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T 0442/96 (Wabenkörper/EMITEC) 09-07-1997
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Elektrisch beheizbarer Wabenkörper
I. Die europäische Patentanmeldung 92 907 065.4 mit der Veröffentlichungsnummer 0 581 784 wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die am 7. März 1995 eingereichten Ansprüche 1 bis 3 und die am 17. Mai 1994 eingegangenen Ansprüche 4 bis 14 zugrunde. Der geänderte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Elektrisch beheizbarer Wabenkörper, der
a) eine Achse (1), einen die Achse (1) umgebenden Innenbereich (2) und einen von der Achse (1) beabstandeten Außenbereich (3) hat;
b) zwischen dem Innenbereich (2) und dem Außenbereich (3) zumindest einen aus zumindest einem Blech (4, 5) bestehenden Stapel (6) aufweist, der nach Art einer Spirale mit einer Vielzahl von Windungen um den Innenbereich (2) gewunden ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Windungen eine Mehrzahl von Windungen umfassen, die paarweise einander benachbart und voneinander beabstandet und elektrisch isoliert sind;
c) eine Vielzahl von Brücken (7, 8) aufweist, deren jede jeweils zwei einander benachbarte und voneinander beabstandete Windungen mechanisch und elektrisch miteinander verbindet; wobei
d) die Windungen und die Brücken (7, 8) einen mehrfach verzweigten Strompfad für einen zwischen dem Innenbereich (2) und dem Außenbereich (3) fließenden elektrischen Strom bilden."
II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß der geänderte Anspruch 1 bzw. die Streichung des Merkmals "wobei jede Windung vollständig zu dem Strompfad gehört" am Ende des Anspruchs die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfülle. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß gemäß der Rechtsprechung das Streichen eines Merkmals aus einem Anspruch nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße, sofern der Fachmann unmittelbar und eindeutig erkennen könne, daß (1) das Merkmal in der ursprünglichen Offenbarung nicht als wesentlich hingestellt worden sei, (2) es als solches für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der technischen Aufgabe, die es lösen solle, nicht unerläßlich sei; und (3) das Streichen keine wesentliche Angleichung anderer Merkmale erfordere (vgl. T 331/87, ABl. EPA 1991, 22). Diese Bedingungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Nach den ausdrücklichen Angaben in der Beschreibung vermeide die Erfindung, daß einzelne Abschnitte der Windungen von dem Fluß des elektrischen Stroms abgeschnitten und somit keine Bestandteile des Strompfades seien. Der Absatz auf den Seiten 3 und 4 der Beschreibung impliziere nicht das vollständige Abschneiden von Windungen oder deren Teilen vom Strompfad, da Inhomogenitäten in der Beaufschlagung des Wabenkörpers mit elektrischem Strom auch bereits durch abschnittsweise stärkere oder geringere Ströme hervorgerufen werden könnten.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben und eine Begründung hierzu eingereicht. Am 9. Juli 1997 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Beschwerdeführerin zwei Hilfsanträge überreicht hat.
IV. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Es sei klar, daß das Streichen des besagten Merkmales keinerlei Änderungen bei den anderen Merkmalen erforderlich mache. Der Fachmann erkenne auch sofort, daß dieses Merkmal für die Funktion der Erfindung nicht unerläßlich sei. Dies ergebe sich durch den ersten Absatz auf Seite 4 der Beschreibung. Weder bei der Lektüre der Aufgabe der Erfindung noch bei der Beschreibung der Lösung auf Seite 3, zweiter Absatz bis Seite 4, erster Absatz, werde der Fachmann darauf hingewiesen, daß jede Windung vollständig zum Strompfad gehören solle. Erst im zweiten Absatz auf Seite 4 werde auf das gestrichene Merkmal eingegangen. Der Fachmann werde jedoch das Merkmal als Ausführungsbeispiel verstehen, da es auch als "besonders vorteilhaft" bezeichnet werde und weil diesem Merkmal ein gesonderter Abschnitt gewidmet sei, wie dies bei Unteransprüchen üblich sei. Immer wieder werde im Laufe der Beschreibung der Fachmann darauf hingewiesen, daß die besonders gleichmäßige Anordnung der Brücken bevorzugt werde und jede andere Anordnung ungünstig sei, jedoch werde dadurch gleichzeitig auch offenbart, daß auch andere Anordnungen möglich seien, bei denen der eine oder andere Teil einer Windung nicht zum Strompfad gehöre.
In den ursprünglichen Unterlagen sei die Aufgabe auf erhöhte mechanische Haltbarkeit bei praktikabler Größenordnung des Widerstandes gerichtet, nicht jedoch auf eine möglichst homogene Verteilung der Beheizung. Die in der Beschreibung dazu zunächst beschriebene Lösung bestehe in zusätzlichen Brücken, die einen verzweigten Weg des elektrischen Stromes bewirkten, jedoch bezüglich des Widerstandes immer noch einen Kompromiß ermöglichen würden. Jedem Fachmann erschließe sich unmittelbar, daß zur Lösung der Aufgabe das ausschließlich auf die Homogenität gerichtete Merkmal "wobei jede Windung vollständig zu dem Strompfad gehört" nicht erforderlich sei.
Darüber hinaus gehe aus Seite 6, letzter Absatz, eindeutig hervor, daß jede einzelne Windung nicht vollständig zum Strompfad gehören müsse, da dort in axialer Richtung die Brücken nur über einem Teilbereich des Wabenkörpers angeordnet seien. Somit stünde das in Frage stehende Merkmal im Widerspruch zu einem konkreten Ausführungsbeispiel der Beschreibung, wenn es im Anspruch 1 nicht gestrichen wäre. Nach der Rechtsprechung sei die Streichung eines Merkmals in einem Anspruch dann zulässig, wenn sie nur der Klarstellung und/oder Behebung eines Widerspruchs diene (vgl. T 172/82, ABl. EPA 1983, 493).
V. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen (Hauptantrag) zu erteilen:
Ansprüche:
1. bis 3, eingegangen am 7. März 1995,
4. bis 14, eingegangen am 17. Mai 1994,
Beschreibung:
Seiten 1, 4 bis 14, wie ursprünglich eingereicht,
Seiten 2, 2a, eingegangen am 17. Mai 1994,
Seite 3, eingegangen am 7. März 1995.
Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags I oder II zu erteilen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 hauptsächlich durch drei Änderungen, nämlich das Hinzufügen des Merkmals, daß die voneinander beabstandeten Windungen auch elektrisch isoliert sind, die zweiteilige Untergliederung des Anspruchs und die Streichung des Merkmals "wobei jede Windung vollständig zu dem Strompfad gehört". Die zwei ersten Änderungen genügen zweifellos den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ. Nach der angefochtenen Entscheidung soll jedoch die besagte Streichung gegen das Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen.
Es ist daher zu untersuchen, ob durch die Streichung des Merkmals, daß jede Windung vollständig zu dem Strompfad gehört, der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
2.1. In der Begründung ihrer Entscheidung hat sich die Prüfungsabteilung auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern gestützt, insbesondere auf die in der Entscheidung T 331/87 (ABl. EPA 1991, 22) aufgezählten Bedingungen. Gemäß dieser Entscheidung "verstößt das Ersetzen oder Streichen eines Merkmals aus einem Anspruch nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ, sofern der Fachmann unmittelbar und eindeutig erkennen würde, daß 1. das Merkmal in der Offenbarung nicht als wesentlich hingestellt worden ist, 2. es als solches für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der technischen Aufgabe, die sie lösen soll, nicht unerläßlich ist und 3. das Ersetzen oder Streichen keine wesentliche Angleichung anderer Merkmale erfordert" (siehe Punkt 6 der Entscheidung T 331/87 und vgl. Punkt II des vorstehenden Sachverhalts).
2.2. Bei der Prüfung der Frage, ob der Fachmann unmittelbar und eindeutig erkennen würde, daß das gestrichene Merkmal für die Funktion der Erfindung unerläßlich ist oder nicht, muß die in der ursprünglichen Anmeldung angegebene technische Aufgabe, die die Erfindung lösen soll, berücksichtigt werden. Gemäß Seite 2 der ursprünglichen Beschreibung weisen die elektrisch beheizbaren Wabenkörper des Standes der Technik, bzw. die beheizbaren Wabenkörper gemäß WO 89/10470 und WO 89/10471, zumindest einen elektrischen Strompfad mit einem elektrischen Widerstand in der gewünschten Größenordnung auf, insbesondere in den Größenordnung um etwa 0,1 Ohm, jedoch können die in diesen Schriften ausgeführten Lösungen des Problems des elektrischen Widerstandes zu Schwierigkeiten führen, wenn die elektrisch zu beheizenden Wabenkörper hohen mechanischen Belastungen widerstehen müssen. Nach dem letzten Absatz der Seite 2 soll daher mit der vorliegenden Erfindung ein elektrisch beheizbarer Wabenkörper, d. h. ein elektrisch leitfähiger Wabenkörper mit einem elektrischen Widerstand in einer praktikablen Größenordnung, angegeben werden, der gegenüber den beheizbaren Wabenkörpern des Standes der Technik eine festere Struktur und damit eine verbesserte Haltbarkeit unter harten mechanischen Beanspruchungen aufweist. Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, ist die auf Seite 2 definierte Aufgabe auf erhöhte mechanische Haltbarkeit bei praktikabler Größenordnung des Widerstandes gerichtet, nicht jedoch auf eine möglichst homogene Verteilung der Beheizung.
In der auf Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung genannten Lösung dieses Problems ist das Merkmal, daß jede Windung vollständig zu dem Strompfad gehört, in Verbindung mit den anderen Merkmalen a), b), c) und d) angegeben. Aus dem folgenden Absatz auf Seite 3 der Beschreibung geht unmittelbar und eindeutig hervor, daß durch die erfindungsgemäßen Brücken zwischen einander benachbarten Windungen des Stapels, die einen verzweigten Weg des elektrischen Stroms durch den Wabenkörper bilden, sich ein reduzierter elektrischer Widerstand im Vergleich mit einem Wabenkörper ohne Brücken ergibt, dies jedoch zugunsten einer höheren mechanischen Stabilität. Durch die besagten Brücken wird ein Kompromiß erzielt, d. h. der Wabenkörper wird stabilisiert ohne unzuträgliche Verkleinerung des elektrischen Widerstandes des Strompfades. Das gestrichene Merkmal wird hier nicht als erforderlich oder wesentlich für die Lösung dieser Aufgabe dargestellt.
Gemäß Seite 4, Zeilen 2 bis 6, kann sich je nach Anordnung der Brücken eine leichte Inhomogenität der Beaufschlagung des Wabenkörpers mit elektrischem Strom und damit eine inhomogene Temperaturverteilung bei der Beheizung ergeben. Die Gründe weshalb diese Inhomogenität jedoch keine erheblichen Nachteile zeitigt, werden anschließend erklärt.
Erst im zweiten Absatz auf Seite 4 wird auf das in Frage stehende Merkmal eingegangen. Gemäß dieser Passage vermeidet die Erfindung, daß einzelne Abschnitte der Windungen von dem Fluß des elektrischen Stroms abgeschnitten werden und somit keine Bestandteile des Strompfades sind. Im folgenden Satz ist jedoch angegeben, daß dieses Merkmal zur Vermeidung größerer Inhomogenität der durch die Beheizung entstehenden Temperaturverteilung "besonders vorteilhaft" ist. In anderen Worten wird hier das Merkmal, daß jede Windung vollständig zum Strompfad gehört, als "besonders vorteilhaft" d. h. als besonders günstig oder bevorzugt für die Homogenität der Beheizung angesehen. Die Kammer hat Zweifel, daß unter Berücksichtigung der auf Seite 2 offenbarten technischen Aufgabe und der Diskussion über dessen Lösung auf den Seiten 3 and 4, der Fachmann unmittelbar und eindeutig erkennen würde, daß das für die Homogenität der Beheizung besonders günstige Merkmal für die Lösung der besagten Aufgabe, d. h. das Erzielen einer verbesserten mechanischen Haltbarkeit bei praktikabler Größenordnung des Widerstandes, unerläßlich ist.
In der weiteren Beschreibung sind die günstigeren Anordnungen der Brücken ausführlich offenbart, die zusätzlich das Erzielen einer gleichmäßigen Beaufschlagung des Wabenkörpers mit elektrischem Strom d. h. das Erzielen einer homogenen Verteilung der Beheizung ermöglichen. Im dritten Absatz auf Seite 5 ist in diesem Zusammenhang offenbart, daß eine allzu erhebliche Verringerung des Winkelabstandes zwischen zwei benachbarten Brücken dazu führt, daß mehr oder weniger große Abschnitte der Windungen von dem Stromfluß abgeschnitten werden und die Homogenität der Beheizung unbefriedigend wird. Aus dieser Information geht unmittelbar und eindeutig hervor, daß wenn kleine Abschnitte der Windungen nicht zum Strompfad gehören zwar keine optimale jedoch eine hinreichende Homogenität der Beheizung erreicht wird. Die auf Seite 2 erwähnte Aufgabe ist jedoch nicht auf die Erzielung einer optimalen Homogenität gerichtet. Diese Information bestätigt die Angabe auf Seite 4, zweiter Absatz, daß das gestrichene Merkmal eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung darstellt, die einen zusätzlichen Vorteil in bezug auf die Homogenität der Beheizung mit sich bringt. Die ursprüngliche Beschreibung enthält keine Information, aus der der Fachmann unmittelbar und eindeutig ableiten würde, daß es zum Erzielen einer verbesserten mechanischen Haltbarkeit, bei praktikabler Größenordnung des Widerstandes, erforderlich ist, daß jede Windung vollständig zum Strompfad gehört. Die Tatsache, daß dieses Merkmal zu einer verbesserten Homogenität der Beheizung führt, bedeutet nicht, daß es für das Erzielen eines Wabenkörpers mit erhöhter mechanischen Haltbarkeit und einem Widerstand in praktikabler Größenordnung erforderlich oder wesentlich ist.
Aus dem Umstand allein, daß das besagte Merkmal auf Seite 3, erster Absatz, der Beschreibung und im ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit den anderen Merkmalen a), b), c) und d) der Erfindung angegeben wird, kann nicht gefolgert werden, daß es wesentlich ist (siehe auch T 331/87, Punkt 6).
Die Streichung des besagten Merkmals aus dem Anspruch 1 erfordert keinerlei Änderung der übrigen im Anspruch 1 genannten Merkmale.
Die Kammer ist daher der Auffassung, daß im vorliegenden Falle die Bedingungen der Entscheidung T 331/87 erfüllt sind.
2.3. Aus alledem folgt, daß weder die Streichung des Merkmals "wobei jede Windung vollständig zum Strompfad gehört" in Anspruch 1, noch die anderen Änderungen gegen die Vorschriften des Artikels 123 (2) EPÜ verstoßen.
3. Es läßt sich aus der Akte nicht entnehmen, aus welchen Gründen die Prüfungsabteilung den Gegenstand des am 17. Mai 1994 eingegangenen Anspruchs 1 (d. h. vor Streichung des in Frage stehenden Merkmals) als patentierbar angesehen hat. Folglich kann die Kammer nicht feststellen, ob das besagte Merkmal für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eine Rolle gespielt hat und ob die Prüfungsabteilung bezüglich des geänderten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zum selben Ergebnis käme. Unter diesen Umständen, hält es die Kammer nicht für angezeigt, die Frage der Patentierbarkeit selbst zu untersuchen und macht von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch, die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Anspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags, eingegangen am 7. März 1995, verstößt nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ.
3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur Fortsetzung der Prüfung zurückverwiesen.