T 0701/21 19-04-2023
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Kupplungsanordnung für einen Heckträger
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Beschwerdeerwiderung - vollständiges Beschwerdevorbringen eines Beteiligten
Ermessen Vorbringen nicht zuzulassen - Vorbringen zugelassen (nein)
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent zu widerrufen.
II. Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende Einwände unter Artikel 100 (a) EPÜ (mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 (b) EPÜ und Artikel 100 (c) EPÜ erhoben.
III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu sei. Die vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsanträge wurden nicht zum Verfahren zugelassen.
Der in der Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 1d1 wurde als unklar (Artikel 84 EPÜ) angesehen, der Hilfsantrag 1e als nicht erfinderisch.
Der ebenfalls erst in der Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 1f wurde als nicht erfinderisch angesehen gegenüber einer Kombination der Dokumente
D14 WO 03/039913 A1 mit
D13 EP 1 757 488 A2.
IV. Am 19. April 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende die vorliegende Entscheidung verkündet wurde.
a) Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufrecherhaltung des Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:
Ansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 1f,
Beschreibungsabsätze 1 bis 23, 25 bis 27, 29 bis 53 und 55 bis 79 gemäß der Patentschrift,
Beschreibungsabsätze 24, 28 und 54 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung um 12.53 Uhr,
Figuren 1 bis 10 gemäß erteiltem Patent.
b) Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Kupplungsanordnung für ein Kraftfahrzeug zum Befestigen eines Heckträgers (50), mit einem ersten Kupplungsarm (11, 12) und einem zweiten Kupplungsarm (11, 12), die an einem Heck des Kraftfahrzeugs in einem Abstand in Fahrzeug-Querrichtung des Kraftfahrzeugs befestigbar sind und an ihren jeweiligen freien Endbereichen eine Kupplungsbasis aufweisen, die zum lösbaren Befestigen einer ersten und einer zweiten Heckträger-Kupplungseinrichtung (60; 160; 260) des Heckträgers (50) eingerichtet sind, und mit einer Lageranordnung (15; 115; 215), mittels derer die Kupplungsarme zwischen einer Gebrauchsstellung, in der die Kupplungsbasen (17; 317; 417)im am Kraftfahrzeug montierten Zustand der Kupplungsanordnung (10; 110; 210) nach hinten vor eine Heckkontur des Kraftfahrzeugs zur Befestigung des Heckträgers (50) vorstehen, und einer Nichtgebrauchsstellung (N), in der die Kupplungsbasen (17; 317; 417) im am Kraftfahrzeug montierten Zustand der Kupplungsanordnung (10; 110; 210) hinter und/oder unter die Heckkontur des Kraftfahrzeugs zurück verstellt sind, beweglich an dem Kraftfahrzeug lagerbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass ein jeweiliger Kupplungsarm (11, 12) zum Verstellen seiner Kupplungsbasis (17; 317; 417) mittels der Lageranordnung (15; 115; 215) so an dem Kraftfahrzeug (94), lagerbar ist, dass die Kupplungsbasis (17; 317; 417) unter einem Stoßfänger (94) des Kraftfahrzeugs (92) vorbei bewegbar ist, und dass an mindestens einem der Kupplungsarme eine elektrische Stromversorgungseinrichtung (11, 12), beispielsweise eine Steckdose, zur elektrischen Stromversorgung des Heckträgers (50) angeordnet ist, und dass der erste und der zweite Kupplungsarm (11, 12) bei einer Verstellung zwischen der Gebrauchsstellung (G) und der Nichtgebrauchsstellung (N) eine gegensinnige Bewegung aufeinander zu oder voneinander weg durchlaufen."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Zulassung des verspätet eingereichten Hilfsantrags 1f im Einspruchsverfahren sei nicht zu beanstanden.
b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1f sei ausgehend von Dokument D14 weder durch D13, noch durch eines der Dokumente
D19 DE 10 2008 047 372 A1
D20 DE 20 2010 003 623 U1
D21 EP 1 160 105 A2
D22 DE 10 2007 043 126 A1
nahegelegt.
c) Der Einwand der unzulässigen Änderung gegen Anspruch 1 des Hilfsantrags 1f sei erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht worden und dürfe daher nicht mehr zum Verfahren zugelassen werden.
d) Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1f beruhe jedoch unabhängig von der Frage der Zulassung des Einwands nicht auf einer unzulässigen Zwischen-verallgemeinerung.
e) Der Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Dokument
D2 DE 30 20 367 A1
sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht worden und daher als verspätet anzusehen. Er könne daher nicht mehr zum Verfahren zugelassen werden.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Hilfsantrag 1f sei im Einspruchsverfahren verspätet vorgelegt worden und hätte nicht zum Verfahren zugelassen werden dürfen.
b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1f sei nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D14 mit D13, alternativ mit einem der Dokumente D19 - D22.
c) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1f sei zudem auch nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D2 mit einem der Dokumente D19, D20 oder
D18 EP 1 557 300 A1.
d) Der Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D2 sei analog auch schon im Einspruchsverfahren vorgebracht und durch Bezugnahme in der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung ins Beschwerdeverfahren eingeführt worden. Der Einwand sei daher nicht erst in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden, sondern sei von Anfang an Teil des Beschwerdeverfahrens gewesen.
e) Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1f sei unzulässig geändert worden.
Zulassung des Hilfsantrags 1f zum Verfahren (Artikel 114 EPÜ)
1. Die Einspruchsabteilung hatte den erst in der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrag 1f zum Verfahren zugelassen.
1.1 Dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 1f wurde im Vergleich zum ranghöheren Hilfsantrag 1e das folgende Merkmal hinzugefügt:
"und dass der erste und der zweite Kupplungsarm (11, 12) bei einer Verstellung zwischen der Gebrauchsstellung (G) und der Nichtgebrauchsstellung (N) eine gegensinnige Bewegung aufeinander zu oder voneinander weg durchlaufen."
1.2 Dieses Merkmal findet sich im erteilten Anspruch 9, weshalb die Einspruchsabteilung entschied, dass die Änderungen für die Einsprechende nicht überraschend sein konnten, da sie zu den erteilten, abhängigen Ansprüchen ja bereits mit dem Einspruchsschriftsatz Stellung bezogen hatte. Zudem sei die Einschränkung ein erkennbarer Versuch, einen Einspruchsgrund zu beheben (Entscheidungsgründe 22).
1.3 Die Einspruchsabteilung verwendet bei ihrer Entscheidung allgemein anerkannte und übliche Kriterien (Merkmalskombination ist für die Einsprechende nicht überraschend - sie ist also schon mit dem neu hinzugefügten Merkmal vertraut und kann ohne Einarbeitungszeit dazu Stellung nehmen; Änderungen sind unter Regel 80 EPÜ zulässig).
1.3.1 Die Kammer sieht daher keinen Fehler in der Ermessensausübung. Die Einspruchsabteilung hat ihr Ermessen weder nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien, noch in willkürlicher bzw. unangemessener Weise ausgeübt, und damit ihr eingeräumtes Ermessen nicht überschritten.
Entsprechende Fehler wurden von der Beschwerdegegnerin auch nicht geltend gemacht. Die Beschwerdegegnerin argumentierte lediglich, dass die auf die elektrische Stromversorgungseinrichtung gerichteten Merkmale der Merkmalskombination des Anspruchs 1 teilweise aus der Beschreibung entnommen worden seien.
Dennoch kann auch die Aufnahme dieser Merkmale nicht überraschend für die Beschwerdegegnerin gewesen sein, da ausnahmslos alle von der Beschwerdeführerin innerhalb der Schriftsatzfrist nach Regel 116(1) EPÜ eingereichten Hilfsanträge im Einspruchsverfahren auf die Stromversorgungseinrichtung gerichtet waren. Die Beschwerdegegnerin musste also darauf vorbereitet sein, auch zu diesen Merkmalen bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorzutragen.
1.3.2 Es ist jedoch nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die Sachlage nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte. Die Einspruchsabteilung, die nach dem EPÜ unter bestimmten Umständen Ermessensentscheidungen zu treffen hat, muss bei der Ausübung dieses Ermessens einen gewissen Freiraum haben, in den die Beschwerdekammern nicht eingreifen.
1.4 Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung abzuweichen, den Hilfsantrag 1f ins Verfahren zuzulassen.
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
2. Die zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 1f führenden Änderungen verstoßen nicht gegen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
2.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass das Merkmal
"dass ein jeweiliger Kupplungsarm (11, 12) zum Verstellen seiner Kupplungsbasis (17; 317; 417) mittels der Lageranordnung (15; 115; 215) so an dem Kraftfahrzeug (94), lagerbar ist, dass die Kupplungsbasis (17; 317; 417) unter einem Stoßfänger (94) des Kraftfahrzeugs (92) vorbei bewegbar ist"
zwar in der Passage auf Seite 2, Zeile 18 bis Seite 3, Zeile 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart sei, jedoch nur in untrennbarer Kombination mit weiteren Merkmalen, die nicht in den unabhängigen Anspruch 1 aufgenommen wurden. Daher beruhe Anspruch 1 auf einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung.
Zum einen bemängelte die Beschwerdegegnerin dabei, dass im Anspruch 1 nicht erwähnt werde, dass die jeweilige Kupplungsbasis am ersten und zweiten Kupplungsarm in Nichtgebrauchstellung nicht sichtbar sei, wenn eine Person hinter dem Kraftfahrzeug steht, sowie dass die Kupplungsarme bei Gebrauch bequem bereitgestellt werden können und der Lastenträger besonders einfach befestigbar sei. Zum anderen werde in der besagten Passage eine Befestigung der Kupplungsanordnung am Stoßfänger des Kraftfahrzeugs definiert, in Anspruch 1 jedoch nur allgemein eine Befestigung am Kraftfahrzeug.
2.2 Die in besagter Passage genannten Eigenschaften der Kupplungsanordnung (unsichtbare Kupplungsbasis in Nichtgebrauchsstellung, bequeme Bereitstellung und einfache Befestigung des Lastenträgers) stellen jedoch keine Produktmerkmale der beanspruchten Kupplungsanordnung dar, sondern sind die mit den Produktmerkmalen der Kupplungsanordnung erzielten Vorteile. Sie sind daher nicht zwingend in den unabhängigen Anspruch aufzunehmen, sondern stellen den mit den Produktmerkmalen direkt erzielbaren technischen Effekt dar. Im vorliegenden Fall muss der technische Effekt im Gegensatz zu den Merkmalen des beanspruchten Produkts daher nicht im unabhängigen Anspruch genannt werden.
2.3 Entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin wird in genannter Passage zudem nur definiert, dass "die Kupplungsbasis unter einem Stoßfänger des Kraftfahrzeugs, an dem die Kupplungsanordnung montiert ist, vorbei bewegbar ist". Der Halbsatz "an dem die Kupplungsanordnung montiert ist" bezieht sich dabei auf das unmittelbar davor stehende Nomen "Kraftfahrzeug" und nicht auf den früher im Satz erwähnten Stoßfänger des Kraftfahrzeugs. Daher wird in dieser Passage nur definiert, dass die Kupplungsanordnung am Kraftfahrzeug montiert ist, nicht jedoch zwingend am Stoßfänger.
Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass hier eine Montage am Stoßfänger des Kraftfahrzeugs verlangt werden würde, könnte dieses Merkmal ohne Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ gestrichen werden, da der Ort der Befestigung am Fahrzeug (ob am Stoßfänger oder an einer anderen Stelle) nicht funktional und strukturell untrennbar mit den erfindungsgemäßen Merkmalen der Bewegung der Kupplungsarme und der Anordnung einer elektrischen Stromversorgung an einem der Kupplungsarme verbunden ist. Maßgeblich ist nur, dass die Kupplungsarme in Nichtgebrauchsstellung so aufeinander zu oder voneinander weg bewegbar sind, dass die jeweilige Kupplungsbasis unter dem Stoßfänger des Kraftfahrzeugs vorbei aus dem Blickfeld des Benutzers bewegbar ist und gleichzeitig an mindestens einem der Kupplungsarme eine elektrische Stromversorgungseinrichtung angeordnet ist.
2.4 Nachdem der Einwand inhaltlich bereits nicht überzeugend ist, kann offen bleiben, ob der Einwand verspätet vorgebracht wurde und noch zum Verfahren zugelassen werden kann.
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3. Entgegen der Entscheidung der Einspruchsabteilung wird der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1f nicht durch eine Kombination von Dokument D14 mit dem Dokument D13 bzw. einem der Dokumente D19 - D22 nahegelegt.
3.1 Es ist unstrittig zwischen den Parteien, dass D14 eine Kupplungsanordnung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbart, zudem aber auch die folgenden Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 zeigt:
- ein jeweiliger Kupplungsarm ist zum Verstellen seiner Kupplungsbasis mittels der Lageranordnung so an dem Kraftfahrzeug lagerbar, dass die Kupplungsbasis unter einem Stoßfänger des Kraftfahrzeugs vorbei bewegbar ist; und
- der erste und der zweite Kupplungsarm durchlaufen bei einer Verstellung zwischen der Gebrauchsstellung und der Nichtgebrauchsstellung eine gegensinnige Bewegung aufeinander zu oder voneinander weg.
3.2 In D14 wird dabei ein Heckträger in Form einer Kiste (Figur 6, Bild 4) bzw. in Form einer Plattform (Figuren 7 und 8, Bild 5) mit Hilfe von zwei an der Unterseite der Kiste bzw. der Plattform angebrachten, bevorzugt geschlossenen Kanälen auf die beiden verschwenkbaren Kupplungsarme 10 aufgeschoben (siehe Seite 2, Zeilen 15 - 24).
D14 zeigt jedoch nicht, dass die Kiste oder Plattform einen elektrischen Verbraucher aufweist, der an das elektrische Bordsystem des Fahrzeugs angeschlossen werden müsste, sie zeigt insbesondere keine Stromversorgungseinrichtung zur elektrischen Stromversorgung der Kiste bzw. Plattform.
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der aus D14 bekannten Kupplungsanordnung dahingehend, dass an mindestens einem der Kupplungsarme eine elektrische Stromversorgungseinrichtung, beispielsweise eine Steckdose, zur elektrischen Stromversorgung des Heckträgers angeordnet ist. Auch das ist unstrittig zwischen den Parteien.
3.4 Die Beschwerdegegnerin argumentiert jedoch, dass es ausgehend von D14 dem Fachmann bewusst sei, dass an der Kiste bzw. der Plattform eine Beleuchtung angebracht werden müsse, die er über eine Steckverbindung mit einer Steckdose wie aus D13 bekannt mit dem Bordnetz des Fahrzeugs verbinden würde.
3.5 Diese Auffassung wird von der Kammer nicht geteilt.
3.5.1 Es scheint zwar grundsätzlich naheliegend zu sein, eine Kiste wie in Figur 6 von D14 gezeigt mit Rücklichtern, Bremslichtern und Blinkern zu versehen, wenn diese über die Größenordnung gemäß Figur 4 hinausgeht und die Hecklichter des Fahrzeugs verdeckt. Der Fachmann muss hierfür aber nicht zwingend eine elektrische Stromversorgungseinrichtung in Form einer Steckdose an einem der Kupplungsarme verwenden. Ganz im Gegenteil ist es nahezu unmöglich, eine Steckdose am Kupplungsarm vorzusehen, da der Kupplungsarm auf seiner kompletten Länge von dem geschlossenen Kanal der Kiste umgriffen wird. Am Stirnende der Kupplungsarme kann ebenfalls keine Steckdose angeordnet werden, da diese beim Aufschieben des geschlossenen Kanals im Weg wäre und am gekröpften, in das Lager eingeschobenen Ende der Kupplungsarme ist kein Platz für eine Steckdose.
3.5.2 Selbst wenn man wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen von einem U-förmigen, nach unten offenen Kanal in D14 ausgehen würde, würde der Fachmann eine Steckdose nicht am Kupplungsarm vorsehen, sondern diese allenfalls direkt an der Heckschürze des Fahrzeugs im Bereich eines der Kupplungsarme anordnen. So kann der Fachmann verhindern, dass die Zuleitung zur Steckdose beim Einklappen der Kupplungsarme tordiert wird. Zudem kann die Steckdose anstelle schwer zugänglich im ungeschützten bodennahen Bereich des Kupplungsarms angeordnet zu sein in eine vertikale Fläche am Fahrzeug verschoben und an geschützter, für den Benutzer gut erreichbarer Stelle angeordnet werden.
3.5.3 Unabhängig von der Frage, ob der Fachmann die Anordnung einer Steckdose auf dem Kupplungsarm der D14 überhaupt als technisch möglich in Betracht ziehen würde, lehrt das Dokument D13 entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin dem Fachmann aber bereits nicht, dass eine elektrische Stromversorgungseinrichtung in Form einer Steckdose an der freien Unterseite eines Kupplungsarms angebracht werden kann. D13 zeigt weder einen Kupplungsarm, auf den ein Kanal des Heckträgers aufgeschoben wird, noch eine darunter angebrachte Steckdose.
3.5.4 Ganz im Gegenteil erkennt der Fachmann sofort, dass die in D13 in Figur 1 vorgeschlagene Lösung nicht auf D14 anwendbar ist.
a) In D13 wird ein Zapfen des Heckträgers in eine Öffnung des Halterahmens eingeschoben und so eine mechanische Verbindung des Heckträgers hergestellt. Dabei befinden sich in der Öffnung des Halterahmens elektrische Kontakte, die gleichzeitig eine elektrische Verbindung zum Heckträger herstellen. So kann man die Öffnung des Halterahmens mit seinen elektrischen Kontakten als eine Art Steckdose ansehen.
b) In D14 dagegen wird ein geschlossener Kanal über die Kupplungsarme der Kupplungsanordnung geschoben. Der Fachmann müsste also nicht nur den geschlossenen Kanal ersetzen durch einen Zapfen, sondern auch die Kupplungsarme stark verkürzen und mit einer innenliegenden Öffnung versehen und dann in dieser Öffnung elektrische Kontakte vorsehen. Dadurch würde er aber die Stabilität und Tragkraft der Verbindung massiv verändern, so das er zwar nun eine elektrische Verbindung herstellen könnte, aber die mechanische Verbindung nur noch weitaus geringere Kräfte übertragen kann. Das Problem der Torsion des Kabels im Inneren der schwenkbaren Arme würde zudem bleiben.
c) Daher würde der Fachmann eine solche Modifikation nicht in Betracht ziehen.
3.6 Auch die in der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung pauschal genannten Dokumente D19 - D22 (siehe Seite 17, letzter Absatz des Abschnitts 6.2) können hier keine umsetzbare Lehren vermitteln.
D19 bis D21 betreffen alle Anhängerkupplungen, deren Form und Geometrie nicht mit den Kupplungsarmen der D14 vergleichbar sind.
D22 zeigt ein analoges Stecksystem wie D13, das aus den vorgenannten Gründen nicht auf D14 angewandt werden kann.
3.7 Ausgehend von D14 ist eine Anbringung einer Steckdose am Kupplungsarm daher nicht nahegelegt.
4. Die Beschwerdegegnerin argumentierte ferner ausgehend von Dokument D2 zur erfinderischen Tätigkeit.
4.1 Diese Angriffslinie ist der Erwiderung der Beschwerdegegnerin auf die Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
4.1.1 Die Beschwerdegegnerin argumentiert zwar, sie habe auf Seite 1 der Beschwerdeerwiderung darauf hingewiesen, dass sie ihr gesamtes erstinstanzliches Vorbringen auch zum Vortrag im Beschwerdeverfahren machen würde. Zudem habe sie alle Schriftsätze des Einspruchsverfahrens in Kopie beigefügt.
4.1.2 Der pauschale Verweis auf das Vorbringen in der ersten Instanz kann die explizite Angabe der rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Schlussfolgerungen der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren jedoch nicht ersetzen. Die Beschwerdegegnerin kann der Rechtsprechung der Beschwerdekammern folgend (siehe RdBK, 10. Auflage, Kapitel V-A, 4.3.5 b) iii) nicht ohne Weiteres auf das Vorbringen im Einspruchsverfahren zurückgreifen, da dieses ausweislich des Artikels 12 (3) VOBK 2020 nicht automatisch Teil des Beschwerdevorbringens ist. Daran ändert weder der unspezifischer Verweis auf alle Schriftsätze des Einspruchsverfahrens, noch das Beifügen dieser Schriftsätze in Kopie etwas, da Artikel 12 (3) VOBK 2020 erfordert, dass ausdrücklich alle Tatsachen und Einwände in der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung anzuführen sind. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, im Rahmen einer solchen Darstellung zu bestimmten Einzelpunkten auf konkrete Passagen früherer Schriftsätze zu verweisen; ein Pauschalverweis kann dem aber nicht gerecht werden, da er es der Kammer und den anderen Beteiligten aufbürde würde, sich selbst zusammenzureimen, welche Angriffs- oder Verteidigungsargumente im konkreten Kontext des Beschwerdeverfahrens noch in welcher Weise gelten sollen.
4.2 Die Zulassung einer weiteren Argumentationslinie, die zudem von der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung nicht behandelt wurde, wäre der Verfahrensökonomie nicht zuträglich. Daher entschied die Kammer, die Angriffslinie ausgehend von Dokument D2 nicht zum Verfahren zuzulassen (Artikel 12(5) VOBK 2020).
5. Weitere Angriffslinien zum Hilfsantrag 1f wurden von der Beschwerdegegnerin nicht vorgetragen. Die Kammer sieht daher keinen Grund, der die Patentfähigkeit des Gegenstands des Hilfsantrags 1f in Frage stellen könnte.
6. Die Beschreibung wurde an den Wortlaut des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1f angepasst. Die Beschwerdegegnerin hatte hierzu keine Einwände.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der folgenden Unterlagen aufrecht zu erhalten:
Ansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag 1f,
Beschreibungsabsätze 1 bis 23, 25 bis 27, 29 bis 53 und 55 bis 79 gemäß der Patentschrift,
Beschreibungsabsätze 24, 28 und 54 wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung um 12.53 Uhr,
Figuren 1 bis 10 gemäß erteiltem Patent.