T 0237/20 28-02-2023
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Verfahren zur Herstellung von Leichtbauelementen aus kohlenstofffaserverstärktem, thermoplastischem Kunststoff
isarpatent - Patent- und Rechtsanwälte Behnisch Barth Charles Hassa Peckmann und Partner mbB
M+H Plast GmbH
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Änderung veranlasst durch Einspruchsgrund - Hilfsantrag I (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge II und III (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 687 349 (nachfolgend: "das Patent") zu widerrufen.
II. Zwei Einsprüche wurden gegen das Patent in vollem Umfang eingelegt. Sie wurden auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und i.V.m. Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), und nach Artikel 100 b) EPÜ gestützt.
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung des Patents und der Gegenstand des Anspruchs 1 des mit Schreiben vom 14. August 2019 eingereichten Hilfsantrags I unter anderem gegenüber den inhaltsgleichen Dokumenten WO 2012/086682 A1 (D20) bzw. EP 2 642 007 A1 (D20a) nicht neu sei, und dass die Änderungen des Anspruchs 1 gemäß den ebenfalls mit Schreiben vom 14. August 2019 eingereichten Hilfsanträgen II und III entgegen der Vorschrift der Regel 80 EPÜ nicht durch einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ veranlasst worden seien.
IV. Am 28. Februar 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) oder hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I bis III.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende 1 und 2) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
VI. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (entsprechend Anspruch 1 in der erteilten Fassung) lautet wie folgt (die in der angefochtenen Entscheidung verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"[1.1] Verfahren zur Herstellung von Leichtbauelementen aus [1.2] kohlenstofffaserverstärktem, [1.3] thermoplastischem Kunststoff [1.4] durch Spritzgießen, [1.5] wobei, die Kohlenstofffasern [1.6] aus Restteilen (R) gewonnen werden, [1.7] die beim Zuschneiden von Kohlenstofffaser-Halbzeug (3) zu Schnittteilen (6, 7) anfallen, [1.8] welche zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteilen verarbeitet werden, dadurch gekennzeichnet, dass [1.9] die Restteile (R) bei einem Verfahren anfallen, bei dem die zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteilen zu verarbeitenden Kohlenstofffaser-Halbzeug-Schnittteile (6, 7) erst nach dem Zuschneiden mit dem duroplastischem [sic] Kunststoff versetzt werden".
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags I unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die folgenden, von der Kammer gekennzeichneten Änderungen in den Merkmalen 1.1 und 1.5:
"[1.1'] Verwenden von Kohlenstofffasern aus Restteilen (R) [deleted: Verfahren] zur Herstellung von Leichtbauelementen aus",
"[1.5'] wobei[deleted: ,] die Kohlenstofffasern".
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags II unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch folgenden, von der Kammer gekennzeichneten Änderungen in den Merkmalen 1.1, 1.5 und 1.8:
"[1.1"] Verfahren zur Herstellung von Fahrzeug-[deleted: Leichtb]Bauelementen aus",
"[1.5'] wobei[deleted: ,] die Kohlenstofffasern",
"[1.8'] welche zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Karosserieb[deleted: B]auteilen von Fahrzeugen verarbeitet werden, dadurch gekennzeichnet, dass".
IX. Anspruch 1 des Hilfsantrags III unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags II durch die Hinzufügung des folgenden Merkmals zwischen den Merkmalen 1.8' und 1.9:
"[1.8b] das Kohlenstofffaser-Halbzeug (3) aus mehreren Kohlenstofffaser-Lagen besteht und dass".
X. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Hauptantrag - Auslegung des Anspruchswortlauts
Die Verarbeitung der duroplastischen Bauteile (in einem separaten Verfahren) sei nicht Gegenstand des beanspruchten Verfahrens. Es gehe auch nicht um das Schicksal der Kohlenstofffaser-Halbzeug-Schnittteile, sondern um das Schicksal der Restteile, die beim Zuschneiden des Halbzeuges zu diesen Schnittteilen anfielen. Deren Schicksal sei erfindungsgemäß die Verwendung bei der Herstellung der thermoplastischen Leichtbauelemente. Entscheidend sei vorliegend, dass für das beanspruchte Verfahren zur Lösung der Aufgabe nicht irgendwelche Restteile zu verwenden seien, sondern solche, die beim Zuschneiden von Kohlenstofffaser-Halbzeug zu Schnittteilen anfielen, welche zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteilen verarbeitet würden. Dabei werde nicht auf eine bestimmte Faserqualität oder -beschaffenheit abgestellt. Beansprucht sei kein Erzeugnis. Für die erfindungsgemäße Lösung sei es wesentlich, dass die Restteile einem Prozess entnommen seien, bei welchem duroplastische Bauteile hergestellt würden, wobei für das beanspruchte Verfahren nicht die Herstellung der duroplastischen Bauteile entscheidend sei, sondern die Verwendung der Abfallprodukte aus diesem Prozess. Die Merkmale 1.8 und 1.9 seien demnach zur Lösung der Aufgabe wesentlich und beschränkten das Verfahren, da dieses explizit auf die Verwendung "spezieller" Restteile abstelle. Mit dem Merkmal 1.8 werde ein "Downcycling" erreicht, in dem die Abfallteile des hochwertigen, für duroplastische Kunststoffbauteile mit hohen mechanischen Ansprüchen geeigneten Fasermaterials zu minderwertigerem, für den Leichtbau mit thermoplastischem Kunststoff geeignetem Fasermaterial verwertet würden. Der Effekt des Merkmals 1.9 liege darin, dass die Fasern des Kohlenstofffaser-Halbzeugs, und deshalb auch der daraus gewonnenen Restteile, trocken seien. Es gebe keine rechtliche Grundlage dafür, Merkmale einfach nicht zu berücksichtigen. Die in Absatz [0022] des Patents erwähnte Schlichte deute darauf hin, dass es auch Halbzeuge geben könnte, deren Fasern beispielsweise mit Substanzen versehen seien, welche nicht mit duroplastischem Kunststoff kompatibel sind, sodass diese Halbzeuge nicht ohne weiteres geeignet seien, zu duroplastischen Bauteilen verarbeitet zu werden.
Hauptantrag - Neuheit
In der angefochtenen Entscheidung habe die Einspruchsabteilung zur Neuheit im Hinblick auf das Dokument D20 auf die Absätze [0001], [0004], [0014], [0027], [0038] und Figur 1 sowie auf Beispiel 1 jeweils des Dokuments D20a Bezug genommen. Dabei beziehe sich Absatz [0001] auf das technische Feld der Erfindung, Absatz [0004] auf den Stand der Technik und die Absätze [0014], [0027], [0038] auf die eigentliche Lehre des Dokuments D20. Zunächst sei festzustellen, dass eine derartige Kombination von (nicht zusammenhängenden) Textstellen oder Passagen eines einzigen Dokuments im Rahmen der Untersuchung der Neuheit anerkanntermaßen nicht zulässig und in der Folge auch nicht möglich sei. Eine angeblich mangelnde Neuheit sei aus dieser Kombination von Textstellen daher nicht ableitbar. Davon abgesehen könne festgestellt werden, dass das Dokument D20 die Verwendung von Restteilen zur Herstellung von Leichtbauelementen offenbare. Sie offenbare aber nicht die Verwendung von Restteilen, die beim Zuschneiden von Kohlenstofffaser-Halbzeug zu Schnitteilen anfielen, welche zu kohlenstofffaserverstärkten Bauteilen verarbeitet würden.
Der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung sei somit gegenüber der Offenbarung des Dokuments D20 neu.
Hilfsantrag I - Regel 80 EPÜ
Hilfsantrag I sei vor dem Hintergrund der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung eingereicht worden. Die Formulierung des Verfahren gemäß dem geänderten Anspruch 1 solle deutlich machen, dass es nicht auf das "Schicksal" der Kohlenstofffaser-Halbzeug-Schnittteile ankomme, sondern auf das "Schicksal" der Restteile, die beim Zuschneiden von Kohlenstofffaser-Halbzeug zu Schnittteilen anfielen, welche zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteilen verarbeitet würden. Am beanspruchten Gegenstand ändere die Formulierung jedoch nichts.
Hilfsantrag II - Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Die Verarbeitung des Kohlenstofffaser-Halbzeugs zu Karosseriebauteilen sei nicht aus dem Dokument D20 bekannt. Bei dem in Absatz [0051] des Dokuments D20a erwähnten Strukturelement könne es sich beispielsweise auch um einen Querlenker handeln. Es folge nicht unmittelbar und eindeutig aus der Wortwahl, dass der in diesem Absatz beschriebene duroplastische Kunststoff zu einem Karosseriebauteil verarbeitet werde. Durch die Hinzufügung der Karosseriebauteile sei das Downcycling von der Verwendung für hochwertige duroplastische Kunststoffbauteile zum Einsatz für minderwertigere thermoplastische Kunststoffbauteile weiter klargestellt worden. Die Eignung des Halbzeugs, und somit der beim Zuschneiden des Halbzeugs für das duroplastische Herstellungsverfahren anfallenden Restteile, schlage sich unter anderem darin nieder, dass die Fasern einen gewissen Durchmesser und eine geringe Sprödigkeit aufweisen müssten. Ein Fachmann würde wissen, ob ein Halbzeug für die Herstellung eines Karosseriebauteils geeignet sei oder nicht. Auch ein Verfahren zur Herstellung von Fahrzeugelementen aus thermoplastischem Kunststoff sei nicht vom Dokument D20 offenbart. Die in den Absätzen [0002] und [0003] des Dokuments D20a erwähnten Anwendungen beträfen lediglich den Stand der Technik. In Absatz [0051] des Dokuments D20a werde ein duroplastisches Herstellungsverfahren beschrieben. Somit sei die Neuheit gegenüber der Offenbarung des Dokuments D20/D20a gegeben.
Der technische Effekt des Merkmals 1.1" bestehe darin, dass leichte Bauteile für den Fahrzeuginnenraum effektiv, nachhaltig und mit wenigen Ressourcen hergestellt werden können. Für den Fachmann wäre es ausgehend vom Dokument D20 nicht naheliegend gewesen, zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen. Insbesondere sei es keine auf der Hand liegende Lösung, neben den in Absatz [0051] des Dokuments D20a erwähnten hochwertigeren Bauteilen auch minderwertige Fahrzeugbauelemente herzustellen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags II beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hilfsantrag III - erfinderische Tätigkeit
Die Mehrlagigkeit des im Dokument D20a erwähnten Halbzeugs sei dort nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Bei einem multiaxialen vernähten Gewebe ("multiaxial stitch fabric") gemäß den Absätzen [0023] und [0026] handle es sich um ein einfaches Gelege, das durch einen quer verlaufenden Stichfaden fixiert sei. Es bestehe somit aus einer einzigen Lage. Gleiches gelte für die in diesen Absätzen beschriebene Matte. Eine anspruchsgemäße Lösung sei nicht durch den Stand der Technik nahegelegt. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags III beruhe daher auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XI. Der Vortrag der Beschwerdegegnerinnen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Hauptantrag - Auslegung des Anspruchswortlauts
Die Auffassung der Einspruchsabteilung, welche Merkmale des erteilten Anspruchs 1 als Einschränkung des Schutzbereichs anzusehen seien, sei zutreffend. Weder die Schnittteile als solche noch deren Weiterverarbeitung zu duroplastischen Bauteilen sei Teil der beanspruchten Erfindung. Mit anderen Worten, ob die Schnittteile später tatsächlich mit einem duroplastischen Kunststoff oder anderweitig verarbeitet würden, habe keinen Einfluss auf das beanspruchte Verfahren. Somit sei das Merkmal 1.8 ein unbedeutendes Merkmal. Aus Merkmal 1.9 ergebe sich lediglich die Einschränkung, dass die Restteile noch nicht mit einem duroplastischen Kunststoff behandelt worden seien.
Der Argumentation der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Bedeutung der strittigen Merkmale 1.8 und 1.9 könne nicht gefolgt werden. Angesichts der Offenbarung in den Absätzen [0007] und [0012] des Patents könne der Fachmann zu keiner anderen Auslegung des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung kommen als der, die auch die Einspruchsabteilung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe, nämlich dass die Schnittteile nicht Bestandteil des im Patent beanspruchten Verfahrens seien. Aus dem Patent sei in keiner Weise ersichtlich, was die Restteile durch die weitere Verwendung der Schnitteile besonders machen sollte, außer dass sich eine Geeignetheit der Restteile zur Herstellung von kohlenstofffaserverstärkten, thermoplastischen Kunststoff-Leichtbauelementen ableiten lasse. Dieses Merkmal werde zum einen dadurch wieder aufgelöst, dass die Restteile zu Kohlenstofffasern verarbeitet würden (vgl. Absatz [0014] des Patents). Zum anderen wohne es jeder gängigen Kohlenstofffaser inne. Auch scheine die Beschwerdeführerin nicht in der Lage zu sein, konkrete Merkmale zu benennen, die den Restteilen durch die weitere Verwendung der Schnittteile aufgeprägt worden seien. Vielmehr werde in der Beschwerdebegründung selbst angeführt, dass bei den Restteilen nicht auf eine bestimmte Faserqualität oder -beschaffenheit abzustellen sei, wodurch die vermeintliche Bedeutung dieses Merkmals wiederum entkräftet werde. Deshalb sei die Auslegung des Anspruchs 1 durch die Einspruchsabteilung nicht zu beanstanden. Der Vorwurf, die Merkmale 1.8 und 1.9 seien nicht berücksichtigt worden, sei unbegründet. Denn die Einspruchsabteilung habe diese Merkmale sehr wohl berücksichtigt und im Detail geprüft, sei aber beanstandungsfrei zu dem Schluss gekommen, dass diese dem beanspruchten Verfahren keine Eigenschaften aufprägten, die über die Merkmale 1.1 bis 1.7 hinausgingen.
Hauptantrag - Neuheit
Der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass alle Merkmale des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung im Dokument D20 offenbart seien, werde zugestimmt. Das beanspruchte Verfahren werde beispielsweise in Beispiel 1 des Dokuments D20a, welches in den Figuren 1 und 2 dargestellt sei, erläutert. Die Beschwerdeführerin beanstande nur die Offenbarung der Merkmale 1.8 und 1.9. Angesichts der Auslegung des Anspruchswortlauts sei weder das Merkmal 1.8 noch der erste Teil des Merkmals 1.9 bedeutsam für die Prüfung der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit, da der Verbleib der Schnittteile nicht Teil des beanspruchten Verfahrens sei. Das Erfordernis des zweiten Teils des Merkmals 1.9, wonach die Restteile nicht mit einem duroplastischem Kunststoff versetzt seien, d.h. als trockene Fasern zu verarbeiten seien, sei gleichwohl dem Dokument D20 zu entnehmen. Diesbezüglich werde beispielsweise auf Figur 2 des Dokuments D20a verwiesen, aus der hervorgehe, dass die Kohlenstofffasern in Form von Rohgewebe vorlägen und daher nicht mit duroplastischen Kunststoffen oder Harzen behandelt worden seien. In Absatz [0023] des Dokuments D20a werde ferner angegeben, dass das Kohlenstofffaser-Basismaterial nur Kohlenstofffasern, gegebenenfalls in Kombination mit anderen anorganischen Fasern wie Glasfasern oder mit organischen Fasern, umfasse. Aus Figur 2 und den Absätzen [0017] und [0062] des Dokuments D20a folge ferner, dass das Matrixharz unmittelbar vor dem Spritzgießen und nicht vor der Gewinnung der Restteile hinzugegeben werde. Auch die Eignung des Halbzeugs für die Herstellung von duroplastischen Bauteilen könne die Neuheit nicht begründen, denn laut Absatz [0019] des Patents würde ein übliches Halbzeug, wie ein Gewebe oder ein Gelege, die gewünschte Funktion erfüllen. Eine andere mit der Eignung verknüpfte Einschränkung ergebe sich nicht aus dem Patent. Solche Halbzeuge seien auch aus dem Dokument D20 bekannt, wo sie entweder für die Herstellung duroplastischer oder thermoplastischer Bauteile eingesetzt worden seien. Die Bedeutung der auf Duroplaste abgestimmten Schlichte in Absatz [0022] des Patents sei in dem Zusammenhang nicht klar, denn diese könne man vor der Verarbeitung zu den thermoplastischen Leichtbauelementen von den Restteilen entfernen.
Somit seien alle Merkmale aus dem Dokument D20 bekannt, so dass der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung gegenüber der Offenbarung des Dokuments D20 nicht neu sei.
Hilfsantrag I - Regel 80 EPÜ
Es sei nicht klar, welcher Einspruchsgrund mit der Änderung der Kategorie von dem gemäß Hauptantrag beanspruchten Verfahren zur Herstellung eines Leichtbauteils zu der gemäß Hilfsantrag I beanspruchten Verwendung von Kohlenstofffasern zur Herstellung eines Leichtbauelements angesprochen werde, da die eigentlichen Merkmale gleich blieben. Die Umformulierung mache keinen Unterschied für die beanspruchte Struktur. Sie habe keinen beschränkenden Charakter und ändere nichts daran, dass die weitere Verwendung der Schnittteile keinen Einfluss auf die Gewinnung von Kohlenstofffasern aus Restteilen habe, was den Kern des im Streitpatent beanspruchten Verfahrens darstelle. Die einzelnen technischen Merkmale seien in beiden Kategorien die gleichen, so dass die Änderung nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst sei. Auch dem Argument, dass der Wortlaut des geänderten Anspruchs 1 nunmehr nicht das Schicksal der Schnittteile, sondern das Schicksal der Restteile definiere und dass diese Änderung Neuheitseinwände beseitige, werde nicht zugestimmt, da das erwähnte Schicksal weiterhin in Bezug auf die Schnittteile, nicht aber auf die Restteile definiert sei. Somit verstoße Anspruch 1 des Hilfsantrags I gegen die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ.
Hilfsantrag II - Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Selbst unter der hypothetischen Annahme, dass die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ hinsichtlich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags II als erfüllt anzusehen seien, werde darauf hingewiesen, dass der Stand der Technik gemäß Dokument D20 auch alle Merkmale dieses Anspruchs bereits offenbare. Die Eignung des Kohlenstofffaser-Halbzeugs für die Herstellung von Karosserieteilen von Fahrzeugen folge unmittelbar aus Absatz [0051] des Dokuments D20a, insbesondere aus dem Satz "a structural member of a transportation device such as an airplane or an automobile". Diese Textpassage sei allgemein, sodass der Satz sich auch auf die Verwendung der Restteile beziehe. Außerdem offenbare Absatz [0002] des Dokuments D20a, insbesondere in Spalte 1, Zeile 34 ff., dass die Verwendung von Kohlenstofffaser-Restteilen bei der Herstellung von Fahrzeugbauelementen vorteilhaft sei. Schließlich werde in Absatz [0003] des Dokuments D20a ein RTM-Verfahren, welches gemäß Absatz [0019] und Absatz [0062] als ein Spritzgießverfahren für thermoplastische Kunststoffe betrachtet werden könne, "for use in automobiles" beschrieben. Daher könne die Aufnahme der Fahrzeugbauelemente und der Karosseriebauteile von Fahrzeugen in Anspruch 1 des Hilfsantrags II nicht die Neuheit herbeiführen.
Auch wenn sich der beanspruchte Gegenstand durch das Merkmal 1.1" von dem aus dem Dokument D20 bekannten Verfahren unterscheide, beruhe dieser nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Außer der Festlegung eines konkreten Anwendungsbereichs, lasse sich kein technischer Effekt und keine objektive technische Aufgabe aus dem Unterscheidungsmerkmal ableiten. Es hätte für den Fachmann jedoch auf der Hand gelegen, die aus dem Dokument D20 bekannten Restteile für die Herstellung von Fahrzeugbauelementen zu verwenden, zumal Absatz [0002] des Dokuments D20a, insbesondere der einleitende Satz, sowie Absatz [0003] des Dokuments D20a bereits einen Hinweis auf eine solche Anwendung enthielten.
Hilfsantrag III - erfinderische Tätigkeit
Das zusätzliche Merkmal, wonach das Kohlenstofffaser-Halbzeug aus mehreren Kohlenstofffaser-Lagen bestehe, sei bereits in Absatz [0026] des Dokuments D20a, erster Satz, offenbart. Dort heiße es, dass als Basismaterial ein multiaxiales vernähtes Gewebe verwendet werden könne. Darunter sei gemäß Absatz [0026] ein Basismaterial zu verstehen, bei dem verschiedene Verstärkungsfaserbündel in einer Richtung angeordnet seien, um eine Lage zu bilden, und eine Vielzahl solcher Lagen mit unterschiedlichen Orientierungen laminiert worden seien. Auch Absatz [0023] und Absatz [0089] des Dokuments D20a bestätigten, dass ein multiaxiales vernähtes Gewebe verschiedene übereinander angeordnete Lagen aufweise. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Patent in Absatz [0020] selbst angebe, dass ein mehrlagiges Kohlenstofffaser-Halbzeug zu einer Matte verwebt sein könne.
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags III beruhe daher im Hinblick auf das Dokument D20 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Hauptantrag - Auslegung des Anspruchswortlauts
1. Anspruch 1 in der erteilten Fassung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Leichtbauelementen aus kohlenstofffaserverstärktem, thermoplastischem Kunststoff durch Spritzgießen (Merkmale 1.1 bis 1.4, Hervorhebung durch die Kammer). Dabei werden die Kohlenstofffasern aus Restteilen gewonnen, die beim Zuschneiden von Kohlenstofffaser-Halbzeug zu Schnittteilen anfallen (Merkmale 1.5 bis 1.7). Diese Schnittteile wiederum werden zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteilen verarbeitet, in dem sie erst nach dem Zuschneiden mit duroplastischem Kunststoff versetzt werden (Merkmale 1.8 und 1.9, Hervorhebung durch die Kammer).
2. Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob bzw. inwieweit die Merkmale 1.8 und 1.9 des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung das beanspruchte Verfahren einschränken. Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, dass nicht irgendwelche Restteile zu verwenden seien, sondern nur solche, die einem Herstellungsprozess von duroplastischen Bauteilen entnommen worden seien. Die Beschwerdegegnerinnen dagegen teilen die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die spätere Verarbeitung der Schnittteile zu duroplastischen Bauteilen keinerlei Einfluss auf das beanspruchte Verfahren habe (s. Punkt 4.1.1 der Begründung der angefochtenen Entscheidung).
3. Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin darin zu, dass das Kohlenstofffaser-Halbzeug, und deshalb auch die beim Zuschneiden dieses Halbzeugs anfallenden Restteile, durch die Eignung für die Herstellung von kohlenstofffaserverstärkten duroplastischen Bauteilen geprägt sein kann. Wie von der Beschwerdeführerin zutreffend argumentiert, ist nicht auszuschließen, dass die Fasern des Kohlenstofffaser-Halbzeugs beispielsweise mit Substanzen versehen sind, welche nicht mit duroplastischem Kunststoff kompatibel sind. Diese wären somit als solche nicht geeignet für die Herstellung gemäß den Merkmalen 1.8 und 1.9 und würden als mögliches Basismaterial für die Restteile ausscheiden. Sogar wenn die Eignung - oder gerade die Nicht-Eignung - durch die Weiterverarbeitung der Restteile zu Kohlenstofffasern (Merkmale 1.5 und 1.6) teilweise oder vollständig aufgelöst wird, wie die Beschwerdegegnerin II es ausdrückt, führt sie nach Auffassung der Kammer im Rahmen des auf ein Verfahren gerichteten Anspruchs 1 zu einer Einschränkung. Obwohl die eigentliche Verarbeitung von Kohlenstofffaser-Halbzeug zu duroplastischen Bauteilen kein Merkmal des beanspruchten Verfahrens ist und das Kohlenstofffaser-Halbzeug, aus dem sich die Restteile ergeben, daher nicht zwingend einer solche Verarbeitung unterzogen werden muss, sind die Merkmale 1.8 und 1.9 daher insofern von Bedeutung, als dass sie die Verwendung solchen Kohlenstofffaser-Halbzeugs bzw. solcher Restteile von Kohlenstofffaser-Halbzeug ausschließen, die nicht geeignet sind, zu kohlenstofffaser-verstärkten, duroplastischen Bauteilen verarbeitet zu werden.
Hauptantrag - Neuheit
4. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung hinsichtlich der Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 in der erteilten Fassung unter anderem ihre Auffassung dargetan, dass "das Dokument D20/D20a" ein Verfahren mit allen Anspruchsmerkmalen offenbare (s. Punkt 4.2 der Begründung der angefochtenen Entscheidung). Dabei wurde auf die Absätze [0001], [0004], [0014], [0027] und [0038] und die Figur 1 sowie auf das Beispiel 1 des Dokuments D20a Bezug genommen.
5. Das Dokument D20a ist die nach Artikel 153 (4) EPÜ eingereichte Übersetzung der vor dem Prioritätstag in japanischer Sprache veröffentlichen Euro-PCT Anmeldung D20. Im Folgenden wird, außer wenn anders angegeben, auf die Textstellen im Dokument D20a verwiesen.
6. Gemäß Absatz [0001] betrifft die Offenbarung des Dokuments D20 das technische Gebiet der Wiederverwendung von Kantenmaterial ("edge material") eines Kohlenstofffaser-Basismaterials zur Herstellung eines kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffs ("CFRP"). Als allgemeiner Anwendungsbereich von faserverstärkten Kunststoffen sind in Absatz [0002] unter anderem im Zusammenhang mit einer vorteilhaften Gewichtseinsparung ("lightness in weight") Flugzeuge und Kraftfahrzeuge erwähnt. Konkret wird das Kantenmaterial geschnitten und in verschiedenen Schritten zu einem als Kohlenstofffaseraggregat bezeichneten Gewebe bzw. Vliesstoff verarbeitet (s. Anspruch 1 sowie die allgemeine Beschreibung in Absatz [0017], aber auch den allgemeinen Teil der Beschreibung der Ausführungsbeispiele in den Absätzen [0021] und [0031]). In einem weiteren Schritt wird das Kohlenstofffaseraggregat dann mit einem thermoplastischen Harz imprägniert und anschließend einem Spritzgießvorgang unterzogen (s. Anspruch 12, der direkt auf Anspruch 1 verweist, und Anspruch 15, der von Anspruch 12 abhängt; in der allgemeinen Beschreibung finden sich diese Schritte in Absatz [0019]; Verweise auf die Imprägnierung und das nachfolgende Spritzgießverfahren sind auch in den Absätzen [0055] und [0062] des allgemeinen Teils der Beschreibung der Ausführungsbeispiele enthalten). Die Beschwerdegegnerinnen haben außerdem auf das Beispiel 1 verwiesen, wo genau dieser Ablauf beschrieben ist (s. Absätze [0079] bis [0081]). In den Absätzen [0023] bis [0026] des allgemeinen Teils der Beschreibung der Ausführungsbeispiele sind als mögliche Kohlenstofffaser-Basismaterialen, aus dem sich das Kantenmaterial ergibt, u. a. unidirektionale Fasergewebe ("unidirectional woven fabric") und multiaxiale vernähte Gewebe ("multiaxial stitch fabric") erwähnt. Eine Imprägnierung des Basismaterials ist weder an dieser Stelle noch im Zusammenhang mit dem Beispiel 1 offenbart. Es ist für die Kammer nicht ersichtlich, inwiefern ein solches nicht imprägniertes Kohlenstofffasergewebe als Halbzeug für die Verarbeitung zu einem kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteil ungeeignet sein soll, zumal diese Möglichkeit in Absatz [0051] explizit angegeben ist ("In the present invention, as a matrix resin used for production of a CFRP, a thermosetting resin is preferred [...] an epoxy resin is preferred"). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Absatz [0019] des Patents sowohl ein Kohlenstofffaser-Gewebe, als auch ein Kohlenstofffaser-Gelege, -Geflecht, -Vlies und -Matte als Materialien nennt, die für die Verwendung als Kohlenstofffaser-Halbzeug in Frage kommen.
7. Die Beschwerdeführerin hat die Kammer nicht davon überzeugt, dass das Dokument D20 nicht die Verwendung von Restteilen offenbart, die beim Zuschneiden von Kohlenstofffaser-Halbzeug zu Schnitteilen angefallen sind, welche geeignet wären, zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteilen verarbeitet zu werden. Auch der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die genannten Textstellen des Dokuments D20a nicht zusammenhingen und ihre Kombination im Rahmen der Untersuchung der Neuheit somit nicht zulässig sei, kann sich die Kammer insofern nicht anschließen, als sie sich entweder auf den allgemeinen Teil der Offenbarung oder auf ein Beispiel, das eine konkrete Ausführung des im Dokuments D20a beanspruchten Verfahrens darlegt, beziehen.
8. Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass das Dokument D20 dem Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung 1 neuheitsschädlich entgegensteht, sodass der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) i.V.m. Artikel 54 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht. Dem Hauptantrag wird somit nicht stattgegeben.
Hilfsantrag I - Regel 80 EPÜ
9. Die Beschwerdegegnerin I hat die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ hinsichtlich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags I erfüllt seien, in ihrer Beschwerdeerwiderung angefochten.
10. In Punkt IV.2 der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin zu der Änderung in Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags I, der mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag I identisch ist, Folgendes ausgeführt:
"Diese Formulierung sollte deutlich machen, dass es nicht auf das ,,Schicksal" der Kohlenstofffaser-Halbzeug-Schnittteile ankommt, sondern auf das ,,Schicksal" der Restteile, die beim Zuschneiden von Kohlenstofffaser-Halbzeug zu Schnittteilen anfallen, welche zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Bauteilen verarbeitet werden".
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat sie jedoch erklärt, dass diese geänderte Anspruchsformulierung am beanspruchten Gegenstand nichts ändere.
11. Es ist für die Kammer weder erkennbar, noch wurde von der Beschwerdeführerin dargelegt, durch welchen Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ der Wechsel von einem Verfahren zu einem Verwenden veranlasst ist. Wie die Beschwerdeführerin selbst angibt, führt der vorliegende Verwendungsanspruch, der sich im Vergleich zum erteilten Verfahrensanspruch auf die gleichen physischen Schritte bezieht, nicht zu einer Änderung des beanspruchten Gegenstands.
12. Folglich sieht die Kammer die Erfordernisse der Regel 80 EPÜ als nicht erfüllt an. Dem Hilfsantrag I wird somit nicht stattgegeben.
Hilfsantrag II - Neuheit und erfinderische Tätigkeit
13. Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags II, der mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag II identisch ist, unterscheidet sich dadurch von Anspruch 1 in der erteilten Fassung, dass er nun auf ein Verfahren zur Herstellung von Fahrzeugbauelementen anstatt von Leichtbauelementen gerichtet ist (Merkmal 1.1", Hervorhebung durch die Kammer), wobei die Schnittteile des Kohlenstofffaser-Halbzeugs zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Karosseriebauteilen von Fahrzeugen verarbeitet werden (Merkmal 1.8', Hervorhebung durch die Kammer).
14. Dokument D20a offenbart in Absatz [0051], dass die Restteile des Kohlenstofffaser-Basismaterials bevorzugt mit einem Epoxidharz kombiniert werden, um die für ein Strukturelement eines Transportmittels wie z. B. eines Flugzeugs oder eines Kraftfahrzeugs erforderlichen, sehr guten mechanischen Eigenschaften zu erreichen ("to achieve very high mechanical properties required for a structural member of a transportation device such as an airplane or an automobile"). Daraus schließt die Kammer, dass jegliche Schnittteile des im Dokument D20 als Kohlenstofffaser-Basismaterials bezeichneten Halbzeugs auch geeignet sein müssen, zu kohlenstofffaserverstärkten, duroplastischen Karosseriebauteilen von Fahrzeugen verarbeitet zu werden. Es kommt für die Eignung nicht darauf an, ob solche Karosseriebauteile tatsächlich in der Entgegenhaltung offenbart sind. Vielmehr folgt unmittelbar und eindeutig aus der Zweckangabe in Absatz [0051], dass das im Dokument D20 offenbarte Kohlenstofffaser-Basismaterial geradezu dafür gedacht ist, um den hohen mechanischen Ansprüchen eines Karosseriebauteils gerecht zu werden.
15. Anders ist es hinsichtlich der Herstellung von Fahrzeugbauelementen in Merkmal 1.1", welche eine zwingende Wirkungsangabe des beanspruchten Verfahrens darstellt. Obgleich sowohl Absatz [0002] als auch Absatz [0003] des Dokuments D20a die Anwendung von kohlenfaserstoffverstärkten Kunststoffen für die Herstellung von Bauelementen auf dem technischen Gebiet der Fahrzeuge offenbart, beziehen sich diese zwei Absätze unstrittig auf den Stand der Technik. Die einzige andere Stelle im Dokument D20a, an der Fahrzeuge erwähnt sind, ist Absatz [0051], allerdings nur in Bezug auf kohlenstofffaserverstärkte, duroplastische Kunststoffe ("thermosetting resin"), siehe dazu Punkt 14. oben. Für die Behauptung der Beschwerdegegnerinnen, dass diese Textpassage so allgemein sei, dass sie sich auch auf die Verwendung der Restteile beziehe, findet die Kammer auch im Hinblick auf Figur 2 des Dokuments D20a keinen unmittelbaren und eindeutigen Hinweis.
16. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II ist daher neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D20 (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
17. Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass der technische Effekt des einzigen Unterscheidungsmerkmals 1.1" darin bestehe, leichte Bauteile für den Fahrzeuginnenraum effektiv, nachhaltig und mit wenigen Ressourcen herzustellen. Das Argument vermag nicht zu überzeugen. In Absatz [0024] des Patents werden Bauelemente im Fahrzeuginnenraum nur als bevorzugte Auswahloption der Fahrzeugbauelemente erwähnt. Außerdem sind die Wirksamkeit und die Nachhaltigkeit des Herstellungsverfahrens nicht ursächlich mit dem Anwendungsbereich der Fahrzeugbauelemente verknüpft. Vielmehr muss der technische Effekt des Unterscheidungsmerkmals darin gesehen werden, dass ein konkreter Anwendungsbereich für die kohlenfaserstoffverstärkten thermoplastischen Kunststoffe festgelegt wird. Dementsprechend ist auch die objektive technische Aufgabe zu formulieren.
18. Nach Auffassung der Kammer wäre es für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt der Anmeldung naheliegend gewesen, die in Dokument D20 durch Spritzgießen hergestellten Bauelemente aus kohlenfaserstoffverstärktem thermoplastischem Kunststoff auf dem einschlägigen Gebiet der Fahrzeuge einzusetzen. Dies folgt nicht nur aus der Überlegung, dass solche Kunststoffe seit längerer Zeit in Flugzeugen und Kraftfahrzeugen Einsatz finden. Die konkreten Hinweise in Absatz [0002] bzw. in Absatz [0003] des Dokuments D20a ("one of main [sic] materials used in aerospace fields [...] Further, uses also for automobiles"; "it is expected to be widely applied in the future for use in automobiles, in particular, in use for mass-produced automobiles") bieten den Fachmann einen direkten Anlass, das aus dem Dokument D20 bekannte Verfahren auf den Anwendungsbereich der Fahrzeuge zu richten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anspruch 1 nicht definiert, ob die Fahrzeugbauelemente minderwertig sind oder nicht, sodass das Argument der Beschwerdeführerin, im Hinblick auf Absatz [0051] des Dokuments D20a hätte nur die Herstellung von hochwertigeren Bauteilen auf der Hand gelegen, fehlgeht.
19. Aufgrund der obigen Erwägungen kommt die Kammer zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ). Hilfsantrag II wird somit nicht stattgegeben.
Hilfsantrag III - erfinderische Tätigkeit
20. Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags III, der mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag III identisch ist, weist im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags II ein weiteres Merkmal 1.8b auf, in dem auf ein mehrlagiges Kohlenstofffaser-Halbzeug abgestellt wird.
21. In Absatz [0023] des allgemeinen Teils der Beschreibung der Ausführungsbeispiele von Dokument D20 ist ein multiaxiales vernähtes Gewebe ("multiaxial stitch fabric") als Beispiel für das als Kohlenstofffaser-Basismaterial bezeichnete Halbzeug, aus dem sich das Kantenmaterial bzw. die Restteile ergeben, genannt. Darunter wird eine Anordnung von Fasern verstanden, wobei mehrere Lagen ("sheets") aus in einer bestimmten Richtung orientierten Kohlenstofffasern in verschiedenen Richtungen aufeinander abgelegt ("laminated") und mit einem Stichfaden miteinander verbunden sind (s. auch Absatz [0026] des Dokuments D20a: "a plurality of sheets are laminated"). Das Dokument D20 offenbart somit ein Kohlenstofffaser-Halbzeug, welches gemäß dem zusätzlichen Merkmal 1.8b aus mehreren Kohlenstofffaser-Lagen besteht.
22. Seitens der Beschwerdeführerin wurde argumentiert, dass die Mehrlagigkeit des in den Absätzen [0023] und [0026] des Dokuments D20a erwähnten Halbzeugs nicht unmittelbar und eindeutig offenbart sei. Vielmehr handle es sich bei einem multiaxialen vernähten Gewebe um ein einfaches Gelege, das durch einen quer verlaufenden Stichfaden fixiert sei. Dem kann die Kammer nicht zustimmen. Genauso wie das in Absatz [0020] des Patents erwähnte Ausführungsbeispiel, wo mehreren Kohlenstofffaser-Lagen zu einer Matte verwebt sind, sind auch die einzelnen Lagen des im Dokument D20 offenbarten multiaxialen vernähten Gewebes nicht einfach aufeinander gelegt, sondern sie sind durch einen Stichfaden quer miteinander verbunden. Diese Verbindung hat jedoch nicht zur Folge, dass das Halbzeug seine Mehrlagigkeit verliert.
23. Das einzige Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Offenbarung des Dokuments D20 bleibt somit das Merkmal 1.1", nämlich ein Verfahren zur Herstellung von Fahrzeugbauelementen. Aus den gleichen Gründen wie oben zu Hilfsantrag II dargelegt, beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag III nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Hilfsantrag III wird somit nicht stattgegeben.
Ergebnis
24. Da kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, kann die Beschwerde der Patentinhaberin keinen Erfolg haben.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.