T 0828/14 10-06-2015
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Rohranbohrarmatur
Neuheit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 3 und 4 (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - Hilfsanträge 1 bis 4 (zugelassen), Hilfsantrag 5 (nicht
zugelassen)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsanträge 1 und 2 (nein)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung
Änderungen - Hilfsantrag 2 (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Beschwerde eingelegt gegen die am 7. Februar 2014 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt worden ist, dass das europäische Patent Nr. 1 069 367 B auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2 den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens genüge.
Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt worden und mit den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a), b) und c) EPÜ 1973 (fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit, mangelnde Ausführbarkeit sowie unzulässige Erweiterung) begründet worden.
II. Am 10. Juni 2015 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die angefochtenen Entscheidung aufzuheben und das europäische Patent Nr. 1 069 367 zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt als Hauptantrag, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise, die angefochtenen Entscheidung aufzuheben und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der Hilfsanträge 1, 2 oder 3, eingereicht mit dem Schreiben vom 8. Mai 2015 als Hilfsanträge 1, 4 und 5, oder auf der Grundlage der Hilfsanträge 4 oder 5, eingereicht in der mündlichen Verhandlung als neue Hilfsanträge 6 und 7.
IV. Im Beschwerdeverfahren wird auf folgendes Dokument Bezug genommen:
E7: DE 27 49 410 C2
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. Rohranbohrarmatur (1) für ein medienförderndes Rohr, umfassend ein Gehäuse (2), das einen unter einem Winkel zur Rohrachse anbringbaren Bohrstutzen (3) zum Anbohren der Rohrwand und einen unter einem Winkel zum Bohrstutzen (3) angeordneten Abzweigstutzen (8) aufweist, wobei im Bohrstutzen (3) eine drehbetätigbare Schneidbüchse (9) mit einem Schneidbereich (10,11), mit einem Gewindebereich (13,24), der ein komplementär zu einem Gewinde (20) des Bohrstutzens (3) ausgebildetes Gewinde (18) aufweist, und mit einem Dichtungsbereich (19,25) zwischen Bohrstutzen (3) und Schneidbüchse (9) mit mindestens einem Dichtungsmittel (23) zur Abdichtung des medienfördernden Rohres gegen Außen angeordnet ist, wobei zwischen dem Gewindebereich (13,24) und dem Dichtungsbereich (19,25) ein Absatz (26) derart ausgebildet ist, dass der Dichtungsbereich (19,25) einen wesentlich kleineren Durchmesser als der Gewindebereich (13,24) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Dichtungsmittel (23) axial beabstandet von den komplementären Gewinden (18,20) vorliegt und der Dichtungsbereich (19,25) in axialer Richtung gesehen ferner beabstandet vom Schneidbereich (10,11) als der Gewindebereich (13,24) angeordnet ist, wobei der Dichtungsbereich (19,25) mit dem Gewindebereich (13,24) einstückig ausgebildet ist."
VI. Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Wortlaut von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch folgende zusätzliche Formulierung:
"wobei die Dichtwirkung in allen Phasen der Anwendung der Rohranbohrarmatur (1) gewährleistet ist".
VII. Im Vergleich zum Wortlaut von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag weist der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 folgendes zusätzliche Merkmal auf:
"wobei das Gewinde (18) des Gewindebereichs (13,24) sowohl in einem Auslieferungszustand als auch in einer nach einem vollständigen Einschrauben der Schneidbüchse (8) in eine Wand des medienfördernden Rohres vorliegenden Stellung mit dem Gewinde (20) des Bohrstutzens (3) in Eingriff steht".
VIII. Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 unterscheidet sich vom Wortlaut von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch die Ergänzung des folgenden Merkmals:
"wobei der Dichtungsbereich (19,25) eine Ringnut (22) mit dem darin aufgenommenen Dichtungsmittel (23) aufweist".
IX. Im Vergleich zum Wortlaut von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag weist der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 4 folgende zusätzlichen Merkmale auf:
"wobei die Schneidbüchse (9) anschließend an das Gewinde (18), das an einem ersten Wandbereich (24) der Schneidbüchse (9) ausgebildet ist, einen zweiten Wandbereich (25) aufweist, der über den Absatz (26) mit dem ersten Wandbereich (24) verbunden ist, und wobei das Dichtungsmittel (23) in einer Ringnut (22) des Dichtungsbereichs (19,25) aufgenommen und an dem zweiten Wandbereich (25) der Schneidbüchse (9) ausgebildet ist".
X. Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 5 unterscheidet sich vom Wortlaut von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag durch die Ergänzung des folgenden Merkmals:
"wobei das Gewinde (18) des Gewindebereichs (13,24) während eines Anschlussvorgangs durchgehend mit dem Gewinde (20) des Bohrstutzens (3) in Eingriff steht".
XI. Die Beschwerdeführerin trägt im Wesentlichen vor, dass das mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Dokument E7 sämtliche Merkmale von Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung offenbare. Insbesondere könne das Dichtungsmittel nach der anspruchsgemäßen Definition, wonach eine Schneidbüchse mit einem Dichtungsbereich zwischen Bohrstutzen und Schneidbüchse mit mindestens einem Dichtungsmittel zur Abdichtung des medienfördernden Rohres gegen Außen vorgesehen sei, in der Schneidbüchse oder im Bohrstutzen vorgesehen sein. Damit werde dieses Merkmal von der Anordnung nach Figur 1 von Dokument E7, die einen Dichtungsring 14 im Bohrstutzen 13 zeige, in Kombination mit der dortigen Spalte 2, Zeilen 23 bis 32, vorweggenommen. Folglich sei im Dokument E7 neben allen anderen Merkmalen von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag auch die anspruchsgemäße Dichtungsmittelanordnung offenbart.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der mit Schreiben vom 8. Mai 2015 eingereichten Hilfsanträge bestünden seitens der Beschwerdeführerin keine Einwände. Der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 sei aber weiterhin nicht neu, da im Vergleich zum Hauptantrag mit der Formulierung, dass die Dichtwirkung in allen Phasen der Anwendung der Rohranbohrarmatur gewährleistet sei, lediglich die Aufgabenstellung des Streitpatents in den Anspruch aufgenommen worden sei. Damit sei eine Zielsetzung, aber keine technische Lösung formuliert worden, weshalb der in den Anspruch aufgenommene Wortlaut als solcher auch nicht geeignet sei, die beanspruchte Vorrichtung strukturell einzuschränken. Zudem liege diesbezüglich ein Verstoß gegen die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ vor.
Ähnliches gelte für den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2, der auf einen "Auslieferungszustand" der Rohranbohrarmatur Bezug nehme, welcher im Streitpatent allerdings nicht erwähnt, geschweige denn definiert sei. Mit der Einführung dieses vagen Begriffs sei der geänderte Anspruch 1 nicht nur unklar, sondern gehe auch über den Gegenstand der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus.
Der Gegenstand von Hilfsantrag 3 sei nicht neu. Wie bereits in Zusammenhang mit dem Hauptantrag vorgetragen, könne die Ringnut mit dem Dichtungsmittel nach der anspruchsgemäßen Definition in der Schneidbüchse oder im Bohrstutzen vorgesehen sein, was durch die aus dem Dokument E7 bekannte Anordnung mit einer Ringnut und einem Dichtungsring im Bohrstutzen vorweggenommen werde.
Die erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge 4 und 5 sollten nicht mehr zugelassen werden, da die hinzugefügten Merkmal nur der Figurenbeschreibung entnommen werden könnten. Dieser neue Sachverhalt könne eine zusätzliche Recherche notwendig machen und, insbesondere im Fall des Hilfsantrags 5, weitere Probleme hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ aufwerfen. Es sei der Beschwerdeführerin nicht zuzumuten, darauf ohne ausreichende Vorbreitung in der mündlichen Verhandlung umfassend zu reagieren. In der Sache sei zum Hilfsantrag 4 anzumerken, dass der Gegenstand von Anspruch 1 aus den bereits für den Hilfsantrag 3 genannten Gründen nicht neu sei, während die in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 aufgenommene, auf die während eines Anschlussvorgang durchgehend in Eingriff stehenden Gewinde abstellende Formulierung unklar und damit nicht für eine deutliche Abgrenzung vom Stand der Technik geeignet sei. Deshalb biete keiner der Hilfsanträge eine Grundlage für die Aufrechterhaltung des Streitpatents.
XII. Die Beschwerdegegnerin rügt zunächst, dass die Beschwerdeführerin keine Begründung für die späte Vorlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokuments E7 angegeben habe. Bezüglich des Inhalts dieses Dokuments vertritt sie die Auffassung, dass es den Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht neuheitsschädlich vorwegnehme. Anspruchsgemäß sei das Dichtungsmittel im Dichtungsbereich der Schneidbüchse vorgesehen. Im Gegensatz dazu sei der Dichtungsring im Dokument E7 nicht in der Schneidbüchse, sondern im Bohrstutzen angeordnet.
Nach dem Hilfsantrag 1 sei der Gegenstand von Anspruch 1 dahingehend präzisiert, dass die Dichtwirkung in allen Phasen der Anwendung der Rohranbohrarmatur gewährleistet sei. Dies sei in der Anordnung nach dem Dokument E7 nicht der Fall, da dort die Schneidbüchse in der mittleren Stellung zwischen den beiden Endlagen von Fluid umströmt und die Dichtwirkung damit unzureichend sei. Das eingeführte Merkmal bereite dem Fachmann keine Schwierigkeiten, da das Streitpatent Möglichkeiten zur beanspruchten Gewährleistung der Dichtwirkung aufzeige, beispielsweise durch die glatten Zylinderoberflächen im Dichtungsbereich der Schneidbüchse und am Bohrstutzen sowie das durchgehende, als Labyrinthdichtung wirkende Gewinde.
Auch Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 stelle im Wesentlichen darauf ab, dass im Bohrstutzen ein einziges, durchgehendes Gewinde vorgesehen sei, mit dem das Gewinde der Schneidbüchse in den beiden Endlagen in Eingriff stehe. Demgegenüber weise der Bohrstutzen nach Dokument E7 zwei getrennte Gewinde in den Endlagen auf, dazwischen sei kein Gewinde vorgesehen. Der Begriff "Auslieferungszustand" bezeichne einen Zustand der beanspruchten Vorrichtung und habe seine eindeutige Grundlage insbesondere in den Absätzen [0009], [0011], [0012] und [0021] der veröffentlichten Anmeldung. Damit sei die vorgenommene Änderung sowohl klar als auch ursprünglich offenbart.
Für den Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 gelte das für den Hauptantrag Gesagte, nämlich dass das Dichtungsmittel im Dichtungsbereich der Schneidbüchse vorzusehen sei. Zudem befinde sich das Dichtungsmittel nach dem Hilfsantrag 3 dort zwingend in einer Ringnut. Im Dokument E7 sei die Ringnut mit dem Dichtungsring jedoch nicht in der Schneidbüchse, sondern im Bohrstutzen angeordnet, weshalb nicht nur der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 neu sei, sondern auch jener von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 4, in dem dieser Unterschied noch deutlicher herausgestellt werde. Dies sei auch der Grund, warum der Hilfsantrag 4 die Beschwerdeführerin vor keine unvorhersehbare Situation stelle und ins Verfahren zugelassen werden sollte.
Im Hilfsantrag 5 werde der Gegenstand des Hilfsantrags 2 weiter konkretisiert. Die dafür gewählte Formulierung "während eines Anschussvorgangs" stütze sich auf die Absätze [0009], [0011] und [0021] der veröffentlichten Anmeldung, in deren Lichte sie klar sei. Da der Hilfsantrag 5 den hinsichtlich der höherrangigen Anträge festgestellten Mängeln Rechnung trage, sei er zuzulassen.
1. Zulässigkeit des Dokuments E7
1.1 Die Beschwerdegegnerin moniert, dass die Beschwerdeführerin keine Begründung für die späte Vorlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokuments E7 gegeben habe, auf das sie ihre Ausführungen zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit stütze.
1.2 In dieser Hinsicht verweist die Kammer auf Bestimmungen von Artikel 12 (4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), die grundsätzlich festhalten, dass die Kammer das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Artikel 12 (1) VOBK zu berücksichtigen hat, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK erfüllt. Jedoch wird in Artikel 12 (4) VOBK das Zulassen von Tatsachen, Beweismitteln oder Anträgen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind, ausdrücklich ins Ermessen der Kammer gestellt.
Daraus folgt, dass ein Beteiligter eines Beschwerdeverfahrens kein Anrecht darauf hat, dass ein Beweismittel, das er im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen können, aber erst mit der Beschwerdebegründung tatsächlich vorgebracht hat, im Beschwerdeverfahren zugelassen wird. Folglich kann ein beschwerdeführender Einsprechender das Streitpatent nur dann auf der Grundlage eines derartigen Beweismittels angreifen, wenn dieses von der Kammer nach Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens ins Verfahren zugelassen worden ist. In dieser Hinsicht ist unter anderem zu bewerten, ob die Änderung der Angriffslinie als eine unmittelbare und sachlich adäquate Reaktion auf Entwicklungen im Verfahren vor der ersten Instanz, insbesondere auf Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung, gerechtfertigt ist.
1.3 Im vorliegenden Fall ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass die Einspruchsabteilung noch im Ladungszusatz vom 22. Februar 2013 den Gegenstand des erteilten unabhängigen Anspruchs 1 als nicht neu gegenüber zwei der mit der Einspruchsschrift eingereichten Dokumente angesehen hatte. Daraufhin hat die Patentinhaberin am 4. November 2013, also einen Monat vor dem Termin der mündlichen Verhandlung, unter anderem die geänderten Patentansprüche nach dem vorliegenden Hilfsantrag 2 eingereicht, deren Gegenstand die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung schließlich als neu und erfinderisch angesehen hat. Die Einsprechende und nunmehrige Beschwerdeführerin hat also bis zur letzten Phase des erstinstanzlichen Verfahrens keine Veranlassung gehabt, zusätzliche Beweismittel zum Stand der Technik vorzulegen. In einer solchen Situation kann die im Einspruchsverfahren unterlegene Beschwerdeführerin zu Recht versuchen, ihre Position im Beschwerdeverfahren zu verbessern, indem sie, wie im vorliegenden Fall, zu Beginn des Beschwerdeverfahrens ein weiteres, für die Frage der Neuheit offenbar bedeutsames Dokument vorbringt. Unter diesen Umständen kann das Dokument E7 im Beschwerdeverfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Es wird daher nach Artikel 12 (4) VOBK ins Verfahren zugelassen.
2. Hauptantrag
2.1 Zur Frage der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag im Hinblick auf das Dokument E7 ist zwischen den Parteien in erster Linie streitig, ob dieses Dokument das Anspruchsmerkmal
"wobei im Bohrstutzen (3) eine drehbetätigbare Schneidbüchse (9) mit [...] einem Dichtungsbereich (19,25) zwischen Bohrstutzen (3) und Schneidbüchse (9) mit mindestens einem Dichtungsmittel (23) zur Abdichtung des medienfördernden Rohres gegen Außen angeordnet ist"
neuheitsschädlich vorwegnimmt.
2.2 Zunächst ist festzustellen, dass nach dem zitierten Wortlaut des strittigen Merkmals der Dichtungsbereich nicht ein Merkmal der Schneidbüchse alleine ist. Dies deckt sich mit dem fachmännischen Verständnis des Anspruchsgegenstandes, da die im Anspruch geforderte Abdichtung nach Außen eine Dichtwirkung zwischen Schneidbüchse und Bohrstutzen voraussetzt. Folglich erstreckt sich der anspruchsgemäße Dichtungsbereich auf die Schneidbüchse und den Bohrstutzen. Damit kann das im Dichtungsbereich vorzusehende Dichtungsmittel in der Schneidbüchse oder im Bohrstutzen platziert sein. Nach Auffassung der Kammer ist das Schutzbegehren nicht darauf beschränkt, dass das Dichtungsmittel zwingend in der Schneidbüchse angeordnet ist.
2.3 Für die Frage, ob das so verstandene Merkmal die Neuheit des Gegenstand von Anspruch 1 im Hinblick auf die Offenbarung im Dokument E7 herstellen kann oder nicht, ist insbesondere die Darstellung der aus dem Stand der Technik bekannten Rohranbohrarmatur in der Figur 1 des Dokuments E7 von Bedeutung:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Diese zeigt in Kombination mit der entsprechenden Passage in der Spalte 2, Zeilen 23 bis 32, in der Terminologie des Streitpatents einen Bohrstutzen 13 mit einer Ringnut 27, in der ein Dichtungsmittel 14 vorgesehen ist, das mit dem Zylinderbereich 15 der in den Bohrstutzen einschraubbaren Schneidbüchse 24 abdichtend zusammenwirkt. Folglich zeigt die Entgegenhaltung E7 die anspruchsgemäße Anordnung, in der eine in einem Bohrstutzen drehbetätigbare Schneidbüchse mit einem Dichtungsbereich zwischen dem Bohrstutzen und der Schneidbüchse mit mindestens einem Dichtungsmittel zur Abdichtung des medienfördernden Rohres gegen Außen vorgesehen ist. Die in diesem Dokument gezeigte Rohranbohrarmatur weist unbestritten auch die weiteren Anspruchsmerkmale auf, weshalb der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag nicht neu ist, Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973.
3. Zulässigkeit der Hilfsanträge 1, 2 und 3
Seitens der Beschwerdeführerin gibt es keine Einwände betreffend die Zulässigkeit der mit Schreiben vom 8. Mai 2015 in Reaktion auf die im Ladungszusatz dargelegte vorläufige Auffassung der Kammer eingereichten Hilfsanträge 1, 2 und 3. Zudem besteht für die Kammer unter diesen Umständen keine Veranlassung, die Frage der Zulässigkeit der Hilfsanträge 1, 2 und 3 von sich aus aufzuwerfen. Diese werden daher nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK ins Verfahren zugelassen.
4. Hilfsantrag 1
4.1 Der Vorrichtungsanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des entsprechenden Anspruchs nach dem Hauptantrag durch die zusätzliche Formulierung, wonach
"die Dichtwirkung in allen Phasen der Anwendung der Rohranbohrarmatur (1) gewährleistet ist".
4.2 Damit wurde im Wesentlichen die dem Streitpatent zugrundeliegende allgemeine Aufgabenstellung (vgl. Absatz [0004] der Patentschrift) in den Anspruch 1 aufgenommen, nicht jedoch eine konkrete, durch strukturelle Merkmale charakterisierte technische Lösung. Daraus folgt, dass sich die im Hilfsantrag 1 beanspruchte Vorrichtung strukturell nicht von jener unterscheidet, die den Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag bildet. Somit wird aus den für den Hauptantrag genannten Gründen auch der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 von der aus dem Dokument E7 bekannten Rohranbohrarmatur neuheitsschädlich vorweggenommen. Das von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Argument, dass bei der nun vorgeschlagenen anspruchsgemäßen Vorrichtung im Gegensatz zu der aus dem Dokument E7 bekannten Ausführung die Dichtwirkung in allen Phasen der Anwendung gewährleistet sei, geht insofern ins Leere, als sich dieser behauptete Vorteil im vorliegenden Anspruch nicht in einem strukturellen Unterscheidungsmerkmal niederschlägt und somit nicht geeignet ist, die Neuheit der beanspruchten Vorrichtung herzustellen. Im Übrigen stellt es für einen Fachmann eine Selbstverständlichkeit dar, dass beim Anbohren einer medienführenden Rohrleitung das Auftreten von Leckagen zu vermeiden ist.
Ebenso wenig überzeugend ist der Hinweis der Beschwerdegegnerin auf die Beschreibung, die dem Fachmann beispielsweise durch die glatten Zylinderoberflächen im Dichtungsbereich der Schneidbüchse und am Bohrstutzen sowie das durchgehende, als Labyrinthdichtung wirkende Gewinde Möglichkeiten zur Umsetzung der in den Anspruch aufgenommenen Zielsetzung an die Hand gebe. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die in der Beschreibung genannten Ausgestaltungen nicht in konkreten Anspruchsmerkmalen widerspiegeln, so dass sie keine einschränkende Wirkung auf den Anspruchsgegenstand haben und aus diesem Grund bei der Beurteilung seiner Neuheit keine Berücksichtigung finden können.
Auf Grundlage der genannten Erwägungen gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 nicht neu ist, Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973.
4.3 In diesem Zusammenhang wird auch auf Artikel 84 EPÜ 1973 verwiesen, auf dessen Erfordernisse hin der Beschreibung entnommene Anspruchsänderungen eines beeinspruchten Patents zu prüfen sind (vgl. Entscheidung G 3/14, noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht, Entscheidungsgründe 54). Diese Vorschrift sieht im ersten Satz vor, dass die Patentansprüche den Gegenstand angeben müssen, für den Schutz begehrt wird. Dagegen wird verstoßen, wenn die Beschwerdegegnerin die Funktionen der Beschreibung und der Ansprüche in einem Patent faktisch tauscht, indem sie zur erfindungsgemäßen Lösung der in den Anspruch aufgenommenen Aufgabenstellung auf die Beschreibung verweist. Insofern liegt im Fall des unabhängigen Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 1 neben der fehlenden Neuheit auch eine Verletzung der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ 1973 vor.
5. Hilfsantrag 2
5.1 Der Vorrichtungsanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Wortlaut des entsprechenden Anspruchs nach dem Hauptantrag durch die zusätzliche Formulierung, wonach
"das Gewinde (18) des Gewindebereichs (13,24) sowohl in einem Auslieferungszustand als auch in einer nach einem vollständigen Einschrauben der Schneidbüchse (8) in eine Wand des medienfördernden Rohres vorliegenden Stellung mit dem Gewinde (20) des Bohrstutzens (3) in Eingriff steht".
5.2 Der Begriff "Auslieferungszustand", auf den hier zur Abgrenzung vom Stand der Technik Bezug genommen wird, hat als solcher im Zusammenhang mit der beanspruchten Rohranbohrarmatur für einen Fachmann keine bestimmte Bedeutung, da er sich nicht nur auf jede beliebige Stellung der Schneidbüchse im Bohrstutzen beziehen kann, sondern auch auf sonstige, vom Hersteller getroffene Vorkehrungen zum Schutz der Vorrichtung beim Transport.
Der strittige Begriff findet in der Beschreibung keine Erwähnung. Dort ist in Absatz [0012] des Streitpatents (wie auch der veröffentlichten Anmeldung) lediglich von einem zum Einbau vorbereiten Anlieferungszustand die Rede: "In Figur 1 ist die Rohranbohrarmatur 1 in einem Zustand dargestellt, wie die Armatur zum Einbau vorbereitet auf der Baustelle angeliefert wird.". Somit kann der in den Anspruch eingeführte, unbestimmte Begriff "Auslieferungszustand" auch unter Zuhilfenahme der Beschreibung nicht eindeutig definiert werden, weshalb der unabhängige Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 2 im Sinne von Artikel 84 EPÜ 1973 (dessen Erfordernisse im vorliegenden Fall zu berücksichtigen sind, vgl. Abschnitt 4.34.3 oben) nicht deutlich gefasst ist. Das Fehlen einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung eines Auslieferungszustands der Rohranbohrarmatur in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen führt zudem zu einem Verstoß gegen die Vorschriften von Artikel 123 (2) EPÜ.
6. Hilfsantrag 3
6.1 Im Vergleich zum Hauptantrag ist der Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 um folgendes, dem ursprünglichen und erteilten Anspruch 3 entnommenes Merkmal ergänzt:
"wobei der Dichtungsbereich (19,25) eine Ringnut (22) mit dem darin aufgenommenen Dichtungsmittel (23) aufweist".
6.2 Zur Beurteilung der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 wird zunächst auf die Auslegung des Merkmals "Dichtungsbereich zwischen Bohrstutzen und Schneidbüchse" im Abschnitt 2.22.2 verwiesen, auf dessen Ausgestaltung das neu aufgenommene Merkmal abzielt. Nach der oben dargelegten Auffassung der Kammer erstreckt sich der anspruchsgemäße Dichtungsbereich auf die Schneidbüchse und den Bohrstutzen, weshalb Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 nicht darauf beschränkt ist, dass die Ringnut mit dem Dichtungsmittel zwingend in der Schneidbüchse angeordnet ist. Vielmehr kann die im Dichtungsbereich vorzusehende Ringnut mit dem Dichtungsmittel anspruchsgemäß in der Schneidbüchse oder aber im Bohrstutzen platziert sein.
6.3 Letzteres ist, wie bereits für den Hauptantrag im Abschnitt 2.32.3 dargelegt, im Dokument E7 der Fall: Die dortige Figur 1 offenbart in der Terminologie des Streitpatents einen Bohrstutzen 13 mit einer Ringnut 27, in der ein Dichtungsmittel 14 vorgesehen ist, das mit dem Zylinderbereich 15 der in den Bohrstutzen eingeschraubten Schneidbüchse 24 abdichtend zusammenwirkt. Folglich ist es aus dem Dokument E7 bekannt, in einer Rohranbohrarmatur eine in einem Bohrstutzen drehbetätigbare Schneidbüchse mit einem Dichtungsbereich zwischen dem Bohrstutzen und der Schneidbüchse mit mindestens einem, in einer Ringnut aufgenommenen Dichtungsmittel zur Abdichtung des medienfördernden Rohres gegen Außen anzuordnen. Damit kann das zusätzlich aufgenommene Merkmal die Neuheit des Anspruchsgegenstands nicht begründen. Die Offenbarung der übrigen Anspruchsmerkmale in der Rohranbohrarmatur nach dem Dokument E7 ist unstrittig, weshalb der Gegenstand von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 3 nicht neu ist, Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973.
7. Hilfsantrag 4
7.1 Zulässigkeit des Antrags
Der Hilfsantrag 4 ist in der mündlichen Verhandlung vorgelegt worden. Das darin aufgenommene Merkmal
"wobei die Schneidbüchse (9) anschließend an das Gewinde (18), das an einem ersten Wandbereich (24) der Schneidbüchse (9) ausgebildet ist, einen zweiten Wandbereich (25) aufweist, der über den Absatz (26) mit dem ersten Wandbereich (24) verbunden ist, und wobei das Dichtungsmittel (23) in einer Ringnut (22) des Dichtungsbereichs (19,25) aufgenommen und an dem zweiten Wandbereich (25) der Schneidbüchse (9) ausgebildet ist"
zielt darauf ab, den anspruchsgemäßen Dichtungsbereich von jenem des Dokuments E7 abzugrenzen. Einwände hinsichtlich der Klarheit oder einer offensichtlich unzulässigen Erweiterung sind von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht vorgetragen worden. Obwohl der hinzugefügte Wortlaut der Beschreibung entnommen ist, betrifft der Hilfsantrag 4 mit der Definition des Dichtungsbereichs weiterhin den Aspekt, der bereits bei der Beurteilung der Patentfähigkeit der Ansprüche nach den höherrangigen Anträgen, da entscheidungswesentlich, ausführlich diskutiert worden ist. Unter diesen Umständen ist nicht von der Notwendigkeit einer zusätzlichen Recherche auszugehen. Die Kammer kommt zum Schluss, dass der Hilfsantrag 4 keine Fragen aufwirft, deren Behandlung der Beschwerdeführerin ohne eine Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten wäre. Folglich wird der Hilfsantrag 4 nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK ins Verfahren zugelassen.
7.2 Neuheit
Das dem Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal definiert als erstes Teilmerkmal, dass an der Schneidbüchse ein erster und ein zweiter Wandbereich vorgesehen sind, die über einen Absatz verbunden sind, wobei am ersten Wandbereich ein Gewinde ausgebildet ist. Zwischen den Parteien besteht Übereinstimmung, dass dieses Teilmerkmal auch auf die Schneidbüchse nach Dokument E7 zutrifft. Umstritten ist hingegen, ob das zweite Teilmerkmal, wonach das Dichtungsmittel in einer Ringnut des Dichtungsbereichs aufgenommen und an dem zweiten Wandbereich der Schneidbüchse ausgebildet ist, zwingend erfordert, dass die Ringnut mit dem Dichtungsmittel in der Schneidbüchse ausgebildet ist.
Die Kammer stellt fest, dass der Wortlaut der
strittigen Passage im Anspruch explizit darauf abstellt, dass die Ringnut an dem (und nicht in dem) zweiten Wandbereich der Schneidbüchse ausgebildet ist. Im Dokument E7 ist die Ringnut im Bohrstutzen ausgeführt, wobei das in der Nut vorgesehene Dichtungsmittel ausweislich der Spalte 2, Zeilen 23 bis 32, mit dem zweiten Wandbereich der Schneidbüchse abdichtend zusammenwirkt. Folglich ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch dort die Ringnut an dem zweiten Wandbereich der Schneidbüchse ausgebildet ist. Aus diesem Grund kann das in den Anspruch aufgenommene Merkmal die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 nach dem Hilfsantrag 4 nicht herstellen, Artikel 54 (1) und (2) EPÜ 1973.
8. Hilfsantrag 5
8.1 Zulässigkeit des Antrags
Auch der Hilfsantrag 5 ist erst in der mündlichen Verhandlung eingereicht worden. Das darin aufgenommene Merkmal besagt, dass
"das Gewinde (18) des Gewindebereichs (13,24) während eines Anschlussvorgangs durchgehend mit dem Gewinde (20) des Bohrstutzens (3) in Eingriff steht".
Die Kammer kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht folgen, wonach der Anschlussvorgang im Sinne des Streitpatents zweifelsfrei mit dem Lösen der Schneidbüchse aus der obersten Stellung beginne, das Anbohren des medienführenden Rohres umfasse und ende, sobald die Schneidbüchse wieder ihre obersten Stellung eingenommen habe. Denn die vorgeschlagene, unbestimmte Formulierung "während eines Anschlussvorgang" lässt zum Einen offen, um welche Art von Anschlussvorgang es sich handelt, da sie nicht notwendigerweise auf das Anschließen der Rohranbohrarmatur an das medienführende Rohr beschränkt ist. Zum Anderen ist auch bei Berücksichtigung der Beschreibung nicht eindeutig, welche Schritte vom anspruchsgemäßen Anschlussvorgang mitumfasst sind. Dieser könnte beispielsweise auf das Anbohren als dem eigentlichen Anschlussvorgang beschränkt sein, aber auch diverse vor- und nachbereitende Tätigkeiten umfassen. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Anspruchsgegenstand aufgrund der mit dem Hilfsantrag 5 auf Grundlage der ursprünglich eingereichten Beschreibung und der Figuren vorgeschlagenen Änderungen im Sinne von Artikel 84 EPÜ 1973 nicht deutlich gefasst ist. Die Änderungen sind offensichtlich nicht geeignet, den beanspruchten Gegenstand klar vom Stand der Technik abzugrenzen.
Schon aus den genannten Gründen hat der Hilfsantrag 5 keine Aussicht, als gewährbar angesehen zu werden. Unter diesen Umständen entscheidet die Kammer, den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsantrag 5 aus Gründen der Verfahrensökonomie nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK nicht ins Verfahren zuzulassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.