildauer die Vorreaktion auslösen. Zudem sei nicht klar, ob für die in der Tabelle dargestellten Versuche die gleichen wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterialien verwendet worden seien. Mangels all dieser Informationen seien die in der Tabelle des Streitpatents angegebenen Ergebnisse nicht nacharbeitbar.
Der vorliegende Anspruch 1 erfülle nicht die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ, insbesondere im Hinblick auf das im Vergleich zur erteilten Fassung hinzugefügte Merkmal, dass "die maximal zulässige Temperatur, bei der noch keine sichtbare Verfärbungsreaktion der Thermoreaktionsschicht auftritt, in einem Bereich von 60 bis 70°C liegt". In der ursprünglichen Fassung der Anmeldung auf Seite 5, Zeile 31 sei offenbart, das dieser Wertebereich herkömmliche wärmeempfindliche Aufzeichnungsmaterialien betreffe, was aus dem eingefügten Anspruchsmerkmal aber nicht hervorgehe. Zudem sei für einen Fachmann in der ursprünglichen Offenbarung implizit, dass das Merkmal der maximal zulässigen Temperatur der Thermoreaktionsschicht in Zusammenhang mit der Walzentemperatur zu sehen sei, auch wenn letztere nicht explizit genannt werde. In den Anspruch 1 sei aber nur die maximal zulässige Temperatur der Thermoreaktionsschicht aufgenommen worden, was einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung gleichkomme.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei von Dokument E15 als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen, von dem sich das beanspruchte Verfahren im Wesentlichen dadurch unterscheide, dass ein Schuhglättwerk eingesetzt werde. Da die im Streitpatent behauptete technische Wirkung des verminderten Mottling-Effekts nicht belegt sei, bestehe die technische Aufgabe darin, eine Alternative zu den bisher in der Herstellung von wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterialien eingesetzten Glättwerken zu wählen. Die im angegriffenen Anspruch genannten Thermopapiere fielen unter den Oberbegriff von Papier, weshalb der Fachmann weitere, auf das Glätten von Papier abzielende Dokumente heranziehen würde. Auch die Druckschrift E3 diene als Beleg für die Kombinierbarkeit von Dokument E15 mit weiteren Entgegenhaltungen, die allgemein die Herstellung von Papier beträfen. So zeige das Dokument E3, dass bei der Herstellung von Papier grundsätzlich auch thermische Empfindlichkeiten zu berücksichtigen seien (vgl. E3, Seite 39, mittlere Spalte, letzter Absatz). Damit würde der Fachmann das Dokument E13, das die Möglichkeiten der Glättung von Papier und Karton (vg. Titel, Zusammenfassung und Seite 1590, rechte Spalte) beschreibe, bei der Suche nach einer Lösung berücksichtigen. Dort werde der Einsatz eines Schuhkalander erörtert und in diesem Zusammenhang sei neben dem variablen Anpressdruck auch die Walzentemperatur bis zu 270° erwähnt, wodurch alle niedrigeren Walzentemperaturen mitoffenbart seien. Der in Abbildung 14 genannte Bereich von 130 und 250°C (vgl. E13, Abb. 14 auf Seite 1593) gelte speziell für die Glättung von Karton und werde von einem Fachmann deshalb für die Glättung von Papier nicht in Betracht gezogen. Vielmehr sei für ihn selbstverständlich, dass er, vor die Aufgabe gestellt, ein herkömmliches Thermopapier zu glätten, von dem allgemein bekannt sei, das es nicht über 60 bis 70°C erwärmt werden dürfe, die Walzentemperatur dementsprechend einstellen würde. Im Übrigen sei festzuhalten, dass die Walzentemperatur gar kein Merkmal des Anspruchs sei, weshalb die Erwähnung einer für die Glättung von Karton geeigneten, hohen Walzentemperatur im Dokument E13 für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des vorliegenden Anspruchs keine Rolle spielen könne. Zudem besage die Walzentemperatur nichts über die Temperatur des Papiers. Insofern würde der genannte Temperaturbereich einen Fachmann nicht von einer Kombination der Dokumente E15 und E13 abhalten.
In der Druckschrift E3 sei erwähnt, dass der Einsatz von Schuhkalandern und die Wahl der zugehörigen Betriebsparameter (vgl. E3, Seite 38 oben) gerade zur Glättung von Papier hohes Potential für Weiterentwicklungen böten. Der Fachmann werde also angeregt zu untersuchen, unter welchen Betriebsbedingungen Schuhglättwerke auch in anderen als den beispielhaft in Dokument E3 angegebenen Anwendungsfällen, hier in der Thermopapierglättung, eingesetzt werden könnten (vgl. E3, Seite 40, rechte Spalte, letzter Absatz). Folglich sei das Verfahren nach Anspruch 1 auch gegenüber einer Kombination der Dokumente E15 und E3 nicht erfinderisch.
Schließlich könne man die Dokumente E22 oder E18 als Ausgangspunkte wählen, wobei sich dann der Anspruchsgegenstand von diesem Stand der Technik zusätzlich zum Einsatz des Schuhkalander auch noch im Befeuchten der Rückseite des Trägersubstrats vor dem Glätten unterscheiden würde. Diese beiden Unterscheidungsmerkmale stünden aber in keinem Zusammenhang, weshalb sie bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit getrennt zu betrachten seien. Die Verwendung eines Schuhkalander beruhe, wie oben dargelegt, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Befeuchten der Rückseite des Trägersubstrats vor dem Glätten diene dazu, homogene Eigenschaften zu erreichen und ein Curling zu verhindern, was jedoch bereits im Dokument E15 offenbart sei (vgl. E15, Seite 752, linke Spalte, letzter Absatz). Folglich sei auch das zweite Unterscheidungsmerkmal naheliegend. Anspruch 1 beruhe somit im Hinblick auf eine Kombination der Dokumente E22 oder E18 mit E15 (und E13) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
VII. Die Beschwerdegegnerin hält dem entgegen, dass der Fachmann die für die Ausführung der Erfindung erforderlichen Informationen beispielsweise dem Absatz [0045] der Patentschrift entnehmen könne. Danach werde der Anpressdruck durch das Schuhglättwerk verringert und die Verweilzeit des Aufzeichnungsmaterials im Glättspalt des Schuhglättwerks erhöht. Die Erhöhung der Verweilzeit gehe einher mit der Geschwindigkeit, mit der das Aufzeichnungsmaterial durch das Schuhglättwerk geführt werde, sowie mit der Nip-Breite, die beim Schuhglättwerk besonders groß sei. Hierfür geeignete Werte seien beispielsweise in den Ansprüchen 4, 5 und 6 der erteilten Fassung des Streitpatents konkret angegeben. Die Abstimmung dieser Parameter erfolge nach der Maßgabe, dass die im Anspruch 1 der aufrechterhaltenen Fassung angegebene maximal zulässige Temperatur der Thermoreaktionsschicht in einem Bereich von 60 bis 70°C liege. Zusammen mit den konkret angegebenen Werten für die Parameter Fördergeschwindigkeit, Streckenlast und Nip-Breite könne der Fachmann ohne Weiteres die Walzentemperatur bestimmen, weshalb die die Erfindung in ausführbarer Weise offenbart sei. Zu dem von der Beschwerdeführerin in Zweifel gezogenen Zusammenhang von Glätte, Vorreaktion und Mottling sei festzuhalten, dass der Mottling-Effekt aus einer ungleichmäßigen Verdichtung der Papieroberfläche beim Glätten resultiere. Dadurch komme es lokal zu einer erhöhten Wärmeentwicklung. Diese inhomogene Verdichtung könne, wenn sie entsprechend stark sei, eine Vorreaktion der thermosensitiven Schicht auslösen. Die Vorreaktion sei also ein Gradmesser für die Stärke des Mottling-Effekts. Der Grund, warum die Stärke des Mottling-Effektes indirekt über die Stärke der Vorreaktion in der Tabelle in Absatz [0045] der Patentschrift dargestellt werde, liege darin, dass der Mottling-Effekt in der Praxis nur mit dem Auge erkannt und beurteilt werden könne. Die Beschwerdegegnerin lege als Beleg die entsprechenden Musterstreifen der ursprünglichen Thermopapiere vor, die bei den unter vergleichbaren Bedingungen durchgeführten Versuchen nach der genannten Tabelle erhalten worden seien. Sie merkt in diesem Zusammenhang an, dass die Beschwerdeführerin ihre Behauptungen nicht durch Vergleichsversuche nachgewiesen habe. Die Beanstandung der Offenbarung der Erfindung im Streitpatent sei folglich nicht überzeugend.
Der Einwand der unzulässigen Erweiterung sei ein neuer Einspruchsgrund, der erst in der mündlichen Verhandlung substantiiert worden sei. Er sei deshalb nicht zuzulassen und werde von der Beschwerdegegnerin auch nicht weiter kommentiert.
Für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit sei davon auszugehen, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 vom Stand der Technik im Wesentlichem in dem Merkmal des Schuhglättwerks unterscheide. Die technische Wirkung dieses Merkmals zur Reduzierung des Mottling-Effekts sei belegt. Die grundlegende Lehre des Dokuments E13, das in seiner Gesamtheit zu würdigen sei, ziele darauf ab, dass der Glätterfolg mit dem Energieeintrag zunehme, wobei letzterer im Wesentlichen mittels Wärmezufuhr über die Walzen und Druckspannung im Nip erfolge (vgl. E13, Seite 1590, rechte Spalte). Für eine volumenschonende Glättung, beispielsweise von Karton, sei, wie in dem Dokument E13 vorgeschlagen, ein Schuhkalander geeignet, weil die geringere Druckspannung im Nip ein Charakteristikum dieses Kalanders sei. Der niedrigere Energieeintrag über die Druckspannung werde kompensiert über einen höheren Wärmeenergieeintrag über die Walzen. Dies sei ersichtlich aus dem Vergleich der Betriebsparameter für verschiedene Glättungsverfahren in der Tabelle 14, die für Schuhkalander eine Walzentemperatur von größer 130°C zeige (vgl. E13, Seite 1593, rechte Spalte). Die Glättung wärmeempfindlicher Thermopapiere werde im Dokument E13 nicht behandelt. Anders als von der Beschwerdeführerin behauptet, belegten die von der Beschwerdegegnerin durchgeführten Versuche, dass auch bei unterschiedlichen Anpressdrücken ein mit einer Walzentemperatur von 130°C betriebener Schuhkalander jedenfalls nicht für die Herstellung von Thermopapier geeignet sei. Entgegen der allgemeinen Lehre, wie sie insbesondere im Dokument E13 dargestellt werde, sei es der Kerngedanke der vorliegenden Erfindung, Schuhkalander für die Glättung von wärmeempfindlichem Papier und damit bei niedrigerer Temperatur einzusetzen. Diesen Ansatz könne das Dokument E13 nicht nahelegen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin beruhe folglich auf einer rückschauenden Betrachtung. Dem Gegenstand von Anspruch 1 sei eine erfinderische Tätigkeit zuzusprechen.
1. Ausführbarkeit des Anspruchsgegenstands
1.1 Bei der Beurteilung, ob eine Erfindung für ihre Ausführung ausreichend offenbart ist, ist nach gefestigter Rechtsprechung insbesondere darauf abzustellen, ob das Streitpatent als Ganzes die Erfindung, wie sie in den Ansprüchen definiert ist, so deutlich und vollständig offenbart, dass sie ein Fachmann des betreffenden technischen Gebiets, hier dem der Papierherstellung, ohne unzumutbaren Aufwand nacharbeiten kann. Die Beweislast dafür, dass eine Erfindung unzureichend offenbart ist, trägt im Allgemeinen der Einsprechende (vgl. auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, Kapitel II.C).
1.2 Die vorliegende Beschreibung der streitpatentgemäßen Lösung geht in den Absätzen [0019] und [0020] zunächst grundsätzlich auf die für die Umsetzung der Erfindung relevanten Parameter Fördergeschwindigkeit, Anpressdruck und wirksame Anpressfläche, sowie ihre Auswirkungen auf die Erwärmung der Thermoreaktionsschicht ein. In den folgenden Absätzen [0021] bis [0024] werden dem fachkundigen Leser für die genannten Parameter konkrete Wertebereiche für die Fördergeschwindigkeit, die Streckenlast, die Nip-Breite und den Feuchtegehalt des Trägersubstrats beim Glätten vorgeschlagen. Ergänzend wird in den Absätzen [0038] bis [0043] anhand eines Beispiels ein Weg zur Ausführung der Erfindung unter Angabe des eingesetzten Schuhglättwerks und der gewählten Verfahrensparameter veranschaulicht. Die damit erzielten Ergebnisse werden schließlich in den Absätzen [0045] ff diskutiert und mit jenen herkömmlicher Herstellungsverfahren verglichen. Insofern ist die beanspruchte Erfindung in der Beschreibung des Streitpatents deutlich und vollständig offenbart.
1.3 Dem steht auch nicht im Wege, dass dort die Walzentemperatur des Glättwerks nicht genannt wird. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der streitige Patentanspruch 1 konkret darauf abstellt, dass
"die Fördergeschwindigkeit des Trägersubstrates durch das Schuhglättwerk, der Anpressdruck, mit dem das Trägersubstrat mit aufgebrachter Thermoreaktionsschicht gegen die Walze gedrückt wird, sowie die wirksame Anpressfläche, mit der das Trägersubstrat beim Glätten gegen die Walze gedrückt wird, so gewählt sind, dass sich die Thermoreaktionsschicht auf dem Trägersubstrat beim Durchlaufen des Schuhglättwerkes nur so stark erwärmt, dass noch keine sichtbare Verfärbungsreaktion der Thermoreaktionsschicht auftritt, wobei die maximal zulässige Temperatur, bei der noch keine sichtbare Verfärbungsreaktion der Thermoreaktionsschicht auftritt, in einem Bereich von 60 bis 70°C liegt."
Das beanspruchte Verfahren definiert also mit der Fördergeschwindigkeit, dem Anpressdruck und der wirksamen Anpressfläche drei Parameter, mittels derer die Temperatur der Thermoreaktionsschicht beim Durchlaufen des Schuhglättwerkes auf maximal 60 bis 70°C eingestellt wird. Für sämtliche der anspruchsgemäßen Parameter gibt die Beschreibung, wie oben dargelegt, nicht nur geeignete Wertebereiche an, sondern nennt im Ausführungsbeispiel auch jeweils einen konkreten Wert. Vor diesem Hintergrund und auf Grundlage seines allgemeinen Fachwissens ist davon auszugehen, dass ein Fachmann auf dem Gebiet der Papierherstellung in der Lage ist, das Verfahren wie beansprucht ohne erfinderisches Zutun auszuführen. Für den von der Beschwerdeführerin behaupteten Einfluss der nicht im Anspruch erwähnten Walzentemperatur, ihre Wechselwirkung mit den anspruchsgemäßen Parametern und daraus erwachsenden mutmaßlichen Hindernissen für die Umsetzung der Erfindung liegt der Kammer keine experimentelle Untermauerung vor.
An der Ausführbarkeit des im Anspruch definierten Verfahrens ändert auch der abstrakte Einwand der Beschwerdeführerin nichts, dass ihrer Ansicht nach weder belegt sei, dass mit dem beanspruchten Verfahren der Mottling-Effekt tatsächlich reduziert werde, noch dass zwischen Glätte, Vorreaktion, Homogenität der Verdichtung und Mottling ein Zusammenhang bestehe.
Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass das Streitpatent das Erfordernis einer für einen Fachmann deutlichen und vollständigen Offenbarung der beanspruchten Erfindung erfüllt, Artikel 100 b) EPÜ 1973.
2. Offenbarung der Änderungen in den ursprünglichen Unterlagen
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt, dass das im Vergleich zur erteilten Fassung hinzugefügte Merkmal, dass "die maximal zulässige Temperatur, bei der noch keine sichtbare Verfärbungsreaktion der Thermoreaktionsschicht auftritt, in einem Bereich von 60 bis 70°C liegt", in zweifacher Hinsicht über seine ursprüngliche Offenbarung hinausgehe.
Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände betreffen folglich nicht die erteilte Fassung des Streitpatents, sondern ein Merkmal, das dem Anspruch erst im Einspruchsverfahren hinzugefügt worden ist. Diese Änderung ist also nicht im Hinblick auf den im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemachten Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 zu beurteilen, der nur mit Zustimmung der Patentinhaberin ins Beschwerdeverfahren eingeführt werden dürfte. Vielmehr ist vorliegend Artikel 123 (2) EPÜ heranzuziehen, dessen Anwendung nicht von der Zustimmung des Patentinhaberin abhängt (vgl. G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, Entscheidungsgründe 18 und 19). Des Weiteren ist zu beachten, dass bereits die Einspruchsabteilung die streitige Änderung auf die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ hin geprüft (vgl. angefochtene Entscheidung, Entscheidungsgründe 4.1) und die Beschwerdeführerin diesen Aspekt in ihrer Beschwerdebegründung wieder thematisiert hat. Insofern handelt es sich nicht um ein neues Vorbringen, dessen Nicht-Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren den Artikeln 12 (4) und 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) folgend im Ermessen der Kammer läge.
2.2 In der Sache ist festzustellen, dass das Weglassen der in der ursprünglichen Beschreibung verwendeten Bezeichnung des wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterials als "herkömmlich" im Anspruch keinen Einfluss auf das technische Verständnis des Anspruchsgegenstandes durch einen Fachmann hat. Somit liegt in dieser Hinsicht keine unzulässige Erweiterung vor.
Auch dem zweiten Einwand, dass das Fehlen eines impliziten Teilmerkmals aus der Beschreibung im geänderten Anspruch einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung gleichkomme, kann die Kammer nicht zustimmen: Falls das ursprüngliche, explizite Merkmal, wonach bei einem wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterial in einem Bereich von 60 bis 70°C noch keine sichtbare Verfärbungsreaktion auftritt, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, eine implizite Aussage über die Walzentemperatur beinhaltet, dann ist diese Einschränkung implizit ebenso Teil des geänderten Anspruchs, in den das explizite Merkmal als Ganzes aufgenommen worden ist. Eine unzulässige Erweiterung ist diesbezüglich also nicht ersichtlich.
Die Kammer kommt zum Schluss, dass der vorliegende Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllt.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Beide Parteien gehen zunächst davon aus, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 vom vorliegenden Stand der Technik, insbesondere vom Dokument E15 (oder den Dokumenten E18 bzw. E22), im Wesentlichen darin unterscheidet, dass das Glätten des Trägersubstrats mit der aufgebrachten thermosensitiven Schicht in einem Schuhglättwerk erfolgt.
Auch wenn die Parteien die damit zu erreichende technische Wirkung unterschiedlich bewerten und folglich zu verschiedenen Formulierungen der technischen Aufgabenstellung kommen, verweisen beide Seiten hinsichtlich der beanspruchten Lösung übereinstimmend auf das Dokument E13, das verschiedene Ausgestaltungen von Glättwerken, unter anderem auch als Schuhkalander, diskutiert. Die Beschwerdeführerin sieht damit den Anspruchsgegenstand als nahegelegt an, während ein Fachmann nach Auffassung der Beschwerdegegnerin durch das Dokument E13 aufgrund der dort genannten Einsatztemperaturen von der im Anspruch 1 vorgeschlagenen Lösung eher weggeführt wird.
3.2 Folglich hängt die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit entscheidend vom Offenbarungsgehalt des Dokuments E13 ab, das nach der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern in seiner Gesamtheit zu würdigen ist (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, Kapitel I.C.3.1.).
Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass in der Zusammenfassung am Beginn des Dokuments E13 auf die Verwendung von Schuhkalandern mit hohen Walzentemperaturen für die Glättung von Karton hingewiesen wird. Auf Seite 1593 wird dann näher auf die Glättung mittels Schuhkalander eingegangen. Dabei wird der Einsatz von Schuhkalandern für das Glätten von Karton als bekannt dargestellt (E13, Seite 1593, ab der Mitte der linken Spalte), wobei unter anderem aufgrund der hohen Walzentemperatur (bis zu 270°C nach Abbildung 12) ein geringes Mottling gewährleistet sei. Wegen der hohen Walzentemperatur sei zum Schutz des Belts auch beim Schuhkalander die Fahrweise mit überbreiter Bahn erforderlich (E13, Seite 1593, Beginn der rechten Spalte). Schließlich sind in Abbildung 14 die Betriebsparameter der unterschiedlichen Glättungsverfahren angegeben, wobei für Schuhkalander eine Walzentemperatur von 130 bis 250°C genannt ist.
3.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Verwendung von Schuhkalandern im Dokument E13 nicht in Verbindung mit wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterialien offenbart ist. Nach gängiger Praxis kann der Verweis auf Papier und Karton im Allgemeinen das spezifische Merkmal eines Trägermaterials mit aufgebrachter Thermoreaktionsschicht nicht vorwegnehmen. Im Übrigen wird im Dokument E13 durchgängig eine hohe Walzentemperatur von 130 bis 270°C als ein Charakteristikum des Einsatzes von Schuhkalandern genannt. Schon aus diesen Gründen kann die Lehre dieses Dokuments die Auswahl eines Schuhkalanders für die Glättung von herkömmlichen wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterialien, deren maximal zulässige Temperatur anspruchsgemäß bei 60 bis 70°C liegt, auch unter Zugrundelegung der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen breiten Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe, nicht nahelegen. Der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, dass die im Dokument E13 genannten Walzentemperaturen einen Fachmann nicht von einer Kombination der Dokumente E15 (oder E18 bzw. E22) mit dem Dokument E13 abhalten würden, da er nötigenfalls die Walzentemperatur entsprechend niedriger wählen würde, kann die Kammer nicht beitreten, da das Dokument E13 dem Fachmann keine Anregung für dahingehende Überlegungen bietet. Unter den genannten Umständen beruht das Vorbringen der Beschwerdeführerin auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung.
3.4 Dem weiteren Hinweis der Beschwerdeführerin, dass die Walzentemperatur, die im Streitpatent nicht erwähnt werde und damit nach Auffassung selbst der Patentinhaberin für die Erfindung offenbar nicht wesentlich sei, nicht die erfinderische Tätigkeit begründen könne, hält die Kammer entgegen, dass das entscheidungsrelevante Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 im Vergleich zum nächstkommenden Stand der Technik, insbesondere in Form des Dokuments E15, wie oben dargelegt, das Glätten des Trägersubstrats mit der aufgebrachten thermosensitiven Schicht in einem Schuhglättwerk betrifft. Bei der darauf aufbauenden Frage, ob es für einen Fachmann, ausgehend von diesem nächstkommenden Stand der Technik, naheliegend wäre, im Lichte des Dokuments E13 für das Glätten des Trägersubstrats mit der aufgebrachten thermosensitiven Schicht ein Schuhglättwerk einzusetzen oder nicht, kann die Walzentemperatur als integraler Bestandteil des Offenbarungsgehalts des Dokuments E13 nicht außer Acht bleiben. Auf dieser Grundlage kommt der in diesem Stand der Technik hervorgehobenen Walzentemperatur für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchsgegenstands berechtigterweise eine Bedeutung zu, auch wenn dieses Merkmal selbst nicht Teil des streitigen Anspruchs ist.
3.5 Die Schlussfolgerung einer rückschauenden Betrachtung trifft auch auf eine mögliche Zusammenschau der Dokumente E15 und E3 zu. Letzteres nennt unter anderem den Schuhkalander als mögliche Ausgestaltung eines Kalanders zum Glätten von Papier (E3, Seite 38 oben). Für das Glättergebnis relevante Parameter von Kalandern seien die Temperatur, die Verweilzeit und Druckspannung im Nip, die Oberflächen- und Deformationseigenschaften der Walzen und ihrer Bezüge, wobei der Glätterfolg mit wachsender Druckspannung und Temperatur steige und mit höherer Geschwindigkeit falle. Mit einer Thermoreaktionsschicht versehene Trägersubstrate werden im Dokument E3 nicht genannt. Auch die von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Erwähnung der thermischen Empfindlichkeit des Rohpapiers steht nicht im Kontext einer thermoreaktiven Beschichtung, sondern geschieht im Rahmen der Diskussion der Auswirkung der Feuchte des Papiers beim Glättvorgang. Somit kann eine Kombination der Dokumente E15 und E3 das streitgegenständliche Verfahren ebenfalls nicht nahelegen.
Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ 1973.
3.6 Die Kammer kommt damit zu einem anderen Schluss als das deutsche Bundespatentgericht, das es in der ähnlich gelagerten Beschwerdesache 14 W (pat) 28/07 ausgehend von Dokument E15 unter Hinweis auf das Dokument E13 als naheliegend angesehen hat, zur Vermeidung von Mottling auf ein Schuhglättwerk zurückzugreifen. Insbesondere verweist der Senat in seinem Beschluss ab Seite 11 darauf, dass in der Entgegenhaltung E13 keine Temperaturuntergrenze, sondern lediglich eine Temperaturobergrenze von 270°C genannt sei (vgl. E13, Abbildung 12), weshalb eine niedrigere Betriebstemperatur nicht ausgeschlossen sei. Der Fachmann werde jedenfalls nicht davon abgehalten, die Temperatur des Schuhkalanders beim Glättvorgangs an die Anforderungen eines Spezialpapiers, hier eines wärmeempfindlichen Aufzeichnungsmaterials, anzupassen.
Aus den oben genannten Gründen kommt die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts auf der Grundlage des Parteivortrags im vorliegenden Fall bei der Würdigung des Dokuments E13, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Abbildung 14, zu einer anderen Beurteilung der Lehre des Dokuments E13 an den Fachmann, im Lichte derer die beanspruchte Lösung als nicht nahegelegt angesehen wird.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.