T 0413/13 (Geschirrspülmittel mit Glasskorrosionsschutz / HENKEL) 17-11-2015
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Maschinelles Geschirrspülmittel mit verbessertem Glasskorrosionsschutz
Reckitt Benckiser (UK) Limited
Dalli-Werke GmbH & Co. KG
Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Zulässigkeit von in der mündlichen Verhandlung eingereichten, geänderten Ansrüchen (nein - alle Anträge)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 417 291 zu widerrufen.
II. Im Einspruchsverfahren hatten die Einsprechenden 01 und 02 unter anderem Einspruchsgründe nach Artikel 100 (c) EPÜ vorgebracht.
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt (Hauptantrag) die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfülle. Zudem hat die Einspruchsabteilung die erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Hilfsanträge 1 und 2 nicht zugelassen.
IV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat mit ihrem Beschwerdebegründung vom 15. April 2013 zwei geänderte Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bzw. 2 eingereicht.
Die Beschwerdeführerin vertrat zudem weiterhin die Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ entspreche.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Anspruch 1 wie erteilt) lautet wie folgt:
"1. Maschinelles Geschirrspülmittel, enthaltend Gerüststoffe sowie optional weitere
Bestandteile von Reinigungsmitteln, dadurch gekennzeichnet, dass es
a) ein oder mehrere Magnesium- und/oder Zinksalz(e) mindestens einer unverzweigten oder verzweigten,
gesättigten oder ungesättigten Monocarbonsäure mit Ausnahme des Zinkricinoleats und des Zinkabietats;
b) 0,1 bis 70 Gew.-% an Copolymeren aus
i) ungesättigten Carbonsäuren
ii) Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren
enthält."
Die jeweiligen Ansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 1 bzw. 2 unterscheiden sich wie folgt von Anspruch 1 wie erteilt (Änderungen durch die Kammer kenntlich gemacht):
"1. Maschinelles Geschirrspülmittel, ...
... a) ein oder mehrere [deleted: Magnesium- und/oder] Zinksalz(e)...
... b) 0,25 bis 50 Gew.-% an Copolymeren aus ...
enthält."
bzw.
" 1. Maschinelles Geschirrspülmittel, als 3-in-1-Produkt, das herkömmlichen Reiniger, Klarspüler und eine Salzersatzfunktion in sich vereint, enthaltend ...".
VI. Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 02) hat in ihrer Erwiderung vom 19. Juli unter anderem ausgeführt, dass
- die Beschwerde unzulässig sei;
- die jeweiligen Ansprüche 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 bzw. 2 die Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllen.
VII. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 01) hat mit ihrer Erwiderung vom 19. August 2015 den von der Beschwerdegegnerin II vorgebrachten Argumenten vollinhaltlich zugestimmt.
VIII. In ihrer in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung vom 7. August 2015 brachte die Kammer ihre vorläufige Auffassung zum Ausdruck, unter anderem bezüglich der Zulässigkeit der Beschwerde sowie zur Konformität der erteilten Ansprüche mit den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ. Diesbezüglich führte die Kammer im Hinblick auf die Ansprüche gemäß allen damals geltenden Ansprüchen aus (siehe Abschnitt 6.2), dass
"...gemäß der beiden einzigen unabhängigen Ansprüchen 1 und 46 und den entsprechenden Beschreibungsteilen der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe WO 03/016444 A2) Oxalsäuresalze, und insbesondere Zinkoxalat, als Bestandteil ausdrücklich ausgeschlossen zu sein scheinen. Dieses Merkmal der Erfindung ist jedoch in keinem der geänderten Ansprüche enthalten. Vielmehr können die nunmehr beanspruchten Geschirrspülmittel durchaus Zinkoxalat enthalten, und auch die beanspruchten Geschirrspülverfahren (Ansprüche 16) schließen die Anwesenheit von Zinkoxalat nicht aus.
Daher scheinen die Gegenstände aller vorliegenden Ansprüche auf den ersten Blick über den Inhalt der Anmeldung in der ursprüngliche eingereichten Fassung hinauszugehen (Artikel 100(c) bzw 123(2) EPÜ)."
Die Kammer wies die Parteien bezüglich der Einreichung geänderter Unterlagen auf Folgendes hin (siehe Abschnitt 9):
"Sollten die Parteien die Einreichung weiterer/geänderter Unterlagen und/oder Beweismittel in Erwägung ziehen, wären diese spätestens einen Monat vor dem Termin der mündlichen Verhandlung einzureichen.
Das Zulassen von neuem/geändertem Vorbringen liegt jedoch selbst bei dessen Einreichung innerhalb dieser Frist im Ermessen der Kammer.
Ausdrücklich sei hiermit auf die Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 12 und 13 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern verwiesen."
IX. Mit Schreiben vom 20. August 2015 teilte die Beschwerdegegnerin I mit, dass sie zwar an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, ihren Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde aber aufrechterhalte.
X. In der am 17. November 2015 abgehaltenen mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurden die anwesenden Parteien zunächst zur Zulässigkeit der Beschwerde und zu dem in der Kammermitteilung vom 7. August 2015 erhobenen Einwand unter 123(2) EPÜ betreffend den fehlenden Ausschluss von Zinkoxalat als Komponente des Geschirrspülmittels (in der Folge als "Zinkoxalat-Einwand" bezeichnet) gehört.
Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin drei geänderte Anspruchssätze als neuen Hauptantrag und neue Hilfsanträge 1 und 2 ein und zog die eingangs gestellten Anträge zurück.
Zuletzt wurden die Parteien zur von der Beschwerdegegnerin II bestrittenen Zulässigkeit dieser neuen Anträgen gehört.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte zuletzt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang der Ansprüche gemäß einem der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Anträge (Hauptantrag oder Hilfsantrag 1 oder 2).
Die Beschwerdegegnerin II beantragte die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen oder die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdeführerin I beantragte schriftlich explizit die Zurückweisung der Beschwerde.
XII. Die geänderten Ansprüche 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 bzw. 2 unterscheiden sich von den Ansprüchen 1 gemäß den mit der Beschwerdebegründung gestellten Anträgen (siehe Punkt V, supra) jeweils nur dadurch, dass die Definition der Komponente a) wie folgt lautet:
"a) ... Zinksalz(e) mindestens einer unverzweigten oder verzweigten, gesättigten oder ungesättigten Monocarbonsäure mit Ausnahme des Zinkricinoleats, des Zinkabietats und des Zinkoxalats;" (Hervorhebung der Änderungen durch die Kammer).
XIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin II können folgendermaßen zusammengefasst werden.
Zur Zulässigkeit der Beschwerde
- Der in der Beschwerdeschrift vom 7. Februar 2013 gestellte Antrag sei eindeutig auf den Widerruf des Streitpatents gerichtet. Jedoch könne die Patentinhaberin im Einspruchs(beschwerde)verfahren nicht den Widerruf ihres eigenen Patentes beantragen.
- Zudem könne die Beschwerdeschrift nicht so interpretiert werden, als enthalte sie "implizit" einen Antrag auf Aufrechterhaltung des Patentes. Der gestellte Antrag sei folglich bestenfalls unklar.
- Innerhalb der Frist des Artikels 108, Satz 1, EPÜ habe demnach kein zulässiger Antrag im Sinne der Regel 99(1)(c) EPÜ vorgelegen.
- Die Beschwerde sei daher unzulässig.
Zur Zulässigkeit der Anträge der Beschwerdeführerin
- Die in der mündlichen Verhandlung, nach Erörterung des Zinkoxalat-Einwands neu eingereichten Anträge seien allesamt schon allein deshalb nicht zulässig, da besagter Mangel der Beschwerdeführerin bereits seit der Kammermitteilung vom 7. August 2015 bekannt gewesen sei. Daher hätte sie geänderte Anträge, die diesem Einwand Rechnung tragen, bereits lange vor der mündlichen Verhandlung einreichen können und müssen.
- Zudem seien die jeweiligen Ansprüche 1 gemäß den neuen Anträgen nicht auf den ersten Blick gewährbar, sondern wiesen einen neuen Klarheitsmangel auf, da das aus der Gruppe der Monocarbonsäuresalze ausgenommene Zinkoxalat gar kein Salz einer Monocarbonsäure sei.
XIV. Die Beschwerdeführerin erwiderte im Wesentlichen Folgendes:
- Die Beschwerdeschrift enthalte einen offensichtlichen Fehler, da die Patentinhaberin nicht den Widerruf ihres eigenen Patentes, das bereits von der Einspruchsabteilung widerrufen worden war, beantragen könne. Jedoch sei aus der Beschwerdeschrift der Antrag, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben, klar zu erkennen gewesen. Daher erfülle die Beschwerdeschrift die Erfordernissen der Regel 99(1)(c) EPÜ, und folglich sei die Beschwerde zulässig.
- Die in der mündlichen Verhandlung als neuer Hauptantrag bzw. neue Hilfsanträge 1 und 2 eingereichten, geänderten Anspruchssätze seien als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer vom 7. August 2015 und zu der in der mündlichen Verhandlung abgehaltenen Diskussion über die unter Artikel 123(2) EPÜ bestehenden Mängel anzusehen und daher ins Verfahren zuzulassen.
Zulässigkeit der Beschwerde
1. Es ist unstrittig, dass die Beschwerdeschrift den Erfordernissen der Regel 99(1)(a) und (b) EPÜ entspricht, da sie Name und Anschrift der Beschwerdeführerin angibt und die angefochtene Entscheidung identifiziert.
Zudem enthält die Beschwerdeschrift den folgenden Satz betreffend das Begehren der Beschwerdeführerin:
"Es wird beantragt, die Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben und das europäische Patent zu widerrufen."
1.1 Da das Patent durch die Einspruchsabteilung in vollem Umfang widerrufen wurde (siehe auch Punkt 3 der Entscheidungsgründe), ist der zitierte Satz offensichtlich in sich widersprüchlich bzw. fehlerhaft formuliert.
1.2 Für die Kammer ergibt lediglich der Satzteil "die Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben" bei der vorliegenden Fallkonstellation überhaupt einen Sinn und vermag demnach einen expliziten "Antrag" im Sinn von Regel 99(1)(c) EPÜ darzustellen. Der Satzteil "und das europäische Patent zu widerrufen" ist offensichtlich fehlerhaft und kann gar nicht zum Ausdruck bringen, in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung abzuändern ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Antrag der Beschwerdeführerin dermaßen "unklar" ist, dass das Begehren der Beschwerdeführerin nicht erkennbar ist, wie von der Beschwerdegegnerin II vorgebracht wurde.
1.3 Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist das Erfordernis der Regel 99 (1)(c) EPÜ (wie auch der zuvor geltenden Regel 64(b) EPÜ 1973) in einem Fall wie dem vorliegenden (Beschwerde der Patentinhaberin gegen den Widerruf des Patents) erfüllt, wenn die Beschwerdeschrift einen Antrag auf vollständige oder nur teilweise Aufhebung der Entscheidung enthält (siehe etwa T 358/08 vom 9. September 2009, Punkt 5.1 der Gründe).
Diese Bedingung ist nach dem Dafürhalten der Kammer im vorliegenden Fall erfüllt.
1.4 Die von der Beschwerdegegnerin II angeführte Entscheidung T 420/03 vom 10. Mai 2005 ist nicht einschlägig, da sie eine andere Fragestellung betrifft (Kostenverteilungsentscheidung in der Beschwerdeschrift nicht angesprochen und daher vom Umfang der Beschwerde ausgeschlossen), und die in T 358/08 zum Ausdruck gebrachte Auffassung gar nicht in Frage stellt.
1.5 Die Kammer gelangt daher zu dem Schluss, dass die Beschwerdeschrift auch das Erfordernis der Regel 99(1)(c) EPÜ erfüllt, und die Beschwerde demnach zulässig ist (Artikel 108 EPÜ).
Zulässigkeit der geltenden Anträge der Beschwerdeführerin
2. Die geltenden, geänderten Anspruchssätze reichte die Beschwerdeführerin im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ein, nach Erörterung des Zinkoxalat-Einwands (siehe VIII, supra) unter Artikel 123(2) EPÜ, und unter gleichzeitiger Zurücknahme der zuvor geltenden Anträge. Die Stichhaltigkeit des besagten Einwands wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
2.1 Die Zulässigkeit dieser Anträge wurde von der Beschwerdegegnerin II bestritten.
Die Beschwerdeführerin (siehe XIV, supra) konnte keinen speziellen Grund für die derart späte Einreichung dieser Anträge nennen. Sie führte lediglich aus, dass das Einreichen dieser Anträge als Reaktion auf die Mitteilung der Kammer und die Erörterung des besagten Zinkoxalat-Einwands unter Artikel 123(2) EPÜ im Rahmen der mündlichen Verhandlung erfolgte.
2.2 Gemäß Artikel 114(2) EPÜ in Verbindung mit Artikel 13(1),(3) VOBK, liegt es im Ermessen der Kammer, Änderungen im Vorbringen einer Partei nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung zuzulassen und zu berücksichtigen, oder eben nicht.
Im vorliegenden Fall waren für die Kammer in der Ausübung ihres Ermessens insbesondere die folgenden Aspekte ausschlaggebend:
2.2.1 Bei der Ausübung des besagten Ermessens ist unter anderem der aktuelle Stand des Verfahrens zu berücksichtigen. Insbesondere sind geänderte Anträge prinzipiell so früh wie möglich einzureichen (siehe z.B. T 1033/10 vom 21. März 2013 , Punkt 5.5 der Entscheidungsgründe). In der mündlichen Verhandlung eingereichte, neue Anträge werden nur in Ausnahmefällen zugelassen, zum Beispiel, wenn eine Partei mit einer unerwarteten Entwicklung des Verfahrens konfrontiert wird (siehe z.B. T 1869/10 vom 17. April 2013, Punkte 5.1 und 5.2 der Entscheidungsgründe) und/oder wenn sofort erkennbar ist, dass die neuen Anträge alle bestehenden Einwände ausräumen, ohne ihrerseits neue Mängel einzuführen (siehe z.B. T 5/10 vom 5. April 2011, Punkte 2.1 bis 2.4 der Entscheidungsgründe, und T 1912/09 vom 16. Januar 2014, Punkt 8.1 der Entscheidungsgründe).
2.2.2 Der Mitteilung der Kammer vom 7. August 2015 (Punkt VIII, supra) konnte die Beschwerdeführerin allerdings eindeutig entnehmen, dass bezüglich der geltenden Ansprüche ernsthafte Bedenken betreffend die Erfüllung der Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ bestanden, und dass die angesprochenen Mängel, insbesondere auch der Zinkoxalat-Einwand, der Aufrechterhaltung des Patentes entgegenstanden.
Eben dieser Einwand nach Artikel 123(2) EPÜ (Punkt X, supra) wurde in der mündlichen Verhandlung erörtert. Von einer überraschenden Entwicklung im Verlauf der mündlichen Verhandlung kann daher keine Rede sein.
2.2.3 Ferner hat die Kammer in ihrer Mitteilung (Punkt VIII, supra) die Parteien ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls geänderte Unterlagen spätestens einen Monat vor dem Termin der mündlichen Verhandlung einzureichen seien. Spätesten zu diesem Zeitpunkt hätte daher die Beschwerdeführerin reagieren können bzw. müssen. Die Beschwerdeführerin hat auch keinen besonderen Umstand geltend gemacht, der die Einreichung der neuen Anträge erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung möglicherweise rechtfertigen könnte.
2.2.4 Nicht zuletzt werfen die neuen Anträge, wie von der Beschwerdegegnerin II in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, auf den ersten Blick zusätzliche Fragen betreffend die Klarheit der Ansprüche auf (Punkt XIII, supra), und können auch nicht als Versuch gewertet werden, alle bestehenden Einwände durch entsprechende Änderungen eindeutig auszuräumen.
2.3 Daher entschied die Kammer unter den gegebenen Umständen weder den neuen Hauptantrag, noch einen der neuen Hilfsanträge 1 und 2, ins Verfahren zuzulassen (Artikel 114(2) EPÜ und Artikel 13(1),(3) VOBK).
3. Es liegt demnach kein zulässiger Antrag der Beschwerdeführerin vor.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.