T 0915/15 (Sicherheitsdokument/LEONHARD KURZ) 26-06-2020
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SICHERHEITSDOKUMENT
Hauptantrag - unzulässige Erweiterung (ja)
Hilfsanträge 1 bis 12 - unzulässige Erweiterung (ja)
Hilfsanträge 13 und 14 - Zulassung (nein)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden ("Beschwerdeführerin") richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs.
II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 c) EPÜ beantragt.
III. Anspruch 1 wie erteilt, der der angegriffenen Entscheidung zugrunde lag, lautet wie folgt:
"Sicherheitsdokument (1, 1', 1'', 1''', 1''''), umfassend ein transluzentes Trägersubstrat (10), insbesondere aus Papier und/oder Kunststoff, und mindestens ein auf das Trägersubstrat (10) aufgebrachtes oder in das Trägersubstrat (10) eingebettetes Sicherheitselement (2), welches von mindestens einer ersten Seite (10a) des Sicherheitsdokuments (1, 1', 1'', 1''', 1'''') aus gesehen im Durchlicht mindestens ein erstes Bild zeigt und ein Vorhandensein mindestens eines ersten Wasserzeichens (2') im Trägersubstrat (10) simuliert, wobei das Sicherheitselement (2) zumindest bereichsweise mindestens eine, das mindestens eine erste Wasserzeichen simulierende Schicht (2a, 2a', 2a'') aufweist, welche die visuell wahrnehmbare Transluzenz des Trägersubstrats lokal verändert, dadurch gekennzeichnet, dass das mindestens eine, auf das Trägersubstrat (10) aufgebrachte oder in das Trägersubstrat (10) eingebettete Sicherheitselement (2) visuell erkennbar im Durchlicht von einer der ersten Seite (10a) gegenüber liegenden zweiten Seite (10b) aus gesehen ein zum ersten Bild unterschiedliches drittes Bild zeigt, wobei das Sicherheitsdokument (1, 1', 1'', 1''', 1'''') derart ausgebildet ist, dass zwischen der mindestens einen, das mindestens eine erste Wasserzeichen simulierenden Schicht (2a, 2a', 2a'') und der ersten Seite (10a) und zwischen der mindestens einen das mindestens eine erste Wasserzeichen simulierenden Schicht (2a, 2a', 2a'') und der zweiten Seite (10b) das hindurchtretende Licht unterschiedlich stark gestreut wird."
IV. Die Einspruchsabteilung hat unter anderem entschieden, dass der beanspruchte Gegenstand nicht über den Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe.
V. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin ("Beschwerdegegnerin") Hilfsanträge 1 bis 12 ein.
VI. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Die Kammer erließ eine Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK, in der sie ihre vorläufige Meinung erläuterte und erklärte, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 bis 12 nicht gewährbar erscheinen.
VII. Die Beschwerdegegnerin reichte einen Monat vor der mündlichen Verhandlung Hilfsanträge 13 und 14 ein.
VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags entspricht Anspruch 1 wie erteilt, der der angegriffenen Entscheidung zugrunde lag (siehe den vorstehenden Punkt III).
Der exakte Wortlaut der Hilfsanträge 1 bis 12 ist für diese Entscheidung nicht ausschlaggebend. Anspruch 1 jedes der Hilfsanträge 1 bis 12 geht auf eine Kombination des erteilten Anspruchs 1 mit abhängigen erteilten Ansprüchen zurück.
Anspruch 1 von Hilfsantrag 13 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die folgenden Merkmale (siehe Seite 10, Zeilen 7 bis 19, der ursprünglich eingereichten Anmeldung) aufgenommen wurden:
"wobei der Betrachter auf der zweiten Seite im Auflicht die mindestens eine das erste Wasserzeichen simulierende Schicht nicht oder nur teilweise sieht" (im Folgenden "Merkmal (i)"); und
"wobei sich im Durchlicht dem Betrachter auf der zweiten Seite aber ein zum ersten Wasserzeichen unterschiedliches zweites Wasserzeichen zeigt" (im Folgenden "Merkmal (ii)").
Anspruch 1 von Hilfsantrag 14 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das folgende Merkmale (Merkmal des ursprünglich eingereichten Anspruchs 8) aufgenommen wurde:
"dass die mindestens eine, das erste Wasserzeichen simulierende Schicht (2a) auf der ersten Seite (10a) und einer der ersten Seite (10a) gegenüberliegenden zweiten Seite (10b) des Sicherheitsdokuments (1, 1', 1'', 1''', 1'''') jeweils zumindest teilweise von mindestens einer transluzenten Schicht bedeckt ist, wobei die mindestens eine transluzente Schicht auf der ersten Seite (10a) und die mindestens eine transluzente Schicht auf der zweiten Seite (10b) einfallendes Licht unterschiedlich stark streuen".
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gehe über den Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Gleiches gelte für die Hilfsanträge 1 bis 12.
- Die Hilfsanträge 13 und 14 sollten nicht zum Verfahren zugelassen werden. Zum einen seien sie sehr spät im Verfahren eingereicht worden, obwohl der Einwand, den sie entkräften sollen, bereits mit der Einspruchsschrift vorgebracht worden sei. Zum anderen werfen sie neue Fragen auf.
X. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können, soweit für die vorliegende Entscheidung relevant, wie folgt zusammengefasst werden:
- Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gehe nicht über den Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Gleiches gelte für die Hilfsanträge 1 bis 12.
- Die Hilfsanträge 13 und 14 sollten zum Verfahren zugelassen werden, da sie prima facie geeignet seien, die in der Mitteilung der Kammer erwähnten Einwände auszuräumen. Die in Anspruch 1 dieser Hilfsanträge eingeführten neuen Merkmale seien bereits umfangreich im Verfahren diskutiert worden, so dass sich dadurch für die Parteien kein erhöhter Aufwand ergebe.
XI. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 12 oder auf der Grundlage eines der mit Schriftsatz vom 26. Mai 2020 eingereichten Hilfsanträge 13 und 14.
HAUPTANTRAG
1. Merkmalsanalyse von Anspruch 1 des Hauptantrags
1) Sicherheitsdokument (1, 1', 1'', 1''', 1''''), umfassend ein transluzentes Trägersubstrat (10), insbesondere aus Papier und/oder Kunststoff, und
2) mindestens ein auf das Trägersubstrat (10) aufgebrachtes oder in das Trägersubstrat (10) eingebettetes Sicherheitselement (2),
3) welches von mindestens einer ersten Seite (10a) des Sicherheitsdokuments (1 , 1', 1'', 1''', 1'''') aus gesehen im Durchlicht mindestens ein erstes Bild zeigt und ein Vorhandensein mindestens eines ersten Wasserzeichens (2') im Trägersubstrat (10) simuliert,
4) wobei das Sicherheitselement (2) zumindest bereichsweise mindestens eine, das mindestens eine erste Wasserzeichen simulierende Schicht (2a, 2a', 2a'') aufweist, welche die visuell wahrnehmbare Transluzenz des Trägersubstrats lokal verändert,
dadurch gekennzeichnet, dass
5) das mindestens eine, auf das Trägersubstrat (10) aufgebrachte oder in das Trägersubstrat (10) eingebettete Sicherheitselement (2) visuell erkennbar im Durchlicht von einer der ersten Seite (10a) gegenüber liegenden zweiten Seite (10b) aus gesehen ein zum ersten Bild unterschiedliches drittes Bild zeigt,
6) wobei das Sicherheitsdokument (1, 1', 1'', 1''', 1'''') derart ausgebildet ist, dass zwischen der mindestens einen, das mindestens eine erste Wasserzeichen simulierenden Schicht (2a, 2a', 2a'') und der ersten Seite (10a) und zwischen der mindestens einen das mindestens eine erste Wasserzeichen simulierenden Schicht (2a, 2a', 2a'') und der zweiten Seite (10b) das hindurchtretende Licht unterschiedlich stark gestreut wird.
2. Artikel 100 c) EPÜ
2.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags über den Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgehe, da das Merkmal 6 in der spezifischen Ausführungsform von Seite 10, Zeilen 7 bis 19, der ursprünglich eingereichten Anmeldung (nachfolgend als "maßgebliche Ausführungsform" bezeichnet) nur zusammen mit den weiteren Details "Auf der zweiten Seite sieht der Betrachter im Auflicht die mindestens eine, das erste Wasserzeichen simulierende Schicht nicht oder nur teilweise." (Merkmal (i)) und "Im Durchlicht zeigt sich dem Betrachter auf der zweiten Seite aber ein zum ersten Wasserzeichen unterschiedliches zweites Wasserzeichen." (Merkmal (ii)) offenbart sei.
2.2 Die Beschwerdegegnerin trat dieser Ansicht entgegen und bezog sich neben der umfangreich diskutierten maßgeblichen Ausführungsform auch auf Seite 9, Zeilen 18 bis 24, sowie den entsprechenden ursprünglich eingereichten Anspruch 8, und Seite 29, Zeile 12 ff, der ursprünglich eingereichten Anmeldung als mögliche Stütze für Merkmal 6. Ihrer Ansicht nach seien die Merkmale (i) und (ii) in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht als wesentliche Merkmale gekennzeichnet, so dass sie auch aus diesem Grund nicht in Anspruch 1 aufgenommen werden müssten. Darüber hinaus stellten die Merkmale (i) und (ii) in der maßgeblichen Ausführungsform eine austauschbare Definition zu Merkmal 6 dar. Außerdem argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass sich die Merkmale (i) und (ii) bereits implizit aus dem Wortlaut von Anspruch 1 des Hauptantrags ergeben, so dass sie nicht in Anspruch 1 aufgenommen werden müssen.
2.3 Zwischen den Parteien war somit streitig, ob das Merkmal 6 in Alleinstellung, d.h. ohne die weiteren Merkmale (i) und (ii), unmittelbar und eindeutig in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart ist.
2.4 Die erwähnte Textstelle beginnend auf Seite 9 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, sowie der entsprechende ursprünglich eingereichte Anspruch 8, betreffen eine spezifische Ausführungsform, die transluzente Schichten auf der ersten und zweiten Seite des Sicherheitsdokuments fordert. Diese transluzenten Schichten sind jedoch keine Merkmale von Anspruch 1, so dass diese Textstelle grundsätzlich ungeeignet ist, um eine ausreichende Basis für Merkmal 6 in Alleinstellung darzustellen.
Auch die zitierte Textstelle auf Seite 29 der ursprünglich eingereichten Anmeldung ist keine geeignete Stütze für Merkmal 6, da sie eine spezifische Ausführungsform betrifft, in der das Sicherheitselement asymmetrisch in das transluzente Trägersubstrat eingebettet ist. Anspruch 1 ist jedoch nicht auf diese spezifische Ausführungsform beschränkt.
Aus den genannten Gründen, können die von der Beschwerdegegnerin zitierten Textstellen von Seite 9 und Seite 29, sowie der ursprünglich eingereichte Anspruch 8, auch nicht stützen, dass sich die Merkmale (i) und (ii) der maßgeblichen Ausführungsform implizit aus Merkmal 6 ergeben.
2.5 Folglich ist zu prüfen, ob das Weglassen der Merkmale (i) und (ii) aus der maßgeblichen Ausführungsform als unzulässige Zwischenverallgemeinerung anzusehen ist.
2.6 Anspruch 1 des Hauptantrags geht zurück auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 1, in dem von den ursprünglich umfassten drei Alternativen a), b) und/oder c) nur die Alternative b) (die Merkmal 5 entspricht) ausgewählt wurde und Anspruch 1 charakterisiert. Die Alternativen a) und c) wurden gestrichen. Darüber hinaus wurde Merkmal 6, das nur in der maßgeblichen Ausführungsform beschrieben ist, in Anspruch 1 eingefügt.
2.7 Die maßgebliche Ausführungsform ist neben Merkmal 6 durch eine Auflichteigenschaft bei Betrachtung von der zweiten Seite (Merkmal (i)) und eine weitere Durchlichteigenschaft bei Betrachtung von der zweiten Seite (Merkmal (ii)) charakterisiert. Diese Ausführungsform ist lediglich in dieser spezifischen Merkmalskombination offenbart.
Die Ansicht der Beschwerdegegnerin, wonach die Merkmale (i) und (ii) als nicht wesentliche Merkmale der maßgeblichen Ausführungsform weggelassen werden können, teilt die Kammer nicht. Sowohl der beanspruchte Gegenstand als auch die maßgebliche Ausführungsform sind fast ausschließlich durch die Wahrnehmung von Wasserzeichen simulierenden Schichten, Wasserzeichen bzw. Bildern im Durchlicht bzw. Auflicht in aufgabenhafter Weise charakterisiert und gerade nicht durch besonders ausgestaltete strukturelle Merkmale. Somit ist nicht erkennbar, dass die ausdrücklich in der maßgeblichen Ausführungsform beschriebenen Merkmale (i) und (ii) weggelassen werden könnten, ohne das Wesen dieser Ausführungsform zu verändern.
2.8 Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass die Merkmale (i) und (ii) als alternative, austauschbare Definition zu Merkmal 6 angesehen werden könnten (von der Beschwerdegegnerin als "Aliud" bezeichnet). Nach Ansicht der Kammer ergänzen sich die Merkmale (i), (ii) und 6 in der maßgeblichen Ausführungsform technisch derart, dass sie eine zusammenhängende Ausführungsform bilden. Folglich ist Merkmal 6 gerade nicht in Alleinstellung offenbart.
2.9 Hinsichtlich eines etwaigen impliziten Erfordernisses das Merkmal (i) der maßgeblichen Ausführungsform betreffend wird Folgendes festgestellt.
2.9.1 Nach Ansicht der Kammer ist Merkmal (i) zwar für den Fall implizit erfüllt, dass das Sicherheitselement, das die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht aufweist, auf der ersten Seite aufgebracht wäre und somit das transluzente Trägersubstrat bewirken würde, dass die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht bei Auflichtbetrachtung von der zweiten Seite nicht oder nur teilweise sichtbar ist. Gleiches gilt für den Fall, dass das Sicherheitselement, das die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht aufweist, in das transluzente Trägersubstrat eingebettet wäre.
2.9.2 Das Sicherheitselement, das die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht aufweist, kann gemäß Anspruch 1 - wie von der Beschwerdegegnerin selbst vorgetragen -jedoch nicht nur auf der ersten Seite aufgebracht sein oder in das transluzente Trägersubstrat eingebettet sein, sondern auch auf der zweiten Seite aufgebracht sein. Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin könne Merkmal (i) auch für diesen Fall erreicht werden, wenn die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht zwar auf der zweiten Seite aufgebracht sei, die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht jedoch durch eine transluzente Schicht derart verdeckt werde, dass sie bei Auflichtbetrachtung von der zweiten Seite nicht oder nur teilweise sichtbar sei. Diese Variante ist jedoch weder in Anspruch 1 beschrieben, noch lässt sie sich aus dessen Wortlaut ableiten.
Die Beschwerdegegnerin trug auch vor, dass Merkmal 6 aufgrund der unterschiedlich starken Streuung bewirke, dass für diesen Fall im Auflicht von der zweiten Seite die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht nicht oder nur teilweise sichtbar sei.
Anspruch 1 gibt jedoch nicht an, auf welcher Seite eine stärkere Streuung vorliegen soll, d.h. zwischen der das erste Wasserzeichen simulierenden Schicht und der ersten Seite (erste Möglichkeit) oder zwischen der das erste Wasserzeichen simulierenden Schicht und der zweiten Seite (zweite Möglichkeit). Selbst wenn eine der beiden denkbaren Möglichkeiten zu dem gewünschten Merkmal (i) führen würde, ist dennoch festzustellen, dass die andere eindeutig von Anspruch 1 umfasste Möglichkeit denkgesetzlich den gewünschten Effekt (Merkmal (i)) nicht erzielen kann. Aus diesem Grund kann die Kammer der Ansicht der Beschwerdegegnerin nicht folgen, dass Merkmal (i) für alle von Anspruch 1 umfassten Ausführungsformen bereits durch Merkmal 6 implizit erreicht wird. Auch die Gesamtheit der Anspruchsmerkmale, einschließlich der Merkmale 3 und 5, kann das Merkmal (i) nicht implizit bewirken. Die Merkmale 3 und 5 betreffen lediglich Durchlichteigenschaften und vermitteln keine Information über mögliche Auflichteigenschaften oder zwingende strukturelle Einschränkungen des Sicherheitsdokuments.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass gemäß Merkmal 6 von Anspruch 1 auch ein nur sehr geringer Streuungsunterschied möglich ist. Es gibt weder aus dem Patent, noch aus dem Vortrag der Beschwerdegegnerin einen Hinweis darauf, dass bereits ein sehr geringer Streuungsunterschied in Merkmal 6 bewirken könnte, dass bei Auflichtbetrachtung von der zweiten Seite die das erste Wasserzeichen simulierende Schicht nicht oder nur teilweise sichtbar sein könnte.
Nach Ansicht der Kammer führt daher weder Merkmal 6 noch die Gesamtheit der Anspruchsmerkmale dazu, dass Merkmal (i) über die gesamte Breite des Anspruchs 1 implizit erreicht wird. Somit führt das Weglassen des Merkmals (i) aus der Merkmalskombination der maßgeblichen Ausführungsform zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.
2.10 Hinsichtlich eines etwaigen impliziten Erfordernisses das Merkmal (ii) der maßgeblichen Ausführungsform betreffend wird Folgendes festgestellt.
Anspruch 1 beschreibt, dass das Sicherheitselement visuell erkennbar im Durchlicht von der zweiten Seite aus gesehen ein zum ersten Bild unterschiedliches drittes Bild zeigt (Merkmal 5), wohingegen in der maßgeblichen Ausführungsform beschrieben ist, dass nicht ein drittes Bild (im allgemeinen), sondern ein zum ersten Wasserzeichen unterschiedliches zweites Wasserzeichen zu sehen ist.
Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin sei das in Anspruch 1 erwähnte "dritte Bild" als ein im Durchlicht erkennbares Wasserzeichen zu verstehen und nicht als ein anderes im Durchlicht erkennbares Bild. Ein im Durchlicht wahrnehmbares Bild sei ihrer Meinung nach zwingend als Wasserzeichen zu verstehen.
Die Kammer kann dieser Ansicht der Beschwerdegegnerin aus den folgenden Gründen nicht folgen.
Es ist zwar zutreffend, dass ein Wasserzeichen und damit auch ein simuliertes erstes Wasserzeichen (wie in Anspruch 1 beschrieben) üblicherweise im Durchlicht zu erkennen ist. Nicht jedes in ein Sicherheitsdokument eingebettetes oder darauf aufgebrachtes Bild, das im Durchlicht wahrnehmbar ist, muss jedoch zwingend ein Wasserzeichen oder ein simuliertes Wasserzeichen sein. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin beispielhaft darauf hingewiesen, dass ein in ein Sicherheitsdokument eingebetteter oder darauf aufgebrachter Metallstreifen zwar im Durchlicht erkennbar sei, jedoch lediglich als dunkler opaker Bereich erscheine, der nicht als Wasserzeichen angesehen werden könne. Diese Ansicht teilt die Kammer. In der maßgeblichen Ausführungsform ist jedoch nur ein im Durchlicht von der zweiten Seite aus sichtbares zweites Wasserzeichen und nicht ein Bild im allgemeinen offenbart.
Somit führt auch das Weglassen des Merkmals (ii) aus der maßgeblichen Ausführungsform zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.
2.11 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags über den Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus geht. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags entgegen.
HILFSANTRÄGE 1 - 12
3. In keinem der Hilfsanträge 1 bis 12 sind die vorstehend diskutierten Merkmale (i) und (ii) in Anspruch 1 aufgenommen worden, sondern lediglich Merkmale erteilter Ansprüche. Die Merkmale der erteilten Ansprüche lösen jedoch nicht das Problem der unzulässigen Zwischenverallgemeinerung. Somit erfüllt aus denselben Gründen wie der Hauptantrag auch der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 12 nicht die Anforderung des Artikels 123(2) EPÜ. Auch diese Anträge sind somit nicht gewährbar.
HILFSANTRÄGE 13 UND 14
4. Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Merkmale (i) und (ii) in Anspruch 1 aufgenommen wurden (siehe den vorstehenden Punkt VIII).
5. Anspruch 1 von Hilfsantrag 14 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das Merkmal des ursprünglich eingereichten Anspruchs 8 aufgenommen wurde (siehe den vorstehenden Punkt VIII).
6. Zulassung
6.1 Die Hilfsanträge 13 und 14 wurden nach Zustellung der Ladung und der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK eingereicht. Die Zulassung der Hilfsanträge 13 und 14 unterliegt somit dem Ermessen der Kammer (vgl. Artikel 13 VOBK).
6.2 Nach Artikel 13(1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Beschwerdeerwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen.
6.3 Im vorliegenden Fall wurden die Hilfsanträge 13 und 14 erst einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereicht. In einem so späten Stadium eingereichte geänderte Ansprüche sollten eindeutig gewährbar sein, so dass sich rasch feststellen lässt, dass sie alle noch offenen Fragen klären, ohne neue Fragen aufzuwerfen (T 1126/97, Gründe 3.1.1 and 3.1.2, T 1993/07, Gründe 4, T 183/09, Gründe 4). Sowohl in Hilfsantrag 13 als auch in Hilfsantrag 14 sind in Anspruch 1 jedoch neue Merkmale eingefügt worden, die bislang nicht Teil des Produkthauptanspruchs eines Antrags waren. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 13 wurden zudem Merkmale aus der Beschreibung aufgenommen.
6.4 Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 eingefügten Merkmale werfen aus den folgenden Gründen neue Fragen auf, die bislang nicht Gegenstand der Diskussion waren.
Merkmal 5 fordert, dass das Sicherheitselement visuell erkennbar im Durchlicht von der zweiten Seite aus gesehen ein zum ersten Bild unterschiedliches drittes Bild zeigt, wohingegen Merkmal (ii) im selben Anspruch - und bei Betrachtung von ebenfalls der zweiten Seite im Durchlicht - besagt, dass nicht ein drittes Bild, sondern ein zum ersten Wasserzeichen unterschiedliches zweites Wasserzeichen zu sehen ist. Somit enthält Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 eine widersprüchliche Definition dessen, was im Durchlicht von der zweiten Seite aus zu erkennen ist. Es ist aus dem Anspruchswortlaut zumindest nicht prima facie erkennbar, welche der beiden Durchlichteigenschaften bei Betrachtung von der zweiten Seite, ein "drittes Bild" (im allgemeinen) oder ein "zweites Wasserzeichen" (spezifischere Definition), gelten soll bzw. ob das "dritte Bild" und das "zweite Wasserzeichen" dieselbe Abbildung betreffen sollen. Letztere Bedeutung scheint sich, wie die Beschwerdeführerin richtig vorträgt, aus den ursprünglichen Unterlagen zu ergeben. Hingegen vertritt die Beschwerdegegnerin die Ansicht, dass beide Begriffe nicht zwingend dasselbe Merkmal betreffen. Diese aus dem Widerspruch resultierende Unklarheit ist prima facie unter Artikel 84 EPÜ zu beanstanden und wirft somit neue Fragen auf. Hilfsantrag 13 ist aus diesem Grund auch nicht prima facie gewährbar.
6.5 Hilfsantrag 14 ist aus den gleichen Gründen wie der Hauptantrag zu beanstanden. Das in Anspruch 1 eingefügte Merkmal des ursprünglich eingereichten Anspruchs 8 ist - aus den für den Hauptantrag diskutierten Gründen (siehe den vorstehenden Punkt 2) - nicht geeignet, alle Einwände der unzulässigen Erweiterung (Zwischenverallgemeinerung) auszuräumen. Somit ist auch Hilfsantrag 14 nicht prima facie gewährbar.
6.6 Darüber hinaus ist festzustellen, dass der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ auf einen Einwand der unzulässigen Erweiterung zurückgeht, der bereits vor mehr als acht Jahren erhoben wurde, nämlich bereits im Einspruchsschriftsatz. Dieser Einwand wurde auch ausführlich in der Beschwerdebegründung ausgeführt.
Die Beschwerdegegnerin hat weder im Verlauf des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung, noch in ihrer Beschwerdeerwiderung durch Einreichen eines entsprechenden Hilfsantrags (Aufnahme der Merkmale (i) und (ii)) auf diesen Einwand reagiert, sondern sich auf eine reine Gegenargumentationslinie verlassen. Erst nachdem die Beschwerdegegnerin die negative vorläufige Meinung der Kammer zum Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 12 kannte, hat sie in Reaktion darauf einen Monat vor der mündlichen Verhandlung die Hilfsanträge 13 und 14 eingereicht, um diesem Einwand der unzulässigen Erweiterung erstmals durch entsprechende Hilfsanträge entgegenzutreten. Die Kammer sieht dieses Verhalten nicht im Einklang mit der Verpflichtung der Parteien, den vollständigen Sachvortrag bereits mit der Beschwerdebegründung bzw. der Beschwerdeerwiderung vorzubringen.
Eine Mitteilung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK dient als Orientierungshilfe für die mündliche Verhandlung. Enthält die Mitteilung der Kammer eine vorläufige Stellungnahme, der ausschließlich die von den Parteien angesprochenen Punkte und deren Argumente zugrunde liegen, wie im vorliegenden Fall, so kann diese Mitteilung nicht als Rechtfertigung für das Einreichen neuer Anträge dienen, die die Beteiligten schon früher hätten einreichen können.
Vor diesem Hintergrund machte die Kammer von ihrer Befugnis nach Artikel 13(1) VOBK Gebrauch und hat entschieden, die Hilfsanträge 13 und 14 nicht zum Verfahren zuzulassen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.