T 1014/17 20-03-2020
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WÄSSRIGE DISPERSIONEN VON ORGANOSILICIUMVERBINDUNGEN
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein: D27-D31)
Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Einspruchsgründe - Erweiterung von Patentansprüchen (nein)
Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Patentansprüche - Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren
Spät vorgebrachte Einwände - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 2. März 2017 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent EP 2 694 590 in geänderter Form gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hauptantrag und einer daran angepassten Beschreibung aufrechterhalten wurde.
II. Die ursprüngliche Offenbarung enthielt 6 Ansprüche, wobei die Ansprüche 1 und 5 wie folgt lauteten:
"1. Wässrige Dispersionen von Organosilicium-verbindungen herstellbar unter Verwendung von
(A) einer Mischung im Wesentlichen bestehend aus anorganischem Füllstoff (B) und Siloxan (C) enthaltend Einheiten der Formel
Ra(R**(1)O)bSiO(4-a-b)/2 (I),
worin
R gleich oder verschieden sein kann und Wasserstoffatom oder einen einwertigen, SiC-gebundenen, gegebenenfalls substituierten Kohlenwasserstoffrest bedeutet,R**(1) gleich oder verschieden sein kann und Wasserstoffatom oder einen einwertigen, gegebenenfalls substituierten Kohlenwasserstoffrest bedeutet,a 0, 1, 2 oder 3 ist undb 0, 1, 2 oder 3 ist, mit der Maßgabe, dass die Summe aus a und b kleiner oder gleich 3 ist, mit einer Viskosität bei 25°C von 5 bis 1 000 000 mPas aufweist,wobei die Mischung (A) eine Viskosität von 10 bis
10 000 000 mPas bei 25°C aufweist,
(D) Silanen der Formel
R**(3)cR**(2)dSi(OR**(4))4-c-d (II), worin
R**(2) gleich oder verschieden sein kann und einwertige, SiC-gebundene, gegebenenfalls substituierte Kohlenwasserstoffreste mit 1 bis 3 Kohlenstoffatomen bedeutet,R**(3) gleich oder verschieden sein kann und einwertige, SiC-gebundene, gegebenenfalls substituierte Kohlenwasserstoffreste mit mindestens 4 Kohlenstoffatomen, die mit Heteroatomen und/oder Carbonylgruppen unterbrochen sein können, bedeutet,
R**(4) gleich oder verschieden sein kann und einwertige, gegebenenfalls substituierte Kohlenwasserstoffreste oder Wasserstoff bedeutet,
c 1, 2 oder 3 ist undd 0, 1 oder 2 ist, mit der Maßgabe, dass die Summe aus c und d 1, 2 oder 3 ist,und/oder deren Teilydrolysaten,gegebenenfalls(E) Organopolysiloxanen,(F) Emulgator,(G) Wasser undgegebenenfalls(H) weiteren Stoffen."
"5. Verfahren zur Herstellung wässriger Dispersionen von Organosiliciumverbindungen gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, bei dem Mischung (A) hergestellt durch Vermischen von anorganischem Füllstoff (B) und Siloxan (C) enthaltend Einheiten der Formel (I) mit einer Viskosität bei 25°C von 5 bis 1 000 000 mPas, wobei die Mischung (A) eine Viskosität von 10 bis 10 000 000 mPas bei 25°C aufweist, mit
(D) Silanen der Formel (II) und/oder deren Teilydrolysaten,
gegebenenfalls
(E) Organopolysiloxanen,(F) Emulgator,(G) Wasser undgegebenenfalls(H) weiteren Stoffenvermischt wird."
III. Das Streitpatent enthielt 5 Ansprüche, wobei
- der erteilte Anspruch 1 entsprach dem ursprünglichen Anspruch 1 mit der zusätzlichen Maßgaben, dass
- es sich bei Füllstoff (B) um Kieselsäuren handelte; und
- die Definition der Rest R**(1) auf Wasserstoff eingeschränkt wurde;
- der erteilte Anspruch 4 identisch zum ursprünglichen Anspruch 5 war.
IV. Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegten Hauptantrags lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung wässriger Dispersionen von Organosiliciumverbindungen, bei dem Mischung (A) hergestellt durch Vermischen von anorganischem Füllstoff (B) und Siloxan (C) enthaltend Einheiten der Formel
Ra(R**(1)O)bSiO(4-a-b)/2 (I),
worin
R gleich oder verschieden sein kann und Wasserstoffatom oder einen einwertigen, SiC-gebundenen, gegebenenfalls substituierten Kohlenwasserstoffrest bedeutet,
R**(1) Wasserstoffatom bedeutet,
a 0, 1, 2 oder 3 ist und
b 0, 1, 2 oder 3 ist, mit der Maßgabe, dass die Summe aus a und b kleiner oder gleich 3 ist, mit einer Viskosität bei 25°C von 5 bis 1 000 000 mPas,
wobei die Mischung (A) eine Viskosität von 10 bis 10 000 000 mPas bei 25°C aufweist und im Wesentlichen aus anorganischem Füllstoff (B) und Siloxan (C) besteht und es sich bei Füllstoff (B) um hydrophobe oder hydrophile Kieselsäuren handelt, mit der Maßgabe, dass wenn als Füllstoff (B) eine hydrophile Kieselsäure eingesetzt wird, diese bei der Herstellung von Mischung (A) in situ hydrophobiert wird, mit
(D) Silanen der Formel
R**(3)cR**(2)dSi(OR**(4))4-c-d (II),
worin
R**(2) gleich oder verschieden sein kann und einwertige, SiC-gebundene, gegebenenfalls substituierte Kohlenwasserstoffreste mit 1 bis 3 Kohlenstoffatomen bedeutet,
R**(3) gleich oder verschieden sein kann und einwertige, SiC-gebundene, gegebenenfalls substituierte Kohlenwasserstoffreste mit mindestens 4 Kohlenstoffatomen, die mit Heteroatomen und/oder Carbonylgruppen unterbrochen sein können, bedeutet,
R**(4) gleich oder verschieden sein kann und einwertige, gegebenenfalls substituierte Kohlenwasserstoffreste oder Wasserstoff bedeutet,
c 1, 2 oder 3 ist und
d 0, 1 oder 2 ist, mit der Maßgabe, dass die Summe aus c und d 1, 2 oder 3 ist,
und/oder deren Teilydrolysaten,
gegebenenfalls
(E) Organopolysiloxanen,
(F) Emulgator,
(G) Wasser und
gegebenenfalls
(H) weiteren Stoffen
vermischt wird."
V. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter Anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:| |
E1: WO 92/19671
E3: WO 2008/090458
VI. In ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter Anderem, dass
- weder die Einsprechende noch die Einspruchsabteilung Einwände unter Artikel 123 EPÜ hätten (Punkt 4.1 der Begründung);
- in Übereinstimmung mit der Entscheidung G 3/14 (ABl. 2015, 102) das Merkmal "im Wesentlichen bestehend aus" unter Artikel 84 EPÜ nicht geprüft werden könne (Punkt 4.2 der Begründung);
- eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik, ggf. in Kombination mit E3, anerkannt werden könne (Punkt 5.2 der Begründung);
- die Einwände bezüglich unzureichender Offenbarung in Bezug auf den im Anspruch 1 vorhandenen Begriff "im Wesentlichen" und die Messbedingungen für die Ermittlung der Viskositäten von Siloxan (C) und Mischung (A) zurückzuweisen seien (Punkte 6.2 und 6.4 der Begründung).
VII. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Gleichzeitig wurden folgende Dokumente eingereicht:
E27: DE 3911479 A1
E28: EP-A-0 157 318
E29: EP-A-0 609 524
VIII. Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde.
IX. In einem Bescheid vom 3. Juni 2019, der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, wobei insbesondere folgendes angegeben wurde:
"Die Einwände der Beschwerdeführerin bezüglich Artikel 54 und 56 EPÜ betreffen beide das Dokument E27, welches erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde." (Punkt 9.1 des Bescheids)
"Jedoch wurde im Einspruchsverfahren kein Einwand gegenüber dem geltenden Hauptantrag in Hinsicht auf E27 erhoben, und dies, obwohl, wie von der Beschwerdeführerin dargelegt, E27 bereits im Streitpatent im Stand der Technik aufgeführt wird (Beschwerdebegründung: Absatz 8b, erster Satz; siehe Absatz 3 des Streitpatents, in dem das Familienmitglied der E27, EP 0 392 253, zitiert ist). Somit scheint es, dass es keinen guten Grund gibt, warum E27 nicht früher im Verfahren eingereicht wurde.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin kein Argument vorgetragen hat, um der Entscheidung der Einspruchsabteilung, nach der der geltende Hauptantrag gegenüber E1 und/oder E3 erfinderisch sei (angefochtene Entscheidung: Absatz 5), zu widersprechen.
Somit scheint es, dass die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren einen komplett neuen Fall in Hinsicht auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit vorträgt, was der Funktion des Beschwerdeverfahrens nicht entspricht (welche hauptsächlich in der Überprüfung der Entscheidung der ersten Instanz besteht).
Unter solchen Umständen wird während der mündlichen Verhandlung zu besprechen sein:
- ob E27 in das Verfahren zugelassen wird, wobei die Bestimmungen von Artikel 12(4) VOBK zu berücksichtigen sind;
- wenn E27 ins Verfahren zugelassen werden sollte, ob die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen wäre, insbesondere, um die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit gegenüber E27 zu beurteilen." (Punkt 9.2 des Bescheids)
"Für den Fall, dass die Parteien beabsichtigen, weitere Stellungnahmen einzureichen, wird auf die Bestimmungen von Artikel 13(1) und (3) VOBK hingewiesen." (Punkt 10 des Bescheids)
X. Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020 verwies die Beschwerdeführerin zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren auf die Dokumente E1 und E3 und reichte folgende Dokumente ein:
E30: Imagination with HDK**(®), Produktübersicht,
Wacker
E31: Produktinformation AEROSIL**(®) R 816, Evonik
Resource Efficiency GmbH, August 2018
Ferner zog die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
XI. Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 beantragte die Beschwerdegegnerin, die Dokumente D27 bis D31 nicht in das Verfahren zuzulassen.
XII. Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2020 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der für den 31. März 2020 angesetzten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde.
XIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung von E27 bis E29
a) Der geltende Anspruch 1 sei erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden, wobei Merkmale bezüglich der Hydrophobizität des Füllstoffs (B) aus der Beschreibung aufgenommen wurden. Damit habe erstmalig während der mündlichen Verhandlung die Veranlassung bestanden, diese Merkmale zu erörtern. Eine adäquate Prüfung der Änderungen, insbesondere hinsichtlich relevantes Standes der Technik, sei im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen. Da sich E27 explizit mit den Vorteilen von hydrophoben Füllstoffen beschäftige, sei dieses Dokument für die Bewertung der Patentierbarkeit der im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingereichten Patentansprüche prima facie hochrelevant. Diese Relevanz sei vor der mündlichen Verhandlung nicht gegeben gewesen. Unter solchen Umstände habe die Einsprechende vor dem Beschwerdeverfahren keine Veranlassung gehabt, E27 in das Verfahren einzuführen.
Artikel 123 EPÜ
b) Der geltende Anspruch 1 sei so zu lesen, dass, falls eine hydrophile Kieselsäure verwendet werde, diese mit dem Silan (D) hydrophobiert werde. Somit sei Silan (D) keine notwendige Komponente der ursprünglich beanspruchten Mischung mehr, was gegen die Erfordernisse von sowohl Artikel 123 (2) EPÜ als auch Artikel 123 (3) EPÜ verstoße.
c) Durch die im Einspruchsverfahren durchgeführten Änderungen könne die Mischung (A) neben Füllstoff (B) und Siloxan (C) weitere Komponenten enthalten (durch die Verwendung von "im Wesentlichen aus"), was durch die "geschlossene Listen" Formulierung des erteilten Anspruchs 4 ausgeschlossen war. Somit seien die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ nicht erfüllt.
Artikel 84 EPÜ
d) Der geltende Anspruch 1 erfülle aus folgenden Gründen nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ:
- Durch die Verwendung des Begriffs "im Wesentlichen" im geltenden Anspruch 1 sei der Gegenstand dieses Anspruchs nicht eindeutig definiert;
- Für die Viskosität sei keine Messmethode angegeben;
- Während nach der Lehre des Streitpatents (Beispiele 3-6; Absatz 48) ein Aminosiloxan gemäß der Komponente (E) des geltenden Anspruchs 1 ein wesentliches Merkmals der Erfindung sei, werde diese Komponente (E) im beanspruchten Verfahren nicht zwingend eingesetzt.
e) Das im geltenden Anspruch 1 angegebene Merkmal bezüglich der Hydrophobizität des Füllstoffs (B) sei in keinem der erteilten Ansprüche anwesend gewesen und sei aus der Beschreibung aufgenommen worden. Somit dürfe die Klarheit dieses Merkmal geprüft werden. Jedoch sei die Entscheidung, ob eine Kieselsäure hydrophob sei oder nicht, ohne die Angabe der Messmethode und des entsprechenden Grenzwerts nicht möglich. Für den Fachmann sei also nicht zweifelsfrei feststellbar, ob er innerhalb oder außerhalb des beanspruchten Schutzbereichs arbeite. Die Patentansprüche gemäß Hauptantrag genügten somit nicht den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ.
Artikel 100 (b) EPÜ
f) Die Informationen des Streitpatents seien unzureichend, um eine genaue Bestimmung der Viskosität zu gewährleisten. Somit sei ein Einwand gemäß den Bestimmungen des Artikels 100 (b) EPÜ zu erheben.
Artikel 54 und 56 EPÜ
g) Der Gegenstand der geltenden Ansprüche sei
- gegenüber E27 nicht neu;
- ausgehend von entweder E27 oder E29 als nächstliegendem Stand der Technik nicht erfinderisch.
h) Der Gegenstand der geltenden Ansprüche sei ferner auch ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik, insbesondere im Licht von E3, E30 und E31, nicht erfinderisch.
XIV. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung von E27 bis E29
a) Die Dokumente E27 bis E31 seien als verspätet zurückzuweisen.
Artikel 123 EPÜ
b) In ihrer Auslegung des geltenden Anspruchs 1 habe die Beschwerdeführerin die Interpunktion geändert und das Komma vor dem Wort "mit" weggelassen. Das Komma sei jedoch in Anspruch 1 enthalten und zu berücksichtigen. Ferner sei bei der Formulierung "Verfahren zur Herstellung wässriger Dispersionen von Organosiliciumverbindungen, bei dem eine Mischung (A) hergestellt ... in situ hydrophobiert wird, mit (D) Silanen ..." das "mit" eindeutig auf die Mischung (A) und die letzten Worte des Anspruches "vermischt wird" bezogen. Schließlich sei in der Patentschrift erkennbar, wie die in situ Hydrophobierung gemeint sei. Somit seien die Erfordernisse sowohl von Artikel 123 (2) EPÜ als auch von Artikel 123 (3) EPÜ erfüllt.
Artikel 84 EPÜ
c) Die im geltenden Anspruch 1 durchgeführten Änderungen hinsichtlich des Begriffs "im Wesentlichen" und der Viskosität basierten auf den erteilten Ansprüchen. Somit gingen die diesbezüglich erhobenen Klarheitseinwände ins Leere.
d) Der Einwand bezüglich der Definition der Hydrophobizität sei überraschenderweise im letzten Schriftsatz der Beschwerdeführerin vorgebracht worden. Überraschend insbesondere deshalb, da die Beschwerdeführerin weder in der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren, noch in ihrer Beschwerdebegründung den Einwand vorgebracht habe. Somit sei dieser Einwand verspätet.
Im Übrigen verstehe der Fachmann unter Heranziehen seines allgemeinen Fachwissens Anspruch 1 des Hauptantrags der Streitentscheidung hinsichtlich der eingefügten Merkmale klar und eindeutig. Insbesondere wisse er, dass es sich bei hydrophiler Kieselsäure um unbehandelte Kieselsäure handele, während hydrophobe Kieselsäuren durch chemische Modifikation von hydrophilen Kieselsäuren entstehen. Etwaige Lücken in seinem Fachwissen könne der Fachmann bei Bedarf mit der Gesamtoffenbarung des Streitpatents schließen.
e) Somit erfülle der geltende Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.
Artikel 100 (b) EPÜ
f) Die Messung von Viskositäten sei in den dem Fachmann bekannten Normen definiert. Damit sei der Fachmann in der Lage, diese Viskositäten korrekt zu messen. Etwaige Unsicherheiten in Bezug auf die Bestimmung der Viskositätswerte könnten, wenn überhaupt, ein Problem der Klarheit sein, aber nicht ein Problem von mangelnder Offenbarung, wie von der Einspruchsabteilung bereits entschieden.
Artikel 54 und 56 EPÜ
g) Selbst wenn E27 ins Verfahren zugelassen werden sollte, sei der Gegenstand der geltenden Ansprüche sowohl neu als auch erfinderisch gegenüber E27.
h) Eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik sei auch anzuerkennen.
XV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
1. Die Beschwerdeführerin hat sowohl ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen als auch mitgeteilt, dass sie an der angesetzten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde (siehe Absätze X und XII, oben). Somit hat die Beschwerdeführerin entschieden, sich lediglich auf ihr schriftliches Vorbringen zu stützen. In diesem Zusammenhang hatte die Beschwerdeführerin insbesondere die Möglichkeit, sich über die Zulassung von spät eingereichten Einwänden zu äußern (siehe Absatz 10 des Bescheids der Kammer, welcher im obigen Absatz IX angegeben ist). Da die Kammer sich in der Lage sah, die Sache gemäß dem Antrag der Beschwerdegegnerin zu entscheiden, wird die vorliegende Entscheidung auf der Basis des schriftlichen Verfahrens, also ohne eine mündliche Verhandlung abzuhalten, getroffen.
2. Zulassung von E27 bis E29
2.1 Das vorliegende Verfahren wird durch die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) geregelt, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 24 und 25, Absatz 1, VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12, Absätze 4 bis 6 VOBK 2020 und Artikel 13, Absatz 2 VOBK 2020, anstelle derer Artikel 12, Absatz 4 und Artikel 13 VOBK 2007 weiterhin anwendbar bleiben (Artikel 25, Absätze 2 und 3, VOBK 2020).
2.2 Das Dokument E27 wurde erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht und liegt dem Beschwerdeverfahren daher grundsätzlich gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2020 zugrunde. Gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 ist die Kammer allerdings befugt, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können. Ein wichtiges Kriterium für die Ausübung des Ermessens ist, ob es im konkreten Einzelfall einen triftigen und plausiblen Grund dafür gibt, die Beweismittel erst im Beschwerdeverfahren einzureichen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, V.A.4.11.3).
2.2.1 E27 wurde von der Beschwerdeführerin nicht als ergänzender Stand der Technik eingereicht, um die in der Streitentscheidung von der Einspruchsabteilung gezogenen Schlussfolgerungen in Frage zu stellen, sondern dient als Ausgangspunkt für neue Angriffslinien in Hinblick auf die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit (Absätze 8b, 9b und 9c der Beschwerdebegründung). Jedoch entspricht ein derartiges Vorgehen nicht dem Sinn und Zweck des Beschwerdeverfahrens, das der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung dient (siehe nunmehr ausdrücklich Artikel 12 (2) VOBK 2020), nicht aber dazu, das Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung neuer Angriffslinien fortzuführen.
2.2.2 Zwar wurde der geltende Hauptantrag erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht, wobei neue Merkmale bezüglich hydrophober Kieselsäuren als Füllstoff aus der Beschreibung aufgenommen wurden. Jedoch stellen die geltenden Ansprüche zweifellos eine Einschränkung des erteilten Verfahrensanspruchs 4 dar. Darüber hinaus geht aus der Beschreibung des Streitpatents hervor, dass hydrophobe Kieselsäure (wie jetzt durch die im geltenden Anspruch 1 aufgenommenen Änderungen definiert) die bevorzugte Ausführungsform des im geltenden Anspruch 1 definierten Füllstoffes (B) darstellen
(Absätze 6-8 und 12-15; alle Beispiele des Streitpatents werden mit hydrophoben Kieselsäuren hergestellt, siehe Absätze 119 und 120). Somit hätte die Beschwerdeführerin bereits im Einspruchsverfahren hinreichenden Anlass (und zwar bereits innerhalb der Einspruchsfrist) und gute Gründe gehabt, E27 während des Einspruchsverfahrens einzureichen. Unter solchen Umständen rechtfertigt die Tatsache, dass der geltende Hauptantrag erst während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurde, die Einreichung der E27 erst mit der Beschwerdebegründung nicht.
2.2.3 In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass E27 eine deutsche Patentanmeldung ist und somit jederzeit problemlos zugänglich war. Darüber hinaus wird, wie von der Beschwerdeführerin angegeben (Absatz 8b der Beschwerdebegründung: erster Satz), ein Familienmitglied der E27 (EP-B-0 392 253) sogar im Absatz 3 des Streitpatents zitiert. Somit gibt es für die Kammer keine Zweifel, dass E27 und die darauf beruhenden Einwände im Einspruchsverfahren vorgelegt hätten werden können und müssen, wenn die Beschwerdeführerin diese Entgegenhaltung heranziehen wollte.
2.2.4 Aus diesen Gründen gibt es keine Rechtfertigung, erst im Beschwerdeverfahren ein neues, potentiell (im Vergleich zum Einspruchsverfahren) relevanteres Dokument wie E27 oder darauf basierende neue Einwände bezüglich der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit einzureichen. Somit kommt die Kammer zu dem Schluss, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK 2007, E27 nicht ins Verfahren zuzulassen.
2.3 Die gleiche Schlussfolgerung gilt für die Entgegenhaltungen E28 und E29, welche beide ebenfalls erstmalig mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, um entweder den Einwand der fehlenden Neuheit gegenüber E27 zu untermauern (E28: Seite 31 der Beschwerdebegründung, oben) oder einen zusätzlichen neuen Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit vorzubringen (E29: Seite 37 der Beschwerdebegründung, Ende von Absatz 9b).
3. Artikel 123 EPÜ
3.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der geltende Anspruch 1 so zu lesen sei, dass, falls eine hydrophile Kieselsäure verwendet wird, diese mit dem Silan (D) hydrophobiert werde. Somit sei Silan (D) keine notwendige Komponente der durch das Verfahren hergestellten Mischung mehr, was gegen die Erfordernisse von sowohl Artikel 123 (2) EPÜ als auch Artikel 123 (3) EPÜ verstoße.
Jedoch ist, durch das Komma vor dem Wort "mit", der Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 so zu verstehen, dass die Silane (D) mit der Mischung (A), welche z.B. in situ hydrophobierte Kieselsäuren enthält, mit den Komponenten (F), (G) und ggf. (E) und/oder (H) vermischt werden. Diese Auslegung des Anspruchs wird ferner durch die letzten Worte des Anspruches "vermischt wird" bestätigt. Somit ist die von der Beschwerdeführerin angegebene Auslegung des geltenden Anspruchs 1 nicht gerechtfertigt.
In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Auslegung des geltenden Anspruchs 1 auch nicht von der Beschreibung des Patents gestützt ist (siehe z.B. die Absätze 12, 13, 33, 85-87 und die Beispiele des Streitpatents).
Somit ist der Einwand der Beschwerdeführerin nicht überzeugend.
3.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass durch die im Einspruchsverfahren durchgeführten Änderungen die Mischung (A) neben Füllstoff (B) und Siloxan (C) weitere Komponenten enthalten könne (durch die Verwendung von "im Wesentlichen aus"), was durch die "geschlossene Listen" Formulierung des erteilten Anspruchs 4 ausgeschlossen war. Somit seien die Erfordernisse von Artikel 123 (3) EPÜ nicht erfüllt.
Nach Artikel 123 (3) EPÜ darf das europäische Patent nicht in der Weise geändert werden, dass der Schutzbereich erweitert wird. Im vorliegenden Fall stellt sich daher die Frage, ob der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unter den Schutzbereich des erteilten Anspruchs 4 fällt. Es ist festzustellen, dass durch den Rückbezug auf den erteilten Anspruch 1 weitere Komponenten in der Mischung (A) gemäß dem erteilten Anspruch 4 anwesend sein können, was auch im Einklang mit der Lehre des Streitpatents ist (Absatz 26). Somit teilt die Kammer die Ansicht der Beschwerdeführerin bezüglich der Auslegung des erteilten Anspruchs 4 nicht, so dass auch dieser Einwand nicht erfolgreich ist.
3.3 Aus diesen Gründen werden die Einwände der Beschwerdeführerin bezüglich Artikel 123 EPÜ zurückgewiesen.
4. Artikel 84 EPÜ
4.1 Gemäß der Entscheidung G 3/14 können bei der Prüfung nach Artikel 101 (3) EPÜ, ob das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt, die Ansprüche eines Patents nur auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ geprüft werden, wenn und soweit diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt.
4.2 Somit ist die Kammer mit dem Argument der Beschwerdeführerin, dass der geltende Anspruchssatz nicht nur in Bezug auf die neu eingeführten Merkmale, sondern auch in Bezug auf die weiteren enthaltenen Merkmale in Hinsicht auf Artikel 84 EPÜ untersucht und erneut geprüft werden kann (Beschwerdebegründung: Seite 10, erster Absatz), nicht einverstanden.
4.3 Daher ist zu beurteilen, ob die von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Einwände in Hinsicht auf Artikel 84 EPÜ tatsächlich auf die vorgenommenen Änderungen zurückzuführen sind.
4.4 In diesem Zusammenhang sind die Merkmale "im Wesentlichen" und "Viskosität" bereits Teil des Merkmals (A) gemäß den erteilten Ansprüchen 1 und 4.
Was den Einwand bezüglich fehlender wesentlicher Merkmale betrifft, wurde von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass dieser Einwand auf die vorgenommenen Änderungen zurückzuführen ist.
Somit ist die Kammer der Meinung, dass die im obigen Absatz XIII d) identifizierten Einwände der Beschwerdeführerin in Bezug auf Artikel 84 EPÜ nicht behandelt werden können (G 3/14).
4.5 Was den im obigen Absatz XIII e) identifizierten Einwand bezüglich der Definition der Hydrophobizität des im geltenden Anspruch 1 angegebenen Füllstoffs betrifft, ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass keiner der erteilten Ansprüche dieses Merkmal enthält und, dass dieses Merkmal aus der Beschreibung des Patents aufgenommen wurde. Somit ist durch G 3/14 nicht die Prüfung ausgeschlossen, ob diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt.
4.5.1 Jedoch hat die Beschwerdegegnerin vorgetragen, dass dieser Einwand verspätet vorgebracht wurde (Schriftsatz vom 18. Februar 2020: Seite 4, Zeile 2) und überraschend sei (Schriftsatz vom 18. Februar 2020: Seite 3, letzter Absatz) und damit implizit dessen Zulassung in das Verfahren beanstandet.
| |4.5.2 Es ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass der Einwand der Beschwerdeführerin bezüglich der fehlenden Klarheit des Hydrophobizitätsmerkmals des geltenden Anspruchs 1 nicht in der Beschwerdebegründung und erst nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde. Somit stellt dieser Einwand eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin nach Einreichung ihrer Beschwerdebegründung dar, so dass die Zulassung dieses Einwands nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 und Artikel 13 (1) VOBK 2020 zu prüfen ist (siehe Absatz 2.1, oben und nachfolgender Absatz 4.5.3). 4.5.3 Nach Artikel 13 (1) VOBK 2007 steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Ferner werden gemäß Artikel 13 (3) VOBK 2007 Änderungen des Vorbringens nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist. Darüber hinaus findet nach neuerer Rechtsprechung der Beschwerdekammern hier auch Artikel 13 (1) VOBK 2020 Anwendung (T 2227/15 vom 29. Januar 2020: Punkt 1 der Begründung; T 32/16 vom 14. Januar 2020: Punkte 1.1.1 bis 1.1.3 der Begründung; T 634/16 vom 10. Januar 2020: Punkte 7-14 der Begründung; T 278/17 vom 13. Februar 2020: Punkt 1 der Begründung). In dieser Hinsicht ist die Kammer insbesondere der Meinung, dass Artikel 13 (1) VOBK 2020 mit Artikel 13 (1) VOBK 2007 nicht widersprüchlich ist und, dass Artikel 13 (1) VOBK 2020 lediglich die Rechtsprechung, die im Rahmen von Artikel 13 (1) VOBK 2007 entwickelt wurde, widerspiegelt, wie in den Entscheidungen T 32/16 (Punkt 1.1.3, zweiter Absatz, der Begründung) und T 278/17 (Punkt 1, dritter Absatz, der Begründung) dargelegt. | |
4.5.4 Die Beschwerdeführerin hat keine Rechtfertigung für das verspätete Einreichen dieses Klarheitseinwands gegeben.
4.5.5 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass nach Einreichung des vorliegenden Antrags während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung die Klarheit des geltenden Antrags nach einer Unterbrechung diskutiert wurde (Niederschrift über die mündliche Verhandlung: Seite 1, letzte Zeile). Jedoch wurde der vorliegende Klarheitseinwand von der Beschwerdeführerin bei dieser Gelegenheit nicht vorgebracht.
4.5.6 Auch in der Beschwerdebegründung wurde der Einwand nicht vorgebracht, obwohl mehrere andere Klarheitseinwände erhoben wurden (nämlich die Einwände, die unter obigem Punkt 3.4 behandelt wurden).
4.5.7 Unter solchen Umständen hatte die Beschwerdeführerin ausreichend Anlass, entweder im Einspruchsverfahren oder spätestens zusammen mit der Beschwerdebegründung ihre Position bezüglich der Klarheit des vorliegenden Anspruchs 1 zu überdenken und entsprechende Einwände einzureichen, soweit solche aus ihrer Sicht notwendig waren. Dies wäre im Hinblick auf die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren, das die Parteien verpflichtet, alle Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich einzureichen (Artikel 12 (2) VOBK 2020), und auch aus Gründen der Fairness gegenüber der Beschwerdegegnerin, für die so rechtzeitig wie möglich ersichtlich sein soll, in welchem Umfang das Streitpatent angefochten wird und welche Gründe dafür sprechen, geboten gewesen.
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4.6 Ferner würde die Zulassung ins Verfahren des Einwands der Beschwerdeführerin bezüglich der fehlenden Klarheit des Hydrophobizitätsmerkmals des geltenden Anspruch 1 neue Fragen hervorrufen (siehe z.B. Absatz XIV d), oben), welche entweder im schriftlichen Verfahren sporadisch von der Beschwerdegegnerin angesprochen wurden (Schriftsatz vom 18. Februar 2020: Seite 4, erster Absatz) oder zum ersten Mal in der am 31. März 2020 geplanten mündlichen Verhandlung vor der Kammer hätten besprochen werden müssen. Dieses hätte ggf. zu einer Verlegung dieser mündlichen Verhandlung führen können, z.B. um der Beschwerdegegnerin genügend Zeit zu geben, sich dementsprechend vorzubereiten oder weitere Anträge vorzulegen, was mit den Erfordernissen des Artikel 13 (3) VOBK 2007 nicht vereinbar ist.
4.7 Aus diesen Gründen hält die Kammer es im vorliegenden Fall für angebracht, ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 sowie Artikel 13 (1) VOBK 2007 und ihre Befugnis nach Artikel 13 (3) VOBK 2007 so auszuüben, den im obigen Absatz XIII e) identifizierten Einwand bezüglich der Definition der Hydrophobizität des im geltenden Anspruch 1 angegebenen Füllstoffs (B) nicht ins Verfahren zuzulassen.
5. Artikel 100 (b) EPÜ
5.1 Was die Frage der ausreichenden Offenbarung nach Artikel 100 (b) EPÜ betrifft, ist zu klären, ob der Fachmann dem Patent, ggf. unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens, genügende Informationen entnehmen kann, um ein Verfahren gemäß dem geltenden Anspruch 1 durchzuführen, was von der Beschwerdeführerin bestritten wurde.
5.2 Die in der Beschwerdebegründung (siehe insbesondere die Absätze 7c, 7c(i), 7c(ii)) vorgebrachten Einwände betreffen die Messmethode der im geltenden Anspruch 1 angegebenen Viskositäten, wobei die Beschwerdeführerin der Meinung ist, dass die im Streitpatent angegebenen Informationen unzureichend sind, um eine genaue Bestimmung der Viskosität zu gewährleisten. Somit sei ein Einwand gemäß Artikel 100 (b) EPÜ zu erheben.
5.3 In diesem Zusammenhang war jedoch die Einspruchsabteilung bereits der Meinung, dass die Einwände der Beschwerdeführerin in Bezug auf diese Viskositäten eher die Frage der Klarheit als der ausreichenden Offenbarung betreffen (Entscheidung: Absatz 6.4). Es ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin nicht dargelegt hat, warum diese Schlussfolgerung ihrer Meinung nach nicht korrekt ist.
Die Kammer ist ferner der Meinung, dass die Einwände der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Viskositäten die Definition des Schutzbereichs betreffen. Dadurch, dass die Beschwerdeführerin nicht gezeigt hat, dass die angesprochene Mehrdeutigkeit in der Bestimmung der Viskositäten so schwer ist, dass der Fachmann nicht in der Lage ist, das beanspruchte Verfahren durchzuführen, kann dieser Einwand höchstens eine Frage der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ, welche im vorliegenden Fall nicht geprüft werden kann (wie unter Absatz 3.4 oben erläutert), und nicht der ausreichenden Offenbarung nach Artikel 100 (b) EPÜ sein.
5.4 Somit werden die Einwände der Beschwerdeführerin bezüglich Artikel 100 (b) EPÜ zurückgewiesen.
6. Artikel 54 und 56 EPÜ
6.1 Da die Entgegenhaltungen E27 und E29 ins Verfahren nicht zugelassen werden (Absatz 1, oben), braucht die Kammer über die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände bezüglich der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit gegenüber diesen Dokumenten (Absatz XIII g), oben) nicht zu entscheiden.
6.2 In ihrem (letzten) Schriftsatz vom 25. Februar 2020 hat die Beschwerdeführerin zum ersten Mal die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung bezüglich der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik in Frage gestellt und vorgebracht, dass der geltende Hauptantrag gegenüber E1 (in Kombination mit E3, E30 und E31) nicht erfinderisch sei (Absatz XIII h), oben). In diesem Zusammenhang wurde der Standpunkt der Kammer, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung kein Argument vorgetragen hat, um der Entscheidung der Einspruchsabteilung, nach der der geltende Hauptantrag gegenüber E1 und/oder E3 erfinderisch sei, zu widersprechen (siehe Absatz IX, oben), nicht bestritten.
6.2.1 Unter solchen Umständen ist der im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 25. Februar 2020 vorgebrachte Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin nach Einreichung ihrer Beschwerdebegründung und die Zulassung dieser Einwand ist nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 und Artikel 13 (1) VOBK 2020 zu prüfen (siehe Absätze 3.5.2 und 3.5.3 oben).
6.2.2 Die Beschwerdeführerin hat keine Rechtfertigung für das verspätete Einreichen dieses Einwands gegeben. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin kein Argument bezüglich der Zulassung dieses spät vorgebrachten Einwands dargelegt (siehe Punkt 1, oben), obwohl es angesichts des Absatzes 10 des Bescheids der Kammer geboten gewesen wäre. Da dieser Einwand in der strittigen Entscheidung abgehandelt wurde, ist es für die Kammer ferner nicht ersichtlich, warum dieser Einwand in der Beschwerdebegründung nicht vorgebracht werden könnte, was, wie unter Punkt 3.5.7 oben bereits erklärt, geboten gewesen wäre (Artikel 12 (2) VOBK 2020).
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6.2.3 Auch hier würde die Zulassung ins Verfahren des Einwands der Beschwerdeführerin bezüglich der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik neue Fragen hervorrufen, welche entweder im schriftlichen Verfahren sporadisch von der Beschwerdegegnerin angesprochen wurden (Schriftsatz vom 18. Februar 2020: Seite 4, dritter Absatz) oder zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren in der am 31. März 2020 geplanten mündlichen Verhandlung vor der Kammer hätten besprochen werden müssen (Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 17. Januar 2020: Punkt 4; Schriftsatz der Beschwerdegegnerin vom 18. Februar 2020: Seite 4, dritter Absatz). Dies hätte gegebenenfalls zu einer Verlegung dieser mündlichen Verhandlung führen können, z.B. um der Beschwerdegegnerin genügend Zeit zu geben, sich dementsprechend vorzubereiten oder weitere Anträge vorzulegen, was mit den Erfordernissen des Artikel 13 (3) VOBK 2007 nicht vereinbar ist.
6.2.4 Die Tatsache, dass im Bescheid der Kammer angegeben wurde, dass die Beschwerdeführerin kein Argument vorgetragen hat, um der Entscheidung der Einspruchsabteilung, nach der der geltende Hauptantrag gegenüber E1 und/oder E3 erfinderisch sei, zu widersprechen (siehe Absatz IX oben), kann das verspätete Einreichen dieses Einwands nicht rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass Mitteilungen der Kammern der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung dienen, jedoch keine Aufforderung an die Verfahrensbeteiligten sind, weiteres Vorbringen einzureichen (Rechtsprechung, supra, V.A.4.7). Insbesondere kann die im Absatz IX, oben, der Mitteilung der Kammer, welche lediglich die Sachlage aufgrund der von den Parteien vorgebrachten Argumente widerspiegelt, nicht als Rechtfertigung für die Einreichung neuer Einwände, insbesondere solcher, die die Beteiligten früher hätten einreichen können und müssen, dienen.
6.2.5 Aus diesen Gründen hält die Kammer es im vorliegenden Fall für angebracht, ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 sowie Artikel 13 (1) VOBK 2007 und ihre Befugnis nach Artikel 13 (3) VOBK 2007 so auszuüben, den im obigen Absatz XIII h) identifizierten Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik nicht ins Verfahren zuzulassen.
6.3 Im Rahmen ihrer Argumentation bezüglich der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik hat die Beschwerdeführerin die Entgegenhaltungen E30 und E31 (als Kombinationsdokumente zu E1 und E3) herangezogen. Jedoch hat die Beschwerdegegnerin beantragt, dass E30 und E31 nicht ins Verfahren zugelassen werden.
Da der Einwand bezüglich der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik nicht zugelassen wird (wie im obigen Punkt 5.2 dargelegt), werden die Entgegenhaltung E30 und E31 aus den gleichen Gründen nicht ins Verfahren zugelassen (Artikel 13 (1) und 13 (3) VOBK 2007; Artikel 13 (1) VOBK 2020).
7. Da die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände entweder nicht erfolgreich sind oder nicht zugelassen werden, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.