T 0722/92 (Reaktionsgefäß/SULZER) 20-04-1994
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Reaktionsgefäß
Änderung der Ansprüche - Hilfsantrag Ib und Id - Zulässigkeit verneint
Neuheit - Hauptantrag (nein) - Hilfsantrag Ia (nein) - Hilfsantrag Ic (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
Amendments - agreed by Boards of Appeal
Novelty (yes)
Inventive step - remittal to Opposition Division
I. Auf die europäische Patentanmeldung 85 100 494.5 wurde das europäische Patent 0 182 955 auf der Grundlage von elf Ansprüchen erteilt, wobei Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"1. Reaktionsgefäss für einen Methan-Reaktor zur anaeroben Behandlung von verunreinigten Flüssigkeiten, insbesondere von Abwässern, mit einem Reaktionsraum, der von einem gegen die Umgebung abgeschlossenen Gasraum überlagert ist und mit mindestens einer im Bereich des Flüssigkeitsniveaus (11) angeordneten Zwischenwand (17), die vom Reaktionsraum (8) einen Teilraum (19) abtrennt, dadurch gekennzeichnet, daß in dem Teilraum (19) mindestens ein Schrägklärer (20) zur Trennung der Biomasse von der Flüssigkeit vorgesehen ist.
II. Gegen die Patenterteilung legte der Beschwerdegegner (Einsprechender) unter Bezugnahme auf acht Dokumente Einspruch ein. Hiervon ist lediglich das Dokument
(1) CH-A-634 803
für diese Entscheidung von Bedeutung geblieben.
III. Die Einspruchsabteilung hat das Patent wegen mangelnder Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 widerrufen und dies im wesentlichen wie folgt begründet:
Aus den Figuren 1 und 2 sowie der dazugehörigen Beschreibung gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik nach Dokument (1) sei eine gattungsgleiche Vorrichtung, die alle Merkmale des Anspruches 1 des Streitpatentes aufweise, bekannt. Die Einwände der Patentinhaberin, daß eine andersartige relative Anordnung der Trennwand und des Gasraumes zum Reaktorraum bei Dokument (1) vorläge, könnten nicht greifen, da im Ringraum, den die dort vorhandene sogenannte Wand (4) begrenze, ein, wenn auch langsamerer bzw. weniger intensiver aber vorhandener Reaktionsablauf stattfinde und demzufolge auch die geforderte Überlagerung des Gasraumes, die gleichermaßen in Dokument (1) erwähnt sei, unmittelbar gegeben sei. Außerdem sei klar, daß erfindungsgemäß der Gasraum nicht zwingend direkt oberhalb des Reaktionsraumes angeordnet werden müsse. Ferner könnten alle Argumente, die darauf gerichtet seien, durch eine andersartige Funktion des Schrägklärers gemäß Streitpatent Unterschiede gegenüber der Lehre von Dokument (1) aufzuzeigen, ebenfalls nicht helfen, da zweifelsohne ein Zusammenhang zwischen der Anbringung des dort "Einrichtung mit Lamellen" genannten Baulementes und dem Trennvorgang der Biomasse von der Flüssigkeit bestehe und in beiden Fällen die Schrägklärer in dem in Anspruch 1 des Streitpatentes definierten Teilraum lägen.
IV. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde erhoben. Zusammen mit der Beschwerdebegründung wurden mehrere alternative Anspruchsfassungen vorgelegt und hierzu insbesondere folgende Argumente vorgetragen:
Entgegen der Funktionsweise des Flockenbildners oder Separators gemäß Dokument (1), der sich nicht im Sedimentierabteil oder Teilraum oberhalb des Reaktionsraumes befände und bei dem die Flockenbildung dazu diene, bei der nachfolgenden Sedimentation im Teilraum lediglich die Effizienz des Trennvorganges zu verbessern, trete beim Schrägklärer des erfindungsgemäßen Reaktionsgefäßes das zu trennende Gemisch am unteren Ende des Separators ein, verteile sich auf die Lamellenzwischenräume, und während des Durchströmens eines solchen Zwischenraumes sinke die Biomasse ab, wobei sich einerseits ein Schlammstrom, der auf der unteren Lamelle im Gegenstrom fließe, und andererseits ein Strom geklärten Wassers sich an der Gegenseite des Lamellenzwischenraumes bildete, also ausgehend vom Gemisch Flüssigkeit/Biomasse zwei getrennte Ströme erzeugt würden. Auch sei besagte Trennung tatsächlich durchführbar, und zwar sei zum Abzug der abgetrennten Reinflüssigkeit eine auf dem Schrägklärer angeordnete Sammelrinne und zur Abscheidung der Biomasse eine Schlammsammeltasche unterhalb des Schrägklärers vorgesehen.
Als weiterer Unterschied sei gemäß Dokument (1) zwischen Reaktionsraum und Gasraum ein als Sedimentierabteil ausgebildeter Teilraum angeordnet, wohingegen beim Streitpatent der Gasraum und der Reaktionsraum im sogenannten Flüssigkeitsspiegel (11) eine gemeinsame Grenze hätten, was durch das Wort "überlagern" zum Ausdruck komme. Daher sei in der Anspruchsfassung dieser Ausdruck auch eng auszulegen, da erst dann zum Ausdruck komme, daß der Reaktionsraum beim Streitpatent ein beträchtlich größeres Teilvolumen des gesamten Reaktionsgefäßes als bei der Entgegenhaltung (1) einnehme.
Da ferner im Ringraum gemäß Dokument (1), den die Einspruchsabteilung dem Reaktionsraum zugeordnet habe, und in dem durch die aufsteigenden Gasblasen zwar auch ein geringer Stoffaustausch stattfinde, dem aber offensichtlich der Nachschub an nährstoffhaltigem Wasser fehle und dieser Bereich hinsichtlich der Flüssigkeitsführung somit einen Totraum bilde, sei auch die zylindrische Wand des Sedimentierabteils bei diesem Stand der Technik nicht mit der im Streitpatent genannten Zwischenwand im Bereich des Flüssigkeitsniveaus vergleichbar.
Zusätzlich zeige Figur 2 von Dokument (1) unter der Annahme, daß im Raum innerhalb des sogenannten vertikalen Kanals (7) ein Separator angeordnet sei, je nach dem, ob man diesen Raum dem Sedimentierabteil oder dem Reaktionsraum zurechne, Unterschiede zum Streitpatent dahingehend, daß entweder der Gasraum den Teilraum nicht überlagere oder der Separator sich nicht im Teilraum befinde.
V. Der Beschwerdegegner hat diesem Vorbringen widersprochen und dabei im wesentlichen folgendes geltend gemacht:
Es sei festzustellen, daß die Aufgabe der Flockungseinrichtung oder des Separators beim Stand der Technik nach Dokument (1) wie beim Streitpatent die Trennung der Biomasse von der Flüssigkeit sei. Insbesondere seien die Aussagen der Beschwerdeführerin zur Funktion des Schrägklärers nicht durch die Ansprüche der Streitpatentschrift gedeckt, und auch die geänderte Formulierung in Hilfsantrag Ia unter Einbezug der Worte "..Klärung.." und "..Abscheidung.." sei inhaltlich der Angabe "zur Trennung der Biomasse von der Flüssigkeit..." in Anspruch 1 des Streitpatentes gleichzusetzen. Ferner sei die Angabe im Oberbegriff des Hilfsantrages Ib "... und mit einem Teilraum (19) zum Trennen von Biomasse und Flüssigkeit, welcher im Bereich des Flüssigkeitsspiegels (11) angeordnet ist,.." an keiner Stelle der Streitpatentschrift offenbart. Schließlich sei die Einschränkung im Kennzeichen der Hilfsanträge Ic und Id, gemäß der zum Abzug der abgetrennten Reinflüssigkeit eine Sammelrinne und zur Abscheidung der Biomasse eine Schlammsammeltasche vorgesehen ist, bereits aus dem Stand der Technik bekannt. Außerdem sei die Sammelrinne nicht als erfindungswesentlich im Streitpatent offenbart. Was den Verfahrensanspruch nach Hilfsantrag II betreffe, so stelle dieser keine Klarstellung des Patentbegehrens dar und sei daher unzulässig. Abgesehen davon, sei dieser auch neuheitsschädlich durch Dokument (1) vorweggenommen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag); hilfsweise das Patent mit einem der Hilfsanträge Ia bis Id oder Hilfsantrag II gemäß Schriftsatz vom 30. Juli 1992 (eingegangen am 3. August 1992) aufrechtzuerhalten. (Nähere Angaben zur jeweiligen Fassung des Hauptanspruchs unter Punkt 2.1, 3.1, 4.1, 5.1 und 6 der Entscheidungsgründe.)
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und den Widerruf des europäischen Patents zu bestätigen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Gegen die erteilten Ansprüche bestehen keine Einwände unter Artikel 123 EPÜ, da sie sich von den ursprünglich eingereichten Ansprüchen lediglich durch eine Änderung der Grenze zwischen Oberbegriff und Kennzeichen in Anspruch 1 unterscheiden. Der erteilte Anspruch 1 (siehe Punkt I oben) entspricht somit seinem sachlichen Inhalt nach dem ursprünglich eingereichten Hauptanspruch.
2.2. Der Gegenstand des Streitpatentes betrifft ein Reaktionsgefäß für einen Methan-Reaktor zur anaeroben Behandlung von verunreinigten Flüssigkeiten.
2.3. Es ist zunächst zu überprüfen, ob der Widerruf des Streitpatentes durch die Einspruchsabteilung wegen mangelnder Neuheit gegenüber Dokument (1) Bestand haben kann.
2.3.1. Der zylindrische Tank (1) der Vorrichtung nach Figur 1 von Dokument (1) ist zweifellos dem beanspruchten Reaktionsgefäß, bestehend aus einem kreiszylindrischen Behälter (1) (vgl. Spalte 2, Zeilen 58/59 des Streitpatentes), gleichzusetzen. Im oberen Teil dieses bekannten Reaktionsgefäßes befindet sich ein Sedimentierabteil (4), das aus einer zylindrischen Wand und einem Boden (5), der zur Mitte hin nach unten geneigt ist, gebildet wird. Aufgrund der dort gewählten (koaxialen) Anordnung der zylindrischen Wand und der Wand des Reaktionsgefäßes (Tank (1)) wird ein zentraler Teilraum vom Reaktionsgefäß abgetrennt und ein Ringraum (13) gebildet (vgl. Seite 4, linke Spalte, Zeile 63, bis rechte Spalte, Zeile 12). Gemäß der in Dokument (1) beschriebenen Verfahrensweise strömen die Prozeßgase zum größten Teil längs des geneigten Bodens (5) zum Ringraum (13) und werden oberhalb dieses Raumes in einem Sammelbehälter gesammelt (vgl. Seite 4, rechte Spalte, Zeilen 13 bis 23). Der Flüssigkeitsspiegel ist hierbei in Figur 1 im oberen Teil des Ringraumes (13) durch eine gestrichelte Linie angedeutet und wird also zumindest in dieser Ausführungsform zwangsläufig von einem Raum überlagert, der mit Gasen gefüllt ist, die unmittelbar aus dem Reaktionsraum aufsteigen. Aufgrund dieser eindeutigen Offenbarung, welche die beispielhafte schematische Darstellung der relativen Lage der Einbauten im Reaktionsgefäß selbstverständlich mitumfaßt, ist für die Kammer der Vortrag der Beschwerdeführerin, es bestehe gegenüber dem Streitpatent der wichtige Unterschied, daß in Dokument (1) der als Sedimentierabteil ausgebildete Teilraum (4) zwischen Reaktionsraum und Gasraum angeordnet ist, nicht nachvollziehbar. Figur 1 aus Dokument (1) zeigt nämlich nichts weiter als die aus der Beschreibung zu erwartende Ausgestaltung eines kontinuierlichen Flüssigkeitsbereiches zwischen dem Boden des Reaktionsraumes entlang der kreiszylindrischen Gefäßwand (Tankwand (1)) bis zum angedeuteten Flüssigkeitsspiegel im Ringraum (13), wobei die zur Abgrenzung des Sedimentierabteils (4) vorgesehene zylindrische Wand des Ringraumes (13) bis über besagten Flüssigkeitsspiegel hinausragt. Im übrigen zeigt ein direkter Vergleich mit der Ausgestaltung nach den Figuren 5 und 6 der Streitpatentschrift, daß eine derartige Aufteilung des Reaktionsgefäßes durch die sogenannte Zwischenwand in einen zentralen Teilraum und einen, dem Reaktionsraum zuzurechnenden äußeren Bereich, dem beanspruchten Gegenstand nicht wesensfremd gegenüber stehen kann, umsomehr als der Wortlaut von Anspruch 1 des Hauptantrages eine solche Aufteilung auch keineswegs ausschließt. Es heißt in der Streitpatentschrift sogar wörtlich: "Bei der wiederum stark schematisch wiedergegebenen dritten Ausführungsform" - (gemeint ist hier das Ausführungsbeispiel nach den Figuren 5 und 6) - "trennt die Zwischenwand (17) zentral einen quaderförmigen Teilraum (19) vom Reaktionsraum (8) ab" (siehe Spalte 2, Zeilen 50 bis 53 und Spalte 4, Zeilen 46 bis 50).
Der Umstand, daß gemäß Dokument (1) die zylindrische Wand und der Boden (5) des Sedimentierabteiles (4) einen zentralen Bereich aus dem Gesamtvolumen des Reaktionsgefäßes abtrennen, kann daher bei nicht ausdrücklich ausgeschlossenem Flüssigkeits- bzw. Stoffaustausch, wie von der Einspruchsabteilung zu Recht angeführt, lediglich quantitative Unterschiede im Reaktionsaufkommen in den verbleibenden Bereichen des Reaktionsgefäßes begründen, jedoch keinesfalls zu dem Schluß führen, daß dort der Ringraum (13) vorrichtungsgemäß nicht mehr dem Gesamtvolumen des Reaktionsgefäßes und somit auch nicht mehr dem Begriff Reaktionsraum zuzuordnen ist. In Abwesenheit jeglicher technischer Informationen zu absoluten Größenverhältnissen und Strömungsparametern sowohl in Dokument (1) als auch im Streitpatent muß somit auch die Argumentation der Beschwerdeführerin, die ein Totvolumen bzw. Totraum im Ringraum (13) bei Dokument (1) voraussetzt, ins Leere gehen.
Es mag zwar sein, wie von der Beschwerdeführerin noch vorgetragen, daß in den Figuren zum Streitpatent, z. B. in den Figuren 1 bis 4, der sogenannte Teilraum (19) gegenüber dem Reaktionsraum (8) relativ klein erscheint und somit der Eindruck eines großen verbleibenden Teilvolumens des Reaktionsgefäßes nach Abtrennung durch die Zwischenwand (17) entsteht; konkrete Volumenverhältnisse lassen sich aber weder auf der Grundlage des Wortlautes von Anspruch 1, noch aus der Beschreibung des Streitpatentes (auch nicht den einzelnen Ausführungsbeispielen) oder aus den stark schematisierten Figuren 1 bis 7 herleiten, so daß auch dieses Argument nicht geeignet ist, einen wesentlichen Unterschied gegenüber dem in Dokument (1) beschriebenen Reaktionsgefäß glaubhaft zu machen.
Der gesamte Vortrag der Beschwerdeführerin kann somit nichts an der Sachlage ändern, daß das Sedimentierabteil (4) nach Figur 1 von Dokument (1) dem Teilraum (19) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages vorrichtungsgemäß gleichzusetzen ist und der verbleibende Gesamtbereich des bekannten Reaktionsgefäßes, der eindeutig als Reaktionsraum zu bezeichnen ist, von einem gegen die Umgebung abgeschlossenen Gasraum überlagert wird, woraus sich zwangsläufig ergibt, daß die zylindrische Wand des Sedimentierabteiles (4) mit der nunmehr beanspruchten Zwischenwand (17) im Bereich des Flüssigkeitsniveaus (11) des Reaktionsgefäßes gleichzusetzen ist.
2.3.2. Gemäß den Angaben in Dokument (1) erfolgt die eigentliche Trennung des Schlammes vom Wasser, also der Biomasse von der Flüssigkeit, im Sedimentierabteil (4), wobei das zu trennende Gemisch diesem Abteil durch einen vertikalen Kanal (7) zugeführt wird. Hierzu soll in einer alternativen Ausführungsform die Vorrichtung nach Figur 1 eine Flockungseinrichtung an sich bekannter Art, z. B. eine Einrichtung mit Lamellen in einem Ringraum zwischen dem vertikalen Kanal (7) und einer äußeren (koaxial) angeordneten Abschirmung (12), die innerhalb des Sedimentierabteiles (4) einen Kurzschlußstrom des eingeleiteten Schlamm/Wasser-Gemisches zur Ablaufrinne vermeiden soll, aufweisen (vgl. Seite 4, rechte Spalte, Zeilen 24 bis 34 sowie 53 bis 61). Da, wie bereits unter Punkt 2.3.1 oben aufgezeigt, der zur Mitte hin geneigte Boden (5) und eine zylindrische Wand das Sedimentierabteil begrenzen, ist besagte Einrichtung mit Lamellen auch beim Stand der Technik per definitionem in einem dem jetzt beanspruchten Teilraum (19) entsprechendem Bereich des Reaktionsgefäßes angeordnet.
Außerdem enthält das Streitpatent keine nähere Spezifizierung des beanspruchten Schrägklärers (20). Das Argument der Beschwerdeführerin, daß beim Schrägklärer des Reaktionsgefäßes nach dem Streitpatent das zu trennende Gemisch am unteren Ende des Separators eintritt und das Gemisch sich auf "die Lamellenzwischenräume" verteilt, ist daher keineswegs geeignet, die Auffassung der Einspruchsabteilung zu widerlegen, daß in Abwesenheit weiterer Angaben der in Rede stehende Schrägklärer vorrichtungsgemäß der Einrichtung mit Lamellen gemäß Dokument (1) gleichzusetzen ist. Darüber hinaus bestätigt die Präzisierung der Aufgabe dieser bekannten Einrichtung, nämlich "kleine Schlammteilchen zu größeren Flocken zu koagulieren, die sich rascher absetzen können" (Flockungsbildner, vgl. Seite 4, rechte Spalte, Zeilen 53 bis 59), daß speziell dieses Vorrichtungsteil innerhalb des Sedimentierabteiles (4) die Effizienz der Trennung der Biomasse von der Flüssigkeit erhöhen soll, also somit in der Funktion zur Trennung der Biomasse von der Flüssigkeit vorgesehen ist.
2.3.3. Daß aufgrund der Breite der gewählten Formulierungen der Wortlaut des Anspruches 1 des Hauptantrages auch die von der Beschwerdeführerin dargelegte Funktionsweise der Einrichtung mit Lamellen (Schrägklärer), nämlich Erzeugung von zwei getrennten Stoffströmen, bestehend aus Biomasse bzw. Reinflüssigkeit, durchaus möglich erscheint, ändert nichts an der Beurteilung, daß - wie weiter oben gezeigt - der beanspruchte Gegenstand durch den Stand der Technik nach Dokument (1) neuheitsschädlich vorweggenommen wird.
Bei dieser Sachlage ist es gleichfalls unerheblich, welche möglichen vorrichtungsgemäßen Unterschiede das Reaktionsgefäß nach Figur 2 von Dokument (1) gegenüber dem Streitpatent zeigt.
2.3.4. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrages nicht die Erfordernisse des Artikels 54 (1) EPÜ erfüllt. Infolgedessen kann dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden.
3. Hilfsantrag Ia
3.1. Anspruch 1 dieses Antrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich durch die Angabe, "..daß ein...Schrägklärer (20) vorgesehen ist, mittels dessen die Klärung der Flüssigkeit sowie Abscheidung der Biomasse durchführbar ist".
3.2. Zweifelsohne ist mittels der Einrichtung mit Lamellen als Vorrichtungsteil in der voranstehend unter Punkt 2.3.2 aufgezeigten Ausführungsform des Reaktionsgefäßes nach Figur 1 von Dokument (1) im Ergebnis die Klärung der Flüssigkeit sowie Abscheidung der Biomasse innerhalb des Sedimentierabteiles (4) durchführbar. Gegenteilige technische Informationen, die die Gesamtwirkung des Sedimentierabteiles (4) mit der Einrichtung mit Lamellen als Flockenbildner zur Trennung des Schlamm/Wasser- Gemisches in Frage stellen würden, liegen jedenfalls nicht vor. Die Kammer hat daher dem bereits Gesagten nichts hinzuzufügen.
Aus diesen Gründen folgt, daß auch der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrages Ia nicht die Erfordernisse des Artikels 54 (1) EPÜ erfüllt. Infolgedessen kann diesem Hilfsantrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden.
4. Hilfsantrag Ib
4.1. Anspruch 1 dieses Antrages unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrages im wesentlichen durch die Streichung der sogenannten Zwischenwand (17) als Vorrichtungselement.
4.2. Wie auch von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, ist weder der ursprünglich eingereichten Anmeldung (siehe Seite 5, Zeilen 9 bis 23 und Anspruch 1), noch dem Streitpatent (siehe Spalte 3, Zeilen 32 bis 51 und Anspruch 1) ein Reaktionsgefäß zu entnehmen, bei dem allgemein ein sogenannter Teilraum (19) zum Trennen von Biomasse und Flüssigkeit im Bereich des Flüssigkeitsspiegels (11) angeordnet ist, ohne daß obligatorisch mindestens eine sogenannte Zwischenwand (17) im Bereich des Flüssigkeitsniveaus angeordnet ist.
4.3. Aufgrund des Umstandes, daß dieser beanspruchte Gegenstand in der ursprünglichen Offenbarung eindeutig keine Stütze findet und außerdem zu einer Erweiterung des Schutzbereiches führt, erfüllt Anspruch 1 dieses Hilfsantrages nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
Folglich kann auch diesem Hilfsantrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden.
5. Hilfsantrag Ic
5.1. Anspruch 1 dieses Antrages enthält zusätzlich zu den Vorrichtungsmerkmalen von Anspruch 1 des Hauptantrages die Angaben, daß
"ein Schrägklärer (20) vorgesehen ist, daß zum Abzug der abgetrennten Reinflüssigkeit eine auf dem Schrägklärer angeordnete Sammelrinne (26) und zur Abscheidung der Biomasse eine trichterartige Schlammsammeltasche (21) unterhalb des Schrägklärers vorgesehen ist, wobei eine Schlammrückführöffnung (24) in der Schlammsammeltasche (21) eine direkte Verbindung zwischen dem Teilraum (19) und dem Reaktionsraum (8) herstellt."
5.2. Die verallgemeinernden Angaben zur Anordnung der Sammelrinne und der Schlammsammeltasche in Anspruch 1 dieses Hilfsantrages lassen sich eindeutig aus dem Gesamtoffenbarungsgehalt der Ausführungsbeispiele nach den Figuren 1 bis 6 herleiten. Dabei ist es unerheblich, daß in der ursprünglichen Anmeldung die Sammelrinne (26) nicht als erfindungswesentlich offenbart wurde. Dieses Argument der Beschwerdegegnerin kann nicht greifen, da das EPÜ nur die Offenbarung eines Merkmales, nicht aber eine erfindungswesentliche Offenbarung desselben vorschreibt; dies gilt auch für den Fall, wenn Zeichnungen die Offenbarungsquelle sind (vgl. z. B. T 465/88 vom 19. März 1990 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht), insbes. die Punkte 2.4 und 2.6 der Entscheidungsgründe). Da die neue Merkmalskombination auch eindeutig eine Einschränkung des Schutzbereiches des beanspruchten Gegenstandes gegenüber der erteilten Fassung darstellt, bestehen gegen diesen Hilfsantrag keine Bedenken hinsichtlich Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
5.3. Eine derartige Ausgestaltung des Schrägklärers innerhalb eines gattungsgleichen Reaktionsgefäßes für einen Methan- Reaktor ist offensichtlich weder dem Stand der Technik nach Dokument (1) noch den übrigen im Verfahren bisher genannten Dokumenten in seiner Gesamtheit zu entnehmen. Dies ist auch von der Beschwerdegegnerin bisher nicht behauptet worden. Weitere Ausführungen zur Neuheit erübrigen sich daher.
Anspruch 1 des Hilfsantrages Ic erfüllt somit die Erfordernisse des Artikels 54 (1) EPÜ.
5.4. In der angefochtenen Entscheidung ist zwar ausgeführt, daß nicht erkennbar sei, inwiefern Merkmale der abhängigen Ansprüche oder der Beschreibung, sofern sie mit den Merkmalen des Anspruches 1 des derzeitigen Hauptantrages so kombiniert würden, daß Neuheit gegenüber Dokument (1) bestünde, eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten; es läßt sich daraus jedoch nicht entnehmen, aus welchen Gründen die Vielzahl der denkbar möglichen Merkmalskombinationen allesamt als naheliegend angesehen wurden. In diesem Zusammenhang möchte die Kammer daraufhin weisen, daß gemäß den Darlegungen der Beschwerdeführerin die Frage der erfinderischen Tätigkeit während der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren auch nicht zur Sprache gekommen ist. Aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 1992 läßt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Durch das im Vordergrund stehende Neuheitsproblem gab es dazu wohl auch keinen Anlaß. Bei dieser Sachlage ist es im vorliegenden Fall angezeigt, den Parteien die Möglichkeit zu gewähren, die noch ausstehende Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in einem zweiinstanzlichen Verfahren zu erörtern. Die Kammer macht daher von dem ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Ermessen Gebrauch, die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
6. Hilfsantrag Id und Hilfsantrag II
Beim derzeitigen Stand des Verfahrens gibt es für die Kammer eigentlich keinen Grund, sich in dieser Entscheidung mit den Hilfsanträgen Id und II auseinanderzusetzen. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit möchte die Kammer jedoch auf folgendes hinweisen.
Der Unterschied zwischen Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag Id und Hilfsantrag Ic besteht darin, daß in Hilfsantrag Id der Oberbegriff lediglich die Merkmale gemäß Hilfsantrag Ib enthält, die - wie unter Punkt 4 oben dargelegt - in unzulässiger Weise die obligatorische Zwischenwand (17) im Bereich des Flüssigkeitsniveaus unerwähnt lassen.
Diesem Hilfsantrag kann daher aus den gleichen Gründen wie Hilfsantrag Ib nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Grundlage der am 3. August 1992 eingegangenen Hilfsanträge Ic und II an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.