Informationen
Diese Entscheidung ist nur auf Englisch verfügbar.
T 0120/88 25-09-1990
Download und weitere Informationen:
Air classifier
1) Krupp Polysius AG
2) F.L. Smidth & Co. A/S
Inventive step - combination of features (yes)
Erfinderische Tätigkeit bei Vorliegen einer
Kombinationserfindung (bejaht)
I. Auf die am 17. Juli 1980 angemeldete und am 4. Februar 1981 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 80 104 199.7 ist am 7. März 1984 das europäische Patent Nr. 0 023 320 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent haben die Beschwerdeführerin I (Einsprechende I) Fa. Krupp Polysius AG und die Beschwerdeführerin II (Einsprechende II) Fa. F.L. Smidth & Co. A/S Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents nicht den Erfordernissen der Artikel 52, 54, 56 und 83 EPÜ entspreche.
Zur Stützung ihres Einspruchs verwiesen sie auf die folgenden Dokumente:
(D0) DE-B-1 507 737
(D1) DE-C-437 896
(D2) DE-A-1 607 631
(D3) DE-C-681 666
(D4) DE-C-887 294
(D5) US-A-1 933 606
(D6) F.L. Smidth "Cement grinding plants", Werbeschrift datiert 1981
(D7) F.L. Smidth, Zeichnungsnummer 721005 von 1957
(D8) F.L. Smidth, Zeichnungsnummer 1.022920 von 1973.
III. In der auf Antrag aller Beteiligten durchgeführten mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 2. Juni 1987 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) geänderte Unterlagen ein und beantragte die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Aufrechterhaltung des Patents mit den in der mündlichen Verhandlung vereinbarten Unterlagen in Aussicht gestellt.
IV. Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. An air classifier comprising:
a casing (2) formed of a generally hollow cylindrical vertical casing body and a hopper (3) fitted to the lower end of said casing body; a fine product outlet duct (6) the axis thereof coinciding with the axis of a rotary shaft (7) passing through one of the horizontal end walls of the casing body; an air-powder raw material inlet duct (4) tangentially projecting outward from the casing body (2); the rotary shaft (7) concentrically extending through the casing body (2); a rotary disc member (8) concentrically fixed in the casing body (2) to concurrently carry out the dispersion and classification of a powdered material; guide vanes (11) provided in the casing body (2) in a state equidistantly spaced from each other in the circumferential direction of said casing body (2) to conduct a mixture of air and a powdered raw material into said casing; and vortical flow-adjusting blades (19) mounted on the rotary disc member (8) in said casing body (2) in a state set in parallel with the rotary shaft (7) and substantially equidistantly spaced from each other in the circumferential direction of the rotary disc member (8); characterized in that a) the fine product outlet duct (6) is set at the upper end wall of the casing body (2); b) at least one ring-shaped horizontal partition member (20) is fitted to the vortical flow-adjusting blades (19) in the casing body (2) in a concentric relationship with the rotary shaft (7); c) additional powdered raw material inlet ducts (28) are provided on the upper wall of the casing body (2) at substantially the same distance from the rotary shaft (7) and in a state equidistantly spaced from each other; d) a horizontal circular dispersion member (29) is fixed to the rotary shaft (7) a flange (33) of this member (29) extending to the lower most region of opening (35) provided at the lower end of the additional powder raw material inlet ducts (28) to disperse a powdered raw material outward in the radial direction of the casing body (2); e) the rotary disc member (8) is set at a boundary between the casing body (2) and hopper (3) and f) that there is provided in the casing body (2) a buffer (36) which surrounds the dispersion member (29) and the inner wall (37) of which defines a truncated conical shape."
V. Mit Zwischenentscheidung vom 22. Januar 1988 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Patents mit den Unterlagen der Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ vom 28. Juli 1987 Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.
VI. Gegen die Zwischenentscheidung hat die BeschwerdeführerinI am 11. März 1988 unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese mit Schreiben vom 17. April 1988, eingegangen am 20. Mai 1988, begründet.
Die Beschwerdeführerin II hat am 22. März 1988 gegen vorgenannte Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ebenfalls unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese mit dem am 24. Mai 1988 eingegangenen Schreiben begründet.
Beide Beschwerdeführerinnen beantragen, die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu widerrufen. Hilfsweise beantragen sie mündliche Verhandlung.
Zunächst nennen sie noch die Druckschriften
(D9) US-A-3 015 392
(D10) DE-C-639 537
(D11) FR-A-1 402 839 und
(D12) Aufbereitungs-Technik - Nr. 5/1964, S. 259, 269 und 270, "Neuentwicklungen von Feinprallmühlen" und führen zur Begründung ihrer Beschwerden die Beschwerdegründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ an (Beschwerdeführerin II mit Eingabe vom 24. Mai 1988), sie stützen ihre Beschwerden vor allem aber auf Artikel 100 a) EPÜ und hier insbesondere auf Artikel 56 EPÜ.
VII. Die Beschwerdegegnerin widersprach diesem Vorbringen und beantragte die Zurückweisung der Beschwerden, ggf. nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
VIII. In der Mitteilung der Kammer vom 28. Juni 1990 gemäß Artikel 11 Absatz 2 VOBK wurden Zweifel an der Relevanz von D9 bis D12 bzw. an der Vorveröffentlichung und Zugänglichkeit von D6 bis D8 zum Ausdruck gebracht. Bezüglich der Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ kam die Kammer in vorgenannter Mitteilung zum vorläufigen Ergebnis, daß diese nicht vorzuliegen scheinen, so daß die mündliche Verhandlung vor der Kammer sich ganz auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ zu beschränken und hier speziell mit den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ auseinanderzusetzen haben werde.
IX. In der mündlichen Verhandlung vom 25. September 1990 blieben die Parteien bei ihren Anträgen.
Die Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ spielten in der Verhandlung keine Rolle mehr, vielmehr wurde ausschließlich die Frage des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens erfinderischer Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 erörtert, und zwar im Lichte der Druckschriften D0, D5, D9 und D10, wobei D9 und D10 seitens der Kammer zum Verfahren zugelassen wurden -in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (1) EPÜ.
Die verspätet genannten Druckschriften D11 und D12 wurden von der Kammer ebenso als irrelevant von allen weiteren Betrachtungen ausgeschlossen wie die Druckschriften D7 und D8, und zwar von der Beschwerdeführerin II unwidersprochen. Diese konnte durch Vorlage der D6 in ihrer Version von "1978" aufzeigen, daß die Versionen "1978" und "1981" sachlich voll übereinstimmen.
Während beide Beschwerdeführerinnen in der Kombination von D0 (gattungsbildende Druckschrift) und D9 ein Patenthindernis sahen, weil für sie der Fachmann diese Druckschriften ohne weiteres in Kombination sehen würde und damit in naheliegender Weise beim Gegenstand des Anspruchs 1 wäre, verteidigte die Beschwerdegegnerin Anspruch 1 vor allem unter Hinweis auf die Unterschiedsmerkmale von Gegenstand der D9 und Gegenstand des Anspruchs 1 und weiter mit dem Argument der rückschauenden Betrachtungsweise des Standes der Technik und hier vor allem der D9 im Lichte der Erfindung gemäß Anspruch 1 seitens der Beschwerdeführerinnen.
1. Die Beschwerden entsprechen den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie sind zulässig.
2. Der geltende Anspruch 1 umfaßt in seinem Oberbegriff die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 und in seinem kennzeichnenden Teil die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 4 (Merkmale a) und e)), 3 (Merkmal b)), 9 (Merkmal c) und d)) sowie 10 (Merkmal f)).
Die geltenden Ansprüche 2 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 5, 6, 7, 8, 14, 15, 16, 17 und 18.
Im Ergebnis ist das geltende Schutzbegehren aus der Sicht des Artikels 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden, so daß der Einwand der Beschwerdeführerin II unter Artikel 100 c) EPÜ nicht berechtigt ist.
3. Der geltende Anspruch 1 ist in seinem Oberbegriff und seinem Kennzeichenmerkmal b) vom erteilten Anspruch 1 abgedeckt; seine Kennzeichenmerkmale a), c), d), e) und f) gehen aus den erteilten Ansprüchen 2, 7 und 8 hervor, wobei beim Merkmal d) auch noch auf die Darstellung der erteilten Figur 9 bzw. der erteilten Seite 6 Abs. 2 mit 4 zurückgegriffen wurde. Gegenüber der erteilten Fassung ist der geltende Anspruch 1 durch die Aufnahme weiterer Merkmale damit erheblich eingeschränkt worden.
Die geltenden Ansprüche 2 bis 10 entsprechend den erteilten Ansprüchen 3, 4, 5, 6, 12, 13, 15 und 16.
Zusammenfassend genügt das geltende Schutzbegehren damit auch den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ, weil die Neufassung des unabhängigen Anspruchs im Laufe des Einspruchsverfahrens nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereiches geführt hat.
4. Zum Einwand unter Artikel 100 b) bzw. 83 EPÜ ist folgendes festzustellen:
Anspruch 1 spricht im Merkmal f) nur von einer konischen Fläche "35", ohne anzugeben, in welche Richtung die Neigung erfolgt. Gemäß Artikel 69 (1) EPÜ und zugehörigem Auslegungsprotokoll sind die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Die erteilten Figuren 9 und 11, vgl. Bezugszeichen "36, 37" und erteilte Seite 6, Z. 7 bis 15, machen es absolut klar, daß der Flansch "33" das zu sichtende Gut nach außen gegen die konische Fläche "37" schleudert, von wo es nach unten in die Kammer "10" umgelenkt wird ("and strikes against the truncated conical shaped inner wall 37 of the buffer member 36 and is diverted into the classification chamber 10"). Die Funktion der Prallfläche "37" ist damit klar beschrieben und ihre geometrische Anordnung ist eindeutig in den Figuren dargestellt, so daß der Fachmann bei Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen weiß, wie das strittige Merkmal f) auszulegen ist. Nach Auffassung der Kammer ist damit der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit des Patents) ebenfalls nicht gegeben.
5. Vorstehend wurde (oben unter den Abschnitten 2 und 4) aufgezeigt, daß die Einspruchsgründe nach Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ im vorliegenden Falle nicht durchgreifen. Im folgenden ist nunmehr das angefochtene Patent noch im Hinblick auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ zu prüfen.
5.1. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde ausdrücklich von allen Seiten anerkannt, daß D0 den gattungsbestimmenden Stand der Technik darstellt und daß der geltende Anspruch 1 demgegenüber zutreffend im Sinne von Regel 29 (1) (a) und (b) EPÜ abgegrenzt ist.
5.2. Aus Abschnitt 5.1 oben resultiert bereits die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1. Diese Frage war zwischen den Parteien nie strittig, so daß sich diesbezüglich weitere Ausführungen erübrigen.
5.3. Die Frage der Patentfähigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 konzentriert sich daher ganz auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
5.4. Zunächst ist der Stand der Technik zu diskutieren, der in diesem Zusammenhang und im gegebenen Verfahrensstadium zu berücksichtigen ist.
Wie vorstehend unter Abschnitt IX ausgeführt, bleiben die verspätet genannten Druckschriften D11 und D12 wegen Irrelevanz von allen weiteren Betrachtungen ausgeschlossen, wobei sich die Kammer diesbezüglich auf das ihr in Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumte Ermessen stützt.
Bezüglich D6 hat die Beschwerdeführerin II in der Verhandlung vor der Kammer den Nachweis geführt, daß die Versionen "1978" und "1981" identisch sind. D6 ist somit als vorveröffentlichtes Dokument anzuerkennen.
Zu D7 und D8 hat die Beschwerdeführerin II in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer selbst eingeräumt, daß sie diesbezüglich in Beweisnot sei.
Wie in der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 Absatz 2 VOBK vom 28. Juni 1990 angekündigt, bleiben D7 und D8 nachfolgend bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit unberücksichtigt.
5.5. Die Würdigung des aus D0 bekannten Windsichters ergibt, daß hieraus das tangentiale Zuführen des Sichtgutes zusammen mit einem Luftstrom zum Stand der Technik gehört, wobei das Grobgut über einen Trichter nach unten ausgetragen wird. Das Feingut wird ebenfalls nach unten ausgetragen. Insgesamt erfolgt die Gutzufuhr an einer einzigen Stelle, wobei das zu sichtende Gut nach Durchtritt durch den Kranz von Leitblechen "27" in den Rotorbereich "8" gelangt. Die Menge an Sichtgut, die mit einer derartigen Einrichtung maximal zu verarbeiten ist, ist erkennbar durch die einzige Eintragstelle "2" begrenzt. Beim Gegenstand der D0 spielt die Forderung nach einer Ausweitung der Sichtgutmenge bzw. nach einer Steigerung der Sichtgut-Trennqualität auch bei Vorliegen eines hohen Staubanteiles offenbar keine wesentliche Rolle, weil gezielte Maßnahmen in dieser Richtung D0 nicht entnehmbar sind.
Der vorliegenden Erfindung liegt aber die S. 2, Z. 51/52 der geltenden Unterlagen entnehmbare auf eben diesen Sachverhalt gerichtete Aufgabe ("object of the invention") zugrunde.
5.6. Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt erfindungsgemäß von einem gattungsgemäßen Windsichter gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 ausgehend, durch dessen Kennzeichenmerkmale a) bis f).
Damit wird folgendes erreicht:
Durch den Austritt des Feingutes nach oben (Merkmal a)) wird eine Trennung der Austrittsstellen von Fein- und Grobgut erzielt, so daß sich die diesbezüglichen Leitungen nicht mehr kreuzen wie beim Gegenstand der D0. Der mindestens eine horizontale Teilring "20" (Merkmal b)) führt zu einer horizontalen Aufteilung des Sichtraumes, so daß die Möglichkeit der Vermischung bzw. Entmischung von Strömen reduziert wird.
Die Zusatzeinlässe "28" erlauben eine Ausweitung der Menge an Sichtgut, die dem Windsichter maximal zuführbar ist, weil es sich hierbei zusätzlich zum tangentialen Eintrag des Sichtgutes um weitere Einlässe handelt, so daß insgesamt sowohl ein tangentiales als auch ein axiales Zuführen von Sichtgut gegeben ist.
Eng mit dem Merkmal c) (Zusatzeinlässe) verbunden sind die Merkmale d) und f). Während der Verteilteller "29" der Vergleichmäßigung des Zusatzeintrages bzw. der Auflösung von klumpigen Anteilen desselben dient, wird mit dem Merkmal f) erreicht, daß das gleichmäßig über den Umfang des Sichtraumes verteilte Gut vollständig in den Sichtraum eintritt, und zwar bevorzugt in diesen, nämlich durch die Mitteilung einer Bewegungskomponente in die Richtung zum Sichtraum hin.
Mit dem Merkmal e) wird schließlich die Stelle eingegrenzt, ab der der Rotor unwirksam ist, nämlich ab dem Übergang vom Sichtergehäuse "2" zum Austragstrichter "3". Aus Merkmal e) könnte darüber hinaus als Vorteil geltend gemacht werden, daß der Sichtraum, was seine axiale Längserstreckung anbelangt, eine niedrige Bauhöhe aufweist, weil der Rotor den gesamten zylindrischen Sichtraum ausfüllt.
Zusammenfassend liegt nach Auffassung der Kammer mit dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 damit eine vollständige und brauchbare Lösung der vorstehend genannten Aufgabe vor.
5.7. Es verbleibt zu untersuchen, ob der hier zu berücksichtigende Stand der Technik den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nahelegt oder, anders ausgedrückt, ob der Fachmann der den Windsichter gemäß D0 kennt, durch den weiter zu berücksichtigenden Stand der Technik, nämlich in Form der D1 bis D6 sowie D9 und D10 in Kombination mit seinem Fachwissen auf den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 - auch ohne dessen vorherige Kenntnis -hingelenkt wird oder nicht.
5.8. Von geringer Bedeutung bei der Untersuchung dieser Frage sind die Druckschriften D1 bis D4 und D6. Die erstgenannte Druckschrift vermittelt allenfalls die Lehre, daß das zu sichtende Gut an einer Stelle von oben einbringbar und daß das Feingut nach oben austragbar ist. Die eigentliche Problematik des vorliegenden Falles (d. h. Leistungssteigerung) ist in D1 hingegen ebensowenig angesprochen wie in D3/D4, die Windsichter ohne Rotor und damit etwas ganz anderes beinhalten als der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1. D2 stimmt bezüglich der Guteinbringung mit D1 überein, da auch bei deren Windsichter das zu sichtende Gut von oben eingetragen wird. Zu D6 ist festzuhalten, daß sie bezüglich Gutein- und Feingutauslaß mit der D1 übereinstimmt und allenfalls hinsichtlich der horizontalen Rotorunterteilungen darüber hinausgeht, vgl. S. 3 Bilddarstellung der Type "CV". D1 bis D4 und D6 haben in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer keinerlei Rolle mehr gespielt, so daß vorstehende Ausführungen als genügend angesehen werden.
5.9. Zentraler Diskussionspunkt der mündlichen Verhandlung war die Lehre der D9. Die Beschwerdeführerinnen sahen sie bezüglich der Gattungsmerkmale gegenüber D0 nahezu als gleichwertig an und vertraten schriftlich wie mündlich die Auffassung, daß die kennzeichnenden Merkmale b), c), d) und f) des geltenden Anspruchs 1 aus D9 bekannt seien. Die Beschwerdegegnerin widersprach diesen Ausführungen vor allem mit dem Argument der rückschauenden Interpretation der D9, aber auch mit dem Hinweis darauf, daß dem Fachmann andere, nicht beanspruchte Lösungen zur Verfügung gestanden hätten und daß die Kopfkonstruktion von D9 grundverschieden zu derjenigen des in Anspruch 1 beanspruchten Gegenstandes sei, wobei auch noch die Arbeitsprinzipien gemäß geltendem Anspruch 1 und D9 unterschiedlich seien.
5.10. Welche Lehre ist nun aus D9 bekannt? Zunächst fällt auf, daß nur eine Möglichkeit der Gutzufuhr, nämlich von oben über "79, 78" gegeben ist. D9 geht somit bezüglich des tragenden Gedankens des geltenden Anspruchs 1 nicht über D0 (ebenfalls eine einzige Gutzuführung) hinaus, so daß zunächst schon zu fragen ist, ob der Fachmann, der vor dem Problem der Leistungssteigerung des Windsichters (d. h. mehr Sichtgut zuzuführen) steht, D9 überhaupt berücksichtigen wird, weil er über die Möglichkeiten der Leistungssteigerung aus D9 nichts erfährt, übrigens auch nicht aus D0 und D5, die beide eine einzige Gutzufuhrstelle beinhalten. Insofern ist den Druckschriften D0, D5 und D9 das Merkmal c) des geltenden Anspruchs 1 insgesamt nicht entnehmbar. Wenn weiter berücksichtigt wird, daß erst das Merkmal c) die Basis schafft für die unmittelbar damit zusammenhängenden Merkmale d) und f) des geltenden Anspruchs 1, ist erkennbar, daß bereits ein ganzer Merkmalskomplex aus dem Stand der Technik nicht entnehmbar ist.
Das Merkmal f) des geltenden Anspruchs 1, d. h. konische Umlenkfläche "36, 37", ist überhaupt nicht als bekannt nachgewiesen worden. Die Fläche "31" der D9 stellt wohl eine Prallfläche für das nach außen geschleuderte Gut dar, aber diese Fläche lenkt das Gut nach oben genauso wie nach unten um, nämlich zufällig, und ist mit der gerichteten Umlenkfläche "37" gemäß Merkmal f) des Anspruchs 1 nur bedingt vergleichbar. Während bei letzterem die Scheibe "29" ein reiner Verteilteller ist, muß davon ausgegangen werden, daß beim Gegenstand der D9 der Gutverteiler "29" eine andere Aufgabe hat, vgl. Sp. 2, Z. 36 bis 42, nämlich das Sichtgut in Verbindung mit der gerippten Prallfläche 31 ("corrugated lining 31 of housing 15 ...") aufzubrechen und klumpige Anteile des zugeführten Sichtguts zu reduzieren. An keiner Stelle des Streitpatents ist ein Hinweis darauf entnehmbar, daß das Bauteil "37" etwas anderes bewirken sollte, als das Sichtgut umzulenken. Es ist demzufolge auch nicht gerippt ausgestaltet wie die Fläche "31" der D9. Somit ist der Schluß berechtigt, daß das Merkmal f) des geltenden Anspruchs 1 von D9 nicht berührt ist. Obwohl die zu sichtenden Materialien, Mineralstoffe beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 und Mehl bei der D9 (vgl. Sp. 9, Z. 16), patentrechtlich unbeachtlich sind, weil eine Materialangabe im Anspruch 1 fehlt und wäre sie vorhanden, wäre sie aller Wahrscheinlichkeit nur als Fakultativmerkmal zu werten, hat das zu sichtende Material, was die Kopfkonstruktion und die Strömungswege des Sichtgutes (Fein- bzw. Grobanteil) anbelangt, erkennbar doch einen erheblichen und differenzierenden Einfluß auf die Gestaltung des Windsichters. Dieser Überlegung steht auch das Argument der Beschwerdeführerin I nicht entgegen, wonach sowohl beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 als auch dem der D9 der Sichtraum jeweils die Form eines Ringraumes aufweist, in den von oben Sichtgut zugeführt wird.
Schon hieraus müssen sich grundlegend andere Strömungswege gegenüber der D9 ergeben, deren Ziel es u. a. ist, vgl. Sp. 1, Abs. 3, daß sich die Wege des Fein- und des Grobanteils nicht kreuzen. Während beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 das Fein- und das Grobgut in verschiedenen Richtungen, aber dennoch jeweils axial ausgetragen wird, erfolgt das Austragen bei D9 im wesentlichen radial, und zwar unmittelbar benachbart sowohl für das Grob- als auch für das Feingut.
Das Argument der Beschwerdegegnerin bezüglich verschiedener Wirkmechanismen der zu vergleichenden Sichter ist damit nicht von der Hand zu weisen.
Die Beschwerdeführerinnen haben weiterhin die Tragarme "18, 18" der D9 als Elemente interpretiert, die den (einzigen) Sichtgutstrom gewollt in einen Mehrfachstrom unterteilen. In Übereinstimmung mit der Auffassung der Beschwerdegegnerin vermag die Kammer dieser Merkmalsinterpretation nicht zu folgen, da für sie die Elemente "18, 18" nichts anderes sind als Tragarme für das obere Rotorlager, welches sich damit am Gehäuse des Windsichters abstützen kann. Wenn weiter berücksichtigt wird, daß D9 keinen Feingutaustrag nach oben (Merkmal a)) und keinen Trichter für den Grobgutaustrag beinhaltet, wird erkennbar, daß nicht nur das Merkmal b) (Höhenlage der Scheibe "8" des Rotors in bezug auf den Trichter "3") von D9 nicht vorweggenommen sein kann, weil es einen Trichter zwingend voraussetzt, sondern daß auch durch den Feingutaustrag der D9 nach unten insgesamt andere Strömungswege vorliegen als beim Gegenstand desgeltenden Anspruchs 1, wobei der Hinweis auf den erfindungsgemäßen Feingutaustrag nach oben, also entgegen der Schwerkraft genügen dürfte. Unstrittig entnehmbar sind der D9 das Merkmal b) des geltenden Anspruchs 1, da auch dort mit den Ringen "49" mindestens eine horizontale Unterteilung des Rotors realisiert ist bzw. das Merkmal d) des geltenden Anspruchs 1 (horizontaler Verteilerteller "29").
Vorstehende Ausführungen zur D9 zeigen auf, daß D9 weder die Kennzeichenmerkmale a), c), e) und f) noch die Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Anspruchs 1 erfüllt, da, wie ausgeführt wurde, der Austragstrichter in D9 fehlt, und mit "83" ein Auslaß für das Feingut vorliegt, der nicht als koaxial mit der Rotorwelle bezeichnet werden kann, weil beim Gegenstand der D9 das Feingut einer Spirale folgend ausgetragen wird. Der Grobguteintrag ist bei D9 nicht tangential, sondern axial vorgesehen.
5.11. Die Beschwerdeführerinnen haben insgesamt nicht überzeugend darlegen können, daß der Fachmann die Kombination von D0 und D9 tatsächlich ins Auge fassen würde. Wie die Einzeluntersuchung der Kennzeichenmerkmale des geltenden Anspruchs 1 vorstehend verdeutlichte, hätte selbst bei gleichzeitiger Betrachtung von D0 und D9 kein direkter Weg zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 geführt.
Die Beschwerdeführerinnen haben zwar ausgeführt, daß der Fachmann zur Leistungssteierung die pneumatische Gutförderung ohne weiteres kombinieren würde mit einer zusätzlichen, auf Schwerkraft basierenden Gutzuführung, sie haben aber diese Überlegung anhand des zur Verfügung stehenden Standes der Technik oder anhand der Darlegung fachmännischen Vorgehens nicht so belegen können, daß daraus ein die Kammer überzeugendes Argument hätte erwachsen können. Die Kammer ist damit letztendlich zu der Überzeugung gelangt, daß vor allem die D9 rückschauend interpretiert wurde.
Zwar wurden auch noch die D5 und die D10 im Zusammenhang der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ins Feld geführt, aber D5 zeigt deutlich, daß sie in den hier interessierenden Merkmalen nicht weiter reicht als D9, da wie bei D9 ein einziger, oberer Guteintrag, sowie horizontale Rotorunterteilungen vorliegen, da die Schleuderscheibe "79" unterhalb des Rotors und dem Guteintrag gegenüberliegend angeordnet ist bzw. da D10 schon deshalb weit ab vom Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 liegt, weil nur ein einziger Guteintrag und noch dazu von unten vorliegt. Unstrittig ist der Feingutaustrag bei D10 nach oben vorgesehen, was mit dem Merkmal a) des geltenden Anspruchs 1 übereinstimmt.
6. Die Parteien waren insgesamt mit der Kammer in dem Punkte einig, daß der geltende Anspruch 1 eine Kombinationserfindung darstellt. In Anlehnung an die Entscheidung T 37/85, vom 13. Januar 1987 (Leitsatz veröffentlicht in ABl. EPA 1988, 86), in der eine Kombinationserfindung zu beurteilen war, vertritt die Kammer im vorliegenden Fall die Auffassung, daß zwar einzelne Merkmale des geltenden Anspruchs 1 (nicht alle!) als bekannt nachgewiesen werden konnten, daß hieraus aber nicht auf das Naheliegen der Kombination zu schließen sei, weil seitens der Beschwerdeführerinnen nicht schlüssig dargelegt werden konnte, daß D0, D5, D9 und D10 einzeln oder in irgendwelchen Kombinationen untereinander zwingend zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 führen.
Dem Fachmann, der vor der Aufgabe steht, den Windsichter gemäß D0 in Richtung Leistungssteigerung bzw. Erhöhung der Sichtungseffektivität zu verbessern, steht grundsätzlich nicht nur der Lösungsweg des geltenden Anspruchs 1 offen.
Um die Gutzufuhr zu erhöhen, hätte sich vor allem ein weiterer, wiederum pneumatischer Sichtguteintrag angeboten, z. B. in diametraler Anordnung, auch ein dritter oder vierter pneumatischer Sichtguteintrag wäre durchaus denkbar, wenn es gilt mehr Gut zu fördern. Beispiele in dieser Richtung liefert die D9, in der z. B. im Zusammenhang mit der Zufuhr von Sichtluft bzw. dem Grobgutauslaß von dem Gedanken der Mehrfachrealisierung eines Strömungskanals Gebrauch gemacht wurde. Die erfindungsgemäße Gutzufuhr, nämlich einerseits tangential und an mehreren Stellen zusätzlich axial, ist insgesamt im gesamten vorliegenden Stand der Technik ohne Vorbild; insofern ist es verständlich, daß die Beschwerdeführerinnen in diesem Zusammenhang in ihrer Argumentation auf den "Fachmann" zurückgegriffen haben. Wie vorstehend aufgezeigt wurde, stand dem Fachmann diese Erkenntnis aber nicht zur Verfügung, da sie Bestandteil einer "Erfindung" ist, vgl. geltender Anspruch 1, und da die Kammer vom Fachmann eine andere, vorstehend genannte Möglichkeit erwartet hätte. So gesehen, ist die beanspruchte Aufgabenlösung bezüglich der Gutmenge schon eine Auswahl aus mehreren Möglichkeiten.
Zusammenfassend kommt die Kammer damit zu dem Ergebnis, daß der zu berücksichtigende, druckschriftlich belegte Stand der Technik und das einem Fachmann zu unterstellende Wissen dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 auch im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) nicht entgegenstehen.
7. Das Patent hat daher im Umfang des vorstehend diskutierten geltenden Anspruchs 1, ansonsten im Umfang der weiter der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Unterlagen, Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.