T 0662/96 26-05-1999
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Verwendung von Polyurethanharzen für wäßrige Füllerzusammensetzungen
Form der Beschwerde - ausreichende Begründung (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit - (bejaht)
I. Der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 355 682 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 89 115 075.7, die am 16. August 1989 eingereicht worden war und die Priorität einer früheren Patentanmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 19. August 1988 (3828157) beanspruchte, wurde am 15. Juni 1994 veröffentlicht (Patentblatt 94/24). Das Patent enthält 14 Ansprüche.
Anspruch 1 lautet:
"Verwendung eines wasserdispergierbaren Polymeren als Bindemittel in einer wäßrigen Füllerzusammensetzung, die gegebenenfalls neben weiteren polymeren Bindemitteln, Vernetzungsmittel und übliche Additive enthält, dadurch gekennzeichnet, daß das wasserdispergierbare Polymere ein Polyurethanharz ist, das erhalten wird durch Umsetzung von
(A) Polyisocyanaten,
(B) Polyolen mit einem mittleren Molekulargewicht Mn, von mindestens 400,
(C) gegebenenfalls Polyolen mit einem Molgewicht von 60 bis 400,
(D) Verbindungen, die mindestens zwei gegenüber Isocyanatgruppen reaktive Gruppen und mindestens eine zur Anionenbildung befähigte Gruppe aufweisen,
unter Bildung eines Polyurethan-Präpolymeren, das im Mittel mindestens 1,7 freie Isocyanatgruppen pro Molekül enthält, dieses Präpolymer dann in einem nichtwäßrigen System mit Verbindungen (E) und gegebenenfalls (F) umsetzt und das vollständig ausreagierte Polyurethanharz anschließend neutralisiert und in ein wäßriges System überführt oder zuerst in ein wäßriges System überführt und dann neutralisiert,
wobei die Verbindungen (E) entweder
e1) Hydroxyl- und Carbonylgruppen enthalten, oder
e2) Amino- und Hydroxylgruppen enthalten, oder
e3) gewählt werden aus 3-Amino-1-Methylaminopropan,
3-Amino-1-Ethylaminopropan,
3-Amino-1-cyclohexylaminopropan, oder
3-Amino-1-Methylaminobutan,
und die Verbindungen (F) Wasser, Hydrazin oder von (D) und (E) verschiedene Di- oder Polyamine darstellen."
Anspruch 13 lautet:
"Substrate, beschichtet mit der Füllerzusammensetzung gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 12."
Die Ansprüche 2 bis 12 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Verwendung gemäß Anspruch 1, Anspruch 14 eine bevorzugte Ausführungsform des Substrates gemäß Anspruch 13.
II. Am 24. Oktober 1994 wurde gestützt auf vier Dokumente, D1 bis D4, Einspruch eingelegt mit der Begründung, daß der im angefochtenen Patent beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ), soweit zur Herstellung der gemäß Anspruch 1 verwendeten Polyurethan-Harze als Verbindung (E) Aminoalkohole e2) eingesetzt worden seien.
Der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit wurde im wesentlichen auf das folgende Dokument gestützt:
D1: EP-A-0 147 674.
III. Der Einspruch wurde mit der am 17. April 1996 nach mündlicher Verhandlung verkündeten und am 21. Mai 1996 in schriftlicher Form ergangenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung als unbegründet zurückgewiesen.
IV. Am 18. Juli 1996 legte die Beschwerdeführerin (Einsprechende) gegen die vorstehend genannte Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde ein und entrichtete die vorgeschriebene Gebühr.
In der am 20. September 1996 eingereichten Beschwerdebegründung verwies die Beschwerdeführerin auf ihr sachliches Vorbringen zu den vier zitierten Dokumenten während des Einspruchsverfahrens und legte einen Versuchsbericht vor, demzufolge Beispiel 5 von D1 und die Beispiele 1 und 5 des Streitpatents nachgestellt und parallel geprüft worden waren. Das Beispiel 5 von D1 sei mit denen des Streitpatents vergleichbar; hinsichtlich der Haftung, des Salzsprühtests und des Gitterschnittes sogar deutlich besser.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) sah in ihrer am 13. Januar 1997 eingereichten Beschwerdeentgegnung die Beschwerde als unzulässig an, da die Beschwerdebegründung lediglich durch Nacharbeitung des Beispiels 5 von D1 darlege, daß die dortige Zusammensetzung auch als Füller geeignet sein könne, nicht aber angebe, weshalb die angefochtene Entscheidung unrichtig sei. So sei auch nicht dargelegt, wieso der Patentgegenstand naheliegend gewesen sein soll.
VI. Gemäß Übertragungserklärung vom 9. Februar 1999, eingereicht mit Schreiben vom 15. Februar 1999, wurde mit Wirkung vom 20. März 1999 der Rechtübergang nach Regel 20 EPÜ auf die jetzige Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) eingetragen.
VII. Am 22. Februar 1999 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 30. Juni 1999, die die Beschwerdeführerin beantragt hatte.
VIII. Mit Schreiben vom 17. März 1999 zog die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück und teilte mit, sie werde an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen.
IX. Mit Schreiben vom 29. April 1999 teilte auch die Beschwerdegegnerin mit, sie werde an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen, sofern sich die Beschwerdekammer in der Lage sehe, einem ihrer gestellten Anträge stattzugeben.
X. Die Ladung wurde daher am 6. Mai 1999 aufgehoben.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents in vollem Umfang.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Beschwerde zurückzuweisen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1. Die Beschwerde entspricht den Zulässigkeits-Erfordernissen nach Artikeln 106, 107, 108, Satz 1 und 2 sowie Regel 64 EPÜ. Doch bleibt die Frage, ob die zur Begründung der Beschwerde vorgelegten Ausführungen ihrem Inhalt nach als fristwahrende Begründung im Sinne von Artikel 108, Satz 3 EPÜ angesehen werden können oder ob die Beschwerde vielmehr antragsgemäß wegen Nichterfüllung dieses Erfordernisses nach Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen ist.
1.2. In der Beschwerdebegründung vom 20. September 1996 wird im Anschluß an einen generellen Hinweis auf den sachlichen Vortrag während des Einspruchsverfahrens auf Punkt 5.1 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen und anhand eines neuen Versuchsberichts argumentiert, weshalb die in der Entscheidung getroffenen Aussagen hinsichtlich der Relevanz der von der damaligen Einsprechenden auf Grundlage von Beispiel 5 von D1 vorgetragenen Argumentation und daraus folgend die Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit nach Ansicht der Beschwerdeführerin unrichtig sein soll.
1.3. Die Beschwerdegegnerin argumentiert hingegen anhand der Entscheidungen T 220/83 (ABl. EPA 1986, 249), T 154/90 (ABl. EPA 1993, 505) und T 646/92 (unveröffentlicht), daß der am 18. Juli 1996 eingereichte Schriftsatz nicht die in den Entscheidungen genannten Bedingungen für eine Beschwerdebegründung erfülle.
1.3.1. In T 220/83 hatte die dortige Beschwerdeführerin zur Begründung Ihrer Beschwerde gegen die Zurückweisung der zugrundeliegenden Anmeldung nur eine angebliche falsche Bewertung spezieller Passagen eines zitierten Dokuments durch die Prüfungsabteilung im Gegensatz zu den Prüfungsrichtlinien des EPA gerügt. Die Kammer hat bei ihrer Analyse des Vorbringens der Beschwerdeführerin (Anmelderin) sich mit der technischen Aussage der angesprochenen Passagen auseinandergesetzt und ist zu dem Schluß gekommen, daß die eingereichte Begründung zwar den technischen Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und dem Inhalt der zitierten Druckschrift erkennen lasse, jedoch seien allenfalls Mutmaßungen möglich, weshalb nach Ansicht der Beschwerdeführerin erfinderische Tätigkeit anzuerkennen sei, und die Kammer müsse erst selbst die die erfinderische Tätigkeit möglicherweise stützenden Tatsachen ermitteln. Dies solle aber durch die gesetzliche Vorschrift der Beschwerdebegründung verhindert werden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin dürfe sich nicht darin erschöpfen, bloß die Unrichtigkeit der Entscheidung zu behaupten und auf die erneute Überprüfung des vorinstanzlich negativ bewerteten Patentierungskriteriums hinzuwirken.
1.3.2. In T 154/90 wurde in Übereinstimmung mit davorliegender Rechtsprechung der bloße Hinweis auf die im Einspruchsverfahren dargelegten Argumente als nicht ausreichend befunden, um das Erfordernis einer Beschwerdebegründung zu erfüllen und damit die Zulässigkeit der Beschwerde zu begründen. Auf die Einspruchsgründe sei im Einspruchsverfahren und in der angefochtenen Entscheidung eingegangen worden. Die Beschwerdeführerin habe es völlig der Kammer und der Patentinhaberin überlassen, Vermutungen anzustellen, warum sie die Entscheidung für fehlerhaft hielt. Genau dies soll aber nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA durch die Forderung nach einer Beschwerdebegründung verhindert werden.
1.3.3. In T 646/92 hat die Beschwerdeführerin wie in T 220/83 nur auf ihre Einlassungen während des Prüfungsverfahrens verwiesen und erklärt, daß weitere Substantiierung nicht erfolgen werde. In Übereinstimmung mit den beiden vorgenannten Fällen und weiterer Rechtsprechung der Beschwerdekammern wurde daher die Forderung in Artikel 108 EPÜ letzter Satz als nicht erfüllt und somit die Beschwerde als nicht zulässig erkannt.
1.4. Bezüglich des Hinweises der Beschwerdeführerin auf den sachlichen Inhalt der Dokumente D1 bis D4 und die dazu bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente kommt die Kammer zu der mit der gefestigten Rechtsprechung übereinstimmenden Feststellung, daß diese Ausführungen nicht die an eine Beschwerdebegründung gemäß Artikel 108 EPÜ zu stellenden Erfordernisse erfüllen.
1.5. Allerdings erschöpfen sich die Ausführungen nicht mit diesem pauschalen Hinweis, sondern es schließt sich, wie bereits angesprochen, ein Versuchsbericht mit Kommentierung an. In der Kommentierung wird ausdrücklich auf eine Passage der Entscheidungsbegründung (Punkt 5.1) hingewiesen und dargelegt, weshalb die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit durch die Einspruchsabteilung nach Ansicht der Beschwerdeführerin falsch ist.
Dieser Teil der Beschwerdebegründung erfüllt daher die Erfordernisse des letzten Satzes von Artikel 108 EPÜ.
1.6. Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Weitere Verfahrensfragen
2.1. In der Beschwerdebegründung beantragt die Beschwerdeführerin erstmals den Widerruf des Streitpatents in seinem vollen Umfang, wohingegen nur gegen eine Ausführungsform des Patents Einspruch erhoben worden war ("soweit Polyurethanharze bzw. deren Verwendung betroffen sind, zu deren Herstellung als Verbindungen (E) Aminoalkohole e2) eingesetzt worden sind.", siehe den Antrag im Einspruchsschriftsatz vom 21. Oktober 1994).
Die Argumente in dieser Begründung, vor allem die Nacharbeitung der Beispiele 1 und 5 des Streitpatents und des Beispiels 5 von D1 im Versuchsbericht vom 20. September 1996, befassen sich ausschließlich mit der im Einspruch angegriffenen Ausführungsform des Streitpatents.
2.2. Dies wurde auch von der Beschwerdegegnerin so interpretiert, die sich, abgesehen von der allgemeinen Rüge mangelnder Begründung, ausschließlich auf die erfinderische Tätigkeit dieser Ausführungsform konzentriert hat.
2.3. Im Hinblick auf diese Tatsachen kommt die Kammer zu dem Schluß, daß die Beschwerdeführerin mit der vorliegenden Beschwerde nur ihr ursprüngliches Einspruchsziel weiterverfolgen wollte.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung von Polyurethan-Harzen für wäßrige Füllerzusammensetzungen. Die als Bindemittel dienenden Harze werden durch Umsetzung von (A) Polyisocyanaten, (B) Polyolen bestimmter Kettenlänge, gegebenenfalls (C) kurzkettigen Polyolen, sowie (D) Verbindungen, welche mit Isocyanat reagieren können und zur Anionenbildung befähigt sind, zu freie Isocyanatgruppen enthaltenden Prepolymeren und durch deren weitere Umsetzung mit (E) bestimmten weiteren Verbindungen, deren Definition unter anderem die Amino- und Hydroxylgruppen enthaltende Komponente e2) mitumfaßt, sowie gegebenenfalls mit (F) Kettenverlängerern in aufeinanderfolgenden Reaktionsschritten hergestellt (Anspruch 1, sowie Seite 4, Zeilen 38 bis 51 und Seite 5, Zeilen 3 bis 25).
3.2. Aus D1 sind Polyurethan-Einbrennlacke bekannt, die in überwiegend wäßrigem Medium gelöst oder dispergiert zur Herstellung von Lacken und Beschichtungen verwendet werden (Seite 1, Zeilen 1 bis 4).
3.3. Ausweislich der Seite 2, Absatz 1, sowie der Seite 3, Absätze 1 und 2, befaßt sich D1 mit den Problemen schlechter Pigmentierbarkeit wäßriger Lacksysteme und der Verschlechterung des Glanzes bei einer zur Erreichung guter Deckkraft erforderlichen Pigmentierung. Zudem wird auf die Verschlechterung anderer lacktechnischer Eigenschaften wie Dehnung, Schlagelastizität, Haftung und Korrosionsschutz durch erhöhte Pigmentierung bei üblichen wäßrigen Lacksystemen hingewiesen. Diese Probleme sollten durch den Einsatz eines Gemisches zweier spezieller unterschiedlicher Polyurethan-Prepolymeren als Bindemittel gelöst werden.
3.4. Die Bindemittel der aus D1 bekannten Lacke bestehen aus Polyurethanen, welche aus Verbindungen hergestellt worden sind, die unter die generischen Definitionen der genannten Komponenten (A) bis (D) fallen. Diese Tatsache ist in der angefochtenen Entscheidung anerkannt worden.
3.4.1. In der Entscheidung wird dann in Übereinstimmung mit dem Einspruchsschriftsatz vom 21. Oktober 1994, Seite 2, Zeilen 1 bis 3 des vorletzten Absatzes ["... mit Ausnahme der speziellen Arbeitsweise (Herstellung von NCO-Prepolymeren (A) - (D) und deren Umsetzung mit (E) und ggf. (F))..."] festgestellt, daß das Bindemittel der Lacke von D1 in anderer Weise hergestellt worden ist (Seite 21, Zeile 20 bis Seite 22, Zeile 5).
3.4.2. Die Einspruchsabteilung folgert daraus, daß sich das bekannte Bindemittel demzufolge auch strukturell von dem Bindemittel unterscheidet, das in Anspruch 1 des Streitpatents definiert ist. Diesen Feststellungen ist von Seiten der Beschwerdeführerin auch in ihrer eingereichten Beschwerdebegründung nicht widersprochen worden. Auch die Kammer kommt aufgrund ihrer fachlichen Erfahrung zum gleichen Schluß.
3.4.3. Im Anspruch 1 schlägt D1 den Einsatz eines Bindemittels für wäßrige Pigmente und/oder Füllstoffe und gegebenenfalls weitere Hilfs- und Zusatzstoffe enthaltende wäßrige Einbrennlacke vor, welches eine Kombination aus
a) ganz oder teilweise neutralisierte Carboxylgruppen, sowie blockierte Isocyanatgruppen aufweisenden Polyurethan-Prepolymeren mit
b) ganz oder teilweise neutralisierte Carboxylgruppen aufweisenden Polyhydroxylverbindungen darstellt,
wobei die Komponenten a) und b) solchen Mengen enthalten sind, daß die darin enthaltenden blockierten Isocyanatgruppen zu den Hydroxylgruppen in einem bestimmten Equivalentverhältnis vorliegen.
Dabei besteht die Komponente b) im wesentlichen aus Polyether- und/oder Polyesterurethan-Prepolymeren, die neben zumindest teilweise neutralisierten Carboxylgruppen alkoholische Hydroxylgruppen aufweisen. Zudem sind in den Komponenten a) und b) bestimmte Mengen von Polyether- und Polyestersegmenten enthalten (siehe auch Seite 3, Absatz 2 und Seite 4, Zeilen 10 bis 19).
3.5. In der angefochtenen Entscheidung wird anerkannt, daß der Fachmann D1 habe entnehmen können, daß die dortige Zusammensetzung als Füller geeignet gewesen ist. In den dortigen Beispielen, insbesondere in Beispiel 5, seien einerseits eine Lackzusammensetzung, die eine für Füller übliche Zusammensetzung besitzt, und andererseits die Anwendung solcher Lacke auf einem entfetteten Stahlblech oder auf einer Grundierung beschrieben worden.
3.6. Ebenso wie auf Seite 3, Zeilen 7 bis 10 wird auf Seite 25, Absatz 1 von D1 auf guten Glanz, hohe Härte, gute Dehnbarkeit, gute Haftung und ausgezeichneten Korrosionsschutz hingewiesen, die in den Beispielen anhand von Messungen des Glanzes, der Pendelhärte, der Bleistifthärte und der Erichsentiefung, sowie anhand der Ergebnisse von Dornbiege-, Gitterschnitt- und Salznebelprüfungen quantifiziert werden.
3.7. Um zu belegen, daß der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, hat die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung Vergleichsversuche vorgelegt. Diese sollen zeigen, daß die mechanischen und lacktechnischen Eigenschaften des Lackes von Beispiel 5 des Dokumentes D1 vergleichbar sind mit den Ergebnissen des Streitpatents, teilweise sogar besser sind als diese.
In diesen Versuchen werden die Ergebnisse weiterer Messungen dargestellt, einschließlich der Haftung Füller/Grundierung und Füller/Decklack sowie Steinschlagschutz und Hahnenpick. Während die Messung von Haftungswerten wohl mit Messungen in der Gitterschnittprüfung vergleichbar sind, scheinen die Beurteilungen des Steinschlagschutzes und des Hahnenpicks völlig neue, erstmals in Betracht gezogene Aspekte darzustellen. Die genauen Zahlenwerte können wegen der unterschiedlichen Zusammensetzungen gemäß den nachgestellten Beispielen ohnehin nicht direkt miteinander verglichen werden.
3.8. Die Einspruchsabteilung hat die der streitigen Erfindung zugrundeliegende technische Aufgabe gegenüber D1 dahingehend formuliert, daß weitere wasserdispergierbare Polymere für die Verwendung als Bindemittel in einer wäßrigen Füllerzusammensetzung zur Verfügung gestellt werden sollten.
Ob in Anbetracht der Punkte 3.6 und 3.7 die Aufgabe der Erfindung dahingehend umzuformulieren wäre, daß wäßrige Füllerzusammensetzungen zur Verfügung gestellt werden sollten, die eine hohe Steinschlag-Festigkeit ohne Verschlechterung der anderen Eigenschaften wie z. B. Zwischenschichthaftung aufweisen, wobei eine so umformulierte Aufgabe ausweislich der experimentellen Daten im Streitpatent wohl als gelöst anzusehen wäre, kann dahingestellt bleiben.
3.9. Wie die experimentellen Daten im Streitpatent zeigen, ist die von der Einspruchsabteilung formulierte technische Aufgabe gelöst worden.
4. Es ist zu entscheiden, ob sich die gefundene Lösung aus dem von der Beschwerdeführerin herangezogenen Stand der Technik für den Fachmann in naheliegender Weise ergibt.
4.1. D1 gibt dem Fachmann keinerlei Anregung, dieses bekannte Bindemittel durch ein Bindemittel gemäß der Definition in Anspruch 1 des Streitpatents zu ersetzen. Das Dokument ist vielmehr auf ein spezielles Bindemittel fokussiert, das im dort beanspruchten wäßrigen Einbrennlack als Gemisch zweier unterschiedlicher Komponenten vorliegt. Der Unterschied zwischen dem bekannten Zwei-Komponenten- und dem erfindungsgemäß eingesetzten Einkomponenten-Bindemittel wird insbesondere durch die essentiellen, im bekannten Einbrennlack verkappt vorliegenden Isocyanatgruppen deutlich.
4.2. Dem Dokument D1 ist nirgends eine Anregung zu entnehmen, daß auch mit einkomponentigen Bindemitteln Lacke hergestellt werden könnten, die sich zur Verwendung in Füllerzusammensetzungen eignen (siehe hierzu auch in der Beschwerdeentgegnung vom 8. Januar 1997, Seite 1, letzter Satz von Absatz 2).
4.3. Es ist daher festzustellen, daß sich der Gegenstand gemäß Anspruch 1 des Streitpatents nicht ohne weiteres oder folgerichtig aus dem Dokument D1 ergibt, auf das die Beschwerdeführerin ihr sachliches Vorbringen in diesem Beschwerdeverfahren gestützt hat.
4.4. Es ist bei dieser Sachlage daher anzuerkennen, daß der Gegenstand von Anspruch 1 demgegenüber auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) beruht.
4.5. Dies gilt ebenso für die Substrate von Anspruch 13 und für die bevorzugten Ausführungsformen der von den Ansprüchen 1 bzw. 13 abhängigen Ansprüche 2 bis 12 und 14, die durch Rückbezug alle Merkmale und Definitionen des Anspruchs 1 enthalten.
5. Die Hinweise auf die in den zusätzlichen experimentellen Daten vom 20. September 1996 geltend gemachten besseren Eigenschaften der bekannten Lacke könnten allenfalls bei der Beurteilung der Frage zum technischen Fortschritt in Betracht gezogen werden. Technischer Fortschritt ist allerdings kein Patentierungserfordernis des EPÜ (vgl. Artikel 52 (1) EPÜ). Der Beschwerdegegnerin ist zuzustimmen, wenn sie argumentiert, daß die Nacharbeitung der Beispiele von D1 und des Streitpatents nur belegt, daß die dortigen Bindemittel auch für Füllermaterial geeignet sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.