T 0824/19 18-10-2022
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SPENDER
Zulässigkeit des Einspruchs - (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Ausführbarkeit - (ja)
Unzulässige Erweiterung - (nein)
Spät eingereichtes Dokument und darauf gestützte Einwände
Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (nein)
Spät vorgebrachter Einwand - zugelassen (nein)
I. Die Einsprechende legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 830 975 zurückgewiesen wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Streitpatent im gesamten Umfang und stützte sich auf sämtliche Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit, Ausführbarkeit sowie unzulässige Änderungen).
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 1. Dezember 2021 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde zurückzuweisen wäre.
Zur Mitteilung der Kammer nahm keine der Beteiligten schriftsätzlich inhaltlich Stellung.
IV. Am 18. Oktober 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
V. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte
die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig,
hilfsweise die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung als Hauptantrag,
weiter hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 bis 5, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung.
VI. Diese Entscheidung nimmt Bezug auf die aus dem Einspruchverfahren bekannten Dokumente
D1: DE 91 06 050 U1 und
D2: DE 42 01 995 A1
sowie auf das erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereichte Dokument
D3: US 7 353 969 B2.
VII. Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung gemäß Hauptantrag lautet:
"Spender für Tabletten oder dgl. stückiges Gut (12), mit einem in einem mit einer unteren Aufstandsfläche versehenen Spendergehäuse (1) angeordneten und zur Bevorratung des Guts (12) vorgesehenen Vorratsraum (15), von dem auszugebendes Gut (12) mittels einer Ausgabemechanik zu einer zumindest im Betätigungsfall vorhandenen Ausgabeöffnung überführbar ist, wobei der Spender zur Betätigung der Ausgabemechanik eine dieser zugeordnete, bewegliche Taste (4) sowie zur Blockade der Ausgabe des Guts (12) und/oder Kenntlichmachung des Benutzungszustands einen Originalitätsverschluss aufweist, wobei die Taste (4) als Seitentaste ausgebildet ist, die nach Verletzung der Originalität zumindest mit einer Bewegungskomponente (R) in eine Richtung quer zu einer auf der unteren Aufstandsfläche stehenden Senkrechten beweglich ist, und der Originalitätsverschluss ein Blockadeelement (6, 16, 21, 28, 31) aufweist, welches eine Betätigung der Seitentaste oder eine Ausgabe des Guts vor Verletzung der Originalität blockiert, wobei der Originalitätsverschluss einen insbesondere eine Ausnehmung (10) des Gehäuses (1) durchgreifenden Steg (8) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Originalitätsverschluss eine seitlich des Gehäuses (1) befindliche Lasche (6) umfasst, die sich am unteren Ende der an ihren oberen Ende schwenkbar festgelegten Seitentaste befindet."
VIII. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer ist eine Wiedergabe des Wortlauts von Ansprüchen der Hilfsanträge nicht erforderlich.
IX. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Zulässigkeit des Einspruchs
1.1 Die Patentinhaberin wandte sich gegen die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Zulässigkeit des Einspruchs unter Punkt II.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung und rügte die Zulässigkeit des Einspruchs wegen Substantiierungsmangels der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) bis c) EPÜ (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt I).
1.2 Diese Rüge ist jedoch unbegründet.
1.2.1 Soweit die Patentinhaberin fehlerhaft zitierte Passagen und falsche Bezugnahmen in den Dokumenten D1 und D2 bemängelte, die zu einer mangelnden Substantiierung des Einspruchsgrunds mangelnder Neuheit führten (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt I.1), betrifft dies lediglich die Frage der Begründetheit, nicht aber die der Zulässigkeit des Einspruchs.
Die Kammer schließt sich den Feststellungen der Einspruchsabteilung unter Punkt II.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung an, dass die in der Einspruchsschrift angegebenen Tatsachen, Beweismittel und Argumente dennoch einsichtig sind. Denn es ist festzustellen, dass sowohl die Patentinhaberin als auch die Einspruchsabteilung die Art der Beanstandungen und die dazugehörige Beweisführung und Argumentation nachvollziehen konnten, indem sich die Patentinhaberin bereits in ihrer Einspruchserwiderung vom 11. Oktober 2017 (Punkte III.1 und III. 2) und die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (Punkt II.4) mit den Neuheitseinwänden hinsichtlich D1 und D2 ausführlich auseinandersetzten. Aus Sicht der Kammer ist daher für die Patentinhaberin anhand der Einspruchsschrift ohne unzumutbaren Aufwand nachvollziehbar, welche Einwände und Argumente hinsichtlich mangelnder Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung unter Bezugnahme auf D1 und D2 erhoben wurden.
Dies schließt nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern nicht aus, wie im Übrigen auch von der Patentinhaberin zugestanden (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt I.1, Seite 3, erster Absatz), dass der Patentinhaberin ein gewisser Interpretationsaufwand abverlangt werden kann (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern [RdB], 10. Auflage 2022, IV.C.2.2.8 c)).
Der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit nach Artikel 100 a) EPÜ ist daher als ausreichend substantiiert anzusehen.
1.2.2 Soweit die Patentinhaberin bemängelte, dass in der Einspruchsschrift zur Frage der mangelnden Nacharbeitbarkeit sowie der unzulässigen Erweiterung lediglich pauschal argumentiert wurde (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt I.2), betrifft dies wiederum die Frage der Begründetheit, nicht aber die der Zulässigkeit des Einspruchs.
Die Kammer folgt den Feststellungen der Einspruchsabteilung unter Punkt II.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, dass die Substantiierung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und c) EPÜ als ausreichend im Sinne von Regel 76 (2) c) EPÜ anzusehen ist.
Dies zeigt sich wiederum daran, dass sich sowohl die Patentinhaberin in ihrer Einspruchserwiderung vom 11. Oktober 2017 (Punkt IV und V) als auch die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (Punkt II.2 und II. 3) mit den diesbezüglichen Einwänden der Einsprechenden zweifelsfrei auseinandersetzen konnte.
1.2.3 Entsprechend der angefochtenen Entscheidung unter Punkt II.1, Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, erster Absatz, ist anzumerken, dass nach ständiger Rechtsprechung der Einspruch insgesamt zulässig ist, sobald ein Einspruchsgrund ausreichend substantiiert ist (siehe RdB, a.a.O, IV.C.2.2.8 a)), wie oben unter den Punkten 1.2.1 und 1.2.2 dargelegt.
1.3 Somit sind sowohl die einzelnen Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ als ausreichend substantiiert als auch die Anforderungen an die Zulässigkeit des Einspruchs als erfüllt anzusehen, so dass die Rüge der Patentinhaberin zur Zulässigkeit des Einspruchs nicht durchgreift.
2. Zulassung des Dokuments D3 und darauf gestützter Einwände ins Verfahren
2.1 Die Einsprechende reichte das Dokument D3 erstmals mit der Beschwerdebegründung ein und erhob einen Einwand mangelnder Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 gegenüber der Offenbarung von D3 (siehe Beschwerdebegründung, Punkt I; Schriftsatz vom 9. Dezember 2019, Punkt III) sowie einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1 gestützt auf die Lehre von D3 (siehe Beschwerdebegründung, Punkt IV, Seite 12, vorletzter Absatz).
2.2 Somit liegen Änderungen des Vorbringens der Einsprechenden gegenüber dem Einspruchsverfahren vor, deren Zulassung ins Verfahren gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 im Ermessen der Kammer steht.
2.3 Zur Rechtfertigung der Änderungen ihres Vorbringens argumentierte die Einsprechende während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, dass ihr das Dokument D3 erst nach dem Einspruchsverfahren zur Kenntnis gelangte, so dass D3 nicht in einem früheren Verfahrensstadium hätte vorgelegt werden können.
2.4 Das zur Rechtfertigung des verspäteten Vorbringens vorgetragene Argument überzeugt nicht. Denn die erstmalig mit der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände auf Basis von D3 betreffen den Gegenstand von Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung. Daher hätte die Einsprechende dieses Dokument mit den darauf gestützten Argumentationslinien bereits mit der Einspruchsschrift im Einspruchsverfahren oder zumindest im Laufe des Einspruchsverfahrens erheben können und müssen. Allerdings wurde weder in der Einspruchsschrift noch im gesamten Einspruchsverfahren seitens der Einsprechenden das Dokument D3 überhaupt erwähnt und damit die darauf gestützten Einwände bewusst nicht zur Entscheidung gestellt.
Durch dieses Vorgehen versucht die Einsprechende im Grunde, ihren Fall in das Beschwerdeverfahren zu verlagern und die Kammer zu veranlassen, entweder erstmalig über die Sache zu entscheiden oder sie an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Eine solche Verlagerung der Sache benachteiligte indes die Patentinhaberin ungerechtfertigt, weil sie so neuen Angriffen ausgesetzt wäre. Im Fall einer Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung verzögerte sich das Verfahren nicht unerheblich. In dem einen wie in dem anderen Fall führte das allein von der Einsprechende zu verantwortende verspätete Vorbringen zu durch keine objektiven Umstände gerechtfertigten Nachteilen für die Gegenpartei und widerspräche dem für alle Beteiligten gleichermaßen geltenden Grundsatz der Verfahrensökonomie.
2.5 Aufgrund der dargestellten Erwägungen macht die Kammer von ihrer Befugnis nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 Gebrauch und lässt das Dokument D3 sowie die darauf gestützten Einwände mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit entsprechend dem Antrag der Patentinhaberin (siehe Beschwerdeerwiderung, Punkt II; Schriftsatz vom 11. November 2020, Punkt III) nicht ins Verfahren zu.
3. Ausführbarkeit - Artikel 100 b) EPÜ
3.1 Die Einsprechende wandte sich gegen die Feststellung unter Punkt II.2 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, dass der Einspruchsgrund mangelnder Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung nicht entgegenstehe, und argumentierte, dass der Gegenstand des Streitpatents hinsichtlich des Merkmals des erteilten Anspruch 1, dass die Lasche "sich am unteren Ende der an ihren oberen Ende schwenkbar festgelegten Seitentaste befindet", nicht ausführbar offenbart sei.
Die Figuren 1 bis 3 des Streitpatents zeigten die Lasche 6 außerhalb der Seitentaste 4, nicht an der Seitentaste 4, sondern nur an dem Gehäuse selbst auf. Die Lasche sei entsprechend nicht am unteren Ende der am oberen Ende schwenkbar festgelegten Seitentaste befindlich. Es sei für eine Fachperson nicht ausführbar offenbart, die Lasche an der Seitentaste anzubringen und zugleich zu erreichen, dass eine Originalitätssicherung gegeben sei.
Aus der Offenbarung des Streitpatentes sei auch nicht ersichtlich, wie die Seitentaste 4 zusammen mit dem Teil 11 bewegbar sei, das andererseits als Teil des Gehäuses erscheine. Der Steg 8 liege dem Teil 9 lediglich gegenüber. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit hier, was aber gemäß der Beschreibung ausgeführt sei, die Lasche einstückig ausgebildet sei.
3.2 Die Argumentation der Einsprechenden überzeugt die Kammer nicht von der Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung unter Punkt II.2 der angefochtenen Entscheidung. Entgegen der Meinung der Einsprechenden lehrt das Streitpatent in den Figuren 1 bis 3 nicht, dass die Lasche mit dem Gehäuse verbunden ist, sondern nach Anspruch 1, dass die Lasche sich seitlich des Gehäuses am unteren Ende der Seitentaste befindet. Die Absätze [0029] bis [0031] des Streitpatents offenbaren unmittelbar und eindeutig wie die Erfindung ausführbar ist, wobei im Absatz [0030], Spalte 6, Zeilen 14 bis 18, des Streitpatents deutlich beschrieben ist, dass die Lasche einstückig mit der Seitentaste verbunden ist.
Die Kammer teilt die Auffassung der Patentinhaberin, dass die Fachperson dem Streitpatent entnimmt, dass zur Seitentaste 4 der Teil 9 mit den Stegen 11 gehört. Gemäß Absatz [0030] ist nach Figur 2 die Lasche über den Steg 8, der durch eine Ausnehmung 10 (Figur 3) des Spendergehäuses 1 hindurchführt, einstückig an dem zur Taste 4 gehörenden, beweglichen Teil 9 der Ausgabemechanik angeordnet. Die Lasche 6 befindet sich gemäß Anspruch 1 am unteren Ende der an ihrem oberen Ende schwenkbar festgelegten Seitentaste 4. Gleichzeitig ist sie seitlich des Gehäuses angeordnet. Diese Konstruktion ist für die Fachperson ohne weiteres aus den Figuren 1 bis 3 und der Beschreibung in den Absätzen [0029] bis [0031] des Streitpatents ersichtlich.
3.3 Die Einsprechende entgegnete zur Untermauerung ihrer Argumentation, dass die Lehre des erteilten abhängigen Anspruchs 8 der Ausführbarkeit des streitigen Merkmals entgegenstehe.
Die Kammer ist aufgrund der klaren und unmissverständlichen Offenbarung in den Absätzen [0029] bis [0031] der Patentschrift zur Ausführbarkeit des streitigen Merkmals, wie unter Punkt 3.2 oben dargelegt, nicht überzeugt, dass dieses Gegenargument der Ausführbarkeit der Lehre des unabhängigen Anspruchs 1 entgegensteht.
3.4 Die Argumente der Einsprechenden zur Unrichtigkeit der Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur Ausführbarkeit des gemäß Streitpatent beanspruchten Gegenstands überzeugen daher nicht, so dass der Einspruchsgrund mangelnder Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) EPÜ nicht durchgreift.
4. Änderungen - Artikel 100 c) EPÜ
4.1 Die Einsprechende argumentierte hinsichtlich des Einspruchsgrunds unzulässiger Änderungen dahingehend, dass entgegen der Feststellung unter Punkt II.3 der Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht auf den Anmeldezustand, sondern auf den Erteilungszustand abzustellen sei. Und danach seien wesentliche Merkmale der erteilten abhängigen Ansprüche 2 bis 12 nicht erfinderisch.
Nach der Streitpatentschrift seien mit Ausnahme der Figuren 1 bis 3 sämtliche Ausführungsbeispiele als nicht erfindungsgemäß bezeichnet (vgl. Absatz [0025] der Streitpatentschrift). Andererseits enthielten die Ansprüche aber auch Merkmale, die nur in den Ausführungsformen der Figuren 4 bis 10 offenbart seien.
Streichungen in der Patentschrift bzw. Kennzeichnung von Teilen als nicht zur Erfindung gehörig wirkten ex tunc auf den Anmeldetag zurück. Demnach stehe der "Goldstandard" der geltend gemachten unzulässigen Erweiterung nicht entgegen.
4.2 Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei der Prüfung der Frage, ob der Gegenstand des Patents entgegen Artikel 100 c) EPÜ über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, auf den sogenannten "Goldstandard" abzustellen. Demnach dürfen Änderungen nur im Rahmen dessen erfolgen, was die Fachperson der Gesamtheit der Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens, objektiv und bezogen auf den Anmeldetag, unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (siehe G 2/10; RdB, a.a.O, II.E.1.3.1).
4.3 Die Kammer weist darauf hin, dass die Basis für die Änderungen der erteilten Ansprüche in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen liegt.
Der erteilte Anspruch 1 basiert auf der Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 5, 6 und 9. Die erteilten Ansprüche 2 bis 12 basieren auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 2 bis 4, 7, 8, 10 bis 13, 15 und 16.
Der Gegenstand der Streitpatents geht somit nicht nach Artikel 100 c) EPÜ über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
4.4 Die Argumente der Einsprechenden zur Unrichtigkeit der Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zum Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ überzeugen daher nicht, so dass dieser Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung nicht entgegensteht.
5. Neuheit - Artikel 100 a) EPÜ
5.1 Die Einsprechende wandte sich gegen die begründete Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu gegenüber der jeweiligen Offenbarung von D1 und D2 sei und argumentierte, dass jedes dieser Dokumente auch die kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1 zeige, dass der Originalitätsverschluss eine seitlich des Gehäuses befindliche Lasche umfasst, die sich am unteren Ende der an ihren oberen Ende schwenkbar festgelegten Seitentaste befindet.
Die Spendertaste 3 des Spenders nach D1 sei hinsichtlich ihrer Bewegbarkeit als an ihrem oberen Ende schwenkbar festgelegt zu verstehen. Insofern sei es auch einzig möglich, eine Lasche bzw. ein Sperrteil an dem unteren Ende der Spendertaste anzuordnen. Diese Lasche stelle zugleich einen Originalitätsverschluss im Sinne eines Blockadeelementes dar, welcher eine Betätigung der Seitentaste oder eine Ausgabe des Guts vor Verletzung der Originalität blockiere. Der nach D1 als Sperre bezeichnete Originalitätsverschluss weise naturgemäß einen Steg auf. Ansonsten könne er nicht sperren.
Die Verschiebekinematik der Spendertaste 4 des Spenders nach D2 sei zwar nicht weiter in D2 erläutert. Aufgrund der gegebenen Ausgestaltung sei aber ohne Weiteres ersichtlich, dass eine gewisse schwenkbare Bewegung der Seitentaste 4 gegeben sei. Die an der Taste 4 angeformten Streben seien als Federn zu verstehen, wobei die Taste nur an ihrem oberen Ende festgelegt sein könne, weil unten die Ausgabe erfolge. Daher könne eine Verkippung der Taste erfolgen.
5.2 Die Argumentation der Einsprechenden überzeugt die Kammer nicht von der Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung unter Punkt II.4 der angefochtenen Entscheidung, denen sich die Kammer anschließt.
Die aus D1 und D2 bekannten Seitentasten sind jeweils als Schieber beschrieben. Selbst wenn die Kammer dem Argument der Einsprechenden folgte, dass auch das Streitpatent von einer Schiebermechanik spräche (siehe Beschwerdebegründung, Seite 12, fünfter Absatz), ginge dennoch aus keinem der Dokumente D1 oder D2 unmittelbar und eindeutig hervor, dass die bekannten verschiebbaren Seitentasten an ihrem oberen Ende schwenkbar festgelegt sind.
Daher unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 von der jeweiligen Offenbarung von D1 und D2 zumindest dadurch, dass die Seitentaste an ihrem oberen Ende schwenkbar festgelegt ist. Auch beschreibt weder D1 noch D2 die kennzeichnenden Merkmale von Anspruch 1.
5.3 Die Argumente der Einsprechenden zur Unrichtigkeit der Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des streitpatentgemäß beanspruchten Gegenstands überzeugen daher nicht, so dass der Einspruchsgrund mangelnder Neuheit nach Artikel 100 a) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung nicht entgegensteht.
6. Zulassung eines Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ins Verfahren
Soweit die Einsprechende zum ersten Mal in der Beschwerdebegründung einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit hinsichtlich einer Kombination von D1 und D2 ohne eine rechtfertigende Begründung für dieses verspätete Vorbringen erhob (siehe Beschwerdebegründung, Punkt IV, Seite 12, dritter Absatz), sieht die Kammer keinen Grund, in Ausübung ihres Ermessens gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 diese verspätet vorgebrachte Argumentationslinie ins Verfahren zuzulassen.
7. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100 a) EPÜ
7.1 Die Einsprechende wandte sich gegen die Feststellung der angefochtenen Entscheidung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D1 oder D2 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
7.2 Nach Ansicht der Einsprechenden entspreche es ausgehend von D1 oder D2, jedenfalls in Anbetracht von D3, dem Fachwissen, eine derartige Taste als an einem Ende schwenkbar festgelegt vorzusehen.
Der in Figur 2 von D2 sichtbare Spalt in senkrechter Richtung zwischen dem Teil 3 und dem sich darüber anschließenden Teil des Ausgabekanals spreche auch dafür, dass eine gewisse Bewegung in vertikaler Richtung, wie sie bei einem Verschwenken gegeben sein könne, bei dem Spender nach D2 gegeben sei.
Darüber hinaus habe das Merkmal der an einem Ende schwenkbar festgelegten Seitentaste für die Lehre der Erfindung keine Bedeutung. Die seitlich des Gehäuses befindliche Lasche könne bei einer lediglich linear bewegbaren Taste in gleicher Weise gegeben sein. Es handle sich um zwei Merkmale, nämlich seitlich des Gehäuses befindliche Lasche und am oberen Ende schwenkbar festgelegte Seitentaste, die in keinem inneren Zusammenhang stünden.
7.3 Unabhängig von der Nichtzulassung von Dokument D3 und der darauf gestützten Argumentationslinien ins Verfahren (siehe unter obigem Punkt 2), weist die Kammer darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung das allgemeine Fachwissen keine Patentliteratur einschließt (siehe RdB, a.a.O, I.C.2.8.2).
Das Dokument D3 ist als Patentschrift daher nicht zum Beleg des allgemeinen Fachwissens geeignet. Dass D3 dem allgemeinen Fachwissen zugerechnet werden kann, wurde im Übrigen auch seitens der Patentinhaberin bestritten.
7.4 Die Argumentation der Einsprechenden überzeugt nicht. Die Kammer folgt vielmehr der Auffassung der Einspruchsabteilung unter Punkt II.5 der angefochtenen Entscheidung, dass eine an ihren oberen Ende schwenkbar festgelegte Seitentaste nicht zum Fachwissen gehört. Die Einsprechende hat kein Beweismittel für ihre gegenteilige Behauptung vorgelegt.
Die aus D1 und D2 bekannten Spender sind Schiebespender, wobei zur Freigabe der Ausgabeöffnung eine Schiebetaste nach innen bewegt wird. Eine Schiebertaste hat mehr Platzbedarf als eine schwenkbare Taste, die nur am unteren Ende in das Gehäuse hineinbewegt wird. Weiterhin bietet eine schwenkbare Seitentaste eine einfachere Bedienung. Die oben unter Punkt 5.2 definierten Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 lösen daher entgegen der Meinung der Einsprechenden ein technische Problem. Somit ist es keinesfalls naheliegend, die bekannten Spender nach D1 oder D2 mit einer an ihren oberen Ende schwenkbar festgelegten Seitentaste auszustatten, vor allem weil eine solche Seitentaste aus keinem der genannten Dokumente hervorgeht.
7.5 Ausgehend von D1 oder D2 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen beruht der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 daher auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass der Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ nicht durchgreift.
8. Im Ergebnis zeigt keiner der seitens der Einsprechenden zulässig erhobenen Einwände in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung auf.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.