T 1248/19 (Reglerparameter/BOSCH) 04-11-2022
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Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters eines Regelglieds in einem Bahnspannungs-Regelkreis für eine Bearbeitungsmaschine
Siemens Aktiengesellschaft
Lenze SE
Entscheidung im schriftlichen Verfahren - (ja): Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung durch die Patentinhaberin
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und erster und zweiter Hilfsantrag (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des vorliegenden europäischen Patents in geänderter Fassung gemäß einem "Hilfsantrag 2".
II. Die Einspruchsabteilung hatte in ihrer Entscheidung inter alia folgenden Stand der Technik berücksichtigt:
E3: EP 1 790 601 A2
E6: DE 197 23 043 A1.
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent auf der Grundlage der Ansprüche eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 aufrechtzuerhalten.
V. Mit der Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Frage der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) bzw. zur Zulassung des Hilfsantrags 2 mit.
VI. Mit einem Antwortschreiben teilte die Beschwerdegegnerin mit, dass weder sie noch deren Vertreter an der anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen werden würden. Darüber hinaus wurde auch eine Stellungnahme zur Zulassungsfrage abgegeben.
VII. Daraufhin wurde der anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
VIII. Anspruch 1 gemäß dem von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Patent (Hauptantrag) hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters (KP, TN) eines Regelglieds (216, 310) in einem Bahnspannungs-Regelkreis (200; 300; 400) für eine Bearbeitungsmaschine (10) zur Bearbeitung einer Warenbahn (101), insbesondere wellenlose Druckmaschine,
dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Reglerparameter (KP,TN) der Gruppe Proportionalverstärkung KP, Integralverstärkung KI, Differentialverstärkung KD, Nachstellzeit TN, Vorhaltezeit TV und Verzögerung T angehört, wobei er in Abhängigkeit von wenigstens einem die Warenbahn (101) kennzeichnenden Parameter (E, b, d, M), wenigstens einem die Bearbeitungsmaschine kennzeichnenden Parameter (v, l) und wenigstens einer Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS, T(v)R, TSUM) bestimmt wird,
wobei der wenigstens eine Reglerparameter (Kp, TN)
in Abhängigkeit von wenigstens einer konstanten Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS) bestimmt wird, die eine Datenübertragungszeit (Tt,NET) von einem Sensor (121, 122, 123, 124) zu einer Recheneinheit (150), eine Messzeit (Tt,SENSOR) eines Sensors (121, 122, 123, 124) und/oder eine Rechenzeit (Tt,SPS) einer Recheneinheit (150) beinhaltet."
IX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 hat folgenden Wortlaut (mit von der Kammer hervorgehobenen Änderungen im Vergleich zum Hauptantrag):
"Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters (KP, TN) eines Regelglieds (216, 310) in einem Bahnspannungs-Regelkreis (200; 300; 400) für eine Bearbeitungsmaschine (10) zur Bearbeitung einer Warenbahn (101), insbesondere wellenlose Druckmaschine,
dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Reglerparameter (KP,TN) der Gruppe Proportionalverstärkung KP, Integralverstärkung KI, Differentialverstärkung KD, Nachstellzeit TN, Vorhaltezeit TV und Verzögerung T angehört, wobei er in Abhängigkeit von wenigstens einem die Warenbahn (101) kennzeichnenden Parameter (E, b, d, M), wenigstens einem die Bearbeitungsmaschine kennzeichnenden Parameter (v, l) und wenigstens einer Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS, T(v)R, TSUM) bestimmt wird,
wobei der wenigstens eine die Warenbahn (101) kennzeichnende Parameter (E, b, d, M) ein Elastizitätsmodul (E) der Warenbahn (101), eine Bahnbreite (b) der Warenbahn (101), eine Bahndicke (d) der Warenbahn (101) oder ein Materialtyp (M) der Warenbahn ist,
wobei der wenigstens eine Reglerparameter (Kp, TN)
in Abhängigkeit von wenigstens einer konstanten Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS) bestimmt wird, die eine Datenübertragungszeit (Tt,NET) von einem Sensor (121, 122, 123, 124) zu einer Recheneinheit (150), eine Messzeit (Tt,SENSOR) eines Sensors (121, 122, 123, 124) und/oder eine Rechenzeit (Tt,SPS) einer Recheneinheit (150) beinhaltet."
X. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 hat folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines Reglerparameters (KP, TN) eines Regelglieds (216, 310) in einem Bahnspannungs-Regelkreis (200; 300; 400) für eine Bearbeitungsmaschine (10) zur Bearbeitung einer Warenbahn (101), insbesondere wellenlose Druckmaschine,
dadurch gekennzeichnet, dass der wenigstens eine Reglerparameter (KP, TN) eine Proportionalverstärkung KP oder eine Nachstellzeit TN eines Pl-Regelglieds umfasst, wobei er in Abhängigkeit von wenigstens einem die Warenbahn (101) kennzeichnenden Parameter (E, b, d, M), wenigstens einem die Bearbeitungsmaschine kennzeichnenden Parameter (v, l) und wenigstens einer Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS, T(v)R, TSUM) bestimmt wird,
wobei der wenigstens eine Reglerparameter (KP, TN) in Abhängigkeit von wenigstens einer konstanten Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS) bestimmt wird, die eine Datenübertragungszeit (Tt,NET) von einem Sensor (121, 122, 123, 124) zu einer Recheneinheit (150), eine Messzeit (Tt,SENSOR) eines Sensors (121, 122, 123, 124) und/oder eine Rechenzeit (Tt,SPS) einer Recheneinheit (150) beinhaltet,
wobei die Übertragungsfunktion des PI-Regelglieds
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
ist,
und wobei sich die Proportionalverstärkung KP in Abhängigkeit von dem Elastizitätsmodul E der Warenbahn, dem Bahnquerschnitt A der Warenbahn, der Abschnittslänge l, der Bahngeschwindigkeit v und der Ersatzzeitkonstanten TE ergibt zu
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
wobei die Ersatzzeitkonstante TE die wenigstens eine Totzeit umfasst."
1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
1.1 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Ankündigung eines Verfahrensbeteiligten, an einer anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen (siehe Punkt VI oben), mit der Rücknahme des Antrags auf eine solche mündliche Verhandlung gleichzusetzen.
1.2 Folglich konnte im vorliegenden Fall die mündliche Verhandlung abgesetzt werden und eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen (Artikel 12 (8) VOBK 2020).
2. Technischer Hintergrund des Patents
Das Streitpatent betrifft die Regelung einer Maschine zur Bearbeitung einer Warenbahn, wie beispielsweise eine Papierbahn, in Bezug auf die Bahnspannung. Dabei wird ein Reglerparameter in Abhängigkeit von Parametern, die die Bearbeitungsmaschine oder die Warenbahn kennzeichnen, und einer Totzeit bestimmt.
3. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
3.1 Anspruch 1 des Hauptantrags enthält folgende einschränkenden Merkmale (Merkmalsnummerierung der Kammer):
M1 Verfahren zur Bestimmung wenigstens eines
Reglerparameters (KP, TN) eines Regelglieds in
einem Bahnspannungs-Regelkreis
M2 für eine Bearbeitungsmaschine zur Bearbeitung
einer Warenbahn,
M3 wobei der wenigstens eine Reglerparameter
(KP, TN) der Gruppe Proportionalverstärkung KP,
Integralverstärkung KI, Differentialverstärkung
KD, Nachstellzeit TN, Vorhaltezeit TV und
Verzögerung T angehört und in Abhängigkeit von
M4 wenigstens einem die Warenbahn kennzeichnenden
Parameter (E, b, d, M),
M5 wenigstens einem die Bearbeitungsmaschine
kennzeichnenden Parameter (v, l) und
M6 wenigstens einer Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS,
T(v)R, TSigma) bestimmt wird,
M8 wobei der wenigstens eine Reglerparameter
(KP, TN) in Abhängigkeit von wenigstens einer
konstanten Totzeit (Tt,SENSOR, Tt,NET, Tt,SPS)
bestimmt wird, die eine Datenübertragungszeit
(Tt,NET) von einem Sensor zu einer Recheneinheit,
eine Messzeit (Tt,SENSOR) eines Sensors und/oder
eine Rechenzeit (Tt,SPS) einer Recheneinheit
beinhaltet.
3.2 Als nächstliegenden Stand der Technik sieht die Kammer in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung Dokument E3 an, das ein Verfahren mit den Merkmalen M1 bis M5 offenbart (Absätze [0001], [0012], [0016], [0018], [0020] und [0022]). Dieses Dokument betrifft die Regelung der Bahnspannung einer Warenbahn und die Bestimmung der Regelkreisparameter (Absatz [0001]). Als Reglertypen werden hierbei PI-(Proportional/Integral)-Regler und PID-(Proportional/Integral/Differential)-Regler offenbart, die die entsprechenden Parameter wie Proportional-, Integral- und Differentialverstärkung und Nachstell- und Vorhaltezeit implizieren (Absatz [0012]). Die Regelkreisparameter können zudem in Abhängigkeit der Leitachsgeschwindigkeit oder einer Lauflänge der Warenbahn zwischen einer zuführenden und einer abführenden Klemmstelle bestimmt werden (Absätze [0016] und [0018]). Beide Parameter kennzeichnen somit die Bearbeitungsmaschine. Die Regelkreisparameter können ferner in Abhängigkeit von physikalischen Kenngrößen der Warenbahn, d. h. die Warenbahn kennzeichnenden Parametern, bestimmt (Absatz [0020]). Eine solche physikalische Kenngröße kann beispielsweise der Elastizitätsmodul der Warenbahn sein (Absatz [0022]).
3.3 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich nun von der Offenbarung von E3 nur durch die Merkmale M6 und M8.
3.4 Der technische Effekt dieser Unterscheidungsmerkmale besteht darin, dass mehr bzw. genauere Informationen der Regelstrecke und Regelung berücksichtigt werden und somit das Verhalten des Regelung, wie beispielsweise Einschwingverhalten, Stabilität oder Regelgenauigkeit, verbessert werden. Die ausgehend von E3 der beanspruchten Erfindung zugrunde liegende objektive technische Aufgabe kann daher darin gesehen werden, die Qualität der Regelung zu verbessern.
3.5 Die Fachperson auf dem Gebiet der Regelungstechnik hätte sicherlich auch Dokument E6 in Betracht gezogen, da es ebenfalls die Regelung einer Bearbeitungsmaschine für eine Warenbahn betrifft und dabei eine Regelung verwendet wird, deren Verhalten wie allgemein bekannt von Reglerparameter bestimmt wird (Spalte 2, Zeilen 14 bis 21). Die Reglerparameter können in Abhängigkeit von Fehlerlaufzeiten variieren bzw. bestimmt werden (Spalte 6, Zeilen 57 bis 63). Als Fehlerlaufzeit wird die Zeit zwischen Fehlerentstehung und Fehlerbehebung verstanden (Spalte 6, Zeilen 13 bis 15). Die Zeit zur Ausregelung von Fehlern wird vom Einschwingverhalten der Regelung bestimmt und ist nach Ansicht der Kammer keine "Totzeit", auch wenn sie von Totzeiten des Systems sicherlich beeinflusst wird. Daneben offenbart E6 auch, dass die vorzugsweise konstante Abtastzeit in die Gewichtung der Integral- und Differentialanteile, die beide Parameter der Regelung sind, einfließen kann (Spalte 10, Zeilen 27 bis 31). Die Abtastzeit ist nach Ansicht der Kammer eine konstante Totzeit, da sie unabhängig von den Eigenschaften der Regelstrecke zu einer konstanten Verzögerung führt. Die Abtastzeit einer diskreten Regelung ist der Takt, in dem Eingangssignale eingelesen und die daraus berechneten Ausgangssignale ausgegeben werden und beinhaltet somit die Rechenzeit einer Recheneinheit, die in einer diskreten Regelung implizit enthalten ist. E6 enthält nun auch die Anregung, bei der Bestimmung der Reglerparameter auch eine "konstante Totzeit" zu berücksichtigen, die die Rechenzeit einer Recheneinheit beinhaltet.
3.6 Die vor die oben genannte Aufgabe gestellte Fachperson wäre daher, ausgehend von E3, unter Berücksichtigung der E6 ohne Ausüben einer erfinderischen Tätigkeit zu einem Verfahren mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 gelangt.
3.7 Die Patentinhaberin argumentiert, dass die von E3 ausgehende Fachperson das Dokument E6 nicht berücksichtigt hätte, da kein direkter Zusammenhang mit einer Bahnspannungsregelung bestünde und diese Druckschrift nicht auf sinnvolle Weise mit E3 kombiniert werden könne. E3 offenbare zudem nicht die Bestimmung eines Reglerparameters in gleichzeitiger Abhängigkeit von einem Warenbahn- und einem Maschinenparameter und E6 offenbare nicht die konkreten Totzeiten des Merkmals M8. Außerdem offenbare auch eine Kombination aus E3 und E6 nicht, dass ein Reglerparameter in gleichzeitiger Abhängigkeit der Parameter gemäß M4, M5, M6 und M8 bestimmt werde.
3.8 Die Kammer ist aus den folgenden Gründen von den Argumenten der Patentinhaberin nicht überzeugt:
Das dem Dokument E6 entnommene Merkmal betrifft nur die Berücksichtigung einer Totzeit gemäß Merkmal M8 bei der Bestimmung eines Reglerparameters. Derartige Totzeiten beeinflussen alle Regelsysteme unabhängig vom Anwendungsgebiet und der geregelten Größe, da sie grundsätzlich zu einer Verzögerung bei der Ermittlung einer Regelabweichung bzw. bei der Berechnung des Stellsignals führen und das Übertragungsverhalten der Regelstrecke beeinflussen. Die Berücksichtung solcher Totzeiten ist grundsätzlich vorteilhaft, wenn nicht sogar geboten, und bei jeder Regelung möglich. Bei einer Bearbeitungsmaschine für eine Warenbahn gibt es zahlreiche zu regelnde Größen, die der Fachperson auf diesem Gebiet geläufig sind. Die Fachperson hätte somit ausgehend von E3 sehr wohl das Dokument E6 in Betracht gezogen und auch sinnvoll mit E3 kombinieren können. Grundsätzlich ist festzustellen, dass das Verhalten eines Regelkreises maßgeblich vom dynamischen Verhalten der Regelstrecke beeinflusst wird, die im vorliegenden Fall zumindest die Bearbeitungsmaschine umfasst. Es ist daher allgemeines Fachwissen, die Parameter einer Regelung abhängig von den Parametern der Regelstrecke, d. h. insbesondere der Bearbeitungsmaschine, zu bestimmen. Dies ist auch explizit für das Beispiel der Leitachsgeschwindigkeit in E3 offenbart (Absatz [0015]). Zusätzlich wird jedoch das Verhalten der Regelstrecke auch von den Eigenschaften der Warenbahn beeinflusst. Beispielsweise gibt deren Elastizitätsmodul die Bahnspannungsänderung an, die mittels einer bestimmten Längenänderung erreicht wird, die wiederum von der geregelten Vor- bzw. Nacheilung der Antriebswalzen erzeugt wird (Absatz [0003]).
Die Fachperson hätte daher zur Parametrierung der Regelung die die Warenbahn kennzeichnenden Parameter zusätzlich zu den die Bearbeitungsmaschine kennzeichnenden Parametern berücksichtigt. Eine Berücksichtigung allein der Warenbahnparameter wäre abwegig, da sie die für das Verhalten der Regelstrecke wesentlicheren Parameter, d. h. die der Bearbeitungsmaschine, außer Acht lassen würde. Die Formulierungen in E3 ("in Abhängigkeit" in den Absätzen [00015] und [0020]) beschreiben dementsprechend auch keine exklusive Berücksichtigung von Parametern der Warenbahn oder der Bearbeitungsmaschine. Das für die zusätzliche Berücksichtigung der Warenbahnparameter Gesagte gilt ebenso für die Berücksichtigung einer Totzeit bei der Bestimmung eines Reglerparameters. Die in M8 genannten Totzeitarten beeinflussen das Verhalten der Regelstrecke bzw. des geschlossenen Regelkreises in weitaus geringerem Maße als die Parameter der Bearbeitungsmaschine. Einer Fachperson ist mithin klar, dass bei der Bestimmung eines Regelungsparameters diese Totzeiten zusätzlich und nicht alternativ zu berücksichtigen sind - zumal die beanspruchte Bestimmung dieses Regelungsparameters nicht notwendigerweise durch eine Komponente des technischen Systems, d. h. durch "technische Mittel" erfolgen muss.
3.9 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht daher - ausgehend von E3 und bei Berücksichtigung von E6 - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
4. Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit
4.1 Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass (Merkmalsnummerierung durch die Kammer)
M7 der wenigstens eine die Warenbahn kennzeichnende
Parameter (E, b, d, M) ein Elastizitätsmodul (E) der Warenbahn, eine Bahnbreite (b) der Warenbahn, eine Bahndicke (d) der Warenbahn oder ein Materialtyp (M) der Warenbahn ist.
4.2 Dokument E3 offenbart das "Elastizitätsmodul" als die Warenbahn kennzeichnenden Parameter, der bei der Bestimmung des Regelungsparameter berücksichtigt wird, und somit auch Merkmal M7 (Absatz [0022]).
4.3 Die vorstehenden Überlegungen zu Anspruch 1 des Hauptantrags gelten somit mutatis mutandis auch für Anspruch 1 von Hilfsantrag 1. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Auch Hilfsantrag 1 ist somit nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
5. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit
5.1 In der Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu Hilfsantrag 2 mit, dass sie geneigt sei, den Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen, und dass darüber hinaus das Verfahren gemäß Anspruch 1 prima facie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. In ihrem Antwortschreiben auf die Ladung nahm die Beschwerdegegnerin zu der Frage der Zulassung Stellung, nicht aber zu der Frage der Gewährbarkeit. Die Kammer lässt die Frage der Zulassung von Hilfsantrag 2 offen. Dieser Hilfsantrag ist aber auf jeden Fall nicht gewährbar.
5.2 Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass (Merkmalsnummerierung durch die Kammer)
M9 die Übertragungsfunktion des PI-Regelglieds durch
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
gegeben ist,
und sich die Proportionalverstärkung KP in Abhängigkeit von dem Elastizitätsmodul E der Warenbahn, dem Bahnquerschnitt A der Warenbahn, der Abschnittslänge l, der Bahngeschwindigkeit v und der Ersatzzeitkonstanten TE ergibt zu
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK,
wobei die Ersatzzeitkonstante TE die wenigstens eine Totzeit umfasst.
5.3 Die obige Formel zu G(s) beschreibt die allgemein bekannte Übertragungsfunktion im komplexen Frequenzbereich eines PI-Glieds bzw. -reglers mit den beiden Parametern Proportional- und Integralverstärkung. Merkmal M9 spezifiziert wiederum, dass die Proportionalverstärkung proportional zu
l/(v·TE·E·A) ist, wobei angemerkt ist, dass l/(E·A) den Kehrwert der Federsteifigkeit der Warenbahn je Abschnittslänge darstellt. Merkmal M9 lehrt somit im Wesentlichen, die Proportionalverstärkung mit steigender Federsteifigkeit, steigender Geschwindigkeit und steigender Totzeit proportional zu verringern.
5.4 Der proportionale Zusammenhang ist die einfachste Abhängigkeit zwischen zwei Größen, so dass auch diese Einschränkung nicht zu einer erfinderischen Tätigkeit beitragen kann. Ebenso erkennt die Kammer keinen erfinderischen Beitrag in der Auswahl der Eingangsgrößen v, TE, l, E und A und darin, ob die Abhängigkeit proportional oder umgekehrt proportional ist, da dies in der Natur der Eingangsgrößen liegt. Beispielsweise ist es naheliegend, die Proportionalverstärkung bei einer weniger elastischen Warenbahn, d. h. mit höherer Federsteifigkeit, zu verringern, da in diesem Fall eine bestimmte Bahnspannungserhöhung bereits mit einer geringeren Dehnung erreichbar ist. Es ist auch naheliegend, die Proportionalitätsverstärkung bei höherer Geschwindigkeit und steigender Totzeit zu verringern, da bei höherer Geschwindigkeit eine Dehnung schneller zu einer Bahnspannungserhöhung führt und eine längere Totzeit Instabilität begünstigt, so dass in beiden Fällen eine vorsichtigere Erhöhung des Stellsignals geboten ist.
5.5 Zudem beschreibt das Streitpatent keinen besonderen Effekt oder Vorteil der beanspruchten, nicht notwendigerweise durch technische Mittel umgesetzten Berechnungsvorschrift gemäß M9.
5.6 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Hilfsantrag 2 ist somit ebenfalls nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
6. Da kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, muss das Streitpatent widerrufen werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.