T 0157/20 24-04-2023
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Blasformanordnung mit kontrolliertem Verriegelungsmechanismus
Spät eingereichter Einwand - zugelassen (nein)
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - (ja)
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Einsprechende legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der das europäische Patent Nr. 2 368 692 in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 2a aufrechterhalten wurde.
II. Mit Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ vom 19. Mai 2022 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde zurückzuweisen wäre.
Zu dieser Mitteilung der Kammer nahm lediglich die Einsprechende mit Schriftsatz vom 19. September 2022 inhaltlich Stellung.
III. Am 24. April 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
IV. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in der geänderten Fassung, die von der Einspruchsabteilung als mit den Erfordernissen des EPÜ vereinbar erachtet wurde (Hilfsantrag 2a),
oder hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis des Anspruchssatzes gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht im Einspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 16. Juli 2019.
V. Diese Entscheidung nimmt auf folgende Dokumente Bezug:
D1: FR 2 646 802 A1,
D2: DE 20 2008 016838 U1 und
D5: US 2006/275525 A1.
VI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2a lautet:
"Blasformanordnung (1) zum Umformen von Kunststoffvorformlingen zu Kunststoffbehältnissen mit einem ersten Formträgerelement (3) und einem zweiten Formträgerelement (4), Welches gegenüber dem ersten Formträgerelement (3) um eine Verbindungsachse (X) schwenkbar ist, wobei die Formträgerelemente (3, 4) derart zusammenwirken, dass sie in einem geschlossenen Zustand der Blasformanordnung (1) in ihrem Inneren einen Hohlraum (5) ausbilden, in dem die Kunststoffvorformlinge zu Kunststoffbehältnissen expandierbar sind, und mit einer Verriegelungseinrichtung (10), welche das erste Formträgerelement (3) gegenüber dem zweiten Formträgerelement (4) verriegelt, um die Blasformanordnung (1) wenigstens zeitweise in einem geschlossenen Zustand zu halten, wobei die Verriegelungseinrichtung (10) mindestens ein an einem Formträgerelement (3, 4) angeordnetes Verriegelungselement (16) aufweist, welches bewegbar ist und welches zum Verriegeln der Formträgerelemente (3, 4) mit dem anderen Formträgerelement (4, 3) zusammenwirkt und wobei die Verriegelungseinrichtung (10) ein bewegliches Betätigungselement (14) aufweist, dessen Bewegung wenigstens zeitweise mit einer Bewegung des Verriegelungselements (16) gekoppelt ist, wobei das Betätigungselement oder das Verriegelungselement (16) zumindest zwischen zwei vorgegebenen Positionen (B1, B2) bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Verrieglungseinrichtung (10) neben einer ohnehin vorgesehenen stationären Führungskurve eine an der Blasformanordnung (1) angeordnete zusätzliche Führungseinrichtung (20) aufweist, welche derart mit dem Verriegelungselement (12) oder dem Betätigungselement (14) zusammenwirkt, dass das Verriegelungselement (12) oder das Betätigungselement (14) je nach Position des Betätigungselementes in genau eine der beiden Positionen (B1, B2) gedrängt wird, so dass sichergestellt werden kann, dass die Verriegelungseinrichtung (10) stets in einem definierten Zustand, d.h. vollständig verriegelt oder entriegelt ist, wobei die Führungseinrichtung (20) eine Kurveneinrichtung (22) mit einer gekrümmten Außenoberfläche (26) aufweist, deren Bewegung mit einer Bewegung des Betätigungselements (14) gekoppelt ist."
VII. Die Merkmalsgliederung von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2a ist entsprechend Punkt IV der Beschwerdebegründung wie folgt:
1. Blasformanordnung (1) zum Umformen von Kunststoffvorformlingen zu Kunststoffbehältnissen mit
1.1 einem ersten Formträgerelement (3) und
1.2 einem zweiten Formträgerelement (4), welches gegenüber dem ersten Formträgerelement (3) um eine Verbindungsachse (X) schwenkbar ist,
1.2.1 wobei die Formträgerelemente (3, 4) derart Zusammenwirken, dass sie in einem geschlossenen Zustand der Blasformanordnung (1) in ihrem Inneren einen Hohlraum (5) ausbilden, in dem die Kunststoffvorformlinge zu Kunststoffbehältnissen expandierbar sind, und
1.3 mit einer Verriegelungseinrichtung (10), welche das erste Formträgerelement (3) gegenüber dem zweiten Formträgerelement (4) verriegelt, um die Blasformanordnung (1) wenigstens zeitweise in einem geschlossenen Zustand zu halten, wobei
1.3.1 die Verriegelungseinrichtung (10) mindestens ein an einem Formträgerelement (3, 4) angeordnetes Verriegelungselement (16) aufweist, welches bewegbar ist und welches zum Verriegeln der Formträgerelemente (3, 4) mit dem anderen Formträgerelement (4, 3) zusammenwirkt und
1.3.2 wobei die Verriegelungseinrichtung (10) ein bewegliches Betätigungselement (14) aufweist, dessen Bewegung wenigstens zeitweise mit einer Bewegung des Verriegelungselements (12) gekoppelt ist, wobei
1.3.3 das Betätigungselement oder das Verriegelungselement (16) zumindest zwischen zwei vorgegebenen Positionen (B1, B2) bewegbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass
1.4 die Verriegelungseinrichtung (10) neben einer ohnehin vorgesehenen stationären Führungskurve eine an der Blasformanordnung (1) angeordnete zusätzliche Führungseinrichtung (20) aufweist, welche
1.4.1 derart mit dem Verriegelungselement (12) oder dem Betätigungselement (14) zusammenwirkt, dass das Verriegelungselement (12) oder das Betätigungselement (14) je nach Position des Betätigungselementes in genau eine der beiden Positionen (B1, B2) gedrängt wird,
1.4.2 so dass sichergestellt werden kann, dass die Verriegelungseinrichtung (10) stets in einem definierten Zustand, d. h. vollständig verriegelt oder entriegelt ist,
1.4.3 wobei die Führungseinrichtung (20) eine Kurveneinrichtung (22) mit einer gekrümmten Außenoberfläche (26) aufweist, deren Bewegung mit einer Bewegung des Betätigungselements (14) gekoppelt ist.
VIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
Aufrechterhaltene Fassung des Patents (Hilfsantrag 2a)
1. Zulassung ins Verfahren eines Einwands nach Artikel 123 (3) EPÜ
1.1 Die Einsprechende erhob zum ersten Mal mit der Beschwerdebegründung einen Einwand nach Artikel 123 (3) EPÜ, und argumentierte, dass durch die Änderung des Ausdrucks "in ... drängbar ist" in "in genau ... gedrängt wird" im Anspruch 1 eine unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs erfolgt sei (siehe Beschwerdebegründung, Punkt VIII).
1.2 Gemäß Artikel 12 (6), Satz 2 VOBK 2020 lässt die Kammer Einwände, die im Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, vorzubringen gewesen wären, nicht zu, es sei denn die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung.
1.3 Zur Rechtfertigung der Verspätung brachte die Einsprechende vor, dass die beanstandete Änderung im Anspruch 1 von der Patentinhaberin bei der Einreichung des Hilfsantrags 2a nicht kenntlich gemacht worden sei. Daher sei die nach Artikel 123 (3) EPÜ beanstandete Änderung der Einsprechenden erst mit der Entscheidungsbegründung bewusst geworden.
1.4 Die Kammer erkennt darin keinen Umstand der Beschwerdesache, der eine Zulassung dieses Einwands ins Verfahren rechtfertigte. Die von der Einsprechenden beanstandete Änderung war bereits im jeweiligen Anspruch 1 nach den Hilfsanträgen 1 und 2, eingereicht mit Schriftsatz vom 16. Juli 2019, vorhanden. Somit war die Änderung der Einsprechenden zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung rechtzeitig nach Regel 116 (1) EPÜ bekannt. Zudem hatte die Einsprechende ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung während der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit weitere Einwände vorzubringen (siehe Punkte 7 und 7.1 der Niederschrift). Die Einsprechende hätte daher bereits im Einspruchsverfahren, spätestens jedoch während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, diesen Einwand vorbringen können und müssen.
1.5 Die Kammer sieht daher keinen Grund, den Einwand nach Artikel 123 (3) EPÜ in Anwendung von Artikel 12 (6), Satz 2 VOBK 2020 ins Verfahren zuzulassen.
2. Ausführbarkeit - Artikel 83 EPÜ
2.1 Die Kammer wies in der Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ unter Punkt 10 auf die folgende Sach- und Rechtslage zur Ausführbarkeit hin, die von keiner der Beteiligten in Frage gestellt oder kommentiert wurde. Die Kammer sieht nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens der Parteien keinen Grund, von ihrer diesbezüglichen vorläufigen Meinung abzurücken und bestätigt diese wie folgt.
2.2 Die Einsprechende wandte sich gegen die Feststellung unter Punkt II.12.1 der Entscheidungsgründe, dass die Fachperson zwischen der stationären Führungskurve und der zusätzlichen Führungseinrichtung unterscheiden könne.
Dazu wiederholte die Einsprechende ihre Argumentation aus der Einspruchsschrift, dass es für die Fachperson nicht ersichtlich sei, wie diese Führungselemente zu unterscheiden seien und/oder wie sie in der Praxis realisiert werden könnten, da diese durch die gleichen Merkmale definiert seien (siehe Beschwerdebegründung, Punkt V.1, Seite 11, letzter Absatz).
Die Kammer ist von dem Vorbringen der Einsprechenden nicht überzeugt und kann nicht erkennen, weshalb die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung fehlerhaft sein sollte, dass eine stationäre Führungskurve in Absatz [0037] und die zusätzliche Führungseinrichtung in den Absätzen [0037] bis [0039] des Streitpatents beschrieben sind, so dass die Fachperson zwischen diesen Führungselementen unterscheiden und den beanspruchten Gegenstand ausführen kann.
2.3 Die Einsprechende bemängelte, dass das Streitpatent, insbesondere nach der in Absatz [0048] und Figur 7 des Streitpatents beschriebenen Ausführungsform, keine ausreichenden Informationen enthalte, die Erfindung über alle nach den Merkmalen 1.4 und 1.4.1 von Anspruch 1 beanspruchten Alternativen auszuführen (siehe Beschwerdebegründung, Punkt V.1, Seiten 12 und 13).
Nach gefestigter Rechtsprechung setzt ein erfolgreicher Einwand unzureichender Offenbarung ernsthafte und durch nachprüfbare Tatsachen erhärtete Zweifel voraus (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern [RdB], 10. Auflage 2022, II.C.9).
Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt und teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die Fachperson anhand der in Absatz [0048] und Figur 7 des Streitpatents beschriebenen Ausführungsform, die Erfindung in der unter Punkt II.12.2 der angefochtenen Entscheidung angegebenen Alternative erfolgreich nacharbeiten kann. Dass die Erfindung in einer anderen Alternative nicht ausführbar sei, beruht hingegen auf einer bloßen, unbewiesenen Behauptung der Einsprechenden.
Die Einsprechende hat auch nicht bestritten, dass eine Fachperson nach einer anderen Ausführungsform der Erfindung, beispielsweise nach den Absätzen [0037] bis [0039] sowie den Figuren 2 und 3, anhand ihres Fachwissens in der Lage wäre, die Erfindung auszuführen. Denn eine Erfindung ist im Prinzip ausreichend offenbart, wenn der Fachperson mindestens ein Weg zur Ausführung der Erfindung eindeutig aufgezeigt wird (siehe RdB, a.a.O., II.C.5.2).
2.4 Die Einsprechende wandte sich gegen die Feststellung unter Punkt II.12.3 der Entscheidungsgründe, dass das Streitpatent eine Ausführungsform für das Merkmal 1.4.3 von Anspruch 1 enthalte, dass die Bewegung der Führungseinrichtung mit der Bewegung des Betätigungselements gekoppelt ist.
Die Einsprechende argumentierte, dass alle Ausführungsformen des Streitpatents zeigten, dass die Führungseinrichtung oder Kurveneinrichtung ein Teil des Betätigungselementes sei. Der Wortlaut von Anspruch 1 spreche von zwei Bewegungen, der Führungseinrichtung und des Betätigungselements, die gekoppelt seien. Dies bedeute, dass diese beiden Bewegungen getrennt sein müssten, aber miteinander zusammenwirkten (siehe Beschwerdebegründung, Punkt V.2)
Die Kammer kann sich dieser Auslegung des streitigen Merkmals 1.4.3 nicht anschließen. Denn die Fachperson kann entsprechend der Auslegung der Einspruchsabteilung aus den Ausführungsformen und dem Gesamtinhalt der Offenbarung des Streitpatents entnehmen, dass die feste Verbindung zwischen Betätigungselement und Führungseinrichtung im vorliegenden Fall als Kopplung zu verstehen ist, wie im Übrigen von der Einsprechenden selbst im Hinblick auf die Ausführungsform nach Figur 7 zugestanden wurde.
2.5 Der Einsprechenden gelingt es daher nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen, dass der beanspruchte Gegenstand dem Erfordernis der Ausführbarkeit von Artikel 83 EPÜ genügt.
3. Klarheit - Artikel 84 EPÜ
3.1 Die Kammer wies in der Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ unter Punkt 12 auf die folgende Sach- und Rechtslage zur Klarheit hin, die von keiner der Beteiligten in Frage gestellt oder kommentiert wurde. Die Kammer sieht nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens der Parteien keinen Grund, von ihrer diesbezüglichen vorläufigen Meinung abzurücken und bestätigt diese wie folgt.
3.2 Die Einsprechende wandte sich gegen die Feststellungen unter den Punkten II.17.2 und II.19.1 der Entscheidungsgründe, dass das Merkmal 1.4.2 von Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 84 erfülle, und argumentierte, dass dieses streitige Merkmal ein zu erreichendes Ergebnis darstelle und keine strukturellen Merkmale enthalte, die zur Verwirklichung des Ergebnisses erforderlich seien. Daher fehlten Merkmale, die zur Definition des beanspruchten Gegenstands notwendig seien (siehe Beschwerdebegründung, Punkt VII).
3.3 Die Kammer ist von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt. Das streitige Merkmal ist zwar als funktionelles Merkmal formuliert, das ein technisches Ergebnis definiert. Dies steht allerdings der Erfüllung der Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ vorliegend nicht entgegen. Denn das streitige Merkmal vermittelt der Fachperson eine klare und eindeutige Lehre, dass die Verriegelungseinrichtung stets in einem definierten Zustand, entweder vollständig verriegelt oder entriegelt ist.
3.4 Der Einsprechenden gelingt es somit nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ erfüllt.
4. Änderungen - Artikel 123 (2) EPÜ
4.1 Die Einsprechende bemängelte die Feststellung unter Punkt II.14.1 der Entscheidungsgründe, dass der Gegenstand von Anspruch 1 durch die Hinzufügung im Merkmal 1.4.1, dass das Verriegelungselement oder das Betätigungselement je nach Position des Betätigungselementes in genau eine der beiden Positionen gedrängt wird, nicht unzulässig erweitert sei.
4.2 Laut der Einsprechenden beruhe die Änderung auf Seite 3, vierter Absatz, der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen, wonach die zusätzliche Führungseinrichtung das Betätigungselement in genau eine der beiden vordefinierten Positionen dränge. Abgesehen davon, dass das geänderte Merkmal die Positionen nicht als vordefiniert bezeichne, habe die Einspruchsabteilung nicht hinreichend gewürdigt, dass sich die ursprüngliche Offenbarung an der angegebenen Stelle nur auf das Betätigungselement beziehe. Demgegenüber enthalte der Wortlaut des Merkmals 1.4.1 eine Ausführungsform, nach der die zusätzliche Führungseinrichtung mit einem Verriegelungselement zusammenwirke. Da keine der anderen im Streitpatent beschriebenen Ausführungsformen ein Zusammenwirken zwischen dem Verriegelungselement und dem Betätigungselement offenbare, wonach das Verriegelungselement in genau eine der beiden Positionen gedrängt werden könne, gehe der Gegenstand von Anspruch 1 über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen hinaus (siehe Beschwerdebegründung, Punkt VI).
4.3 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt, sondern teilt vielmehr die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Merkmal 1.3.3 von Anspruch 1 bereits definiert, dass das Betätigungselement oder das Verriegelungselement zwischen zwei vorgegebene Positionen bewegbar ist, und somit in Zusammenschau mit der Offenbarung auf Seite 3, vierter Absatz, der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen, der Gegenstand von Anspruch 1 unmittelbar und eindeutig offenbart ist.
4.4 Der Einsprechenden gelingt es somit nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllt.
5. Neuheit - Artikel 54 EPÜ
5.1 Neuheit gegenüber D1
5.1.1 Die Einsprechende bestritt die Feststellung unter Punkt II.20.1 der Entscheidungsgründe, dass das Dokument D1 nicht das Merkmal von Anspruch 1 offenbare, dass die Führungseinrichtung eine Kurveneinrichtung mit einer gekrümmten Außenoberfläche aufweist (Merkmal 1.4.3) (siehe Beschwerdebegründung, Punkt IX.A, Seite 23, dritter Absatz, bis Seite 24, letzter Absatz).
5.1.2 Die Kammer ist jedoch nicht überzeugt, dass in D1 das Element 8 ("corps 8") mit dem vorderen Ende des Elements 17 ("pion élastique 17"), ein anderer gekrümmter Abschnitt des Elements/Körpers 8 oder die Kerben 16 ("encoche 16") des Schafts 11 ("arbre d'entraînement 11") eine Kurveneinrichtung mit einer gekrümmten Außenoberfläche darstellt.
Weder der in Figur 1 von D1 gezeigten Kugelform am Element 17, noch einem anderen Abschnitt des Körpers 8 oder den Kerben 16 ist unmittelbar und eindeutig die eine solche Kurveneinrichtung definierende Kurvenform zu entnehmen. Entgegen der Meinung der Einsprechenden ist nicht jede gekrümmte Außenfläche oder ein Oberflächenabschnitt mit einem modulierten Profil (siehe Beschwerdebegründung, Seite 24, erster Absatz; Schriftsatz vom 19. September 2022, Seite 2) als eine Kurveneinrichtung nach Merkmal 1.4.3 anzusehen. Keines der von der Einsprechenden als gekrümmte Außenoberfläche bezeichneten Elemente in D1 zeigt unmittelbar und eindeutig eine Kurveneinrichtung mit gekrümmter Außenoberfläche.
5.1.3 Daher ist die Kammer von der Unrichtigkeit der Feststellung der angefochtenen Entscheidung nicht überzeugt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Offenbarung von D1 ist.
5.2 Neuheit gegenüber D2
5.2.1 Die Einsprechende bemängelte die Feststellung unter Punkt II.20.2 der Entscheidungsgründe, dass Dokument D2 nicht das Merkmal von Anspruch 1 beschreibe, dass das Betätigungselement "je nach Position des Betätigungselements in genau eine der beiden Positionen gedrängt wird" (Merkmal 1.4.1)(siehe Beschwerdebegründung, Punkt IX.C, Seite 29, dritter Absatz, bis Seite 30, letzter Absatz).
Dabei ist die Einsprechende der Meinung, dass der Wortlaut von Merkmal 1.4.1 nicht die Position des Betätigungselements angebe, und insbesondere auch eine relative Position des Betätigungselements zu der Bewegung des Karussells oder dem Kurvenmechanismus beinhalte, der den Hebel 86 nach D2 betätige. Das Drängen in die Endposition bzw. die Position am Ende der Nut 88 hänge nach D2 von der Position des Betätigungselements ab, nämlich von der Position des Betätigungselements relativ zur Kurvenbahn, die das Betätigungselement betätige (siehe D2, Absatz [0064], Figur 8).
5.2.2 Die Kammer schließt sich der Meinung der Einsprechenden nicht an. Denn gemäß dem Gegenstand von Anspruch 1 ist das Betätigungselement oder das Verriegelungselement zumindest zwischen zwei vorgegebenen Positionen bewegbar, wobei das Verriegelungselement oder das Betätigungselement je nach Position des Betätigungselements in genau eine der beiden Positionen gedrängt wird. Im Gegensatz dazu beschreibt D2 in der Ausführungsform nach Figur 8 zwar, dass die am Hebel 86 angeordnete Rolle 89 in der Nut/Kurve 88 verläuft und zum Öffnen und Schließen der Blasform in der Kurve 88 bewegt wird. Allerdings ist D2 dabei entgegen der Meinung der Einsprechenden keine Endposition bzw. keine Position des Betätigungselementes am Ende der Nut 88 und somit keine vorgegebenen Position unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Dokument D2 zeigt somit nicht, das Betätigungselement oder das Verriegelungselement in genau eine von zwei Positionen zu drängen, die auf der Position des Betätigungselements beruht (Merkmal 1.4.1).
Dass die Figuren 8a bis 8d und die entsprechenden Absätze der Beschreibung von D2 den Figuren 6a bis 6d und Absätzen [0044] bis [0047] des Streitpatents entsprächen, überzeugt die Kammer ebenfalls nicht, dass die Ausführungsform nach Figur 8 von D2 eine Blasformanordnung gemäß Anspruch 1 offenbarte.
5.2.3 Daher ist die Kammer von der Unrichtigkeit der Feststellung der angefochtenen Entscheidung nicht überzeugt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Offenbarung von D2 ist.
5.3 Neuheit gegenüber D5
5.3.1 Die Kammer wies in der Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ unter Punkt 13.3 auf die folgende Sach- und Rechtslage zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung von D5 hin, die von keiner der Beteiligten in Frage gestellt oder kommentiert wurde. Die Kammer sieht nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens der Parteien keinen Grund, von ihrer diesbezüglichen vorläufigen Meinung abzurücken und bestätigt diese wie folgt.
5.3.2 Die Einsprechende wandte sich gegen die Feststellung unter Punkt II.20.3 der Entscheidungsgründe, dass Dokument D5 nicht das Merkmal 1.4.1 von Anspruch 1 offenbare, so dass die Verriegelungseinrichtung stets in einem definierten Zustand, d.h. vollständig verriegelt oder entriegelt ist (Merkmal 1.4.2)(siehe Beschwerdebegründung, Punkt IX.E, Seite 29, dritter Absatz, bis Seite 30, letzter Absatz).
Zum einen, so die Einsprechende, gebe Merkmal 1.4.1 nicht an, dass das Betätigungselement oder das Verriegelungselement in beide oder zwei Positionen gedrängt werde. Zum anderen werde die Position des entriegelten Zustands in D5 erreicht, wenn die Spindel 23 in die entgegengesetzte Richtung (siehe Figur 6C) gedreht werde, um das Verriegelungselement 16 aus seiner verriegelten Position zu lösen (Absatz [0069] von D5). Daher stelle die Drehung des Verriegelungselement 16 in die Freigabeposition eine dem entriegelten Zustand zugeordnete Position dar.
5.3.3 Die Argumentation der Einsprechenden überzeugt nicht. Zwar zeigt die Ausführungsform nach Figuren 6 und 7 (Absätze [0065] bis [0070]) von D5, dass das Verriegelungselement ("lock element 16") gemäß Figur 6C (Absatz [0068]) in einem definierten Zustand vollständig verriegelt ist. Entgegen der Meinung der Einsprechenden ist dieser Ausführungsform von D5 dabei allerdings nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass das Verriegelungselement in einem definierten Zustand entriegelt ist, wobei der entriegelte Zustand gemäß Merkmal 1.4.1 eine der beiden vorgegebenen Positionen des Verriegelungselementes oder des Betätigungselementes je nach Position des Betätigungselementes ist, zwischen denen das Verriegelungselement oder das Betätigungselement bewegbar ist (Merkmal 1.3.3). Denn nach Figur 6B und Absatz [0067] von D5 ist das Verriegelungselement in einer Zwischenstellung zwischen dem vollständig verriegelten Zustand (Figur 6C, Absatz [0068]) und dem entriegelten Zustand (Absatz [0069]) weder vollständig verriegelt noch entriegelt.
Daher zeigt D5 die Kombination der Merkmale 1.3.3, 1.4.1 und 1.4.2 von Anspruch 1 nicht, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Offenbarung von D5 ist.
5.4 Der Einsprechenden gelingt es somit nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber der jeweiligen Offenbarung von D1, D2 und D5 darzulegen (Artikel 54 EPÜ).
6. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
6.1 Ausgehend von D1
6.1.1 Die Einsprechende wandte sich gegen die Feststellung unter Punkt II.21.1 der Entscheidungsgründe, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von Dokument D1 als nächstliegender Stand der Technik allein oder in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.1.2 Dabei argumentierte die Einsprechende, dass das den Gegenstand von Anspruch 1 angeblich gegenüber D1 unterscheidende Merkmal einer gekrümmten Außenfläche keinen technischen Effekt habe und kein technisches Mittel zur Lösung des technischen Problems, sondern vielmehr eine konstruktive Wahl darstelle.
Selbst wenn die Gestaltung der gekrümmten Außenfläche gemäß Punkt II.21.1 der angefochtenen Entscheidung den technischen Effekt des Verhinderns des Verhakens des stiftförmigen Elements 17 auf der eckigen Kurveneinrichtung 16 von D1 habe, passte die Fachperson im Falle eines Verhakens die Gestaltung an ein gekrümmtes Element an.
Die Argumentation der Einspruchsabteilung, dass die Fachperson über eine Vielzahl von Alternativen verfüge, sei nicht zielführend, da die Fachperson nur technisch sinnvolle Lösungen wählte. So verwende die Fachperson keine Schmierung, weil sie eine Verunreinigung des Blasformverfahrens oder des herzustellenden Behälters befürchte. Die Fachperson werde bereits durch die Form des elastischen Stiftes 17 motiviert, diese Krümmungsform auf das Bauteil 8 von D1 zu übertragen, d.h. den Rest des Führungselements, oder auf die Krümmung der beiden Kerben 16, d.h. deren unmittelbare Aneinanderreihung, so dass die Fachperson unmittelbar zum Gegenstand von Anspruch 1 geführt werde. Es ergebe sich für die Fachperson eine naheliegende Alternative der geometrischen Gestaltung, die jede Zwischenstellung vermeide (siehe Beschwerdebegründung, Punkt IX.B).
6.1.3 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Wie oben unter Punkt 5.1 festgestellt, beschreibt D1 bereits keine Kurveneinrichtung. Das Unterscheidungsmerkmal von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung von D1 ist darin zu sehen, dass die Führungseinrichtung eine Kurveneinrichtung mit einer gekrümmten Außenoberfläche aufweist (Merkmal 1.4.3) (siehe oben unter Punkt 5.1). Die Kurveneinrichtung mit gekrümmter Außenoberfläche ist ein technisches Merkmal von Anspruch 1.
Die Argumente der Einsprechenden hinsichtlich eines angeblich fehlenden technischen Effekts dieses Unterscheidungsmerkmals und das bloße Negieren der technischen Aufgabe, basieren auf pauschalen, unbewiesenen Behauptungen der Einsprechenden.
Dass für die Fachperson lediglich eine naheliegende Alternative der Gestaltung zu wählen wäre, ist ebenso eine reine Behauptung und unzureichend, um die Kammer von der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung überzeugen, zumal die Einspruchsabteilung bereits deutlich festgestellt hat, dass es bei der Aufgabenstellung der Wahl einer Alternative eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten gibt.
Die Einsprechende hat keinerlei Beweise vorgebracht, dass eine Fachperson aus D1 oder ihrem Fachwissen Hinweise erhielte, die sie veranlasste, in D1 eine Kurveneinrichtung mit einer gekrümmten Außenoberfläche vorzusehen. Die Argumentation der Einsprechenden scheint vielmehr das Ergebnis einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung zu sein.
6.2 Ausgehend von D2
6.2.1 Die Kammer wies in der Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ unter Punkt 14.2 auf die folgende Sach- und Rechtslage zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 ausgehend von D2 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D1 hin, die von keiner der Beteiligten in Frage gestellt oder kommentiert wurde. Die Kammer sieht nach nochmaliger Würdigung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens der Parteien keinen Grund, von ihrer diesbezüglichen vorläufigen Meinung abzurücken und bestätigt diese wie folgt.
6.2.2 Die Einsprechende war der Meinung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von Dokument D2 als nächstliegender Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, und argumentierte, dass die Fachperson den in D1 dargestellten Mechanismus ohne weiteres in die Nut des Gegenstands von D2 einpasste und so zum beanspruchten Gegenstand gelangte, ohne erfinderisch tätig zu werden (siehe Beschwerdebegründung, Punkt IX.D).
6.2.3 Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Einspruchsabteilung unter Punkt II.21.2 der angefochtenen Entscheidung, dass die Kerben 16 ("encoche 16") nach D1 an dem beweglichen Schaft 11 ("arbre d'entraînement 11") der Führungseinrichtung vorgesehen sind. Im Gegensatz dazu ist in D2 die Kurve/Nut 88 als unbeweglich und die in der Kurve/Nut 88 verlaufende Rolle 89 als beweglich zu betrachten.
Selbst wenn man rein argumentationshalber der Einsprechenden folgte, dass die Fachperson einen Mechanismus mit einem Element in D2 einsetzte, das von der Wand vorsteht und mit Vertiefungen in einer anderen Komponente zusammenwirkt, sähe sich die Fachperson mit mehreren Fragen konfrontiert, wie die Rolle 89 durch die Kurve 88 bewegt und in die Vertiefungen einrasten sollte, für die sie in D2 keine Antwort fände. Die Fachperson wüsste also selbst beim Einsatz von Kerben immer noch nicht, wie und wo sie diese in D2 anordnete, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D2 in Kombination mit der Lehre von D1 erfinderisch ist.
6.3 Der Einsprechenden gelingt es somit nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 darzulegen (Artikel 56 EPÜ).
7. Schlussfolgerung
Im Ergebnis zeigt keiner der von der Einsprechenden zulässig erhobenen Einwände in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 2a.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.