T 1842/18 10-12-2021
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Pumpenaggregat
ProMinent GmbH
WILO SE
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Alternative
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Spät eingereichter Antrag - divergierende Anspruchsfassungen
Spät eingereichter Antrag - eingereicht in der mündlichen Verhandlung
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerden richten sich gegen die Zwischen-entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 610 500 in geändertem Umfang nach Artikel 101 (3) (a) und 106 (2) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt nicht neu sei, der Gegenstand von Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1 aber neu und erfinderisch sei.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
E2 DE 102 45 971 A1
E4 EP 1 947 343 A1
III. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer vom 1. Dezember 2020 teilte diese den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Eine Ladung zu einer mündlichen Verhandlung folgte am 16. Februar 2021. Die mündliche Verhandlung fand am 10. Dezember 2021 in Anwesenheit der Patentinhaberin und der Einsprechenden 1 als Videokonferenz statt. Für die Verfahrens-beteiligte Einsprechende 2 war, obwohl ordnungsgemäß geladen, niemand anwesend.
IV. Die Beschwerdeführerin Einsprechende 1 (nachfolgend Einsprechende 1) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und den Widerruf des Patents.
V. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin (nachfolgend Patentinhaberin) beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das erteilte Patent aufrechtzuerhalten (Hauptantrag). Sie beantragt auch, die Beschwerde der Einsprechenden 1 zurückzuweisen, also das Patent auf Grundlage des von der Abteilung als gewährbar erachteten Hilfsantrags 1 aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden 1 am 6. Februar 2019 eingereichten Hilfsantrags 10-alt, oder des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags 10-neu.
Die Einsprechende 2 als Verfahrensbeteiligte hat weder Anträge gestellt noch zur Sache vorgetragen.
VI. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (erteilte Fassung)
"Pumpenaggregat mit einem elektrischen Antriebsmotor und einem Elektronikgehäuse (10), in dessen Inneren zumindest eine erste elektrische Leiterplatte (14) angeordnet ist, auf welcher elektrische Kontakte (18) ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass über die elektrischen Kontakte (18) zumindest ein elektronisches Bauteil (16) im Inneren des Elektronikgehäuses (10) programmierbar ist und in einer Wandung (20) des Elektronikgehäuses (10) zumindest eine Öffnung (22) ausgebildet ist, durch welche die elektrischen Kontakte (18) auf der Leiterplatte (14) von außen kontaktierbar sind."
Hilfsantrag 1 (von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung)
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"Umwälzp[deleted: P]umpenaggregat, welches eine Baueinheit bestehend aus [deleted: mit] einem elektrischen Antriebsmotor und einer Pumpe bildet [deleted: und] einem Elektronikgehäuse (10), in dessen Inneren zumindest ..., durch welche die elektrischen Kontakte (18) auf der Leiterplatte (14) zur Programmierung des zumindest einen elektronischen Bauteils (16) direkt von außen [deleted: kontaktierbar sind] kontaktiert werden können."
Hilfsantrag 10-alt (mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden 1 eingereicht)
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"... und in einer Wandung (20) des Elektronikgehäuses (10) [deleted: zumindest eine] mehrere, jeweils einem der Kontakte (18) gegenüberliegende Öffnungen (22) ausgebildet [deleted: ist] sind, durch welche Kontaktstifte in das Innere des Elektronikgehäuses (10) eingeführt werden können und dort die Kontakte (18) auf der Leiterplatte (14) zur Programmierung des elektronischen Bauteils kontaktieren können, wobei die zumindest eine Öffnung (22) gleichzeitig als Führung für die Kontaktstifte dienen.[deleted: ie elektrischen Kontakte (18) auf der Leiterplatte (14) von außen kontaktierbar sind.]"
Hilfsantrag 10-neu (während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht)
Wie im Hilfsantrag 10-alt, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"... kontaktieren können, wobei die [deleted: zumindest eine] Öffnungen (22) gleichzeitig als Führung für die Kontaktstifte dienen."
VII. Die Einsprechende 1 hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 werde ausgehend von E4 in Kombination mit E2 nahegelegt. Die Hilfsanträge 10-alt und 10-neu seien wegen mangelnder Konvergenz nicht zum Verfahren zuzulassen.
VIII. Die Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 beruhe im Lichte des genannten Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit. Die Hilfsanträge 10-alt und 10-neu seien zum Verfahren zuzulassen.
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Pumpenaggregat mit einem elektrischen Antriebsmotor und einem Elektronikgehäuse, siehe die Figuren 1 und 2 der Patentschrift. Ein solches Pumpenaggregat kann beispielsweise als Heizungsumwälzpumpe verwendet werden. Im Inneren des Elektronikgehäuses (10) ist eine erste elektrische Leiterplatte (14) angeordnet, auf welcher elektrische Kontakte (18) ausgebildet sind. Über die elektrischen Kontakte ist ein elektronisches Bauteil (16) im Inneren des Elektronikgehäuses programmierbar. In einer Wandung (20) des Elektronikgehäuses ist zumindest eine Öffnung (22) ausgebildet, durch welche die elektrischen Kontakte auf der Leiterplatte (14) von außen kontaktierbar sind. Wegen der von außen zugänglichen elektrischen Kontakte kann die Programmierung des Pumpenaggregats erst gegen Ende des Fertigungsprozesses erfolgen, oder fertig montierte Pumpenaggregate können gelagert und erst vor der Auslieferung in Abhängigkeit von Kundenwünschen programmiert werden, siehe Absatz 0009 der Patentschrift.
3. Hauptantrag, Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit
Die angegriffene Entscheidung bejahte die erfinderische Tätigkeit von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ausgehend vom Dokument E4, siehe Absatz 5.4 der Entscheidungs-gründe. Die Einsprechende 1 bestreitet diesen Befund.
3.1 Auch die Kammer hält das Dokument E4 für einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt, da es ein Umwälzpumpenaggregat für eine Heizung offenbart, siehe Absatz 0043 des Dokuments. Das Pumpenaggregat bildet eine Baueinheit aus dem Pumpengehäuse 2, dem Statorgehäuse 6 des elektrischen Antriebsmotors und dem Klemmenkasten 12. Im Inneren des als Elektronikgehäuse dienenden Klemmenkastens 12 sind zwei Leiterplatten 56 und 76 angeordnet, siehe die Absätze 0058 und 0059 sowie die Figur 12.
3.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von der Offenbarung der E4 unbestritten darin, dass über die elektrischen Kontakte auf einer der beiden Leiterplatten 56 und 76 zumindest ein elektronisches Bauteil im Inneren des Klemmenkastens 12 programmierbar ist, und dass in einer Wandung des Klemmenkastens 12 zumindest eine Öffnung ausgebildet ist, durch welche die elektrischen Kontakte auf einer der Leiterplatten zur Programmierung des zumindest einen elektronischen Bauteils direkt von außen kontaktiert werden können. In E4 sind zwar die elektronischen Bauteile 72 auf der Leiterplatte 56 implizit programmierbar, da sie eine Steuer- bzw. Regelelektronik zum Betrieb des Pumpenaggregats bilden, siehe den Absatz 0055 des Dokuments. Jedoch schweigt sich das Dokument darüber aus, wie die Programmierung der elektronischen Bauteile 72 erfolgt. Fachüblich erfolgt die Programmierung solcher Bauteile wohl vor dem Zusammenbau des Pumpenaggregats.
3.3 In Übereinstimmung mit der Patentinhaberin liegt diesen beiden Unterscheidungsmerkmalen die objektive technische Aufgabe zugrunde, eine alternative Programmierbarkeit der Steuer- bzw. Regelelektronik vorzusehen. Mithin hängt die Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit davon ab, ob der von E4 ausgehende Fachmann - wie von der Einsprechenden vorgetragen und von der Patentinhaberin bestritten - ohne eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise anhand der E2 zu obigen Unterscheidungsmerkmalen gelangt wäre.
3.4 Das Dokument E2 offenbart einen Elektromotor 1 mit einer Rotorwelle 12 zum Anschluss eines anzutreibenden Teils oder Aggregats. Der Elektromotor 1 bzw. sein Stator 2 ist an einem Motorträger 6 mittels zweier ineinander gesteckter Verbindungsabschnitte befestigt. Dabei bildet der Stator-Verbindungsabschnitt 22 zusammen mit der Gehäusekappe 62 ein Elektronikgehäuses 58 zur Aufnahme der Steuerelektronik 60. Diese ist auf einer Leiterplatte 72 angeordnet, die eine Schnitt-stelle 82 zum Programmieren der Steuerelektronik besitzt. Diese Schnittstelle ist durch Öffnungen des Elektronikgehäuses bzw. der Gehäusekappe von außen zugänglich, siehe die Absätze 0018, 0023 und 0025 sowie die Figur 5 des Dokuments.
3.5 Die Patentinhaberin bestreitet die Kombinierbarkeit der beiden Dokumente mit dem Argument, dass in E2 nur der Antrieb eines gattungsfremden Lüfterrades offenbart sei. Die Kammer sieht das anders, da das Dokument nicht auf elektrische Lüfter beschränkt ist. Stattdessen betrifft es elektromotorische Antriebe für beliebige Aggregate (Absatz 0018: "beliebiges Befestigungselement 14 zum Anschluss eines anzutreibenden Aggregates (nicht dargestellt")). Das von der Patentinhaberin genannte Lüfterrad stellt also nur ein Beispiel für ein solches Aggregat dar, was auch bereits aus der entsprechenden Formulierung in E2 hervorgeht (Absatz 18: "wobei der Rotor 4 beispielhaft unmittelbar auf seinem Außenumfang ein Lüfterrad 16 trägt"; Hervorhebung durch die Kammer). Der von E4 ausgehende Fachmann wird daher auf seiner Suche nach einer alternativen Programmierweise die über eine Schnittstelle von außen programmierbare Steuerelektronik der E2 berücksichtigen. Der zuständige Fachmann ist ein Maschinenbauingenieur, der mit Elektroantrieb versehene Pumpenaggregate entwickelt und somit Kenntnisse im breiteren Bereich der Elektroantriebe für Aggregate besitzen wird.
3.6 Im Hinblick auf die in E2 gezeigte Schnittstelle 82 zur Programmierung der Steuerelektronik teilt die Kammer die Sichtweise der Patentinhaberin, wonach sie als fachübliche Steckverbindung ausgebildet ist. In der Figur 5 des Dokuments ist ein "männlicher" Anschluss-Pin dargestellt, der die Leiterplatte 72 durchdringt und mit darauf angebrachten Leiterbahnen verbunden ist. Über das nicht dargestellte "weibliche" Gegenstück wird dieser Anschluss-Pin von außen programmiert. Das Argument der Patentinhaberin, wonach E2 den Fachmann davon wegleite, elektrische Kontakte auf der Leiterplatte 72 auszubilden, überzeugt die Kammer dagegen nicht. Die in E2 gezeigte Steckverbindung besitzt wohl wegen der fachüblichen Mehrzahl von Anschlussleitungen zur Programmierung nicht nur den gezeigten einen Anschluss-Pin, sondern mehrere elektrische Kontakte. Das wird nach Meinung der Kammer durch die längliche Ausbildung des Steckergehäuses und die ihm gegenüberliegenden mindestens vier Pin-Enden auf der Rückseite der Leiterplatte 72 in Figur 7 bestätigt und auch nicht von der Patentinhaberin bestritten. Diese Kontakte sind zudem auf der Leiterplatte ausgebildet, da sie dort angeordnet sind und in elektrischer Verbindung mit den Leiterbahnen der Steuerelektronik stehen. Den von der Patentinhaberin behaupteten Unterschied zwischen "angeordneten" und "ausgebildeten" elektrischen Kontakten vermag die Kammer nicht zu erkennen, da die Patentschrift im Zusammenhang mit diesen Kontakten bereits das Verb "anordnen" verwendet (Absatz 0024: "... sind ... an der Leiterplatte 14 Kontakte 18 angeordnet."). Auch der von der Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung als Anlage E1 eingereichte Auszug aus "Duden - Das Bedeutungswörterbuch" führt zu keiner anderen Sichtweise. Demnach hat das Verb "ausbilden" bei anspruchsgemäß nicht-reflexiver Verwendung zwar die Bedeutung "aus sich hervorbringen" und die Synonyme "bekommen, bilden, hervorbringen". Die Kammer kann jedoch nicht erkennen, wie eine elektrische Leiterplatte von selbst die elektrischen Kontakte hervorbringen oder sie von selbst bilden könnte. Die im Duden genannte nicht-reflexive Bedeutung ist daher nach Meinung der Kammer für das Fachgebiet der elektrischen Leiterplatten nicht einschlägig. Auch das von der Patentinhaberin angeführte Beispiel "die Pflanze bildet Blätter aus" ändert daran nichts. In diesem Beispiel werden die Blätter zwar ein Teil der Pflanze, während die Steckverbindung in E2 auch aus Sicht der Kammer kein Teil der Leiterplatte ist. Dieses ebenfalls in dem von der Patentinhaberin übermittelten Auszug aus dem Duden genannte Beispiel betrifft jedoch die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht vorkommende reflexive Verwendung des Verbs ("sich ausbilden"), so dass es für die Auslegung von Anspruch 1 nicht relevant ist.
3.7 Aus diesen Gründen offenbart das Dokument E2 die beiden Unterscheidungsmerkmale und verlangt auch nicht vom Fachmann, die bereits in E4 auf der Leiterplatte ausgebildeten elektrischen Kontakte anders zu gestalten. Die Kammer muss darum nun prüfen, ob - wie von der Patentinhaberin vorgebracht - die Einbau- oder Betriebsbedingungen des Heizungsumwälzpumpenaggregats gemäß E4 den Fachmann davon abhalten, dessen elektrische Kontakte anhand der E2 so auszugestalten, dass sie über eine Öffnung in der Wandung des Klemmenkastens direkt von außen kontaktierbar sind.
Die Kammer stimmt mit der Patentinhaberin darin überein, dass der Klemmenkasten der E4 feuchtigkeitsdicht ausgeführt werden muss, um aus den Heizungsrohren austretendes Wasser und/oder am Klemmenkasten kondensierende Feuchtigkeit nicht in dessen Inneres gelangen zu lassen. Im Gegensatz zur Patentinhaberin folgt daraus für die Kammer keineswegs, dass der Fachmann jegliche Öffnungen im Klemmenkasten vermeiden würde. Die von der Patentinhaberin angeführten elektrischen Versorgungsleiter 60 sind nämlich in E4 nicht zwangsläufig in das rohrförmige Gehäuseteil 44 des Klemmenkastens 12 eingegossen. Stattdessen können sie auch in Öffnungen eingesteckt und gegebenenfalls durch eine separate Dichtung abgedichtet werden, siehe Absatz 0056. Außerdem weist auch der Deckel 40 des Klemmenkastens 12 Öffnungen in Form der von einer Deckfolie 78 verschlossenen Durchbrechungen 77 auf, siehe Absatz 0059 und Figur 13. Aus Sicht der Kammer wird der Fachmann daher durchaus zusätzliche Öffnungen im Klemmenkasten der E4 anbringen, solange dessen Dichtigkeit gewahrt bleibt. Genau dafür offenbart E2 eine Lösung, da die Öffnung für die Steckverbindung 82 und deren nicht dargestelltes Gegenstück durch einen Knebel- oder Bajonettverschluss 84 und eine Dichtung 86 abgedichtet ist. Folglich halten die Einbau- oder Betriebsbedingungen des Heizungsumwälzpumpenaggregats der E4 den Fachmann nicht davon ab, dessen elektrische Kontakte anhand der E2 auszugestalten.
3.8 Aus diesen Gründen gelangt der Fachmann durch eine Kombination der E4 mit der E2 zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, ohne erfinderisch tätig zu werden. Mithin beruht Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
3.9 Dieser Befund betrifft ebenfalls den breiter formulierten Hauptantrag, der auf ein beliebiges Pumpenaggregat gerichtet ist und nicht auf eine Verbindung von Pumpe und elektrischem Antriebsmotor zu einer Baueinheit bzw. auf eine direkte Kontaktierung der elektrischen Kontakte zur Programmierung des zumindest einen elektronischen Bauteils beschränkt ist. Das wurde von der Patentinhaberin nicht bestritten.
4. Zulassung der Hilfsanträge 10-alt und 10-neu
4.1 Der Hilfsantrag 10-alt wurde im Beschwerdeverfahren erst mit der Erwiderung der Patentinhaberin auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden 1 als Hilfsantrag 10 eingereicht (weitere Hilfsanträge 2 bis 9 und 11 wurden während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zurückgenommen). Wie in dieser Erwiderung angegeben, ist der Antrag identisch mit dem Hilfsantrag 9, welcher der Einspruchsabteilung mit Schreiben vom 17. November 2017 vorgelegt wurde. Der Hilfsantrag 9 wurde nicht in der angegriffenen Entscheidung behandelt, da er dem Hilfsantrag 1 nachgeordnet war, auf dessen Basis die angegriffene Entscheidung erging.
4.2 Im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag 10-alt enthält die Erwiderung der Patentinhaberin auf die Beschwerde-begründung der Einsprechenden 1 keine Substantiierung, d. h. er ist nicht mit Erklärungen dazu versehen, was mit den vorgenommenen Änderungen bezweckt und wie damit den im Lauf des Verfahrens erhobenen Einwänden begegnet werden soll, siehe die Seiten 1 und 2. Erst im Schreiben der Patentinhaberin vom 8. November 2021 wird der Hilfsantrag 10-alt substantiiert, da dieses Schreiben erstmalig Ausführungen zur Zulässigkeit der Änderungen, zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit der Hilfsanträge enthält (s. Seiten 4 bis 6).
4.2.1 Diesbezüglich vertrat die Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Ansicht, dass es die Aufgabe einer Einsprechenden sei, die Zulässigkeit bzw. Gewährbarkeit von Hilfsanträgen im Beschwerdeverfahren in Frage zu stellen. Deswegen sei sie selbst nicht dazu verpflichtet, die Zulässigkeit ihrer Hilfsanträge zu begründen. Siehe dazu auch das ähnliche Argument in ihrem Schreiben vom 8. November 2021, "In einem erteilten Patent ist auch nicht dargelegt, weshalb die Patentinhaberin Neuheit und erfinderische Tätigkeit als gegeben ansieht. Es ist im Einspruchsverfahren vielmehr von der Einsprechenden darzulegen, weshalb diese nicht gegeben sein sollte. Dies ist bei den Hilfsanträgen nicht anders".
4.2.2 Die Kammer sieht das anders, denn gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2007 müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag der Beteiligten enthalten, wozu auch eine Begründung für in diesem Verfahrensstadium neu eingereichte Hilfsanträge gehört. Der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern ist in ihrer Gesamtheit zu entnehmen, dass das Beschwerdeverfahren primär ein schriftliches ist, wobei Artikel 12 (2) VOBK 2007 festlegt, dass das vollständige Vorbringen der Beteiligten bereits zu Beginn des Verfahrens zu erfolgen hat. Zweck dieser Bestimmung ist es, ein faires Verfahren für alle Beteiligten sicherzustellen und es der Kammer zu ermöglichen, ihre Arbeit auf der Basis eines vollständigen Vorbringens beider Seiten zu beginnen. Wenn Hilfsanträge vorgelegt werden, erfordert dies in der Regel auch eine Begründung, inwiefern die bisherigen Einwände hierdurch ausgeräumt werden - zumindest wenn dies anhand der eingefügten Änderungen nicht offensichtlich ist, siehe RdBK, 9. Auflage 2019, V.A.12.5.
4.2.3 Im vorliegenden Fall ist es für die Kammer anhand der Erwiderung der Patentinhaberin auf die Beschwerde-begründung der Einsprechenden 1 mangels darin enthaltener Argumente zum dort als Hilfsantrag 10 bezeichneten Hilfsantrag 10-alt nicht direkt ersichtlich, wie dieser Hilfsantrag die Einwände gegen die erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags oder des Hilfsantrags 1 auszuräumen vermag.
4.2.4 Die im Schreiben vom 8. November 2021 vertretene Ansicht der Patentinhaberin, dass "Gemäß der Verfahrensordnung sind im Übrigen lediglich Beweismittel und Argumente anzuführen, weshalb eine ergangene Entscheidung abzuändern, zu bestätigen oder aufzuheben ist. Da über die Hilfsanträge noch überhaupt nicht entschieden wurde, wurden entsprechend auch hierzu noch keine Argumente vorgebracht oder ausgetauscht." wird von der Kammer nicht geteilt. Artikel 12(2) VOBK 2007 verlangt explizit, dass die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten müssen. Das impliziert auch eine Substantiierung der gestellten Hilfsanträge.
4.2.5 Das während der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument der Patentinhaberin, wonach eine Begründung für die Hilfsanträge bereits bei deren Einreichung mit dem Schreiben vom 17. November 2017 vorgelegt wurde, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht. Das Beschwerdeverfahren ist ein vom Verfahren vor der Einspruchsabteilung vollständig getrenntes, unabhängiges Verfahren, siehe RdBK V.A.1.1. Daher werden allgemeine Rückbezüge auf vorheriges, erstinstanzlich vorgebrachtes Vorbringen im Beschwerdeverfahren außer Betracht gelassen, RdBK V.A.2.6.4 a). Da im vorliegenden Fall die Erwiderung der Patentinhaberin auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden 1 noch nicht einmal einen solchen Rückbezug enthält, kann eine eventuelle Substantiierung des Hilfsantrags 10-a im Einspruchsverfahren (dort als Hilfsantrag 9 behandelt) erst recht nicht im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden. Dessen ungeachtet enthält selbst das Schreiben der Patentinhaberin vom 17. November 2017, mit dem der Hilfsantrag 9 eingereicht wurde, keine vollständige Substantiierung dieses Hilfsantrags, da es lediglich Ausführungen zur Basis für die Änderungen enthält (Seite 2, letzter Absatz: "Die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 9 basieren auf den Ansprüchen des Hilfsantrags 2, wobei basierend auf dem Absatz [0025] der Patentschrift klargestellt wurde, dass mehrere Öffnungen vorgesehen sind, von denen jeweils eine zur Führung eines Kontaktstiftes dient.").
4.2.6 Die Kammer gelangt somit zum Zwischenfazit, dass der Hilfsantrag 10-alt aufgrund seiner erstmalig mit dem Schreiben vom 8. November 2021 vorgetragenen Begründung als verspätet anzusehen ist.
4.3 Der Hilfsantrag 10-alt, der mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung ohne nähere Begründung eingereicht wurde, ist aus letzterem Grunde als verspätet anzusehen und somit eine Änderung des Vorbringens der Patentinhaberin, dessen Zulassung nach Maßgabe der Erfordernisse des Artikels 13 VOBK 2007 erfolgt. Die Kammer wendet insoweit auf dieses Vorbringen die alte VOBK an, weil das Einreichen eines Hilfsantrages ohne nähere Begründung in der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung keinen vollständigen Sachvortrag der Partei darstellt und damit als verspätet gilt. Späteres Vorbringen hierzu kann weder die Verspätung heilen, noch zur Anwendung der neuen VOBK führen, weil der fragliche Sachverhalt - unvollständiges Vorbringen - mit dem Einreichen der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung abgeschlossen und hierauf das dann geltende Recht anzuwenden ist.
4.3.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern kommt es dabei unter anderem darauf an, ob geänderte Ansprüche gegenüber dem vorher beanspruchten Gegenstand konvergieren oder aber divergieren, also den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs eines Hauptantrags in eine Richtung bzw. in Richtung eines Erfindungsgedankens zunehmend einschränkend weiterentwickeln oder etwa durch Aufnahme jeweils verschiedener Merkmale unterschiedliche Weiterentwicklungen verfolgen. Die Frage, ob die Ansprüche in den Hilfsanträgen konvergieren, ist also in dem Sinne zu verstehen, dass der Gegenstand der nachgeordneten Anträge näher definiert wird, und zwar mit der Absicht, Einwände in Bezug auf die vorangehenden Anträge auszuräumen, siehe RdBK, V.A.4.12.4.
4.3.2 Diese Bedingung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Gegenüber dem Hauptantrag wurde der Hilfsantrag 1 durch die Aufnahme der Merkmale "Umwälzpumpenaggregat", "welches eine Baueinheit bestehend aus einem elektrischen Antriebsmotor und einer Pumpe bildet" und "zur Programmierung des zumindest einen elektronischen Bauteils direkt von außen kontaktiert werden können" eingeschränkt. Unbestritten ist keines dieser Merkmale in Anspruch 1 des Hilfsantrags 10-alt oder in Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags 10-neu enthalten. Stattdessen sind diese Hilfsanträge auf Öffnungen gerichtet, die als Führung für Kontaktstifte zur Programmierung des elektronischen Bauteils dienen - ohne jedoch auf eine direkte Kontaktierung beschränkt zu sein. Es ist offensichtlich, dass die Führung für Kontaktstifte in diesen beiden Hilfsanträgen keine einschränkende Weiterentwicklung der Umwälzpumpe, der Baueinheit aus Antriebsmotor und Pumpe und/oder der direkten Kontaktierung des elektronischen Bauteils von außen gemäß Hilfsantrag 1 darstellt. Im Gegenteil, der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 10-alt und 10-neu geht über dem des Anspruchs 1 in der aufrechterhaltenen Fassung nach dem übergeordneten Hilfsantrag 1 hinaus. Daher divergieren die Hilfsanträge 10-alt und 10-neu gegenüber dem Hilfsantrag 1. Es mag durchaus sein, dass sie nicht gegenüber dem Hauptantrag divergieren. Um den Einwand fehlender Konvergenz auszuräumen, hätten sie dann allerdings als dem Hilfsantrag 1 vorrangige Anträge im Beschwerdeverfahren eingereicht werden müssen.
4.4 Aus diesen Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens, die Hilfsanträge 10-alt und 10-neu nicht zuzulassen, Artikel 12(4) und 13(1) VOBK 2007.
5. Weder der Hauptantrag noch der Hilfsantrag 1 sind gewährbar, da Anspruch 1 dieser Anträge nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, Artikel 100(a) und 56 EPÜ. Die Hilfsanträge 10-alt und 10-neu wurden nicht zugelassen. Keine der nach den geltenden Anträgen vorliegenden Fassungen des Patents erfüllt somit die Erfordernisse des EPÜ, so dass Artikel 101(2) und 101(3) b) EPÜ zufolge das Patent zu widerrufen ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.