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T 1755/16 02-02-2021
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SYSTEM ZUR FESTSTELLUNG EINES OBJEKTS IN EINER ÜBERWACHUNGSFLÄCHE
SICK AG
Leuze electronic GmbH + Co. KG
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (nein)
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (nein)
Spät eingereichter Einwand - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2 richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. EP-B-2 208 092 in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten (Artikel 101(3) a) EPÜ).
II. Es wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E1:|EP 0709335 A1, |
D2:|DE 19815147 A1, |
D3:|DE 19815150 B4, |
E4:|W. Kriesel, O. W. Madelung, ASI: Das Aktuator-Sensor-Interface für die Automation, Carl Hanser Verlag, München, 1994.|
III. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragten die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 (Einsprechende 1 und 2) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang mit folgender Fassung:
- Ansprüche: Nr. 1 eingereicht mit Schreiben vom 21. Februar 2017 und Nr. 2-12 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2016,
- Beschreibung: Absätze 1-8, 10-31, 33-64 der Patentschrift, Absätze 9 und 32 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2016,
- Zeichnungen: Blätter 1/3 bis 3/3 der Patentschrift.
IV. Der Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt (Merkmalskennzeichnung "1.1" bis "1.8" durch die Kammer):
1.1|System (1, 19) zur Feststellung eines Objekts in einer Überwachungsfläche (6a) mit einer Mehrzahl von Sensoren (4, 5) |
1.2|bestehend aus wenigstens einem Sender (4) und |
1.3|wenigstens einem Empfänger (5) sowie |
1.4|einer Elektronikeinheit (3) zur Auswertung der Empfänger (5), dadurch gekennzeichnet, dass |
1.5|die mehreren Sender und die mehreren Empfänger jeweils busfähig sind und über ein Bussystem mit der Elektronikeinheit verbunden sind, dass|
1.6|die Elektronikeinheit in der Lage ist, den Sendern und Empfängern eine Ansprechadresse zuzuteilen, wobei |
1.7|eine Adresszuteilung in einer Weise erfolgt, dass nach der Adresszuteilung eine Zuordnung von Empfängern zu Sendern ermöglicht ist und |
1.8|nach der Verteilung der Adressen die physikalische Reihenfolge der Sender und Empfänger der Elektronikeinheit zur Verfügung steht. |
V. Die Beteiligten haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Änderungen
Die Beschwerdeführerin 1 ist der Ansicht, dass das Merkmal 1.5 des Anspruchs 1, wonach die Sender und Empfänger "busfähig" seien, über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Ferner machte sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend, dass auch das Merkmal 1.8 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinausgehe.
Die Beschwerdegegnerin führt mehrere Textstellen in der ursprünglichen Beschreibung als Offenbarungsgrundlage für das Merkmal 1.5 an und ist der Meinung, dass dieses Merkmal nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinausgehe. Der neue Einwand gegen das Merkmal 1.8 sei extrem verspätet vorgetragen worden und solle nicht in das Verfahren zugelassen werden.
b) Neuheit
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin 1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl gegenüber Dokument E1 als auch gegenüber Dokument D3 nicht neu.
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass weder Dokument E1 noch Dokument D3 die Merkmale 1.6 bis 1.8 des Anspruchs 1 offenbare. Aus Dokument E1 sei überdies das Merkmal 1.5 nicht bekannt. Der beanspruchte Gegenstand sei daher neu.
c) Erfinderische Tätigkeit
Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 sind der Ansicht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber Dokument E1 als nächstliegendem Stand der Technik alleine oder in Kombination mit der Lehre des Dokuments E4 keine erfinderische Tätigkeit aufweise. Außerdem sei der beanspruchte Gegenstand auch gegenüber Dokument D2 oder D3 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre des Dokuments E1 nicht erfinderisch.
Die Beschwerdegegnerin ist der Meinung, dass der beanspruchte Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit gegenüber den Dokumenten E1, D2, D3 und E4 aufweise, sowohl wenn von Dokument E1 als auch wenn von Dokument D2 oder D3 als dem nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen werde.
1. Änderungen
1.1 Artikel 123 (3) EPÜ
Die Beschwerdeführerin 1 brachte gegen Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (d. h. des damaligen zweiten Hilfsantrags) den Einwand vor, dass das damalige Merkmal, wonach die Elektronikeinheit den Sendern "und/oder" Empfängern eine Ansprechadresse zuteilen könne, den Schutzbereich erweitere. Im erteilten Anspruch 1 werde nämlich diesbezüglich die engere Konjunktion "und" verwendet.
Dieser Einwand wurde von der Beschwerdegegnerin durch die im Beschwerdeverfahren vorgenommene Substitution der Konjunktion "und/oder" durch die im erteilten Anspruch 1 verwendete Konjunktion "und" ausgeräumt (siehe Merkmal 1.6).
Der Schutzbereich des Patents wurde somit durch die vorgenommenen Änderungen nicht erweitert (Artikel 123 (3) EPÜ).
1.2 Artikel 123 (2) EPÜ
1.2.1 In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der von ihr aufrechterhaltenen Fassung, insbesondere Merkmal 1.5, nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (siehe Punkte 2.2.a und 3.1 der Beschwerdebegründung).
1.2.2 Die Beschwerdeführerin 1 ist der Ansicht, dass das Merkmal 1.5 des Anspruchs 1, wonach die Sender und Empfänger "busfähig" sind, über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Insbesondere sei dieser Ausdruck nicht explizit in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen genannt und impliziere eine aktive Rolle des Busteilnehmers, d. h. die Fähigkeit zyklisch Nachrichten zu senden und zu empfangen (siehe Punkt II der Beschwerdebegründung).
1.2.3 Es ist zunächst festzuhalten, dass der zweite Teil des Merkmals 1.5, wonach die Sender und Empfänger über ein Bussystem mit der Elektronikeinheit verbunden sind, explizit aus dem ursprünglichen Anspruch 12 hervorgeht.
Bezüglich des ersten Teils des Merkmals 1.5 stimmt die Kammer mit der Beschwerdeführerin 1 darin überein, dass es in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht explizit offenbart ist, dass die Sender und Empfänger jeweils "busfähig" sind.
Es stellt sich also die Frage, wie dieser Begriff zu verstehen ist und ob der erste Teil des Merkmals 1.5 im Hinblick auf diese Bedeutung implizit in der Anmeldung wie eingereicht offenbart ist.
Der Ausdruck "busfähig" ist nach Ansicht der Kammer gemäß allgemeinem Fachwissen des auf dem technischen Gebiet von Überwachungseinrichtungen tätigen Fachmanns so zu verstehen, dass jeweils busfähige Sender und Empfänger dazu ausgelegt sein müssen, direkt an einen Bus angeschlossen zu werden und allein über den Bus mit Hilfe entsprechender Adressen mit anderen Busteilnehmern (z. B. mit der Elektronikeinheit) zu kommunizieren. Daraus ergibt sich auch die Fähigkeit der Sender und Empfänger, bei entsprechender Steuerung durch die Elektronikeinheit, Daten zyklisch zu senden und zu empfangen. Die genannte Auslegung des Begriffs "busfähig" ist somit nicht im Widerspruch zum Vortrag der Beschwerdeführerin 1.
In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen wird offenbart, dass über das Bussystem Adressen an die Sender und Empfänger verteilt werden (siehe Beschreibung, Seite 10, vorletzter Absatz und Seite 13, Absatz 4) und dass die Kommunikation zwischen den Sendern und Empfängern einerseits und der Elektronikeinheit (Controller 3, 31) andererseits allein über den Bus stattfindet (Beschreibung, Seite 11, Absätze 2 und 4). Dabei werden die Sender und Empfänger direkt, z. B. mittels Steckerelementen, mit dem Bus verbunden, an welchem auch die Elektronikeinheit (Controller 3, 31) angeschlossen ist (siehe Beschreibung, Seite 12, erster Absatz bis Seite 13, Absatz 5; Abbildungen 4 bis 8).
Die Kammer ist daher der Ansicht, dass auch der erste Teil des Merkmals 1.5 unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ableitbar ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1, insbesondere des Merkmals 1.5, geht daher nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ).
1.3 Verspätet vorgetragener Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ
1.3.1 Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020, welcher im vorliegenden Fall anzuwenden ist (Artikel 24 und 25 VOBK 2020), bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
1.3.2 Im vorliegenden Fall brachte die Beschwerdeführerin 1 erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer als Einwand die Tatsachenbehauptung betreffend Artikel 123(2) EPÜ vor, dass das Merkmal 1.8 des Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Sie vertrat die Auffassung, dass eine Zwischenverallgemeinerung gegenüber der im Absatz [0009] des Streitpatents offenbarten Lehre vorliege.
Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass der neue Einwand extrem verspätet vorgetragen worden sei und nicht in das Verfahren zugelassen werden solle.
1.3.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass der neue Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin 1 im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 betreffend Tatsachen beinhaltet (siehe Artikel 12 (4) VOBK 2020).
Die Beschwerdeführerin 1 hat keine Gründe, insbesondere keine außergewöhnlichen Umstände dafür vorgetragen, dass der neue Einwand nicht bereits früher vorgebracht wurde.
Die Kammer sieht hierfür ebenfalls keinen Grund. In der Tat hätte der Einwand bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geäußert werden können, zumal der entsprechende Absatz [0009] des Streitpatents in der mündlichen Verhandlung diskutiert wurde (siehe Seite 9, letzter Absatz des Protokolls). Zumindest hätte er zu einem wesentlich früheren Stadium des Beschwerdeverfahrens vorgetragen werden sollen, z. B. in der Beschwerdebegründung.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin 1 keine stichhaltigen Gründe dafür aufgezeigt hat, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Berücksichtigung des neuen, auf Tatsachen beruhenden Einwands rechtfertigen. Somit bleibt dieser Einwand gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 unberücksichtigt.
2. Neuheit
2.1 In der angefochtenen Entscheidung entschied die Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der von ihr aufrechterhaltenen Fassung insbesondere gegenüber den Dokumenten D3 und E1 neu sei (siehe Punkte 1.2.3, 1.3.2 und 3.2.1.6 der Entscheidungsgründe).
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin 1 sei der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl gegenüber Dokument D3 als auch gegenüber Dokument E1 nicht neu.
2.2 Dokument D3
2.2.1 Dokument D3 offenbart (siehe Absätze [0019]-[0038]; Abbildung 1) eine Anordnung von Sensoren zur Überwachung eines Arbeitsgerätes. Ein Bussystem 1 arbeitet nach dem Master-Slave-Prinzip, wobei Sensoren 2 an das Bussystem 1 angeschlossen sind, welche eine Anordnung zur Überwachung des Arbeitsgeräts darstellen. Erfolgt ein Personeneingriff in das Vorfeld des Arbeitsgeräts, so wird das Arbeitsgerät aus Sicherheitsgründen abgeschaltet.
Die Sensoren 2 bilden die Slaves des Bussystems 1 (z. B. ein ASI-Bussystem), welches vom Master, der von einer Steuereinheit 3 gebildet ist, zentral gesteuert wird. Der Master und die Slaves sind über Busleitungen 4 miteinander verbunden. Der Master fragt die einzelnen Slaves unter vorgegebenen Adressen zyklisch ab, worauf jeder Slave eine Antwort an den Master sendet. Ein Masteraufruf besteht aus einem Startbit, einer 5 Bit-breiten Adresse, 2 Bit Steuerinformation, 4 Bit Nutzdaten sowie jeweils einem Paritäts- und Stopp-Bit. Die zugehörige Slaveantwort enthält ein Startbit, 4 Bit Nutzdaten sowie jeweils ein Paritäts- und Stopp-Bit.
Die Slaves werden jeweils von einer Lichtschranke mit einem Sendelichtstrahlen 13 emittierenden Sender 14 und einem Empfänger 15 gebildet, wobei z. B. vierzehn Lichtschranken verwendet werden. Der Schaltzustand "0" entspricht einem freien Strahlengang, so dass die vom Sender 14 emittierten Sendelichtstrahlen 13 ungehindert auf den Empfänger 15 treffen.
Zur Überprüfung der über die Busleitungen 4 gesendeten Signale ist eine redundante Auswerteeinheit 8 an das Bussystem 1 angeschlossen, welche fortlaufend die auf den Busleitungen 4 übertragenen Signale abhört. Die Inbetriebsetzung des Arbeitsgeräts erfolgt über Ausgänge 11, 12 der Auswerteeinheit 8, falls der Datenverkehr über die Busleitungen 4 fehlerfrei erfolgt und sich die einzelnen Sensoren 2 jeweils im Schaltzustand "0" befinden.
2.2.2 Die Beschwerdeführerin 1 ist der Ansicht, dass das Dokument D3 einen direkten Verweis auf die automatische Adressvergabe gemäß Dokument E4 enthalte, welches ein identisches ASI-Bussystem wie Dokument D3 betreffe. Im Dokument E4, Seite 24, letzter Absatz, werde explizit eine automatische Adressvergabe beschrieben. Dieses Dokument stelle überdies allgemeines Fachwissen dar. Außerdem zeige Dokument E1, Abbildung 1, dass der Steuereinheit die physische Reihenfolge bekannt sein muss.
Die Beschwerdegegnerin ist der Meinung, dass die Merkmale 1.6 bis 1.8 des Anspruchs 1 aus Dokument D3 nicht bekannt seien.
2.2.3 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin 1 darin überein, dass das Dokument E4 das Fachwissen des Fachmanns in Bezug auf die Steuerung und den Anschluss von Sensoren und Aktuatoren an eine Steuereinheit darlegt. Wie von der Beschwerdegegnerin hervorgehoben, werden im Dokument E4 auf Seite 25, Bild 1.6 die Eckdaten von ASI-Systemen zusammengefasst. Dabei werden für die Vergabe der Adressen an die Busteilnehmer (d. h. Sensoren oder Aktuatoren) zwei Alternativen genannt, nämlich die Adressvergabe mittels Master oder Adressiergerät. In dem von den Beschwerdeführerinnen 1 und 2 angeführten Absatz im Dokument E4 (Seite 24, letzter Absatz) wird zwar nur die automatische Adressvergabe durch den Master erwähnt. Dieser Absatz ist jedoch lediglich Teil einer schlagwortartigen Auflistung der Eigenschaften von ASI-Systemen (siehe Seite 24, erster Absatz im Abschnitt 1.3.2), in dem offensichtlich die alternative Adressvergabe durch ein spezielles Adressiergerät ausgelassen wurde.
Dem Fachmann ist es demnach aufgrund seines Fachwissens nicht offenkundig, welche der zwei im Dokument E4 genannten alternativen Adressvergabeverfahren im System gemäß Dokument D3 verwendet wird. Insbesondere ist es dem Fachmann nicht offenkundig, dass die im Dokument D3 beschriebene Steuereinheit 3 oder Auswerteeinheit 8 in der Lage ist, den Sendern 14 und Empfängern 15 eine Ansprechadresse zuzuteilen.
Der im Dokument D3 enthaltene Verweis auf Dokument E4 ist überdies sehr allgemein und bezieht sich lediglich darauf, dass "die Funktionsweise des ASi-Bussystems" im Dokument E4 beschrieben sei (siehe Absatz [0023]). Daraus lassen sich ebenfalls keine Rückschlüsse darüber ableiten, welche Art der Adressvergabe im System von Dokument D3 verwendet wird.
Somit kommt die Kammer zum Schluss, dass das Merkmal 1.6 des Anspruchs 1 im Dokument D3 nicht offenbart ist.
2.2.4 In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Ansicht, dass Merkmal 1.8 so auszulegen ist, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verteilung der Adressen und der Verfügbarkeit der physischen Reihenfolge der Sender und Empfänger in der Elektronikeinheit besteht (siehe Punkt 3.2.1.4 der Entscheidungsgründe). Dies wurde von den Beteiligten nicht bestritten.
Die Kammer stimmt dieser Auslegung des Merkmals 1.8 zu. Diese Auslegung ist auch in Übereinstimmung mit dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents gemäß Abbildung 8, wonach den Busteilnehmern durch eine entsprechende Schaltung Adressen in der Reihenfolge ihrer physischen Anordnung zugeteilt werden, so dass dem Controller 31 durch die Adresszuteilung an die Busteilnehmer zwangsläufig die physische Reihenfolge der Busteilnehmer zur Verfügung steht (siehe Absätze [0054]-[0061] und Abbildung 8).
Dementsprechend ist Merkmal 1.7 so auszulegen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Adresszuteilung und der Ermöglichung der Zuordnung von Empfängern zu Sendern besteht. Dies ist ebenfalls in Übereinstimmung mit dem oben genannten Ausführungsbeispiel des Streitpatents (siehe Absätze [0009] und [0041]).
Da im Dokument D3 nicht offenbart ist, wie die Adressen zugeteilt werden, kann in diesem Dokument auch nicht die gemäß den Merkmalen 1.7 und 1.8 beanspruchte Art und Weise der Adresszuteilung offenbart sein. Diese ist auch keine zwingende Folge irgendeiner Adresszuteilung, die ja auch im System gemäß Dokument D3 stattgefunden haben muss. Die Adresszuteilung könnte nämlich auch ohne die genannten kausalen Zusammenhänge erfolgen, z. B. mit Hilfe zusätzlicher Informationen bezüglich der Paarbildung bzw. physischen Reihenfolge der Sender und Empfänger.
Überdies kann im System gemäß Dokument D3 eine Zuordnung von Empfängern zu Sendern keine Folge der Adresszuteilung sein, da dort eine Lichtschranke (mit einem Sender 14 und einem Empfänger 15) einen Slave mit einer einzigen Adresse bildet (siehe Absätze [0021], [0022], [0030]; Abbildung 1). Eine physische Zuordnung eines Empfängers zu einem Sender zur Bildung einer Lichtschranke muss also unabhängig von der Adresszuteilung stattfinden.
Schließlich offenbart Dokument D3 überhaupt keine Informationen bezüglich der physischen Reihenfolge der Lichtschranken mit jeweils einem Sender 14 und einem Empfänger 15. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass die in Abbildung 1 gezeigte Anordnung der Anschlüsse der Sensoren 2 (d. h. Lichtschranken) an die Busleitungen 4 keinerlei Rückschlüsse bezüglich der physischen Anordnung der Sensoren 2 zulässt. Abbildung 1 zeigt lediglich die elektrischen Verbindungen der einzelnen Komponenten des Systems.
Somit kommt die Kammer zum Schluss, dass auch die Merkmale 1.7 und 1.8 des Anspruchs 1 im Dokument D3 nicht offenbart sind.
2.2.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber Dokument D3.
2.3 Dokument E1
2.3.1 Dokument E1 offenbart (siehe Spalte 1, Zeilen 3-5; Spalte 3, Zeile 15 - Spalte 5, Zeile 8; Abbildungen 1-4) Strahldetektoren zur Erfassung der Behinderung von Fahrstuhltüren. Insbesondere ist eine Senderanordnung 25 an einer ersten Fahrstuhltüre 20 und eine Empfängeranordnung 30 an einer zweiten Fahrstuhltüre 15 angeordnet. Eine Steuereinrichtung 35 ist mit der Senderanordnung 25 und der Empfängeranordnung 30 verbunden und befindet sich an der Oberseite der Fahrstuhlkabine 10. Die Senderanordnung 25 enthält eine Vielzahl von Sendern 60 (z. B. LEDs) und die Empfängeranordnung 30 enthält eine Vielzahl von Empfängern 80 (z. B. Photodioden), wobei jedem Sender 60 ein entsprechender Empfänger 80 zugeordnet ist, welcher die Strahlen (z. B. Infrarotstrahlen) des zugeordneten Senders 60 detektiert.
Die Sender 60 der Senderanordnung 25 sind paarweise angeordnet, so dass eine, mit eine Zenerdiode 70 in Serie geschaltete LED-Einheit 65 mit einer zweiten LED-Einheit 65 mit Zenerdiode 70 elektrisch verbunden ist. Abhängig von der Richtung des Stromflusses im Anschlusskabel des LED-Paares wird die eine oder andere LED-Einheit 65 zur Strahlungsemission gebracht.
Die Steuereinrichtung 35 umfasst einen Mikrokontroller 90, einen Speicher 95 und einen Datenbus 125. Dieser bildet die elektrische Verbindung des Mikrokontrollers 90 und Speichers 95 mit einem DIP-Schalter-Latch 100, Empfänger-Eingangslatch 105, Senderadressen-Latch 110, Empfängeradressen-Latch 115, und einem I/O-Decoder 120. Das Senderadressen-Latch 110 und das Empfängeradressen-Latch 115 stellen einem Sender-Treiber 145 bzw. Empfänger-Treiber 150 Daten vom Mikrokontroller 90 bezüglich der Senderadressen bzw. Empfängeradressen bereit. Der Sender-Treiber 145 und Empfänger-Treiber 150 steuert den entsprechenden Sender 60 der Senderanordnung 25 bzw. den entsprechenden Empfänger der Empfängeranordnung 30 an.
2.3.2 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin 1 gehe aus Dokument E1, Spalte 4 und Abbildung 4 hervor, dass die dort offenbarten Sender und Empfänger busfähig seien und über ein Bussystem mit der Elektronikeinheit verbunden seien. Außerdem sei den Sendern und Empfängern zwingend eine Ansprechadresse zugeteilt worden, was nur durch den Mikrocontroller 90 erfolgt sein könne. Da die Paare aus Sendern und Empfängern in der Reihenfolge der physischen Anordnung oder in einer beliebigen anderen Reihenfolge aktiviert werden könnten (siehe E1, Spalte 5, erster Absatz), stehe nach der Verteilung der Adressen auch die physikalische Reihenfolge der Sender und Empfänger zur Verfügung.
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass das Dokument E1 die Merkmale 1.5 bis 1.8 des Anspruchs 1 nicht offenbare.
2.3.3 Bezüglich der Auslegung des Begriffs "busfähig" verweist die Kammer auf die Ausführungen oben unter Punkt 1.2.3. Außerdem ist im Lichte dieser Auslegung der zweite Teil des Merkmals 1.5 so zu verstehen, dass die Sender und Empfänger ausschließlich über ein Bussystem mit der Elektronikeinheit verbunden sind.
Bezüglich der Offenbarung des Dokuments E1 stellt die Kammer zunächst fest, dass im System nach Dokument E1 nur der Mikrokontroller 90, Speicher 95, DIP-Schalter-Latch 100, Empfänger-Eingangslatch 105, Senderadressen-Latch 110, Empfängeradressen-Latch 115, und I/O-Decoder 120 direkt an den Datenbus 125 angeschlossen sind. Die Sender 60 der Senderanordnung 25 und die Empfänger 80 der Empfängeranordnung 30 sind jedoch nicht direkt an den Datenbus angeschlossen, sondern an den Sender-Treiber 145 bzw. Empfänger-Treiber 150, welche ihrerseits mit dem Senderadressen-Latch 110 bzw. Empfängeradressen-Latch 115 verbunden sind. Die Kommunikation des Mikrokontrollers 90 mit einem Sender 60 erfolgt somit nicht allein über den Datenbus 125 sondern notwendigerweise über den Sender-Treiber 145, welcher anhand der von dem Senderadressen-Latch 110 übermittelten Adresse das entsprechende Anschlusskabel des Senders 60 mit entsprechender Polarität des Stromflusses ansteuert. Dementsprechend werden die Empfänger 80 durch den Mikrokontroller 90 nicht allein über den Datenbus 125 angesteuert, sondern notwendigerweise über den Empfänger-Treiber 150. Die von den Empfängern 80 detektierten Signale werden auch nicht allein über den Datenbus 125 an den Mikrokontroller 90 geleitet, sondern zwingend über den Verstärker/Filter 130, Signalkonditionierer 135 und A/D-Wandler 140 (siehe Dokument E1, Spalte 4, Zeile 49 - Spalte 5, Zeile 52).
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die im Dokument E1 offenbarten Sender 60 und Empfänger 80 nicht "busfähig" in dem unter Punkt 1.2.3 genannten Sinne sind und nicht ausschließlich über ein Bussystem mit der Elektronikeinheit verbunden sind.
Das Merkmals 1.5 des Anspruchs 1 ist somit im Dokument E1 nicht offenbart.
2.3.4 Da die im Dokument E1 offenbarten Sender 60 und Empfänger 80 nicht busfähig sind, kann ihnen mit einer Elektronikeinheit auch keine Ansprechadresse zugeteilt werden. Vielmehr wird eine Korrespondenz einer Ansprechadresse mit dem gewünschten Sender 60 oder Empfänger 80 durch eine bestimmte Anschlussanordnung der einzelnen Anschlusskabel der Sender 60 bzw. Empfänger 80 an den Sender-Treiber 145 bzw. Empfänger-Treiber 150 hergestellt.
Folglich ist die Kammer der Auffassung, dass auch die Merkmale 1.6 bis 1.8 des Anspruchs 1 im Dokument E1 nicht offenbart sind.
2.3.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber Dokument E1.
2.4 Gegenüber den übrigen Dokumenten des Standes der Technik, welche sich im Verfahren befinden, wurde kein Neuheitseinwand vorgetragen.
Ansprüche 2 bis 12 sind von Anspruch 1 abhängig.
Folglich ist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 12 neu (Artikel 52 (1) und 54 (1) und (2) EPÜ).
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 In der angefochtenen Entscheidung sah die Einspruchsabteilung in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 in der von ihr aufrechterhaltenen Fassung Dokument E1 als den nächstliegenden Stand der Technik an (siehe Punkt 3.2.1.6 der Entscheidungsgründe).
Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 gingen bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sowohl von Dokument E1 als auch von den Dokumenten D2 und D3 als dem nächstliegenden Stand der Technik aus.
3.1.2 Die Kammer ist der Ansicht, dass die Dokumente E1, D2 und D3 allesamt einen Gegenstand offenbaren, der zum gleichen Zweck entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung, nämlich zur Bereitstellung eines Systems zur Feststellung eines Objekts in einer Überwachungsfläche, und somit als mögliche Ausgangspunkte bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anzusehen sind.
Dokument D3 ist jedoch näher als Dokument E1 am beanspruchten Gegenstand. Insbesondere offenbart es im Gegensatz zu Dokument E1 das wesentliche Merkmal 1.5 der Erfindung, wonach die Sender und Empfänger busfähig sind (siehe oben, Punkte 2.2 und 2.3). Dokument D2 entspricht in den für die Erfindungen wichtigen Merkmalen dem Dokument D3, es ist der Erfindung aber nicht näher als Dokument D3.
Dokument D3 wird somit als der nächstliegende Stand der Technik angesehen.
3.2 Unterschiedsmerkmale
Aus den oben unter Punkt 2.2 genannten Gründen unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 durch die Merkmale 1.6 bis 1.8 von dem aus Dokument D3 bekannten System.
3.3 Objektive technische Aufgabe
Die Beteiligten sind sich darin einig, dass die objektive technische Aufgabe darin zu sehen ist, die Inbetriebnahme des Systems gemäß Dokument D3 zu erleichtern. Die Kammer stimmt dieser Aufgabenstellung zu.
3.4 Naheliegen
3.4.1 Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 sind der Ansicht, dass der beanspruchte Gegenstand im Hinblick auf die Lehre des Dokument D3 alleine oder in Kombination mit dem aus Dokument E4 bekannten Fachwissen und der Lehre des Dokuments E1 naheliegend sei. Im Dokument D3, Abbildung 1 werde bereits eine lineare Struktur der Lichtschranken gezeigt. Dokument E1 offenbare überdies, dass die Sender-Empfängerpaare in der Reihenfolge ihrer physischen Anordnung angesteuert werden könnten, wodurch der Gegenstand des Merkmals 1.8 nahegelegt werde.
3.5 Wie oben unter Punkt 2.2.3 beschrieben, offenbart Dokument E4 die Adressvergabe mittels Master. Im Hinblick auf diese Lehre (welche das Fachwissen des Fachmanns darstellt) wäre es für den Fachmann naheliegend, dass die in Dokument D3 beschriebene Steuereinheit 3 (welche die Rolle des Masters einnimmt, siehe Absatz [0021]) so eingerichtet wird, dass sie die gemäß Merkmal 1.6 beanspruchte Fähigkeit besitzt, den Sendern und Empfängern Ansprechadressen zuzuteilen.
Die gemäß den Merkmalen 1.7 und 1.8 beanspruchte Art und Weise der Adresszuteilung, wonach die Zuordnung von Empfängern zu Sendern ermöglicht ist bzw. die physische Reihenfolge der Sender und Empfänger zur Verfügung steht, wird im Dokument E4 jedoch nicht beschrieben und ist dem Fachmann nach Ansicht der Kammer auch nicht aufgrund seines weiteren Fachwissens bekannt. Sein Fachwissen würde den Fachmann daher nicht zu dem gemäß den Merkmalen 1.7 und 1.8 beanspruchten Gegenstand führen.
Außerdem bildet im System nach Dokument D3 eine Lichtschranke mit einem Sender 14 und einem Empfänger 15 einen Slave und hat demnach nur eine einzige Adresse, so dass eine Zuordnung von Empfängern zu Sendern mittels spezieller Adresszuteilung gar nicht möglich wäre. Ferner lässt die in Abbildung 1 gezeigte Anordnung der Anschlüsse der Sensoren 2 an die Busleitungen 4 keine Rückschlüsse bezüglich ihrer physischen Anordnung zu (siehe oben Punkt 2.2.4). Die Lehre des Dokuments D3 würde den Fachmann daher auch nicht zum Gegenstand der Merkmale 1.7 und 1.8 führen.
Schließlich sind im System von Dokument E1 die Sender 60 und Empfänger 80 einander zwar paarweise zugeordnet, und der Mikrokontroller 90 ist in der Lage die Sender-Empfänger-Paare in der Reihenfolge ihrer physischen Anordnung anzusteuern (siehe E1, Spalte 5, erster Absatz). Dies wird in diesem System jedoch nicht dadurch erreicht, dass den Sendern 60 und Empfängern 80 eine Ansprechadresse in einer bestimmten Art und Weise zugeteilt wird. Dies wäre schon deshalb nicht möglich, da die Sender 60 und Empfänger 80 nicht busfähig sind. Wie oben unter Punkt 2.3.4 beschrieben wird es vielmehr durch eine bestimmte Anschlussanordnung der einzelnen Anschlusskabel der Sender 60 bzw. Empfänger 80 an den Sender-Treiber 145 bzw. Empfänger-Treiber 150 erzielt. Auch im Hinblick der Lehre des Dokument E1 wäre daher der beanspruchte Gegenstand für den Fachmann nicht naheliegend.
Daher weist der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 eine erfinderische Tätigkeit auf.
Ansprüche 2 bis 12 sind von Anspruch 1 abhängig.
Folglich weist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 12 eine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).
4. Schlussfolgerung
Da unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin während des Beschwerdeverfahrens vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen, ist das Patent in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten (Artikel 101 (3) a) und 111 (1) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche
Nr. 1 eingereicht mit Schreiben vom 21. Februar 2017
Nr. 2-12 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2016
Beschreibung
Absätze 1-8, 10-31, 33-64 der Patentschrift
Absätze 9 und 32 eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2016
Zeichnungen
Blätter 1/3 bis 3/3 der Patentschrift