T 0948/20 22-11-2022
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Vibrationszuführsystem
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 896 583 zurückgewiesen wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das erteilte Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 31. März 2022 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, wonach die Beschwerde voraussichtlich erfolglos sein dürfte.
IV. Die Beschwerdeführerin überreichte auf diese Mitteilung zwei Schriftsätze, datiert auf den 6. April 2022 und den 7. April 2022. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) reagierte auf die Mitteilung mit Schriftsatz vom 19. August 2022, auf den die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 4. November 2022 erwiderte.
V. Am 22. November 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Zu den Einzelheiten des Verlaufs wird auf das Protokoll verwiesen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents
Nr. 2 896 583 im vollen Umfang.
VII. Die Beschwerdegegnerin beantrage
die Zurückweisung der Beschwerde,
d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag),
oder hilfsweise,
bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung im Umfang eines der Hilfsanträge 1 bis 4.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (entsprechend der Merkmalanalyse in der angefochtenen Entscheidung):
(M1) Zuführsystem (1), insbesondere für die Zuführung von Teilen (2) zu einer Montage- und/oder Bestückung- und/oder Bearbeitungs- und/oder Verpackungseinrichtung (3) oder dergleichen, wobei das Zuführsystem (1) umfasst:
(M2) zumindest eine Ordnungseinrichtung (4), insbesondere zum Transport und/oder Vereinzeln und/oder Sortieren und/oder Ausrichten und/oder Verteilen von Teilen (2),
(M3) zumindest eine Auffangeinrichtung (7) zum Auffangen und insbesondere zum Abtransport von im Betrieb von der Ordnungseinrichtung (4) fallenden Teilen (2),
(M4) wobei das Zuführsystem (1) zumindest zwei, insbesondere zueinander baugleiche, Linearvibrationsförderantriebe (6) umfasst,
(M5) die mit der Ordnungseinrichtung (4) gekoppelt sind,
(M6) wobei diese Linearvibrationsförderantriebe (6) voneinander beabstandet, insbesondere mit parallel zueinander orientierten Vibrationsebenen, angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet , dass
(M7) die Ordnungseinrichtung (4) an einer, insbesondere rahmenartigen, Tragstruktur (5), welche eine oder mehrere von ihrer Oberseite zu ihrer Unterseite durchgehende Ausnehmungen (31) aufweist, befestigt ist und
(M8) oberhalb der Tragstruktur (5) angeordnet ist,
(M9) wobei an der Tragstruktur (5) an oder im Bereich ihre beiden bezüglich der Ordnungseinrichtung (4) seitlichen Rändern (32) je einer der Linearvibrationsförderantriebe (6) befestigt und
(M10) tiefer als die Tragstruktur (5) angeordnet ist.
IX. In dieser Entscheidung werden die folgenden Dokumente erwähnt:
D1: DE 1 255 034 B,
D2: EP 2 578 519 A1,
D3: GB 2 301 075 A,
D4: US 2003 066 735 A1,
D5: FR 2 132 548 A1,
D7: DE 26 33 967 A1.
X. Angesichts des Entscheidungsausspruchs ist eine Wiedergabe der Hilfsanträge nicht erforderlich.
XI. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 100 a) und 54 EPÜ)
1.1 Dokument D1
1.1.1 Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen die Feststellungen in den Punkten 2.2.2.6 und 2.2.2.8 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung, dass das Dokument D1 nicht das Merkmal M8, nämlich dass die Ordnungseinrichtung (4)
"oberhalb der Tragstruktur (5) angeordnet ist",
und das Merkmal M10, nämlich dass die Linearvibrationsförderantriebe (6)
"tiefer als die Tragstruktur (5) angeordnet" sind,
offenbart.
1.1.2 Die Beschwerdegegnerin trug hingegen auf Seite 16, unterer Teilabsatz, der Beschwerdeerwiderung unter Verweis auf die Offenbarung der Spalte 3, Zeilen 22 bis 32, des Dokuments D1 vor, dass auch die oberhalb der Seitenträger 3 angeordneten Querträger 4 der für die Fachperson in der Offenbarung des Dokuments D1 zu entnehmenden Tragstruktur zuzurechnen sind.
1.1.3 Die Kammer folgt diesem Argument der Beschwerdegegnerin. Die Fachperson entnimmt der von der Beschwerdegegnerin zitierten Offenbarung eindeutig, dass der Querträger 4 innerhalb der zusammen mit dem Seitenträger 3 und dem Querträger 5 gebildeten Struktur, die letztlich die den Trog 2 tragende Struktur, also die Tragstruktur, bildet. In dieser Struktur übernimmt der Querträger 4 eine wesentliche Funktion, nämlich bei der Einstellung des Druckes, der auf die Gummiblöcke 12 ausgeübt wird, zwischen denen der Trog 2 angeordnet und letztlich gehalten wird, so dass er ein für die Tragstruktur wesentlicher, weil stabilisierender Bestandteil ist (vgl. Dokument D1, Spalte 3, Zeilen 22 bis 32).
1.1.4 Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass gemäß der Lehre des Dokuments D1 eine Tragstruktur denkbar wäre, in der der Querträger 4 nicht enthalten wäre, und die ausschließlich die Querträger 5 und die Seitenträger 3 umfasst, um das Gewicht des Trogs 2 abzustützen (vgl. Schriftsatz vom 7. April 2022, Seite 23, Absatz 1), kann hingegen nicht überzeugen. Bei der Frage der Neuheit kommt es allein darauf an, was die Fachperson der Offenbarung des Dokuments D1 unmittelbar und eindeutig entnimmt, und nicht darauf, was angesichts der Offenbarung gegebenenfalls technisch auch realisierbar sein könnte.
1.1.5 Ebenso ist das Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugend, dass dem Querträger 4 keine unmittelbare Abstützfunktion für das Gewicht des Trogs 2 zuzurechnen wäre, wie es die Beschwerdeführerin an der gleichen Stelle des Schriftsatzes vom 7. April 2022 vortrug, denn jedenfalls ist der Querträger 4 als wesentliches, stabilisierendes Bestandteils der den Trog 2 haltenden Struktur, also der Tragstruktur, offenbart, wie bereits in Punkt 1.1.3 dieser Entscheidung erörtert.
1.1.6 Die Beschwerdeführerin kann daher nicht hinreichend darlegen, weshalb die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Festsstellung fehlerhaft sein sollte, dass die in Dokument D1 gezeigte Tragstruktur den die Ordnungs- bzw. Fördervorrichtung bildenden Trog 2 umschließt, so dass die von Merkmal M8 geforderte Anordnung nicht verwirklicht ist (vgl. Punkt 2.2.2.6 der Entscheidungsgründe). Die Kammer folgt daher der Beurteilung der Einspruchsabteilung, dass die Lehre des Dokuments D1 zumindest das Merkmal M8 nicht offenbart, weshalb der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber der Lehre des Dokuments D1 ist.
1.2 Dokument D2
1.2.1 Die Beschwerdeführerin wandte sich weiter gegen die Feststellungen in Punkt 2.2.3.4 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung, dass das Dokument D2 nicht das Merkmal M10 und die folgenden Merkmale offenbart:
M4: "wobei das Zuführsystem (1) zumindest zwei, insbesondere zueinander baugleiche, Linearvibrationsförderantriebe (6) umfasst",
M6: "wobei diese Linearvibrationsförderantriebe (6) voneinander beabstandet, insbesondere mit parallel zueinander orientierten Vibrationsebenen, angeordnet sind"
sowie
M9: "wobei an der Tragstruktur (5) an oder im Bereich ihre beiden bezüglich der Ordnungseinrichtung (4) seitlichen Rändern (32) je einer der Linearvibrationsförderantriebe (6) befestigt [...] ist".
1.2.2 Die Beschwerdeführerin rügte dabei insbesondere die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das Dokument D2 in Bezug auf das Vorhandensein eines zweiten Antriebs gemäß Merkmal M4 nicht das Erfordernis der Ausführbarkeit der Offenbarung erfüllt.
1.2.3 Dieser Einwand kann aus Sicht der Kammer jedoch dahingestellt bleiben.
1.2.4 Dem Absatz [0001] des Dokuments D2 ist zu entnehmen, dass der offenbarte Linear-Vibrationsförderer einen Schwinger und eine Gegenmasse aufweist, und der Schwinger und die Gegenmasse relativ zueinander beweglich und mittels zumindest eines Vibrationsantriebs zu Vibrationen antreibbar sind.
1.2.5 Obwohl sich die Kammer ausdrücklich der Feststellung in Punkt 2.2.1.7 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung anschließt, dass der Begriffs eines "Linearvibrationsförderantriebs" weit auszulegen ist, teilt sie gleichwohl das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass jedenfalls die über einen Vibrationsantrieb antreibbaren Komponenten, die zu Vermittlung der Bewegung an eine Förder- bzw. Ordnungseinrichtung dienen, d.h. in der Offenbarung des Dokuments D2 der Schwinger und die mit ihm zusammenwirkende Gegenmasse, soweit sie vorhanden sind, dem Linearvibrationsförderantrieb im Sinne des Streitpatents zuzurechnen sind (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 18, Absatz 1). Dem steht nicht entgegen, dass es andere Ausgestaltungen eines Linearvibrationsförderantriebs geben mag, die solche Komponenten nicht aufweisen.
1.2.6 Weil dem Absatz [0001] des Dokuments D2 aber nur eine Anordnung mit einem Schwinger und einer Gegenmasse zu entnehmen ist und diese antreibbaren Komponenten aus der Lehre der Dokuments D2 deutlich erkennbar notwendigerweise der Vermittlung der Bewegung an die Fördereinrichtung dienen, teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass der technischen Lehre des Dokuments D2 nicht unmittelbar und eindeutig das Merkmal M4 und folglich auch nicht die weiteren Merkmale M6, M9 und M10 zu entnehmen sind.
1.2.7 Es gelingt der Beschwerdeführerin folglich nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Lehre des Dokuments D2 darzulegen.
1.3 Dokument D3
1.3.1 Die Beschwerdeführerin wandte sich ferner gegen die Feststellungen in Punkt 2.2.4.4 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung, dass das Dokument D3 nicht das Merkmal M10 offenbart.
1.3.2 Die Beschwerdeführerin ging dabei davon aus, dass der Begriff "tief" in Merkmal M10 in der deutschen Sprache bezüglich einer Anordnungshöhe bedeute, dass ein Element eine bestimmte Ausdehnung nach unten aufweise bzw. sich in geringer Entfernung zum Boden befinde. Somit ergebe sich für eine Anordnung der Linearvibrationsförderantriebe "tiefer als die Tragstruktur", also den komparativen Ausdruck, dass der Linearvibrationsförderantrieb eine größere Ausdehnung nach unten aufweise als die Tragstruktur bzw. sich näher am Boden befinde als die Tragstruktur. Daraus ergebe sich, dass Merkmal M10 im Ergebnis verlange, dass eine jeweilige Unterkante der Linearvibrationsförderantriebe zu einer Unterseite des Zuführsystems hin über die Unterkante der Tragstruktur hinausrage (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 9, Absatz 1).
1.3.3 Die Kammer kann sich diesem Verständnis des Merkmals M10 nicht anschließen. Für die Kammer ergibt sich aus dem Wortlaut von Merkmal M10, dass die Linearvibrationsförderantriebe tiefer als die Tragstruktur angeordnet sind, eine Anordnung, in der sich die Linearvibrationsförderantriebe als Einheit, d.h. unabhängig von ihrer Ausgestaltung oder Größe, in einer niedrigeren Lage als die Tragstruktur befinden. Der alleinige Umstand, dass eine jeweilige Unterkante der Linearvibrationsförderantriebe zu einer Unterseite des Zuführsystems hin über die Unterkante der Tragstruktur hinausragt, ist nicht geeignet, um hinreichend überzeugend darzulegen, dass die Linearvibrationsförderantriebe tiefer als die Tragstruktur angeordnet wären.
1.3.4 Somit kann der Vortrag der Beschwerdeführerin auf Seite 14, Absatz 2, der Beschwerdebegründung nicht überzeugen, dass das Merkmal M10 in der technischen Lehre des Dokuments D3 erfüllt sei, weil der jeweilige Antrieb 31 in Figur 1 so angeordnet sei, dass er sich nach unten über die durch den untersten Punkt der aus den in Figur 2 gezeigten Längsträgern 20, 21 und dem Querträger 19 gebildeten Struktur hinauserstrecke.
1.3.5 Auch dem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argument der Beschwerdeführerin, dass sich der Figur 1 des Dokuments D3 entnehmen ließe, dass die Mitte des Antriebs 31 tiefer als die durch den untersten Punkt der aus den in Figur 2 gezeigten Längsträgern 20, 21 und dem Querträger 19 gebildeten Struktur ausgebildet sei, folgt die Kammer nicht. Die Fachperson kann vielmehr der schematisch dargestellten Figur 1 nicht zuverlässig, das heißt eindeutig und unmittelbar, eine genaue Position der Mitte oder sogar des Schwerpunktes des Antriebs 31 entnehmen.
1.3.6 Die Beschwerdeführerin trug weiter vor, dass dem Dokument D3 auf Seite 2 im letzten Absatz eine Ausgestaltung zu entnehmen sei, bei der die Antriebe unterhalb des Trogs angeordnet seien. Die Einspruchsabteilung hatte dazu in Punkt 2.2.4.4 der angefochtenen Entscheidung - aus Sicht der Kammer zurecht - festgestellt, dass eine Anbringung der Antriebe unterhalb des Trogs 12 nicht impliziere, dass diese auch tiefer als die Tragstruktur angeordnet sind.
1.3.7 Der auf diese Feststellung gerichtete Einwand der Beschwerdeführerin, dass eine solche Anordnung im Hinblick auf das Ausführungsbeispiel der Figur 2 sich zwingend ergebe, überzeugt die Kammer jedenfalls nicht. Aus der Gesamtheit der Offenbarung des Dokuments D2, insbesondere in Hinblick auf Figur 2, erscheint auch eine Ausführung möglich, in der der Antrieb 31 tiefer als der Trog 12 jedoch nicht tiefer als eine aus den Längsträgern 20, 21 und dem Querträger 19 gebildete Struktur angeordnet ist.
1.3.8 Die Kammer ist im Ergebnis nicht von einer Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Lehre des Dokuments D3 überzeugt.
1.4 Zusammenfassend sind damit sämtliche Argumente und Argumentationslinien der Beschwerdeführerin zur Unrichtigkeit der begründeten Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung nicht überzeugend.
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) und 56 EPÜ)
2.1 Vorgetragene Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit
In der mündlichen Verhandlung hielt die Beschwerdeführerin zuletzt an den folgenden Einwänden mangelnder erfinderischer Tätigkeit fest:
- ausgehend von der Lehre des Dokuments D3 als nächstliegender Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen oder mit der Lehre des Dokuments D1,
- ausgehend von der Lehre des Dokuments D2 als nächstliegender Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen,
- ausgehend von Dokument D4 als nächstliegender Stand der Technik in Verbindung mit der jeweiligen Lehre eines der Dokumente D1, D2, D3 oder D7 und
- ausgehend von Dokument D5 als nächstliegender Stand der Technik in Verbindung mit der jeweiligen Lehre eines der Dokumente D1, D2, D3 oder D7.
Sie verfolgte die übrigen schriftlich vorgetragenen Einwände nicht weiter (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 3, Absätze 2 und 3), zu denen die Kammer ergänzend auf ihre Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020, insbesondere in Punkt 8.1, verweist.
2.2 Dokument D3 als Ausgangspunkt
2.2.1 Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen die Feststellungen zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hautantrag ausgehend von Dokument D3 in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 2.3.2 der Entscheidungsgründe), weil die Einspruchsabteilung fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass das Dokument D3 nicht das Merkmal M10 zeige.
2.2.2 Wie bereits in Punkt 1.3.7 dieser Mitteilung dargelegt, teilt die Kammer die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass die in dem Dokument D3 offenbarte Anbringung der Antriebe unterhalb des Troges nicht impliziert, dass diese auch tiefer als die Tragstruktur angeordnet sind.
2.2.3 Die Kammer schließt sich bereits deshalb der Feststellung der Einspruchsabteilung aus Punkt 2.3.2.6 der Entscheidungsgründe an, dass es aus dem Dokument D3 zwar einen Hinweis darauf gibt, die Motoren des Antriebs anders zu montieren, nämlich unterhalb des Troges, das Dokument D3 aber nicht angibt, wie eine solche geänderte Anordnung genau realisiert werden sollte. Damit ergibt sich aber insbesondere kein Hinweis für die Fachperson, dass der Antrieb tiefer als die Tragstruktur angeordnet sein sollte, wie es das Merkmal M10 vorgibt.
2.2.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Fachperson bei einer Verlagerung des Antriebs unterhalb des Trogs ebenfalls eine Anordnung unterhalb der Tragstruktur aufgrund möglichst wenig erforderlicher konstruktiver Veränderungen suchen werde (vgl. Schriftsatz vom 4. November 2022, Seite 4, Absatz 4), kann nicht überzeugen, denn eine solche gezielte Suche nach einer spezifischen, weil im Ergebnis einfacheren konstruktiven Änderung, setzt letztlich bereits von Beginn der Suche an die Kenntnis der erfindungsgemäßen Lösung voraus und beruht daher auf einer rückschauenden, d.h. nicht zulässigen Betrachtungsweise bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit.
2.2.5 Aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin bleibt damit offen, woraus sich ein Hinweis aus dem allgemeinen Fachwissen oder aus der technischen Lehre des Dokuments D1 ergäbe, den Antrieb unterhalb der Tragstruktur anzuordnen. Ein solcher Hinweis ergibt sich auch nicht aus dem weiter im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
2.2.6 Es gelingt der Beschwerdeführerin deshalb nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 ausgehend von der Lehre des Dokuments D3 überzeugend darzulegen.
2.3 Dokument D2 als Ausgangspunkt
2.3.1 Die Beschwerdeführerin hielt in der mündlichen Verhandlung an ihrem auf Seite 19 der Beschwerdebegründung erhobenen Einwand mangelnder erfinderische Tätigkeit ausgehend von der Lehre des Dokuments D2 als nächstliegender Stand der Technik in Verbindung mit dem Fachwissen fest.
2.3.2 Die Kammer erkennt zwar an, dass der Fachperson aus dem Stand der Technik grundsätzlich Zuführsystem mit mehreren Linearförderantrieben bekannt waren. Dieser Umstand allein veranlasst die Fachperson aber nicht, den in der Lehre des Dokuments D2 konkret vorgesehenen einzelnen Antrieb durch mehrere Antriebe zu ersetzen.
2.3.3 Weder der Verweis der Beschwerdeführerin auf Absatz [0001] des Dokuments D2 (vgl. Schriftsatz vom 7. April 2022, Seite 34, letzter Teilabsatz) noch der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Verweis auf ein angeblich allgemeines Streben der Fachperson nach Bauraumverkleinerung oder verbesserter Zugänglichkeit von Komponenten legen jeweils hinreichend einen Hinweis an die Fachperson dar, ein Ersetzen des in Dokument D2 vorgesehenen einzelnen Antriebs durch mehrere Antriebe zu erwägen.
2.3.4 Die zitierte Passage in Absatz [0001] des Dokuments D2 beschreibt vielmehr allgemein den Gegenstand der in Dokument D2 dargestellten Lehre ohne ausreichende konstruktive Beschreibung oder Erörterung des Linearvibrationsförderantriebs. Die Fachperson entnimmt daher keinen Hinweis, sich mit dem offenbarten Antrieb weiter auseinanderzusetzen.
2.3.5 Das von der Beschwerdeführerin unterstellte Streben der Fachperson nach Bauraumverkleinerung oder besserer Zugänglichkeit von Komponenten bleibt lediglich eine nicht durch Tatsachen belegte Vermutung, ohne Diskussion oder Verweis auf die Vor- und Nachteile der konkreten Lehren in Dokument D2 oder im weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik.
2.3.6 Die Kammer ist daher nicht davon überzeugt, dass die Fachperson den in der Lehre des Dokuments D2 gezeigten Antrieb ersetzen würde.
2.3.7 Es gelingt der Beschwerdeführerin im Ergebnis nicht, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 ausgehend von der Lehre des Dokuments D2 überzeugend darzulegen.
2.4 Dokument D4 als Ausgangspunkt
2.4.1 Die Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 2.3.3.4 der Entscheidungsgründe, dass das in Dokument D4 offenbarte Zuführsystem einen einzigen Antrieb aufweist, und daher unter anderem nicht das Merkmal M4 aufweist, blieb von den Parteien unbestritten.
2.4.2 Die Beschwerdeführerin wandte sich jedoch gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass die Fachperson nicht veranlasst gewesen wäre, den in Dokument D4 gezeigten einzelnen Antrieb durch zwei Antriebe zu ersetzen und darüber hinaus die Anordnung der Antriebe zu ändern (siehe Beschwerdebegründung, Seite 22, Absatz 1).
2.4.3 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass es absolut fachgerecht sei, bedarfsgerecht auch mehrere Antriebe für Linearförderer zu nutzen, so dass das Unterscheidungsmerkmal M4 keine erfinderische Tätigkeit begründe, vermag nicht zu überzeugen. Zunächst gründet das Argument auf einer Behauptung zum allgemeinen Fachwissen, wobei aus Sicht der Kammer offen bleibt, weshalb die Dokumente D1, D2 oder D3, soweit ihre Offenbarungen als Patentschriften dem allgemeinen Fachwissen zuzurechnen wären, lehrten, dass bedarfsgerecht eine Nutzung mehrer Antriebe möglich sei, auch wenn sie möglicherweise eine Nutzung mehrerer Antriebe offenbarten.
2.4.4 Das Argument überzeugt aber insbesondere deshalb nicht, weil zwar von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, welchen Dokumenten das Merkmal M4 entnommen werden könnte (D1, D2, D3 oder D7), letztlich aber auch hier offen bleibt, weshalb die Fachperson veranlasst gewesen wäre, den in Dokument D4 gezeigten einzelnen Antrieb durch zwei Motoren zu ersetzen. Die gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antrieb in Dokument D4 eine spezifische Aufgabe erfüllt, wie die Beschwerdegegnerin mit Verweis auf die Offenbarung der Absätze [0044] bis [0049] des Dokuments D4 richtigerweise vorträgt (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 37, vorletzter Absatz, Seite 38, erster Teilabsatz).
2.4.5 Die Kammer ist daher nicht von der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 ausgehend von der Lehre des Dokuments D4 überzeugt.
2.5 Dokument D5 als Ausgangspunkt
2.5.1 Die Kammer hatte in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 dargelegt, dass sie hinsichtlich des Einwands mangelnder erfinderischen Tätigkeit ausgehend von der Lehre des Dokuments sich nicht den Argumenten der Beschwerdeführerin anzuschließen vermag (siehe Mitteilung, Punkt 8.5).
2.5.2 Der in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 dargelegten vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage, insbesondere zu denen von der Kammer aufgeworfenen Aspekten, wurde von der Beschwerdeführerin schriftlich nicht entgegengetreten. In der mündliche Verhandlung verwies sie auf ihr schriftsätzliches Vorbringen.
2.5.3 Unter diesen Umständen sieht die Kammer, nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diesen Einwand berücksichtigt und überprüft hat, keinen Grund, von ihrer oben genannten vorläufigen Auffassung abzuweichen, und bestätigt diese wie folgt.
2.5.4 Hinsichtlich der Offenbarung des Dokuments D5 waren sich die Parteien einig, dass diese nicht das Merkmal M4 umfasst (so in Seiten 23 und 24, übergreifender Absatz, letzter Satz, der Beschwerdebegründung).
2.5.5 Angesichts der in den Punkten 2.4.3 und 2.4.4 dieser Entscheidung, die den Punkten 8.3.3 und 8.3.4 in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 entsprechen, dargelegten Beurteilung der Kammer kann der Einwand der Beschwerdeführerin, dass eine bedarfsgerechte Auswahl der Anzahl der genutzten Antriebe fachüblich sei (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 23, Absatz 2), nicht überzeugen.
2.5.6 Die Kammer ist folglich nicht von der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 ausgehend von der Lehre des Dokuments D5 überzeugt.
2.6 Zusammenfassend sind folglich sämtliche noch weiterverfolgten Argumente und Argumentationslinien der Beschwerdeführerin zur Unrichtigkeit der begründeten Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung nicht überzeugend.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.