T 0605/16 (Porenbeton/XELLA) 29-11-2017
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VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON PORENBETON UND SCHAUMBETON SOWIE ANLAGE ZUR DURCHFÜHRUNG DES VERFAHRENS
H+H Deutschland GmbH/
H+H International A/S
Greisel Bauelemente GmbH
Bundesverband Porenbetonindustrie e.V.
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Einwand unzulässig bzw. unbegründet
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden 1 (Beschwerdeführerin 1) und der Einsprechenden 3 (Beschwerdeführerin 2) richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das Europäische Patent Nr. 2 234 940 unter Berücksichtigung der Änderungen auf der Basis des der Entscheidung zu Grunde liegenden Hauptantrags und der Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genüge. Das Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Porenbeton und Schaumbeton.
II. In der angefochtenen Entscheidung wird u.a. auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E1: Gundlach, H., Dampfgehärtete Baustoffe, 1973,
Bauverlag GmbH, Wülfrath, 206 bis 229;
E2: Hess AAC Systems B.V., Porenbetonanlagen aus der
Hess Gruppe, BFT 12/2006, 68 bis 74.
E6: US 3 470 005 A
E7: Dietz, T. und Daschner, P., Neue Entwicklungen im
Herstellungsprozess von Porenbeton, BFT 04/2007,
48 bis 50, 52, 54 bis 58.
E8: DE 20 43 081 A1
E9: Van Boggelen, W.M., Developments and opportunities
for AAC with modern production technology, in:
Limbachiya and Roberts, Autoclaved Aerated Conrete
(2005), Tayler & Francis Group, 11 bis 21.
E10: DE 195 25 073 A1
E12: DE 26 01 683 A1
E19: DE 35 37 265 A1
E27: DE 100 42 627 A1
III. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) legte gegen die angefochtene Entscheidung Beschwerde ein, nahm diese jedoch in der Folge zurück.
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin 1 folgende Dokumente ein:
A3: Wikipedia-Artikel zu "Flugasche"
A4: Kronsbein, W., Die hydraulischen Eigenschaften von
Steinkohlenflugasche und ihr Einfluss auf die
Sulfatbeständigkeit von Portlandzement.
FW1: DE 10 2005 005 259 A1
V. In der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin einen neuen Hauptantrag ein.
VI. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 1 und 14 dieses Antrags ist wie folgt:
"1. Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Porenbeton- oder Schaumbetonformkörpern genormter Güteklassen bezüglich der Festigkeit und der Rohdichte nach EN 771-4 und DIN V 4165-100 mit Rohdichten <= 450, insbesondere <= 400 kg/m**(3)
gekennzeichnet durch die Kombination der folgenden Merkmale:
- Es wird eine zement- und sulfatträgerfreie sowie insbesondere auch sulfatfreie Kalkrezeptur aus mindestens einer im Hydrothermalprozess reaktionsfähigen CaO-Komponente aus Branntkalk, insbesondere Weißfeinkalk und/oder hydraulischem Kalk oder deren Hydrate, und mindestens einer im Hydrothermalprozess reaktionsfähigen SiO2-Komponente, insbesondere in Form von gemahlenem Quarzsand mit Korngrößen bis 0,13 mm, einem sulfatfreien Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt, sowie einem Treibmittel, in Form von Aluminiumpulver oder Aluminiumpaste, oder vorgefertigtem Schaum hergestellt,
- die Rezepturbestandteile werden in einen Mischer gegeben und mit Wasser zu einer gießfähigen Masse gemischt, wobei der Kalk zu Kalkhydrat ablöscht,
- die wasserhaltige Masse wird in eine großvolumige rechteckige, einen Boden und abnehmbare Seiten- und Stirnwände sowie einen quaderförmigen Innenraum aufweisende Gießform abgefüllt,
- in der Gießform wird die Masse zum porenbildenden Treiben und Ansteifen bei der Herstellung von Porenbeton, bzw. zum Ansteifen bei der Herstellung von Schaumbeton zu einem grünen selbsttragenden und schnittfesten Betonkuchen gebracht,
- die Gießform wird um 90° auf eine ihrer Seitenwände gekippt und der Kuchen durch Entfernen des Bodens der Stirnwände und der anderen Seitenwand entschalt,
- der auf einer seiner Schmalseiten auf der Seitenwand der Gießform hochkant stehende Kuchen wird in einer Sägestation zu mindestens einem Formkörper durch Horizontal- und Vertikalschnitte geschnitten,
- an eine Breitseite des geschnittenen Kuchens wird ein hochkant stehender Härteboden angesetzt und der Härteboden samt Kuchen und Gießformseitenwand mit einer Kippvorrichtung um 90° auf seine Breitseite gekippt, so dass der Kuchen mit seiner Breitseite auf dem Härteboden aufliegt,
- die Gießformseitenwand wird entfernt und der Härteboden mit geschnittenem Betonkuchen in einen Autoklaven verbracht und der Betonkuchen darin autoklaviert,
- nach der Autoklavierung wird das hydrothermal gehärtete Betonmaterial dem Autoklaven entnommen.
14. Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Poren- oder Schaumbetonformkörpern genormter Güteklassen bezüglich der Festigkeit und der Rohdichte nach EN 771-4 und DIN V 4165-100 mit Rohdichten <=**()450, insbesondere 400 kg/m**(3),
gekennzeichnet durch
die Kombination der folgenden Merkmale:
- es wird eine zement- und sulfatträgerfreie sowie insbesondere auch sulfatfreie Kalkrezeptur aus mindestens einer im Hydrothermalprozess reaktionsfähigen CaO-Komponente aus Branntkalk, insbesondere Weißfeinkalk und/oder hydraulischem Kalk, und mindestens einer im Hydrothermalprozess reaktionsfähigen SiO2-Komponente, insbesondere in Form von gemahlenem Quarzsand mit Korngrößen bis 0,13 mm, einem sulfatfreien Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt sowie einem Treibmittel in Form von Aluminiumpulver oder Aluminiumpaste für die Herstellung von Porenbeton oder einem vorgefertigten Schaum für die Herstellung von Schaumbeton, und einer hochdispersen synthetischen Kieselsäure hergestellt,
- die Rezepturbestandteile werden in einen Mischer gegeben und mit Wasser zu einer gießfähigen Masse gemischt, wobei der Branntkalk zu Kalkhydrat ablöscht,
- die wasserhaltige Masse wird in eine großvolumige, rechteckige, einen Boden und abnehmbare Seiten- und Stirnwände sowie einen quaderförmigen Innenraum aufweisende Gießform abgefüllt,
- in der Gießform wird die Masse zum Poren bildenden Treiben und Ansteifen bei der Herstellung von Porenbeton oder zum Ansteifen bei der Herstellung von Schaumbeton zu einem grünen selbsttragenden und schnittfesten Betonkuchen gebracht,
- die Gießform wird um 90° auf eine ihrer Seitenwände gekippt und der Kuchen durch Entfernen des Bodens der Stirnwände und der anderen Seitenwand entschalt,
- der auf einer seiner Schmalseiten auf der Seitenwand der Gießform hochkant stehende Kuchen wird in einer Schneidstation zu mindestens einem Formkörper durch Horizontal- und Vertikalschnitte geschnitten,
- der geschnittene Kuchen wird auf der Seitenwand der Gießform hochkant stehend in einen Autoklaven verbracht und dort autoklaviert,
- nach der Autoklavierung wird das hydrothermal gehärtete Material dem Autoklaven entnommen."
Die Ansprüche 2 bis 13 und 15 bis 23 sind von den Ansprüchen 1 bzw. 14 abhängig und beschreiben bevorzugte Ausführungsformen dieser Verfahren.
VII. Die Beschwerdeführerinnen trugen im Wesentlichen wie folgt vor:
Das Erfordernis nach Artikel 123(2) EPÜ sei nicht erfüllt, da das Merkmal "sulfatfreies Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt" in Anspruch 14 nicht in dieser allgemeinen Form in den ursprünglichen Unterlagen offenbart sei. Die Ansprüche seien auch nicht klar, da zum einen ein wesentliches Merkmal in den unabhängigen Ansprüchen fehle und zum anderen das genannte Merkmal hinsichtlich des sulfatfreien Porenbetonmaterials zu einem Mangel an Klarheit führe. Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung sei nicht erfüllt. Insbesondere sei in der Beschreibung keine Rezeptur angegeben, die es dem Fachmann ermöglichen könnte, das Verfahren nach Anspruch 1 bzw. 14 durchzuführen. Es obliege der Beschwerdegegnerin, den Nachweis zu erbringen, dass die Erfindung ausführbar sei. Aus Absatz [0035] des Streitpatents ergebe sich, dass die Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar sei. Die Ansprüche seien insbesondere bzgl. Wassergehalt, Kuchenhöhe und Dichte nicht begrenzt, was ebenfalls zu einem Verstoß von Artikel 83 EPÜ führe. Die Verfahren nach Anspruch 1 und 14 seien nicht neu gegenüber E2. Der Gegenstand von Anspruch 1 erfülle nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E2, E6, E8 oder E9 als nächstliegendem Stand der Technik. Insbesondere sei der Fachmann sich der Nachteile von sulfathaltigen Rezepturen bewusst gewesen und hätte sulfatfreie Rezepturen in E2 eingesetzt. Ebenso sei der Gegenstand von Anspruch 14 nicht erfinderisch ausgehend von E10, E6, E7 oder E9 als nächstliegendem Stand der Technik.
VIII. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:
Die Änderung in Anspruch 14 habe eine unmittelbare und eindeutige Grundlage an mehreren Stellen der ursprünglich eingereichten Beschreibung, insbesondere Seite 7, zweiter Absatz. Die Ansprüche erfüllten das Erfordernis der Klarheit. Auch das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung sei erfüllt. Insbesondere hätten die Beschwerdeführerinnen keinen Nachweis des Gegenteils erbracht. E2 nehme den Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 nicht vorweg. Er erfülle auch das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ.
IX. Seitens der weiteren Verfahrensbeteiligten (Einsprechende 2) wurden keine Eingaben betreffend den Gegenstand der Beschwerden gemacht.
X. Anträge
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form auf der Grundlage der folgenden Dokumente:
Ansprüche 1 bis 23, eingereicht während der
mündlichen Verhandlung;
Beschreibungsseiten 2 bis 6, wie für gewährbar erachtet
in der angefochtenen
Entscheidung;
Figuren 1 bis 2d, wie im erteilten Patent.
Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 3) beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdeführerin 1 (Einsprechende 1) beantragt ferner, der Großen Beschwerdekammer die folgende Frage vorzulegen:
"Soll bei einer Erfindung, die sich in einem mechanischen und in einem Rezepturanteil manifestiert, bei Vorliegen eines Standes der Technik, der die mechanischen Bestandteile offenbart, die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit eine Veranlassung des Fachmanns voraussetzen, die Rezepturbestandteile auf der mechanischen Vorrichtung auszuführen, um das Prüfungsschema des 'Problem/Solution Approach' anzuwenden?"
1. Zulassung des Antrags der Beschwerdegegnerin
Der einzige Antrag der Beschwerdegegnerin wurde in der mündlichen Verhandlung eingereicht und entspricht dem der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Hauptantrag beinhaltend zwei Fehlerkorrekturen. Die Beschwerdeführerinnen traten seiner Zulassung nicht entgegen. Die Kammer sah keinen Grund, diesen Antrag nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1),(3) VOBK).
2. Änderungen - Artikel 123(2),(3) EPÜ
2.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen sei das Merkmal "sulfatfreies Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt" nicht im Zusammenhang mit der zweiten, den vorliegenden Anspruch 14 betreffenden Ausführungsform der Erfindung offenbart. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 14, der diese Ausführungsform betreffe, gebe keine allgemeine Basis hierfür. Auch die ursprünglich eingereichte Beschreibung offenbare dieses Merkmal nicht unmittelbar und eindeutig. Insbesondere werde auf Seite 7, zweiter Absatz, das streitige Merkmal erwähnt, dies aber im Zusammenhang mit einer "Feinheit bis 1,5 mm", was der Fachmann dort als zwingend mitlesen würde. Auch andere Stellen in der Beschreibung bildeten hierfür keine Basis.
2.2 Die Kammer kann sich dieser Ansicht aus den folgenden Gründen nicht anschließen.
2.2.1 Es steht außer Streit, dass die allgemeine Basis für den vorliegenden Anspruch 14 der ursprünglich eingereichte Anspruch 14 bildet. Streitig ist, ob das Merkmal "sulfatfreies Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt" im Zusammenhang mit den Merkmalen dieses Anspruchs in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart ist.
2.2.2 Wie die Beschwerdeführerinnen richtig feststellen, wird auf Seite 7, zweiter Absatz, das in Streit stehende Merkmal offenbart. Dort heißt es, dass "[s]ulfatfreies Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt... z.B. mit Feinheiten bis... verwendet" wird (Hervorhebung durch die Kammer). Bereits aus dieser Stelle ergibt sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig eine allgemeine Lehre dahingehend, sulfatfreies Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt zu verwenden. Da die "Feinheiten" nur optional angegeben werden (vgl. den Ausdruck "z.B.") kann die Kammer nicht die Ansicht der Beschwerdeführerinnen nachvollziehen, weshalb der Fachmann die genannte Passage dahingehend auslegen würde, dass bei der Verwendung von sulfatfreiem Porenbetonmaterial dieses zwingend in den genannten Feinheiten vorliegen müsse. Es kann daher dahinstehen, ob noch andere Stellen in der Beschreibung das in Streit stehende Merkmale offenbaren.
2.3 Das Erfordernis nach Artikel 123(2) EPÜ ist daher erfüllt.
2.4 Auch das Erfordernis nach Artikel 123(3) EPÜ ist unstreitig erfüllt, da die vorliegenden unabhängigen Ansprüche alle Merkmale der unabhängigen Ansprüche in ihrer erteilten Fassung enthalten.
3. Klarheit der Ansprüche - Artikel 84 EPÜ
3.1 Die Beschwerdeführerinnen tragen vor, dass laut Absatz [0035] des Streitpatents eine Kuchenhöhe von mehr als 0,75 m nur durch Einsatz von bestimmten Maßnahmen bzw. Stoffen möglich sei. Diese seien jedoch nicht in Anspruch 1 erwähnt. In Anspruch 1 fehlten somit wesentliche Merkmale.
3.2 Der Einwand eines fehlenden wesentlichen Merkmals in den Ansprüchen ist ein Einwand nach Artikel 84 EPÜ. Ein solcher ist im Einspruchs(beschwerde)verfahren nur dann zulässig, wenn der behauptete Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ durch die Änderung herbeigeführt wird (G 3/14, Entscheidungsformel). Da der genannte Einwand nicht durch das hinzugefügte Merkmal hinsichtlich des sulfatfreien Porenbetonmaterials herbeigeführt wurde, ist dieser Einwand unzulässig.
3.3 Die Beschwerdeführerinnen vertreten darüber hinaus die Ansicht, das Merkmal "sulfatfreies Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt" führe zu einem Mangel an Klarheit im Sinne von Artikel 84 EPÜ, da in den Ansprüchen weder die diesbezügliche Dosierung noch die Feinheit und/oder Korngrößenverteilung angegeben sei.
3.4 Zwar ist ein solcher Einwand zulässig, da das genannte Merkmal nicht in den Ansprüchen in ihrer erteilten Fassung vorhanden war, allerdings überzeugt er in der Sache nicht. In den unabhängigen Ansprüchen wird lediglich verlangt, dass die verwendete Rezeptur das genannte Porenbetonmaterial enthält. Der Fachmann erhält somit die klare Anweisung, eine Rezeptur zu verwenden, die dieses Material enthält. Das Fehlen der Angabe bzgl. Dosierung und Feinheit bzw. Korngrößenverteilung macht den Anspruch jedoch nicht unklar, sondern lehrt den Fachmann dass es auf diese nicht wesentlich ankommt, solange die restlichen, im Anspruch 1 genannten Erfordernisse erfüllt sind. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen stellt vielmehr auf die behauptete Breite des Schutzbereichs ab, was jedoch grundsätzlich nicht der Klarheit und Deutlichkeit des Anspruchs nach Artikel 84 EPÜ entgegensteht.
3.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das Erfordernis der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ insoweit erfüllt ist.
4. Offenbarung
4.1 Zur Feststellung unzureichender Offenbarung obliegt grundsätzlich dem Einsprechenden der Beweis, dass nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit ein fachkundiger Leser des Patents anhand seines allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage wäre, die Erfindung auszuführen. Dabei müssen ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtete Zweifel bestehen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage, im Folgenden "Rechtsprechung", II.C.8).
4.2 Im vorliegenden Fall ist zentrale Lehre des Streitpatents, dass Porenbeton- bzw. Schaumbetonformkörper der in Anspruch 1 angegebenen Güteklassen mit Rohdichten <= 450 kg/m**(3) auf Basis von zement- und sulfatträgerfreien Kalkrezepturen hergestellt werden können, indem man bestimmte mechanische Verfahrensmaßnahmen ergreift (Absatz [0017]) oder Wasserrückhaltemittel einsetzt (Absatz [0035]). Gemäß dem Patent kommt es dabei auf den Wassergehalt des Kuchens an, bevor er in den Autoklaven gefahren wird (Absatz [0015]). Dabei ist es von zentraler Bedeutung (vgl. Anspruch 1), dass der hochkant stehende Kuchen nach dem Schneideprozess wieder auf seine Breitseite zurück gekippt wird (Absätze [0033] und [0034]) oder ein Wasserrückhaltemittel wie hochdisperse Kieselsäure eingesetzt wird (Absatz [0035]), wenn der Kuchen hochkant (vgl. Anspruch 14) autoklaviert wird. Diese vorteilhafte Wirkung wird damit erklärt, dass sich die Auflast des Kuchens verringert bzw. die Menge des Wassers, welches nach unten durch den Kuchen sickert, verringert wird (Absatz [0034]). Die Lehre des Patents stellt daher weder auf die spezifische Zusammensetzung der Kalkrezeptur (abgesehen davon, dass es sich um eine zement- und sulfatträgerfreie Rezeptur handelt) ab, noch auf andere Bedingungen wie z.B. spezifische Bedingungen im Autoklaven. Vor dem Hintergrund der zitierten Passagen des Streitpatents scheint es auch plausibel, dass durch die genannte mechanische Verfahrensmaßnahme bzw. den Zusatz von hochdisperser Kieselsäure die erwähnte Wirkung erzielt wird, d.h. Betonkörper mit den beanspruchten Merkmalen erhalten werden.
4.3 Der Vortrag der Beschwerdeführerinnen zielt jedoch im Wesentlichen darauf ab, darzulegen, dass keine Details des Verfahrens wie z.B. eine konkrete Rezeptur oder die Bedingungen im Autoklaven angegeben seien. Die Beschwerdeführerinnen haben diesbezüglich aber keinen Nachweis erbracht, der ihre Behauptung untermauern könnte, wonach der Fachmann im Lichte seines Fachwissens und der Lehre des Streitpatents, insbesondere der oben unter 4.2 erwähnten zentralen Lehre, nicht in der Lage wäre die beanspruchten Verfahren auszuführen. Insbesondere wurde kein Nachweis erbracht, der es unplausibel erscheinen ließe, dass durch das erfindungsgemäße Zurückkippen des Kuchens in seine flache Stellung bzw. den Zusatz von hochdisperser Kieselsäure die beschriebenen Wirkungen nicht eintreten bzw. dass diese Maßnahmen nicht zu den genannten Vorteilen, d.h. zu den beanspruchten Merkmalen, führen.
4.3.1 Der Verweis der Beschwerdeführerinnen auf E1 ist in diesem Zusammenhang nicht stichhaltig, da dort weder vom erfindungswesentlichen Schritt des Zurückkippens auf die Breitseite des Kuchens die Rede ist, noch hochdisperse Kieselsäure erwähnt wird.
4.3.2 Auch E27, auf die die Beschwerdeführerinnen verweisen, kann hierzu keinen Nachweis liefern. Insbesondere geht aus den Absätzen [0002] und [0004] nicht hervor, dass durch die in Punkt 4.2 oben erwähnte mechanische Maßnahme bzw. den erwähnten Zusatz von hochdisperser Kieselsäure die gewünschte Wirkung nicht erzielt würde.
4.4 Es sei auch bemerkt, dass das Fehlen eines konkreten Ausführungsbeispiels nicht notwendigerweise ein Hindernis für die Ausführbarkeit der Erfindung darstellt. Im vorliegenden Fall ist Lehre des Patents, dass die genannte mechanischen Verfahrenweise bzw. der Zusatz von hochdisperser Kieselsäure den Kern der Erfindung darstellen. Vor diesem Hintergrund ist ein konkretes Ausführungsbeispiel im Sinne einer spezifischen Rezeptur bzw. der Angabe von spezifischen Daten für die Behandlung des Kuchens im Autoklaven nicht erforderlich, um das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ zu erfüllen.
4.5 Im Übrigen teilt die Kammer bereits nicht die Ansicht der Beschwerdeführerinnen, das Patent enthalte kein Ausführungsbeispiel bzw. keine konkrete Rezeptur. Absatz [0020] (s. auch die vorliegenden Ansprüche 4 und 15) des Streitpatents enthält sehr wohl eine solche Rezeptur. So wird in der Spalte unter dem Ausdruck "insbesondere" eine solche Rezeptur angegeben, auch wenn dort Gew.-%-Bereiche angeben werden. Auch hier haben die Beschwerdeführerinnen nicht nachgewiesen, dass der Fachmann, welcher eine Rezeptur mit Werten in den angegebenen Bereichen wählt, die Verfahren nach Anspruch 1 und 14 nicht durchführen könne. Dass dabei die gesamten Spannen der Anteilsangaben mutmaßlich nicht vollständig ausgeschöpft werden können, wie dies die Beschwerdeführerinnen vortragen, ist hierbei unbeachtlich. Insofern greift auch das Argument der Beschwerdeführerinnen nicht, wonach im vorliegenden Fall die Beweislast bei der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) liege.
4.6 Die von den Beschwerdeführerinnen zitierten Entscheidungen sind hier auch nicht einschlägig. So steht insbesondere die Lehre des vorliegenden Streitpatents nicht im Widerspruch zum allgemeinen Fachwissen (vgl. die von den Beschwerdeführerinnen zitierte Entscheidung T 792/00, Gründe 3ff)). Im Streitpatent wird nämlich (s.o.) dem Fachmann, welcher sich seines Fachwissens bedient, plausibel dargelegt, weshalb durch die erfindungswesentlichen Maßnahmen Rohdichten von <= 450 kg/m**(3) erhalten werden können. Es wurde auch kein Nachweis erbracht, der belegen könnte, dass es allgemeines Fachwissen sei, dass durch die genannten Maßnahmen, die gewünschten Wirkungen nicht erreicht werden könnten.
4.7 Auch der Verweis auf Absatz [0035] des Streitpatents kann die ausreichende Offenbarung nicht in Zweifel ziehen. Dort heißt es zwar, dass bei zu autoklavierenden Kuchen mit einer Höhe von über 0,75 m besondere Maßnahmen getroffen werden müssen. Solche Maßnahmen werden in dieser Passage aber auch genannt. So wird dort gelehrt, dass bei geringeren Mengen an Wasser vibriert werden kann bzw. bei normalen Wassermengen "Wasserrückhaltemittel und/oder Kieselsäure" zugegeben werden können.
4.8 Auch das Fehlen konkreter Angaben bzgl. der Betriebsführung des Autoklaven steht der ausreichenden Offenbarung der Erfindung nicht entgegen. Die Beschwerdeführerinnen haben auch hier keinen Nachweis erbracht, welcher ernsthafte Zweifel daran aufkommen ließe, dass der Fachmann in Kenntnis der Lehre des Streitpatents und ggf. unter Rückgriff auf das allgemeine Fachwissen den Autoklaven entsprechend einstellen und betreiben kann.
4.9 Schließlich tragen die Beschwerdeführerinnen auch vor, dass die unabhängigen Ansprüche hinsichtlich Merkmalen wie z.B. des Wassergehalts, der Kuchenhöhe und der Dichte nicht begrenzt seien und sich daher ein Mangel an Ausführbarkeit ergebe.
Auch hier haben die Beschwerdeführerinnen keinen Nachweis erbracht, dass der Fachmann Ausführungsformen ernsthaft in Betracht ziehen würde, welche z.B. einen Wassergehalt und eine Höhe aufwiesen, die unter die Ansprüche fielen, die jedoch nicht die erforderliche Dichte zeigten. Im Übrigen trägt die Beschwerdegegnerin vor, dass die Ansprüche durch den Bezug auf die dort genannte Normen auf eine Dichte von mindestens 300 kg/m**(3) begrenzt seien, was von den Beschwerdeführerinnen nicht bestritten wird.
4.10 Abschließend sei noch bemerkt, dass in der Beschreibung des Streitpatents auf die Verwendung eines "Härterostes" als wesentlich abgestellt wird (Absatz [0033]), wohingegen in Anspruch 1 nur von einem "Härteboden" die Rede ist und erst in Anspruch 2 von einem "Härterost" als "Härteboden" gesprochen wird. Dies steht jedoch der ausreichenden Offenbarung nicht entgegen, da es aus den oben gemachten Erwägungen plausibel erscheint, dass es darauf ankommt, den Kuchen auf seine Breitseite zurückzukippen und nicht darauf, wie der hierfür verwendete Träger beschaffen sein muss.
4.11 Aus den genannten Gründen ist daher das Erfordernis von Artikel 83 EPÜ erfüllt.
5. Neuheit
5.1 Die Beschwerdeführerinnen machen einen Neuheitseinwand gegenüber E2 hinsichtlich des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 14 geltend.
5.2 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass E2 die folgenden Merkmale nicht offenbare:
a) zement- und sulfatträgerfreie Rezepturen auf Basis
von Kalk;
b) Porenbetonmehl bzw. -split;
c) Dichten von <= 450 kg/m**(3).
5.2.1 Hinsichtlich Merkmal a) ist zu sagen, dass das Augenmerk von E2 auf die mechanische Verarbeitung des Kuchens gerichtet ist und sich nicht vornehmlich mit der verwendeten Rezeptur befasst. So ist vor allem ein Abschnitt der Rezeptur gewidmet (siehe S. 69, vorletzter Absatz, bis S. 70, erster Absatz). In diesem Abschnitt heißt es jedoch, dass die "Bindemittel Zement, ... Gips oder Anhydrit... in den Mischer transportiert [werden]". Dies steht der Behauptung der Beschwerdeführerinnen entgegen, E2 offenbare eine "zementfreie Kalkrezeptur". Zwar wird in E2 die Verwendung unterschiedlicher Zusammensetzungen gelehrt. Aus dieser Lehre ergibt sich jedoch nicht unmittelbar und eindeutig die Verwendung von kalkfreien Rezepturen. Das Merkmal a) ist somit nicht in E2 offenbart.
5.2.2 Hinsichtlich Merkmal b) tragen die Beschwerdeführerinnen vor, dass es in der Fachwelt üblich sei, Porenbetonausschuss in der Form von Porenbetonmehl bzw. -splitt zu verwenden und daher dieses Merkmal implizit in E2 offenbart sei. Für eine solche implizite Offenbarung obliegt es jedoch der Partei, welche diese geltend macht, nachzuweisen, dass dieses Merkmal zwingend vorhanden sein muss. Hierfür ist es jedoch nicht ausreichend zu behaupten, dass es üblich war, Porenbetonmehl bzw. -splitt zu verwenden. Es wäre hierzu erforderlich nachzuweisen, dass es bei der Herstellung von Porenbeton- bzw. Schaumbetonformkörpern nicht möglich ist, auf Porenbetonmehl bzw. Porenbetonsplitt zu verzichten. Ein solcher Nachweis fehlt jedoch. Die Beschwerdeführerinnen verweisen in diesem Zusammenhang auf E19. Dieses Dokument ist eine Patentschrift. Eine einzige Patentschrift kann jedoch regelmäßig nicht als Nachweis für allgemeines Fachwissen dienen. Zwar ergibt sich insbesondere aus Anspruch 1 von E19, dass Porenbetongranulat der Rezeptur zugegeben wird. Dass dies zwingend auch in E2 der Fall ist, ergibt sich hieraus nicht. Auch aus FW1 ergibt sich lediglich, dass die Zugabe von Porenbetonmehl zwar üblich ist, dass die Zugabe von Porenbetonmehl zwingend auch in E2 durchgeführt wird, ergibt sich hieraus ebenfalls nicht.
Merkmal b) ist daher ebenfalls nicht in E2 offenbart. Dies gilt umso mehr, als die Ansprüche 1 und 14 den Einsatz von sulfatfreiem Porenbetonmaterial/-splitt fordern.
5.2.3 Die zu Merkmal a) gemachten Ausführungen (s.o. Punkt 5.2.1) gelten entsprechend für Merkmal c), da sich der Vortrag der Beschwerdeführerinnen darin erschöpft zu behaupten, die in E2 offenbarte Lehre, unterschiedliche Zusammensetzungen zu verwenden, führe "letztendlich zu einem Porenbetonformkörper mit einer Rohdichte von 450 kg/m**(3) oder weniger".
5.3 Aus den genannten Gründen ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 14 und der davon abhängigen Ansprüche neu. Darüber hinaus bemerkt die Kammer hinsichtlich Anspruch 14, dass E2 nicht offenbart, hochdisperse synthetische Kieselsäure in der Kalkrezeptur zu verwenden.
5.4 Das Erfordernis nach Artikel 54(1),(2) EPÜ ist daher erfüllt.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1 Anspruch 1
6.1.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Porenbeton- bzw. Schaumbetonformkörpern.
6.1.2 In der mündlichen Verhandlung trugen die Beschwerdeführerinnen vor, dass E2 oder E6 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen seien. Im schriftlichen Verfahren wurden auch E8 und E9 als nächstliegender Stand der Technik genannt.
Die Kammer sieht E2 bzw. E8 als nächstliegenden Stand der Technik an. Während E2, E6, E8 und E9 insofern vergleichbar sind, als sie allesamt die Herstellung von Porenbeton und insbesondere die mechanischen Verfahrensschritte zu seiner Herstellung zum Gegenstand haben (E6: Spalte 1, Zeilen 30ff; E9: Absatz 2.4.1) scheint jedoch nur E2 bzw. E8 zu offenbaren (E2: Seite 69, erster vollständiger Absatz), dass der Kuchen nach dem Zuschneiden in aufrechter Stellung wieder in horizontale Stellung verbracht wird. Da auch in E8 (vgl. Fig. 7) ein solcher Verfahrensschritt offenbart ist, geltend die Ausführungen zu E2 als nächstliegendem Stand der Technik (s.u.) entsprechend für E8.
6.1.3 Gemäß dem Patent ist zu lösenden Aufgabe, bei sulfatfreien Poren- und Schaumbetonprodukten genormter Güteklassen bezüglich der Festigkeit und der Rohdichte nach EN 771-4 und DIN V 4165-100 die Thaumasitbildung auszuschließen und die Nachteile von Zementrezepturen zu kompensieren (Absatz [0010]).
6.1.4 Gemäß Anspruch 1 wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch ein Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Porenbeton- oder Schaumbetonformkörpern zu lösen, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass eine zement- und sulfatträgerfreie Kalkrezeptur aus mehreren Komponenten umfassend sulfatfreies Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt hergestellt wird und Porenbeton- bzw. Schaumbetonformkörper mit eine Rohdichte von <= 450kg/m**(3)erhalten wird.
6.1.5 Es ist insbesondere im Hinblick auf die Absätze [0004] bis [0007], [0033] und [0034] des Streitpatents glaubhaft, dass die gestellte Aufgabe gelöst wird.
Die Beschwerdeführerinnen machen in diesem Zusammenhang geltend, dass Anspruch 1 keinen "absolut sulfatfreien" Porenbeton bzw. keine absolut sulfatfreie Kalkrezeptur vorschreibt, da in Absatz [0025] auch Flugasche, welche bis zu 2,4 % Sulfat enthalte (vgl. die Dokumente A3 und A4), als SiO2-Komponente erwähnt werde.
Es kann jedoch dahin stehen, ob Anspruch 1 neben der Verwendung von Quarzsand oder Quarzmehl als SiO2-Hauptkomponente auch die Verwendung von geringen Mengen von bis zu 2,4 % Sulfat enthaltender Flugasche umfasst, da kein Nachweis vorliegt, dass bei entsprechend geringen Mengen an Sulfat in der verwendeten Kalkrezeptur die gestellte Aufgabe nicht gelöst sei.
Aus den genannten Gründen erübrigt sich eine Umformulierung der Aufgabe.
6.1.6 Gemäß dem Vortrag der Beschwerdeführerinnen lag die Lösung im Lichte von E2 alleine oder in Kombination mit E6 oder E19 bzw. FW1 nahe.
Zunächst ist zu bemerken, dass in E2 explizit die Verwendung von Zement und Gips bzw. Anhydrit (Sulfatkomponente) gelehrt wird (Seite 69, letzter vollständiger Absatz). Es ist also die Frage zu beantworten, ob es vor dem Hintergrund der gestellten Aufgabe nahelag, zumindest die in E2 gelehrte Rezeptur so abzuändern, dass sie sowohl zement- als auch sulfatträgerfrei ist und auch sulfatfreies Porenbetonmaterial enthält. E2 enthält hierzu keinen Hinweis.
In E6 wird gelehrt, dass bestimmte zement- und sulfatfreie Kalkrezepturen zu Dichten von bis zu 1000 kg/m**(3) führen (Spalte 4, Zeilen 6ff). Es ist daher bereits aus diesem Grund fraglich, ob der Fachmann, welcher die geforderte Dichte von <= 450kg/m**(3) erhalten wollte, die Lehre von E6 in E2 angewandt hätte bzw. ob der Fachmann, wenn er dies getan hätte, zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt wäre, welcher eine Dichte von <= 450kg/m**(3) erfordert. Darüber hinaus enthält E6 keine Lehre hinsichtlich der Verwendung von sulfatfreiem Porenbetonmehl bzw. Porenbetonsplitt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Verwendung von sulfatfreiem Porenbetonmehl bzw. Porenbetonsplitt nicht nur ein Unterscheidungsmerkmal ggü. E2 darstellt, sondern auch, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen, einen Beitrag zur Lösung bildet, da es gemäß der Lehre des Patents darauf ankommt, das Wasser im Kuchen zu immobilisieren, und das Porenbetonmehl bzw. der Porenbetonsplitt hierzu beiträgt (Absatz [0022]). Es ist daher nicht zulässig, die Aufgabe als zwei getrennte Teilaufgaben zu behandeln und das Naheligen von Porenbetonmaterial und Sulfatfreiheit getrennt voneinander zu behandeln, wie dies von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen wird.
Was E19 anbelangt, so wird dort zwar die Verwendung von Porenbeton in Form von Granulat gelehrt (Spalte 2, Zeilen 36ff), E19 lehrt jedoch weder, dass dieses Granulat sulfatfrei ist noch dass die verwendete Rezeptur eine zement- und sulfatträgerfreie Kalkrezeptur ist (vgl. Anspruch 1 von E19). Somit würde der Fachmann, selbst wenn er, wie von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen, Porenbeton in Form von Granulat in E2 verwenden würde, nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen, der die Verwendung von sulfatfreiem Porenbetonmaterial verlangt. Entsprechendes gilt für das Dokument FW1.
Die Beschwerdeführerinnen tragen auch vor, dass es für den Fachmann nahelag, sulfatfreie Kalkrezepturen in E2 zu verwenden, da es ihm bekannt war, dass strenge Vorschriften hinsichtlich der Deponierung von sulfathaltigem Betonmaterial existieren. Das Problem der Thaumasitbildung bei Betonmaterial auf Zementrezepturbasis, d.h. enthaltend Sulfat, sei ihm ebenso bekannt gewesen (vgl. Absatz [0007] des Streitpatents).
Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht. Vor dem wirksamen Datum des Streitpatents war es zwar unstreitig bekannt, sulfatfreie Kalkrezepturen zu verwenden. Diese führten aber zu zu geringen Festigkeiten bzw. zu zu hohen Rohdichten (vgl. Absatz [0004] des Streitpatents). Es war daher für den vor die genannte Aufgabe gestellten Fachmann nicht naheliegend, sulfatfreie Kalkrezepturen in E2 einzusetzen. Darüber hinaus wäre er nicht zu dem Gegenstand von Anspruch 1 gelangt, selbst wenn er in E2 Kalkrezepturen eingesetzt hätte, da Anspruch 1, wie erwähnt, auch sulfatfreies Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl bzw. -splitt vorschreibt.
6.1.7 Die Beschwerdeführerinnen tragen auch vor, dass im vorliegenden Falle der Fachmann keines Hinweises im Stand der Technik bedurfte, um eine sulfatfreie Kalkrezeptur, welche Porenbetonmaterial umfasst, in E2, welches die mechanischen Aspekte des Verfahrens nach Anspruch 1 offenbare, einzusetzen.
Dieser Ansicht kann die Kammer nicht folgen. Es ist nämlich ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, dass es für den Nachweis des Fehlens an erfinderischer Tätigkeit nicht genügt zu zeigen, dass die im nächstliegenden Stand der Technik (hier: E2) fehlenden Merkmale (hier: insbesondere sulfatfreie Kalkrezeptur und sulfatfreies Porenbetonmaterial) im Stand der Technik bekannt waren. Vielmehr ist hierfür notwendig, darzulegen, dass der vor die zu lösende Aufgabe gestellte Fachmann die fehlenden Merkmale auch im nächstliegenden Stand der Technik eingesetzt hätte bzw. eine entsprechende Veranlassung gehabt hätte, dies zu tun (Rechtsprechung, supra, I.D.5.; sog. "could-would approach").
6.1.8 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 vor dem zitierten Stand der Technik nicht nahelag.
6.2 Anspruch 14
6.2.1 Die Erfindung betrifft, wie bereits erwähnt, ein Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Porenbeton- bzw. Schaumbetonformkörpern.
6.2.2 Die Beschwerdeführerinnen zitieren als nächstliegenden Stand der Technik E10, E6, E7 oder E9. Es steht außer Streit, dass keines dieser Dokumente die Zugabe von sulfatfreiem Porenbetonmehl bzw. -splitt und von hochdisperser synthetischer Kieselsäure offenbart.
6.2.3 Auch hier ist zu lösenden Aufgabe, bei sulfatfreien Poren- und Schaumbetonprodukten genormter Güteklassen bezüglich der Festigkeit und der Rohdichte nach EN 771-4 und DIN V 4165-100 die Thaumasitbildung auszuschließen und die Nachteile von Zementrezepturen zu kompensieren (Absatz [0010]).
6.2.4 Gemäß Anspruch 14 wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch ein Verfahren zur hydrothermalen Herstellung von Porenbeton- oder Schaumbetonformkörpern unter Verwendung einer zement- und sulfatträgerfreien Kalkrezeptur zu lösen, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die Rezeptur sulfatfreies Porenbetonmaterial in Form von Porenbetonmehl und/oder Porenbetonsplitt und hochdisperse synthetische Kieselsäure enthält und dass ein Porenbeton- bzw. Schaumbetonformkörper mit eine Rohdichte von <= 450kg/m**(3)erhalten wird.
6.2.5 Es ist insbesondere im Hinblick auf die Absätze [0004] bis [0007] und [0035] des Streitpatents glaubhaft, dass die gestellte Aufgabe gelöst wird.
6.2.6 Nach Ansicht der Beschwerdeführerinnen sei der Gegenstand von Anspruch 14 ausgehend von den als nächstliegendem Stand der Technik zitierten Dokumenten im Hinblick auf E12, welches hochdisperse synthetische Kieselsäure offenbare, und E19 bzw. FW1, welche die Zugabe von Porenbetonmaterial lehrten, nahegelegt. Auch hier stelle sich die Aufgabe als zwei unabhängige Teilaufgaben dar, die somit einzeln zu behandeln seien.
Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Zum einen wirken hochdisperse synthetische Kieselsäure und Porenbetonmaterial zusammen, da beide als Wasserrückhaltemittel agieren (vgl. Absätze [0016], [0022] und [0035] des Streitpatents). Es ist daher, wie oben hinsichtlich Anspruch 1 ausgeführt, nicht zulässig, die Aufgabe in zwei getrennte Teilaufgaben zu formulieren bzw. das Naheliegen dieser beiden Unterscheidungsmerkmale getrennt voneinander zu beurteilen. Darüber hinaus offenbaren weder E19 noch FW1 die Verwendung von sulfatfreiem Porenbetonmaterial und lehren weder diese Dokumente noch D12, Porenbetonmaterial bzw. Kieselsäure einzusetzen, um die gestellte Aufgabe zu lösen.
6.2.7 Folglich ergibt sich der Gegenstand von Anspruch 14 nicht in naheliegender Weise aus dem zitierten Stand der Technik.
6.3 Das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ ist daher für die beiden unabhängigen Ansprüche und die davon abhängigen Ansprüche erfüllt.
7. Antrag auf Vorlage einer Rechtsfrage
7.1 Die Beschwerdeführerin 1 beantragt, die Große Beschwerdekammer mit einer Rechtsfrage zu befassen (s.o. Punkt X.).
7.2 Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, befasst die Beschwerdekammer von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält (Artikel 112(1)a) EPÜ). Wenn die Frage von der Beschwerdekammer selbst ohne Zweifel beantwortet werden kann, so muss diese Frage der Großen Beschwerdekammer nicht vorgelegt werden (T 1242/04, Gründe 10.3).
7.3 Im vorliegenden Fall ist eine Vorlage nicht zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung notwendig, da die Frage im Kern die Anwendbarkeit des "could-would approach" betrifft und dieser nach ständiger Rechtsprechung anzuwenden ist (vgl. oben Punkt 6.1.7). Aus denselben Gründen handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Frage konnte auch von der Kammer ohne Zweifel beantwortet werden (vgl. Punkt 6.1.7 oben).
7.4 Die Kammer befasst die Große Beschwerdekammer daher nicht mit dieser Frage.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurück
verwiesen mit der Anweisung, das Patent in geänderter Form
aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der folgenden
Dokumente:
Ansprüche 1 bis 23, eingereicht während der
mündlichen Verhandlung;
Beschreibungsseiten 2 bis 6, wie für gewährbar erachtet in
der angefochtenen Entscheidung;
Figuren 1 bis 2d, wie im erteilten Patent.