T 1208/18 29-09-2021
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DEAKTIVIERUNG EINER SICHERHEITSFUNKTION DURCH BREMSEN
Neuheit - (nein): Hauptantrag, Hilfsanträge 1-5,5a, 7-10
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja): Hilfsantrag 6
Zulassung in das Verfahren - (nein): Hilfsantrag 5b
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts, die am 15. März 2018 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2004462 aufgrund des Artikels 101 (3) b) EPÜ widerrufen worden ist.
II. In dieser Entscheidung ist das Dokument
DE 101 44 797 A1 (D10) von Belang.
III. Am 29. September 2021 wurde vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hauptantrag (d.h. wie erteilt). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 5 vorgelegt mit der Beschwerdebegründung, Hilfsantrag 5a, zugestellt per Email am 28. September 2021, Hilfsantrag 5b, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, Hilfsanträge 6 bis 10, vorgelegt mit der Beschwerdebegründung.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Der erteilte Anspruch 1 (Hauptantrag) lautet wie folgt (Merkmalsgliederung gemäß der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Einfügung in eckigen Klammern durch die Kammer):
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304) [Merkmal 1a],
wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird [Merkmal 1b],
- wenn die durch den Fahrer vorgegebene Bremsintensität einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet (304) [Merkmal 1c] oder
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p)
größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck [Merkmal 1d1] oder
größer als ein vorgegebener Anteil (k) [Merkmal 1d2] oder
größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion [Merkmal 1d3] momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
V. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und
- die automatische Notbremsung dann beendet wird, wenn die durch den Fahrer vorgegebene Bremsintensität einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet (304) oder
- dass die aktivierte automatische Notbremsung eine fahrerunabhängige Bremsung durchführt und die automatische Notbremsung dann beendet wird, wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck oder größer als ein vorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
VI. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und
- entweder die automatische Notbremsung dann beendet wird, wenn die durch den Fahrer vorgegebene Bremsintensität einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet (304) oder
- die automatische Notbremsung dann beendet wird, wenn entweder der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck oder größer als ein vorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
VII. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn die durch den Fahrer vorgegebene Bremsintensität einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet (304).
VIII. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck oder größer als ein vorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
IX. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als ein vorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
X. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5a:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
XI. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5b:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als ein vorgegebener Anteil (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
XII. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn entweder der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als einvorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
XIII. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 7:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn der vom Fahrer über das Bremspedal vorgegebene Bremsdruck (p) einen vorgegebenen Anteil (k) oder ein vorbestimmtes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan aufgebrachten Bremsdrucks übersteigt.
XIV. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 8:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem erfassten Fahrerbremswunsch und einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn die durch den Fahrer vorgegebene Bremsintensität einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet (304) oder
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck oder größer als ein vorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
XV. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 9:
Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem erfassten Fahrerbremswunsch und einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck oder größer als ein vorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
XVI. Wortlaut des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 10:
1. Verfahren zur Deaktivierung einer aktivierten automatischen Notbremsung bei einem Fahrzeug (304), wobei die Deaktivierung abhängig von einem erfassten Fahrerbremswunsch und einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang (303) dann erfolgt und die automatische Notbremsung dann beendet wird,
- wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als ein vorgegebener Anteil (k) oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
XVII. Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin brachte im Wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Das erfindungsgemäße Verfahren gemäß dem Anspruch 1 wie erteilt erhalte vier verschiedene Ausführungsalternativen gemäß der Merkmale 1c, 1d1, 1d2 und 1d3, jeweils mit den Merkmalen 1a und 1b.
Alle diese Verfahrensalternativen seien schon deshalb neu gegenüber dem Dokument D10, da D10 keine Notbremsung offenbare. Von daher sei auch keine Deaktivierung einer (Not-) Bremsung offenbart. D10 stelle auf das autonome Fahren ab und auf die Übernahme einer autonomen Fahrfunktion durch den Fahrer. Somit stamme diese Druckschrift aus einem nicht vergleichbaren technischen Gebiet, da es dort in erster Linie um Komfortaspekte einer Bremsung gehe. Unter einer Notbremsung sei mithin eine Bremsung mit erheblicher Verzögerung zu verstehen, die versuche eine unmittelbar drohende Kollision zu verhindern oder zumindest die Kollisionsfolgen zu mildern. Davon aber sei in D10 nicht die Rede. Auch könne eine reine Aufrechterhaltung einer bestehenden Bremsung in beliebiger Höhe nicht als eine aktivierte automatische Notbremsung verstanden werden. Des Weiteren beschreibe D10 keine Deaktivierungsbedingungen dieser "aktivierten automatischen Notbremsung". Ebenfalls sei das Merkmal 1d1 nicht offenbart, da aufgrund des verwendeten Begriffs "erreicht" lediglich eine "Gleichheit" als Abschaltbedingung offenbart sei, nicht aber ein "Übersteigen" oder Überschreiten.
Hinsichtlich der Hilfsanträge 1 bis 3 habe die Einspruchsabteilung festgestellt, dass diese im Wesentlichen denselben Gegenstand abbildeten, wie der Hauptantrag. Von daher werde auf das Vorbringen zum Hauptantrag verwiesen.
Auch für die Hilfsanträge 4, 5 und 5a gelte, dass zum Hauptantrag vorgetragene in Bezug auf das Dokument D10. Insbesondere stellten diese auf die Variante gemäß Merkmal 1d3 ab.
Dies sei in Funktion und Auswirkung vom Merkmal 1d1 zu unterscheiden. Während das Merkmal 1d1 lediglich eine Überschreitung des systemerzeugten Druckes fordere, könne mit Merkmal 1d3 ein Vielfaches eingestellt werden, so dass eine Schwelle definierbar sei, die um einen bestimmten Faktor (K) über der des systemerzeugten Druckes liege. In der strittigen Erfindung könne K einen beliebigen Wert größer 1 annehmen. Ein derartiger Faktor sei aber in D10 nicht genannt. Des Weiteren sei es für den Fachmann selbstverständlich, dass mit den drei Varianten 1d1, 1d2 und 1d3 verschiedene Deaktivierungsszenarien beansprucht würden, nämlich die Varianten K=1, K<1 und K>1. Somit entspräche die Auffassung, die Varianten 1d1 und 1d3 definierten beide einen Faktor K>1 einer böswilligen Auslegung des erteilten Anspruchs 1. Die Verfahrensvariante K=1 sei schließlich in der Figur 2 der Patentschrift gezeigt.
Der Hilfsantrag 5b solle in das Verfahren zugelassen werden. Er beschränke sich auf die Verfahrensvariante, die auf dem Merkmal 1d2 basiert. Damit käme kein neuer Sachverhalt in die Diskussion und diese Verfahrensvariante sei auch schon immer im Verfahren gewesen.
Im Übrigen müsse es möglich sein, auch noch in der mündlichen Verhandlung sein Patent zu verteidigen, zumal es offensichtlich sei, dass diese Variante noch nicht angegriffen sei.
Der Gegenstand des Hilfsantrags 6 könne nicht unzulässig erweitert sein, da er sich aus dem erteilten Anspruch 1 ergebe wo nun 2 Verfahrensalternativen nebeneinander gestellt seien.
Beide Verfahrensalternativen seien ursprünglich offenbart gewesen. Eine Erklärung, unter welchen Bedingungen welcher der beiden Verfahrenszweige durchlaufen werde, sei nicht nötig, das dies der Fachmann in der entsprechenden Situation wisse. Außerdem aber man sich nicht mit einer Definition einer Verzweigung im Anspruch einschränken wolle.
Was das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 7 betrifft, könne der D10 nicht entnommen werden, ob der Fahrer den entsprechenden Bremsdruck wirklich selbst durch das Bremspedal aufbringe oder nicht. Des Weiteren werde eingeräumt, dass der Hilfsantrag 7 nicht dazu vorgelegt worden sei, um sich von D10 abzusetzen.
Der D10 könne auch nicht entnommen werden, dass es sich um den erfassten Fahrerbremswunsch handele, wenn dort das Bremspedal betätigt werde. Es sei ja gerade die Aufgabe der strittigen Erfindung, dass zufällige Bremspedalberührungen eine Deaktivierung vornehmen.
Die Hilfsanträge 8, 9, 10 entsprächen im Wesentlichen dem Hauptantrag, sowie Hilfsantrag 4 und 5. Es werde lediglich das Merkmal in Merkmal 1b des Anspruchs 1 "abhängig von einem erfassten Fahrerwunsch und" ergänzt. Damit sei verankert, dass es sich um eine tatsächliche und auch von Fahrer gewollte Bremsung handele, was schon implizit Bestandteil des Gegenstands des Hauptantrags, sowie der Hilfsanträge 4 und 5 sei. Die Argumente hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit seien analog zu den Ausführungen zum Hauptantrag sowie Hilfsantrag 4 und Hilfsantrag 5.
XVIII. Die Beschwerdegegnerin erwiderte die Argumente wie folgt:
Der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass es sich bei den mit "oder" verknüpften Merkmalen um alternative Ausführungsformen eines Verfahrens gemäß der Erfindung handele werde zugestimmt. Schließlich werde durch die Merkmale 1c bis 1d3 der gesamte Wertebereich für K von fast Null bis unendlich abgedeckt, bis auf den Wert eins. Dann aber reiche es aus, wenn ein einziges der Merkmale 1c bis 1d3 (jeweils mit Merkmalen 1a und 1b) im Stand der Technik offenbart sei, um die Neuheit in Frage zu stellen.
Dokument D10 offenbare fraglos eine Notbremsung, die vom Fahrer deaktiviert werden könne. Dass D10 aus dem Bereich des autonomen Fahrens stamme, sei für die Frage der Neuheit nicht von Belang. D10 offenbare, dass "der Fahrer eingreift ... und der vom Fahrer erzeugte Bremsdruck zu gering ist und nicht ausreicht um eine Kollision mit dem vorausfahrenden Fahrzeug zu verhindern", Spalte 1, Zeilen 14 bis 26. Wenn eine Kollision verhindert werden solle und darüber hinaus auch noch dafür gesorgt werden müsse, dass der Fahrer beim Bremsen unterstützt werden müsse um eine Kollision zu verhindern, dann sei das eindeutig als eine Notbremsung zu sehen. Was anderes sei eine Notbremsung denn sonst als eine Bremsung in einer Notsituation.
Weiterhin offenbare D10 in Paragraph [0044], dass der Fahrer mit dem Bremspedal bei einem Druck, der dem entspreche, den das autonome System aufbringe, dieses deaktivieren könne. Eingangs in D10 sei genannt, dass der in der Fahrzeugkomponente herrschende Zustand nämlich solange beibehalten werden müsse, bis die manuelle Fahreranforderung einen gegebenen Referenzwert erreiche bzw. überschreite, Spalte 1, Zeilen 56 ff.
Außerdem sei nicht klar, worin sich die Merkmale 1c, 1d1 und 1d3 überhaupt unterscheiden. Wenn der Bremsdruck durch der Fahrer größer sei als der von der Sicherheitsfunktion vorgegebene und damit die Deaktivierung ausgelöst werde, sei dieser Fahrerbremsdruck schließlich auch ein Vielfaches des von der Sicherheitsfunktion erzeugten Bremsdrucks. Auch müsse hier beachtet werden, dass reale Systeme Toleranzen und die Sensoren Meßfehler aufweisen. Somit seien in realen Systemen, wenn es darum gehe, eine Grenze sicher zu überschreiten, immer Sicherheitszuschläge vorhanden. So sei auch hier davon auszugehen, dass bei einer "Fahrerdruck größer Systemdruck?"-Abfrage ein Sicherheitszuschlag vorhanden sei, der sich dann aber auch als Vielfaches (gemäß Merkmal 1d3) darstelle. Es scheine als sollten mit den vier Varianten 1c bis 1d3 in unterschiedlichen Formulierungen breite und teilweise gleiche Bereiche abgedeckt werden. Weiterhin könne nicht erkannt werden, dass die Variante K=1, die in Figur 2 des Streitpatents gezeigt sei, im Anspruch 1 definiert sei. Dort sei K>1 definiert, und wenn das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 2 hätte beansprucht werden sollen, wäre im Anspruch 1 eine Definition "größer gleich" (K>=1) richtig gewesen.
Die Hilfsanträge 1 bis 3 seien zurückzuweisen, da die Beschwerdeführerin nicht dazu ausgeführt habe, insbesondere nicht, warum diese zu gewähren seien.
Die Hilfsanträge 5a und 5b seien nicht in das Verfahren zuzulassen. Eine Vorlage in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer sei zu spät zumal sich der Sachverhalt seit dem Verfahren vor der Einspruchsabteilung nicht verändert habe. Die Einschränkung auf die Variante 1d2 hätte die Patentinhaberin bereits im Einspruchsverfahren vorlegen sollen.
Die "entweder"-"oder" Verknüpfung zweier Merkmale (entweder 1d2 oder 1d3) sei nicht ursprünglich offenbart. Dies bedeute, dass es eine Verzweigung geben müsse. Eine solche sei aber nicht gezeigt. Des Weiteren bleibe unklar, in Abhängigkeit von welcher Größe oder welchem Ereignis in welchen Zweig verzweigt werde. Damit sei der Anspruch 1 unklar und die dort definierte Erfindung nicht ausführbar.
Es sei selbstverständlich an mehreren der genannten Stellen in der D10 ein Bremspedal offenbart. Auch sei unmissverständlich klar in der D10 dargestellt, dass es sich um den erfassten Fahrerbremswunsch handele, siehe Spalte 1, Zeilen 27 bis 29. In Paragraph [0008] ist von einer manuellen Fahreranforderung die Rede. Dies sei ja auch nicht anderes.
Letztlich stelle inhaltlich der im erteilten Merkmal 1b genannte "von einem durch den Fahrer durchgeführten Bremsvorgang" bereits einen "Fahrerbremswunsch" dar.
1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt ist nicht neu gegenüber dem Dokument D10, Artikel 54 EPÜ.
1.1 Zunächst ist festzustellen, dass die vier mit "oder" verbundenen Merkmale im erteilten Anspruch 1 (Merkmale 1c, 1d1, 1d2, 1d3) als alternative Ausführungen des erfindungsgemäßen Verfahrens zu verstehen sind, und nicht als alternative Deaktivierungsoptionen eines einzigen Verfahrens auf verschiedene vorgegebene Bremsdrücke bzw. -intensitäten.
Damit folgt die Kammer der Sicht der Einspruchsabteilung (siehe Entscheidung, Punkt 1) sowie der der Parteien.
1.2 Nach Auffassung der Kammer ist dies die einzige technisch sinnvolle Sichtweise auf die "oder"-Verknüpfung der Merkmale 1c, 1d1, 1d2 und 1d3 in Anspruch 1, da beispielsweise die Merkmale 1d2 ("größer als ein vorgegebener Anteil") und 1d3 ("größer als ein Vielfaches") derart unterschiedliche Bereiche definieren, dass beide Merkmale in einem einzigen Verfahren in einem technischen Widerspruch zueinander stehen würden.
1.3 Auch erwähnt die Beschreibung des Streitpatents kein Verfahren, in dem es mehrere durch "oder"-verknüpfte Deaktivierungsoptionen der automatischen Notbremsung gibt. So ist im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel beschrieben, dass - wenn die Intensität des Fahrerbremswunsches stärker als die mit dem Faktor K multiplizierte Intensität der von der Sicherheitsfunktion durchgeführten Bremsung ist - die fahrerunabhängige Bremsung deaktiviert wird, Streitpatent, Spalte 3, Zeile 12 ff.
Ein Beispiel, dass mehrere Vergleiche parallel durchgeführt werden, ist nicht offenbart.
1.4 Aus dieser Interpretation des Anspruchs 1 folgt, dass ein Stand der Technik den Gegenstand des Anspruchs 1 dann neuheitsschädlich trifft, wenn eine der Verfahrensvarianten dort offenbart wird, entsprechend den Merkmalen 1a, 1b, 1c oder 1a, 1b, 1d1 oder 1a, 1b, 1d2 oder 1a, 1b, 1d3.
1.5 Das Dokument D10 offenbart ein Verfahren zur Deaktivierung einer automatischen Notbremsung gemäß der strittigen Erfindung und zwar in den Verfahrensvarianten mit den Merkmalen 1d1 bzw. 1d3.
Die Kammer folgt hierbei nicht der Darstellung der Beschwerdeführerin, dass D10 keine Notbremsung im Sinne des Streitpatents offenbare, da D10 auf eine Übernahme einer autonomen Fahrfunktion durch den Fahrer gerichtet sei. Mit einer Notbremsung sei eine erhebliche Verzögerung gemeint, geeignet eine Kollision zu verhindern oder mindestens die Kollisionsfolgen zu mindern.
D10 offenbart ein Grundproblem autonomer Fahrzeugführung, dass während eines automatischen Bremsvorgangs - eingeleitet aufgrund einer erkannten Kollisionsgefahr ... "der Fahrer eingreift ... und der vom Fahrer erzeugte Bremsdruck zu gering ist und nicht ausreicht um eine Kollision mit dem vorausfahrenden Fahrzeug zu verhindern", D10, Spalte 1, Zeilen 14 bis 26.
So ist ein automatischer Bremsvorgang, der aufgrund einer erkannten Kollisionsgefahr eingeleitet wird, und der weiterhin so stark sein soll, dass sichergestellt werden muss, dass der Fahrer bei der Übernahme sofort den richtigen Bremsdruck einstellt um eine Kollision zu verhindern, stellt nach Meinung der Kammer eine Notbremsung im Sinne des Streitpatents dar.
Vor dem Hintergrund dieser Offenbarungsstelle sind auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin, D10 offenbare keine Deaktivierung einer automatischen Notbremse unbegründet.
Damit sind eindeutig und unmittelbar die Merkmale 1a und 1b offenbart.
1.6 Ebenfalls offenbart das Dokument D10 das Merkmal 1d1, wonach die automatische Notbremsung wird dann beendet, wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck ist.
Die technischen Details sind in Paragraph [0044] ausgeführt: der Fahrer der mit dem über das Bremspedal aufgebauten Bremsdruck zunächst unterhalb des vom System erzeugten automatischen Bremsdrucks liegt, baut diesen immer weiter auf, bis auf das vom Fahrzeugrechner umgesetzte Bremsdruckniveau. Erst dann übergibt der Fahrzeugrechner die Kontrolle an den Fahrer ab. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass in D10 lediglich das Erreichen des von der Sicherheitsfunktion erzeugten Bremsdrucks ausreicht, während in der strittigen Erfindung dieses überschritten werden muss, ist nicht korrekt, da D10 offenbart, dass der in der Fahrzeugkomponente herrschende Zustand nämlich solange beibehalten werden muss, bis die manuelle Fahreranforderung einen gegebenen Referenzwert erreicht bzw. überschreitet, Spalte 1, Zeilen 56 ff.
1.7 Auch teilt die Kammer nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass sich die Merkmale 1d1 (die automatische Notbremsung wird dann beendet, wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck ist) und 1d3 (die automatische Notbremsung wird dann beendet, wenn der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist) im Ergebnis unterscheiden.
So trifft das Dokument D10 auch die Verfahrensvariante 1a, 1b, 1d3 neuheitschädlich.
Die Beschwerdeführerin argumentiert dazu widersprüchlich:
1.7.1 Zum einen trägt sie vor, dass es bei Merkmal 1d1 lediglich darauf ankomme, dass der vom Fahrer aufgebrachte Bremsdruck größer sei als der von der Sicherheitsfunktion erzeugte Bremsdruck, während Merkmal 1d3 einen vorgegebenen Faktor K definiere, um den der vom Fahrer aufgebrachte Bremsdruck größer sein müsse als der von der Sicherheitsfunktion erzeugte Bremsdruck. Faktor K sei dabei ein beliebiger Wert größer 1, nicht zwangsläufig ganzzahlig. Ein derartiger Faktor aber sei in D10 nicht offenbart.
Die Kammer stellt hierzu fest, dass ein Faktor, mit dem ein Druck zu multiplizieren ist, auch im strittigen Anspruch nicht definiert ist. Es heißt dort lediglich, dass der Fahrerbremsdruck um ein vorgegebenes Vielfaches größer sein muss, als der von der Sicherheitsfunktion erzeugte Druck.
Nun lässt sich aber für jeden beliebigen vom Fahrer aufgebrachten Bremsdruck, der größer ist (Merkmal 1d1), als der von der Sicherheitsfunktion erzeugte, ein Verhältnis beider Bremsdrücke bilden.
Dieses Verhältnis aber entspricht dem Faktor K, der im betrachteten Fall größer 1 ist.
Auf die Offenbarung des Dokuments D10 übertragen bedeutet dies für die Übernahme des Fahrers aus dem autonomen Betrieb, wie sie in Paragraph [0044] der D10 beschrieben ist (siehe auch oben Punkt 1.6): wenn der vom Fahrer aufgebrachte Bremsdruck gleich groß ist wie der von der Sicherheitsfunktion erzeugte Bremsdruck, ist das Verhältnis genau K=1. Im Moment der Überschreitung ist das Verhältnis K gerade größer 1 und liegt damit im Wertebereich für K gemäß der Definition für das Merkmal 1d3. Der Wert, an dem die Übergabe an den Fahrer stattfindet ist "vorgegeben" und führt somit zu einem "vorgegebenen Vielfachen" im Sinne der Erfindung.
1.7.2 Zum anderen trägt die Beschwerdeführerin vor, dass sich aus dem Kontext der Formulierung des Patentanspruchs 1 und der gesamten Anmeldung ergebe, dass hier in den Merkmalen 1d1 bis 1d3 drei unterschiedliche Alternativen hätten definiert werden sollen, nämlich die Alternativen K=1 (in 1d1), K<1 (1d2) und K>1 (1d3). Der Fall K=1 solle gemäß Figur 2 der Patentschrift dabei den Fall darstellen, wo der Bremsdruck des Fahrers den durch das System erzeugten Druck erreicht.
Nach Ansicht der Kammer ist das Merkmal 1d1 von unmissverständlicher Klarheit definiert: wenn der durch den Fahrer vorgegebene Bremsdruck größer als der von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugte Bremsdruck ist; hier ist eben kein "größer oder gleich" definiert.
Dabei ist es auch nicht von Belang, dass die Figur 2 des Streitpatents den Fall K=1 offenbart. Die dort gezeigte Ausführungsform hat jedenfalls keinen Niederschlag in den Merkmalen 1d1 bis 1d3 gefunden. Somit kommt die Kammer auch bei der Berücksichtigung dieser Argumentation der Beschwerdeführerin, die im Übrigen auch im Widerspruch zu der steht, die für das Merkmal 1d1 vorgetragen wurde (siehe oben, Punkt 2.6, letzter Absatz), nicht zu einem anderen Ergebnis.
2. Der jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der Hilfsanträge 1 bis 3 ist aus den unter Punkt 1 genannten Gründen ebenfalls nicht neu, Artikel 54 EPÜ.
Die Einspruchsabteilung hat befunden, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 im Wesentlichen den gleichen Gegenstand beinhalten wie der Hauptantrag, und entsprechend als nicht neu angesehen werden.
In ihrem Vorbringen hat daher die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) auf ihre Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.
Von daher sind die Hilfsanträge 1 bis 3 zurückzuweisen.
3. Da auch der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 4, 5 und 5a das Merkmal 1d3 beinhaltet, sind auch die Hilfsanträge 4, 5 und 5a zurückzuweisen, da der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 nicht neu ist; Artikel 54 (2) EPÜ.
Aus diesem Grund kann die Zulassung des Hilfsantrags 5a in das Verfahren offenbleiben.
4. Der Hilfsantrag 5b wird nicht in das Verfahren zugelassen, Artikel 13(2) VOBK 2020 (Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020). Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Im vorliegenden Fall wurde den Hilfsantrag 5b erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht.
4.1 Die Beschwerdeführerin trägt vor, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 5b nur noch die Verfahrensvariante mit Merkmal 1d2 beinhalte, die bislang nicht angegriffen sei und es der Patentinhaberin möglich sein müsse, diese Variante auch noch in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zu verteidigen, da keine unvorhersehbaren Fragestellungen aufträten.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin insofern zu, als dass die mit dem Hilfsantrag 5b auftretenden Fragestellungen nicht unvorhersehbar sind. Allerdings widerspricht die Kammer, dass die Variante 1d2 bislang nicht angegriffen sei; so hat die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) gegen die Verfahrensvarianten mit dem Merkmal 1d2 einen Angriff u.a. wegen mangelnder Neuheit gegenüber dem Dokument D13 vorgebracht.
Daher verstößt die Zulassung des Hilfsantrags 5b, den die Beschwerdeführerin erst gegen 12:30 Uhr am Tag der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgelegt hat, nämlich nach der Diskussion zum Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 5a und nachdem der Vorsitzende die Auffassung der Kammer dazu kundgetan hat, gegen verfahrensökonomische Grundsätze. Der von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber D13 hätte mit der Zulassung von Hilfsantrag 5b dann erstmals diskutiert werden müssen.
Da durch die Forderung, die Führung des Verfahrens ökonomisch zu halten, der Kammer die grundsätzliche Aufgabe zukommt, die Reihenfolge der Abarbeitung von Anträgen, Ansprüchen bzw. Einwänden festzulegen, stellt ein neuer Antrag - auch wenn dessen Gegenstand als Teil anderer Anträge bereits ein Teil des Verfahrens ist, aber die gegen ihn gerichteten Einwände aufgrund des Verfahrensverlaufs bislang hatten nie diskutiert werden müssen - eine Änderung des Vorbringens dar.
Dies ist vorliegend der Fall. Durch die Diskussion der Verfahrensvarianten 1d1 bzw. 1d3 vor dem Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber D10 hat sich die Kammer zunächst auf den Gegenstand konzentriert, der für den Hauptantrag und einen großen Teil der Hilfsanträge entscheidungserheblich ist. Dabei sieht es die Kammer auf verfahrensökonomischen Gründen als legitim an, sich zunächst den Einwänden zuzuwenden, die mit höherer Wahrscheinlichkeit der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehen (siehe auch R 8/16) und dies bei der Planung der mündlichen Verhandlung in Bezug auf den voraussichtlichen Zeitbedarf zu berücksichtigen.
Dies aber würde durch die Zulassung eines kurzfristig vorgelegten Antrags konterkariert, der das Ergebnis aller bislang diskutierten Einwände obsolet macht und sich einem anderen Gegenstand zuwendet, bei dem sich die Kammer mit völlig anderen Einwänden zu befassen hat.
4.2 Weiter ist festzustellen, dass die Begründung der Beschwerdeführerin nicht das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände nach Artikel 13(2) VOBK 2020 beschreibt.
Dies hat die Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.
5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6 ist unzulässig erweitert, Artikel 123(2) EPÜ.
5.1 Die Notbremsung wird nunmehr dann beendet, wenn
entweder der vom Fahrer vorgegebene Bremsdruck (p) größer als ein vorgegebener Anteil (k)
oder größer als ein vorgegebenes Vielfaches (k) des von der Sicherheitsfunktion momentan erzeugten Bremsdrucks ist.
5.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass nunmehr zwei der erfindungsgemäßen Verfahren (basierend auf den Merkmalen 1d2 und 1d3) in einer "entweder-oder" Kombination in einem Verfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus dem Kontext der Beschreibung und der Anspruchsdefinition, z.B. des erteilten Anspruchs 1.
Hierzu ist festzustellen, dass die gesamte Offenbarung keinen Hinweis enthält, mehrere Verfahren mit unterschiedlichen K-Faktoren in einem einzigen Verfahren anzuordnen. So bleibt offen, unter welchen Bedingungen der jeweilige Ast in der Verzeigung durchlaufen wird.
Das Argument der Beschwerdeführerin, dies habe nicht dargelegt werden können, um hinsichtlich der Kriterien nicht eingeschränkt zu sein, kann keine Rechtfertigung für eine nicht vorhandene Offenbarung des Erfindungsgegenstands sein. Siehe dazu auch die Darlegung unter Punkt 1.1 bis 1.3.
So schließt sich die Kammer der Darstellung der Beschwerdegegnerin an, dass hier dem Fachmann eine zusätzliche - nicht ursprünglich offenbarte - technische Information vermittelt wird, man könne in einem Verfahren zwei Zweige vorsehen, die in Abhängigkeit von nicht weiter definierten Kriterien durchlaufen werden können.
6. Die zusätzlichen Merkmale des jeweiligen Anspruchs 1 der Hilfsanträge 7 bis 10 sind jeweils ebenfalls in D10 offenbart.
Somit ist der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß der Hilfsanträge 7 bis 10 nicht neu,
Artikel 54 EPÜ.
6.1 Das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 7 definiert, dass der Fahrer den Bremsdruck über das Bremspedal aufbringt. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass D10 offenbart, dass durch das Bremspedal der systemrelevante Bremsdruck aufgebaut wird. Die Kammer verweist hierzu auf die oben zitierten Passagen (Paragraph [0044]), in denen ein Bremspedal explizit genannt ist ("betätigt dieser das Bremspedal und baut einen Bremsdruck auf"). Dabei ist es aus Sicht der Kammer nicht von Bedeutung, ob der Bremsdruck direkt über das Pedal aufgebaut wird oder über einen Bremskraftverstärker. Letztlich definiert der Anspruch 1 auch nur, dass der Bremsdruck über das Bremspedal vorgegeben ist: ob dies direkt oder indirekt über einen Bremskraftverstärker geschieht, bleibt auch hier offen.
6.2 Das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 (sowie 9 und 10) definiert, dass die Deaktivierung auch vom erfassten Fahrerbremswunsch abhängig ist. D10 beschreibt dezidiert, dass in dem Fall, in dem der Fahrer von sich aus eine Übernahme der Bremskontrolle wünscht, sich das Problem der des vom Fahrer unzureichend aufgebrachten Bremsdrucks stellt (Spalte 1, Zeilen 27 bis 29), in Paragraph [0008] ist von einer manuellen Fahreranforderung die Rede.
Deshalb kann die Darstellung der Beschwerdeführerin, die ausführt, es sollten ja gerade zufällige Pedalbetätigungen nicht als Fahrerwunsch erkannt werden, nicht überzeugen. Weitere technische Merkmale zur Erkennung eines Fahrerwunsches sind auch im strittigen Anspruch 1 nicht definiert.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.