T 0493/19 22-03-2022
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EINE AUSWERTE- UND STEUEREINHEIT FÜR EINE BREITBAND-LAMDASONDE
Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Einspruchsgründe - mangelnde Patentierbarkeit (ja)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (nein)
Zurückverweisung - (ja)
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das Patent in geändertem Umfang gemäß damaligem Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.
II. Die folgenden Dokumente sind für diese Entscheidung von Bedeutung.
D1: JP 2008-008667 A
D1T: Maschinelle Übersetzung von D1
III. Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass die Erfindung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (Patent wie erteilt) in der Patentanmeldung so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, dass jedoch der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 nicht neu sei. Bezüglich des ersten Hilfsantrags war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass die Ansprüche insbesondere den Erfordernissen der Artikel 84, 123 (2) und 52 (1) EPÜ genügten.
IV. Die beschwerdeführende Patentinhaberin beantragte mit der Beschwerdebegründung
1. die angefochtene Entscheidung aufzuheben,
2. das Patent im erteilten Umfang gemäß Hauptantrag in der Einspruchsverhandlung aufrechtzuerhalten,
3. hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.
Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte sie, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (Hilfsantrag 1), und reichte erneut Hilfsanträge 2 bis 10 ein, die im Vergleich zu den im erstinstanzlichen Verfahren vorliegenden Hilfsanträgen lediglich Korrekturen in den Hilfsanträgen 2, 9 und 10 aufwiesen.
V. Die beschwerdeführenden Einsprechenden beantragten mit der Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Hilfsweise beantragten sie die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vertrat die Kammer die vorläufige Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß erteiltem Patent gegenüber Dokument D1 nicht neu sei, die Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 die Artikel 123 (2) und (3) EPÜ verletze und der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 gegenüber Dokument D1 nicht neu sei. Bezüglich der Hilfsanträge 2 bis 10 stellte die Kammer fest, dass deren Ansprüche von der Einspruchsabteilung noch nicht geprüft worden seien, sie prima facie nicht eindeutig gewährbar seien, und deshalb eine Zurückverweisung zur weiteren Prüfung gerechtfertigt sei.
VII. Mit Schreiben vom 7. September 2021 haben die Einsprechenden mitgeteilt, dass sie die vorläufige Meinung der Kammer teilen, und Ausführungen zu den Hilfsanträgen 2 bis 10 gemacht.
VIII. Eine mündliche Verhandlung fand am 22. März 2022 als Videokonferenz statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte abschließend als Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt. Als ersten Hilfsantrag beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, also auf Grundlage des Hilfsantrags 1 eingereicht mit Schreiben vom 4. September 2018. Weiter hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfang auf Grundlage der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 2 bis 10, alle eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 21. August 2019.
Die Beschwerdeführer (Einsprechenden) beantragten abschließend die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Patent (Hauptantrag) lautet wie folgt:
"Auswerte- und Steuereinheit (1) für eine Breitband-Lambdasonde, mit
- einer Signalaufbereitungseinheit (5),
- einem mit der Signalaufbereitungseinheit verbundenen Analog-Digital-Wandler (6),
- einem mit dem Analog-Digital-Wandler verbundenen digitalen Pumpstromregler (7),
- einer mit dem digitalen Pumpstromregler verbundenen Digitalschnittstelle (8),
- einer mit dem digitalen Pumpstromregler verbundenen Steuerung (10),
- einer Pumpstromquelle (11) zur Bereitstellung eines Pumpstromes,
- einem inneren Pumpelektrodenanschluss (IPE),
- einem äußeren Pumpelektrodenanschluss (APE) und
- einem Referenzelektrodenanschluss (RE), wobei
- die Signalaufbereitsungseinheit [sic] (5) zur Ermittlung eines Istwertes für den Pumpstromregler (7) der Lambdasonde vorgesehen ist und wobei
- die Signalaufbereitungseinheit (5) des Weiteren zur Ermittlung von weiteren Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde vorgesehen ist und wobei
- die weiteren Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde über die Digitalschnittstelle (8) ausgebbar sind."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass unter dem zweiten und dritten Spiegelstrich der Ausdruck "mit ... verbundenen" durch den Ausdruck "nachgeschalteten" ersetzt ist.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag (das Patent wie erteilt) - Anspruch 1 - Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ
2.1 In Frage steht, ob die Bedeutung des im Anspruch 1 verwendeten Begriffs "weitere Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde" im Streitpatent ausreichend offenbart ist.
2.2 Die Einspruchsabteilung war der Meinung, dass der Fachmann mit Lambdasonden und Sensoren im Allgemeinen vertraut sei und aus diesen Kenntnissen und den Kenntnissen aus der Patentschrift als Ganzes, d.h. aus der Beschreibung, den Figuren im Zusammenhang mit den Ansprüchen, in der Lage sei, die Erfindung auszuführen (vgl. Entscheidungsgründe, Ziffer 18).
2.3 Die Einsprechenden bezogen sich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf ihr schriftliches Vorbringen. In Bezug auf Anspruch 1 wie er von der Einspruchsabteilung aufrechterhalten wurde, vertraten sie die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht so klar und vollständig offenbart sei, dass er von einem Fachmann ausgeführt werden könne. Insbesondere sei in Anspruch 1 das Merkmal "weitere Informationen über den Betriebszustand der Breitband Lambdasonde" nicht näher definiert. Die wenigen Beispiele ermöglichten es dem Fachmann nicht, die Vielzahl der von dem unbestimmten Begriff "weitere Informationen" erfassten Varianten umzusetzen. Darüber hinaus enthalte das Einspruchspatent keine weitere Definition des Begriffs "weitere Informationen". Auch die in der Beschreibung genannten Beispiele gäben keinen Aufschluss über die Bedeutung des Begriffs "weitere Informationen". In Ermangelung einer solchen Anleitung gebe es Fälle, in denen der Fachmann nicht wisse, ob er innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereichs des Anspruchs tätig sei. Nach der Rechtsprechung der der Beschwerdekammern sei in einer solchen Situation das Kriterium der ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt (vgl. T 256/87; T 387/01; T 252/02 und T 18/08). Daher erfülle das Patent auch bei Vorhandensein einer Reihe von Einzelbeispielen nicht das Erfordernis des Artikels 100 (b) EPÜ (vgl. Beschwerdebegründung vom 16. April 2019, Abschnitt II.).
2.4 Die Patentinhaberin teilte die Auffassung der Einspruchsabteilung und führte aus, dass die Einsprechenden keinen spezifischen Grund für die Annahme angegeben hätten, dass der Fachmann die Lehre der Beschreibung im vorliegenden Fall nicht auf Teile des beanspruchten aber nicht ausdrücklich beschriebenen Bereichs ausdehnen könne, also auf andere als die ausdrücklich genannten weiteren Informationen. Stattdessen hätten die Einsprechenden auf die Entscheidungen T 256/87, T 387/01, T 252/02 und T 18/08 verwiesen. In der Entscheidung T 256/87 sei mit Hinblick auf den Einzelfall eine ausreichende Offenbarung allerdings nicht verneint worden. Die Entscheidungen T 387/01, T 252/02 und T 18/08 seien andererseits für die Beurteilung des vorliegenden Falls insofern auch nicht maßgeblich, als in diesen Fällen - im Unterschied zum vorliegenden Fall - konkrete und spezifische Gründe vorgelegen hätten für die Annahme, dass der Fachmann die Lehre der Beschreibung nicht auf Teile des beanspruchten aber nicht ausdrücklich beschriebenen Bereichs ausdehnen könne. Die Behauptung der Einsprechenden, aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern lasse sich ableiten, dass im vorliegenden Fall keine ausreichende Offenbarung vorliege, sei daher unzutreffend (vgl. Beschwerdeerwiderung vom 21. August 2019, Abschnitt "Zu Punkt II der Beschwerdebegründung (Artikel 100 (b) EPÜ)").
2.5 Die Kammer teilt die Meinung der Einspruchsabteilung und der Patentinhaberin. Der Fachmann ist mit Lambdasonden und Sensoren im Allgemeinen vertraut und mit diesen Kenntnissen und den Kenntnissen aus der Patentschrift als Ganzes, d.h. aus der Beschreibung, den Figuren im Zusammenhang mit den Ansprüchen, in der Lage, die Erfindung auszuführen. Im Einzelnen erfährt er aus der Beschreibung der Patentschrift, dass auf der Basis von den aus der Lambdasonde gewonnenen Messsignalen (RE, IPE, APE) die Signalaufbereitungseinheit in der Lage ist, zahlreiche Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde zu ermitteln (vgl. Absätze [0013], [0068] und Ansprüche 16-21). Konkrete Beispiele, um die genannten Informationen zu ermitteln, sind u.a. in Absatz [0068] der Patentschrift detailliert. Wie die Patentinhaberin zu Recht ausführte, ist dabei ein gewisser Verallgemeinerungsgrad der in der Beschreibung genannten Ausführungsformen zulässig, wenn, wie im vorliegenden Fall, kein Grund zur Annahme besteht, dass der Fachmann die Lehre der Beschreibung nicht auf Teile des beanspruchten, aber nicht ausdrücklich beschriebenen Bereichs ausdehnen kann. Die Kammer ist überzeugt, dass im vorliegenden Fall ausreichend Beispiele für das Ermitteln weiterer Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde in der Beschreibung genannt sind, so dass der Fachmann ggf. auch nicht explizit offenbarte, weitere Informationen der genannten Art ermitteln und damit die Erfindung wie beansprucht ausführen kann.
2.6 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ steht daher der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
3. Hauptantrag (Patent wie erteilt) - Anspruch 1 - Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 (1) EPÜ (Neuheit).
3.1 Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf D1 nicht neu sei (vgl. Entscheidungsgründe, Ziffer 21).
3.2 Die Patentinhaberin vertrat die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs gegenüber Dokument D1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (vgl. Beschwerdebegründung vom 19. Februar 2019).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer betonte die Patentinhaberin, dass der zentrale Punkt bezüglich der Frage, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 neu sei, darin bestehe, was darunter zu verstehen sei, dass zwei Elemente der Auswerte- und Steuereinheit verbunden seien. Einheiten, wie die Signalaufbereitungseinheit und der Analog-Digital-Wandler, stellten keine Einheit dar, wenn sie miteinander verbunden seien. Der Begriff "verbunden" schränke somit den Anspruch dahingehend ein, dass die genannten Einheiten nicht identisch seien und somit auch nicht, wie in Dokument D1, als eine CPU realisiert sein könnten. Da in Dokument D1 die Einheiten nicht als getrennte Baugruppen realisiert seien, sondern in der CPU 91, sei Dokument D1 nicht neuheitsschädlich. Auch bei einer Realisierung in einem ASIC sei eine räumliche Trennung der Einheiten gegeben.
3.3 Die Einsprechenden vertraten die Auffassung, dass Dokument D1 alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbare (vgl. Beschwerdeerwiderung).
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ergänzten die Einsprechenden, dass durch die Definitionen im Anspruch die verschiedenen Einheiten nicht nur strukturell, sondern auch funktional miteinander verbunden seien. Die Darstellung der Figur 1 der Patentschrift sei schematisch und der mit einer strichpunktierten Linie 1 umrandete Bereich könne gemäß Beschreibung, zum Beispiel Absatz [0028], in Form eines ASICs realisiert werden, in dem die Einheiten in einem Bauteil realisiert seien.
3.4 Die Kammer schließt sich der Auffassung der Einsprechenden an. Das Dokument D1 offenbart (siehe Figur 1) eine Auswerte- und Steuereinheit 2 (vgl. Übersetzung D1T, Absatz [0024], "gas sensor controller 2") für eine Breitband-Lambdasonde 8 (vgl.Figur 2 und D1T, Absätze [0024-0025], [0035-0036], "gas sensor 8") mit
einer Signalaufbereitungseinheit 33 (vgl. Figur 1, D1T, Absatz [0026], "first operation amplifier 33"),
einem mit der Signalaufbereitungseinheit verbundenen Analog-Digital-Wandler 93 (vgl. Figur 1),
einem mit dem Analog-Digital-Wandler verbundenen digitalen Pumpstromregler (vgl. D1T, Absatz [0044], der digitale PID-Regler aus dem Digitalkontrollteil 31 ist Teil der CPU 91; er kontrolliert die Stromstärke des Pumpstromes und ist verbunden mit dem A/D Wandler 93),
einer mit dem digitalen Pumpstromregler verbundenen Digitalschnittstelle 96 (vgl. Figur 1 und D1T, Absatz [0095], die Verbindung zwischen CPU 91 und der "serial transmitting and receiving part 96 "),
einer mit dem digitalen Pumpstromregler verbundenen Steuerung (vgl. D1T, Absatz [0026], der Digitalkontrollteil 31 steuert unterschiedliche Steuervorgänge, "a digital control part 31 which carries out various kinds of control processes"),
einer Pumpstromquelle 37 zur Bereitstellung eines Pumpstromes (vgl. Figur 1 und D1T, Absatz [0037]),
einem inneren Pumpelektrodenanschluss 47,
einem äußeren Pumpelektrodenanschluss 51 und
einem Referenzelektrodenanschluss 41, wobei
die Signalaufbereitungseinheit 33 zur Ermittlung eines Istwertes für den Pumpstromregler der Lambdasonde vorgesehen ist und wobei
die Signalaufbereitungseinheit des Weiteren zur Ermittlung von weiteren Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde vorgesehen ist (vgl. Absätze [0050], [0052-0053], [0090-0093] und insbesondere [0102], [0105], [0106], [0110]) und wobei
die weiteren Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde über die Digitalschnittstelle ausgebbar sind (vgl. D1T, Absätze [0052-0053], [0090-0093] und insbesondere [0102], [0105], [0106], [0110]).
Insbesondere die Frage, ob der in Dokument D1 offenbarte Operationsverstärker 33 als Signalaufbereitungseinheit angesehen werden kann, war zwischen den Beteiligten strittig. Um einen gewünschten Messwert bereitzustellen, werden gemäß der Patentschrift die Eingänge eines Differenzverstärkers durch einen von der Steuerung 10 gesteuerten Multiplexer mit jeweils zwei zu erfassenden Potentialen verbunden. Der Differenzverstärker verstärkt das Differenzsignal und gibt es mit definiertem Potentialbezug an den ADC weiter (vgl. Patentschrift, Absatz [0047] und Figur 3). Die "Ermittlung" des Istwertes erfolgt somit durch Verstärken bezüglich eines Referenzwertes. Die Kammer kann nicht feststellen, was das Ermitteln mehr umfassen soll. Das Ausführungsbeispiel gemäß Figur 3 der Patentschrift ermittelt die weiteren Informationen durch Auswahl von anderen Signalen für den Differenzverstärker. Die Auswahl ist jedoch nicht Teil des Anspruchs. Die Aufbereitung der Signale, die dann in der Signalaufbereitungseinheit 5 "ermittelt", d.h. verstärkt, werden, erfolgt in anderen Teilen der Auswerte- und Steuereinheit. Die Signalaufbereitungseinheit trägt somit zur Ermittlung der Signale bei, indem sie diese verstärkt.
Zunächst ist festzustellen, dass statt des Operationsverstärkers 33 in Dokument D1 auch ein Differenzverstärker verwendet werden kann (vgl. Absatz [0021] der D1T). Zudem wird in Dokument D1 nicht nur der Istwert für den Pumpstromregler durch die Signalaufbereitungseinrichtung 33 "ermittelt", sondern es werden auch weitere Informationen "ermittelt", indem das Signal Vs zu unterschiedlichen Zeiten im Differenzverstärker verstärkt wird (vgl. Dokument D1T, Absätze [0073-0088]).
3.5 Somit sind alle Merkmale des Anspruchs 1 aus D1 bekannt und der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 (1) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Patents entgegen.
4. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ)
Die von den Beteiligten vorgebrachten Argumente bezüglich der Ausführbarkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (vgl. Punkt 2. oben) treffen in gleicher Weise auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 zu. Die Kammer ist daher der Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt.
5. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
5.1 Nach Ansicht der Einsprechenden ist der Ausdruck "nachgeschalteten" im Anspruch nicht klar. Es könnte daraus eine unspezifizierte Flussrichtung abgeleitet werden, jedoch bliebe die technische Bedeutung dieses Flusses unklar (vg. Beschwerdebegründung vom 16. April 2019, Abschnitt III.).
5.2 Die Patentinhaberin war der Meinung, dass es bei einem Analog-Digital-Wandler bereits grundsätzlich in eindeutiger Weise eine Eingangsseite und eine Ausgangsseite gebe und er damit eine definierte Signalflussrichtung aufweise. Somit sei es grundsätzlich klar, was es bedeute, dass etwas einem Analog-Digital-Wandler nachgeschaltet sei, und was es bedeute, dass ein Analog-Digital-Wandler etwas nachgeschaltet sei (vgl. Beschwerdeerwiderung vom 21. August 2019, Abschnitt "Zu Punkt III der Beschwerdebegründung (Artikel 84 EPÜ)".
5.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Patentinhaberin. Aus dem Anspruch 1 ist hinreichend klar, was unter einem der Signalaufbereitungseinheit nachgeschalteten Analog-Digital-Wandler und einem dem Analog-Digitalwandler nachgeschalteten Pumpstromregler zu verstehen ist. Der Analog-Digital-Wandler erhält von der Signalaufbereitungseinheit analoge Signale und der Pumpstromregler erhält von dem Analog-Digital-Wandler digitale Signale.
5.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
6. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
6.1 Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, dass die Änderungen in Anspruch 1 keinen neuen Sachverhalt einbrächten (vgl. Entscheidungsgründe, 28).
6.2 Die Einsprechenden sind der Ansicht, dass Figur 1 durch Pfeile dargestellte Flüsse und Flussrichtungen offenbare, die alle zusammenwirkten. Nur die Flussrichtungen zwischen der Signalaufbereitungseinheit, dem Analog-Digital-Wandler und dem Pumpstromregler zu erwähnen, und dabei die anderen Flussrichtungen außer Acht zu lassen, führe zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung (vgl. Beschwerdebegründung, IV.). Zudem führten die Einsprechenden mit Bezug auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 aus, dass die Änderung unter dem zweiten und dritten Spiegelstrich von "verbundenen" zu "nachgeschalteten" die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ verletze (vgl. Schreiben vom 23. Dezember 2019, II.2). In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer betonten die Einsprechenden, dass das Herausgreifen einzelner Signalflussrichtungen zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung führe. In der Figur 1 seien mehr Signalflüsse offenbart und es gebe keinen Grund, nur den Analog-Digital-Wandler der Signalaufbereitungseinrichtung und den Pumpstromregler dem Analog-Digital-Wandler nachgeschaltet zu definieren. Auch die Steuerung sei dem Pumpstromregler nachgeschaltet.
6.3 Die Patentinhaberin teilt die Auffassung der Einsprechenden nicht. Der Fachmann erkenne, dass diese Reihenfolge nicht untrennbar mit den anderen Ausführungsbeispielen verbunden sei, sondern als solche in den ursprünglichen Unterlagen offenbart sei (vgl. Beschwerdeerwiderung, Abschnitt "Zu Punkt IV der Beschwerdebegründung {Artikel 123 (2) EPÜ)"). In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer betonte die Patentinhaberin, dass die verschiedenen Signalflüsse nicht als untrennbar offenbart seien. Durch die Präzisierung der Verbindungen an einigen Stellen müssten nicht alle Verbindungen genauer definiert werden.
6.4 Nach Ansicht der Kammer handelt es sich bei den vorgenommenen Änderungen um eine Präzisierung der Vorrichtung an den angegebenen Stellen. Aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ist nicht ersichtlich, dass die in Figur 1 angegebenen Flussrichtungen zwischen den Einheiten untrennbar miteinander verbunden sind. Die vorgenommenen Änderungen führen daher nicht zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.
6.5 Die Kammer ist daher der Meinung, dass die Änderungen unter dem zweiten und dritten Spiegelstrich von "mit ... verbundenen" zu "nachgeschalteten" den Artikel 123 (2) EPÜ nicht verletzen.
7. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Änderungen (Artikel 123 (3) EPÜ)
7.1 Die Einsprechenden vertraten die Ansicht, dass die Änderung im Anspruch 1 von verbunden zu nachgeschaltet den Schutzbereich erweitern würde. Bei einer einer anderen Einheit nachgeschalteten Einheit seien die Einheiten nicht mehr verbunden, sondern lediglich irgendwo nachgeschaltet (vgl. Schreiben vom 23. Dezember 2019, Abschnitt II.2).
7.2 Die Patentinhaberin war in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer der Ansicht, dass es nicht möglich sei, dass eine Einheit der anderen nachgeschaltet sei, ohne mit ihr verbunden zu sein. Ein Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ liege deshalb nicht vor.
7.3 Die Kammer teilt die Ansicht der Patentinhaberin. Die Änderung von einer Verbindung zu einer Nachschaltung schränkt den Schutzbereich ein, da durch das Nachschalten zusätzlich die Richtung des Signalflusses der funktional verbundenen Einheiten vorgegeben ist.
7.4 Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass die Änderungen die Erfordernisse des Artikels 123 (3) EPÜ nicht verletzen.
8. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ)
8.1 Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu sei, weil in D1 der Operationsverstärker 33 nicht als die Signalaufbereitungseinheit interpretiert werden könne, und somit der Gegenstand des Anspruchs 1 sich von D1 dadurch unterscheide, dass die Auswerte- und Steuereinheit einen der Signalaufbereitungseinheit nachgeschalteten Analog-Digital-Wandler umfasse (vgl. Entscheidungsgründe, 31).
8.2 Die Einsprechenden waren der Auffassung, dass der Operationsverstärker 33 auch als Differenzverstärker ausgeführt werden könne und die Funktionen der Signalaufbereitungseinheit gemäß Anspruch 1 erfülle und somit der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei (vgl. Beschwerdebegründung, Abschnitt V.). In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wiesen die Einsprechenden nochmals darauf hin, dass der Operationsverstärker 33 die im Streitpatent offenbarte Funktion der Signalaufbereitungseinheit erfülle.
8.3 Die Patentinhaberin teilte die Auffassung der Einsprechenden nicht und hielt den Operationsverstärker nicht für die Signalaufbereitungseinheit, die einen Istwert und weitere Informationen über den Betriebszustand der Breitband-Lambdasonde ermittele. Ermitteln setze mehr voraus als lediglich Stabilisieren bzw. Reproduzieren (vgl. Beschwerdeerwiderung, Abschnitt "Zu Punkt V der Beschwerdebegründung (Artikel 100 (a) EPÜ; Neuheit D1)"). In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer betonte die Patentinhaberin, dass der Operationsverstärker 33 lediglich als hochohmiger Eingang diene, der die Spannung am Analog-Digital-Wandler stabilisiere. Dieser Operationsverstärker könne nicht als Signalaufbereitungseinheit verstanden werden.
8.4 Wie bereits unter Punkt 3.4 oben ausgeführt, teilt die Kammer die Ansicht der Einsprechenden, dass der Operationsverstärker 33 aus Dokument D1 bzw. dessen Ausführung als Differenzverstärker als die Signalaufbereitungseinheit des Anspruchs verstanden werden kann. Der A/D Wandler 93 ist dieser Signalaufbereitungseinheit 33 nachgeschaltet und der digitale Pumpstromregler in der CPU 91 ist dem A/D Wandler 93 nachgeschaltet. Somit sind auch alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 aus Dokument D1 bekannt.
8.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht neu im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ.
9. Hilfsanträge 2 bis 10 - Zurückverweisung (Artikel 11 VOBK 2020).
9.1 Die Beteiligten hatten keine Einwände gegen eine Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung. Die Einsprechenden bemerkten, dass die erste Instanz auch über die Zulassung der Hilfsanträge 2 bis 10 zu entscheiden habe, da weder die erste Instanz noch die Kammer darüber befunden habe.
9.2 Die Ansprüche der Hilfsanträge 2 bis 10 wurden von der Einspruchsabteilung noch nicht zugelassen und geprüft. Die Kammer ist daher nicht in der Lage, die Entscheidung der Einspruchsabteilung hinsichtlich dieser Anträge und deren Gegenstände zu überprüfen. Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche betreffen technische Probleme, die sich von denen der unabhängigen Ansprüche des vorliegenden Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags unterscheiden. Darüber hinaus kann die Kammer prima facie nicht erkennen, dass diese Ansprüche und ihr Gegenstand eindeutig gewährbar wären. Somit sprechen besondere Gründe dafür, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
9.3 Die Kammer verweist daher die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurück.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.