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T 1088/96 06-08-2001
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Verfahren zum anisotropen Trockenätzen von Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen enthaltenden Leiterbahnebenen in integrierten Haltleiterschaltungen
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Fehlerhafte Offenbarung des Stands der Technik
I. Die Prüfungsabteilung hat mit Entscheidung vom 29. Juli 1996 die europäische Patentanmeldung Nr. 92 103 772.7 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52. (1) und 56 EPÜ) zurückgewiesen. In der Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde das folgende Dokument berücksichtigt:
D1: EP-A-0 272 143.
II. Der Beschwerdeführer (Anmelder) hat am 4. Oktober 1996, unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr, gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 2. Dezember 1996 nachgereicht.
III. Der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten 1 bis 6 und 8 bis 11 wie ursprünglich eingereicht
Seite 7 eingereicht mit Schreiben vom 26. Juni 2001
Ansprüche:
Nr. 1 bis 9 eingereicht mit Schreiben vom 24. Juli 1995
Zeichnungen:
Blatt 1/1 wie ursprünglich eingereicht.
IV. Der vorliegenden Entscheidung zugrundeliegende Fassung des unabhängigen Anspruchs 1 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum anisotropen plasmaunterstützten Ätzen von Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen enthaltenden Leiterbahnebenen in integrierten Halbleiterschaltungen, bei dem eine Ätzmaske (9) verwendet wird und bei dem eine genau definierte vertikale Flankenform (10) der Leiterbahnen ausgebildet wird,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Ätzen mit einer streng anisotropen angreifenden Ätzgasmischung erfolgt, die als Hauptbestandteil die bei Normalbedingungen flüchtige Jodverbindung Wasserstoffjodid enthält."
V. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag im wesentlichen wie folgt:
i) Dokument D1 beschreibe einen Ätzprozeß für monokristallines Silizium und Polysilizium mit Hilfe brom- oder jodhaltiger Ätzgasmischungen. In diesem Dokument werde auf Seite 14 der Beschreibung auf eine weitere US-Anmeldung verwiesen, welche einen Ätzprozeß für bestimmte Silizide und entsprechende Silizid-Polysilizium-Doppelschichten beinhalte. Insbesondere werde auf vier Refraktärmetallsilizide hingewiesen, nämlich die Silizide von Ti, Ta, W und Al. Diese Stelle in Dokument D1 sei aber fehlerhaft, es hätte Molybdän-Silizid anstatt Aluminium benannt werden sollen. Der Fachmann hätte diesen Widerspruch sofort erkannt, da Aluminium kein Refraktärmetall sei und kein Silizid bilde. Er hätte aber sofort an Molybdän gedacht, da dies in der Halbleitertechnologie gemeinsam mit den drei genannten Refraktärmetallen die größte Bedeutung habe. Weiterhin seien Silizide hinsichtlich ihrer Ätzeigenschaften viel enger mit Polysilizium verwandt als mit den entsprechenden Metallen. Es sei deshalb abwegig, daß ein Ätzprozeß gleichzeitig für Silizide und für Aluminium geeignet sei, da bei einer Aluminiumätzung ganz andere Probleme berücksichtigt werden müssen.
ii) Die zitierte US Anmeldung sei am Prioritätstag der vorliegenden Patentanmeldung noch nicht veröffentlicht worden, wohl aber die aus ihr hervorgegangene japanische Anmeldung JP 621766134 A. Diese Offenlegungsschrift nenne als viertes Refraktärmetall Molybdän.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2.1. Die vorliegende Anmeldung betrifft ein anisotropes Ätzverfahren von Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen enthaltenden Leiterbahnen durch eine Ätzgasmischung, welche als Hauptbestandteil Wasserstoffjodid enthält.
2.2. Dokument D1 beschreibt ein plasmaunterstütztes Ätzverfahren für einkristallines Silizium, Polysilizium, Silizide und Polysilizide mittels Jod- oder Brom-Gaschemie (vgl- Zusammenfassung). Als bevorzugte Gase für dieses Verfahren sind Wasserstoffbromid (HBr), Wasserstoffjodid (HI) und CF2Br2 benannt (vgl. Seite 4, Zeilen 43 bis 46).
Auf Seite 14 dieses Dokuments (vgl. Zeilen 13 bis 34) wird auf die nicht veröffentlichte US Anmeldung Nr. 786 783 Bezug genommen. Diese Anmeldung soll ein Ätzverfahren der Refraktärmetallsilizide Titan, Tantal, Wolfram und Aluminium offenbaren ("silicides of titanium, tantalum, tungsten and aluminum"), wobei die Gasmischung HCl/Cl2 als Ätzgas für Polysilizium und die Gasmischung BCl3-HCl/Cl2 für Silizide verwendet wird. Hiermit soll ein kontinuierliches Ätzen von Polysilizium/Silizid-Strukturen ohne Unterbrechung des Vakuums ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang wird weiterhin erwähnt, daß die BCl3-HCl/Cl2 Gasmischung alle vier Refraktärmetallsilizide ätzt, wobei aber nur drei Refraktärmetalle benannt wurden (Ti, Ta und W).
2.3. Eine Wasserstoffjodid enthaltende Gasmischung wird in Dokument D1 nur zum Ätzen von Silizium-Einkristallen oder Polysilizium verwendet (vgl. Seite 6, "Hydrogen iodide"; Seite 9, "HI etch of single crystal silicon"; Seite 12, "Polycrystalline silicon etch"). Ein Ätzen von Aluminium mit dieser Gasmischung ist in diesem Dokument nicht offenbart.
Somit ist das im Anspruch 1 beanspruchte Verfahren neu.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3.1. In der angefochtenen Entscheidung wird auf die im Dokument D1 (vgl. Seite 14, Zeilen 29 bis 34) enthaltene Aufforderung an den Fachmann verwiesen, die angepaßten Verfahrensparameter für ein Ätzen der Silizide von Titan, Tantal, Wolfram und Aluminium mit den vorgeschlagenen Gasmischungen zu bestimmen, und weiterhin die Schlußfolgerung gezogen, daß das Element Aluminium und kein Aluminiumsilizid gemeint sein müsse, da Aluminium kein Silizid bilde. Somit wäre die Anwendung von Wasserstoffjodid zum Ätzen von Aluminium dem Fachmann nahegelegt.
3.2. Der Beschwerdeführer hat geltend gemacht, daß in Dokument D1 fälschlicherweise Aluminium benannt sei. Die in dieser Textstelle enthaltenen Widersprüche (Aluminium sei kein Refraktärmetall und bilde keine Silizide, weiterhin sei von vier Refraktärmetall-Siliziden die Rede, wobei nur drei benannt wären) hätten den Fachmann an dem realen Offenbarungsgehalt bezüglich Aluminium zweifeln lassen. Dementsprechend sei in diesem Dokument keine Aufforderung enthalten, Aluminium mit einem der genannten Gasmischungen zu ätzen.
3.3. Aufgrund der im Dokument D1 enthaltenen widersprüchlichen Ausführungen in Bezug auf Aluminium ist die Kammer der Auffassung, daß dieses Dokument dem Fachmann keine klare Lehre bezüglich das Ätzen von Aluminium übermittelt. Bei der Bewertung des Offenbarungsgehalts des Stands der Technik ist aber davon auszugehen, daß der Fachmann vor allem an der technischen Realität interessiert ist (vgl. Entscheidung T 77/87, Punkt 4.1.2).
3.4. Das Patent US-A-5 112 435 (=D2) entspricht der in Dokument D1 genannten US Anmeldung. Diese Anmeldung ist nicht vorveröffentlicht, da sie erst am 12. Mai 1992 herausgegeben wurde, d.h. nach dem 5. März 1991, dem Prioritätsanspruch der vorliegenden Anmeldung. Dokument D2 wird aber zur Interpretation der japanischen Patentschrift JP 62-176134 herangezogen, welche am 1. August 1987 veröffentlicht wurde und auf der oben genannten US Anmeldung als Prioritätsdokument basiert.
3.5. In der Zusammenfassung des Dokuments D2 wird ein Ätzverfahren für die Refraktärmetall-Silizide von Titanium, Tantal, Wolfram und Aluminium erwähnt. Dies entspricht daher der in Dokument D1 enthaltenen Zusammenfassung, ist aber im Licht der vollständigen Offenbarung des Dokuments D2 nicht korrekt. Dieses Dokument offenbart ein Ätzverfahren für Silizide, Polysilizium und Polyzide (vgl. Spalte 1, Zeilen 14 bis 18), wobei insbesondere die Refraktärmetall-Silizide von Titan, Tantal, Wolfram und Molybdän verwendet werden (vgl. Spalte 2, Zeilen 49 bis 52; Spalte 4, Zeilen 63 bis 68; Spalte 12, Zeilen 4 bis 9 und Tabellen 1 und 2). Ein für Aluminium geeignetes Ätzverfahren ist im Dokument D2 nicht offenbart.
3.6. Es ist deshalb eindeutig, daß die in Dokument 1 gemachte Angabe über ein Ätzen von Aluminium nicht der Offenbarung des Dokuments D2 entspricht. Enthält aber ein veröffentlichtes Referat eine Rückverweisung auf das gleichzeitig vorliegende Originaldokument und stimmt die wörtliche Offenbarung des Referats mit der des Originaldokuments nicht überein, so muß das Referat anhand des Originaldokuments ausgelegt werden, wenn festgestellt werden soll, was technisch tatsächlich offenbart worden ist. Stellt sich dann heraus, daß die Offenbarung des Referats Fehler aufweist, so gilt diese fehlerhafte Offenbarung nicht als Stand der Technik (vgl. T 77/87)
3.7. Aus den genannten Gründen ist somit die Anwendung einer Wasserstoffjodid enthaltenden Ätzgasmischung zum Ätzen von Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen für dem Fachmann nicht naheliegend.
4. Die Kammer kommt auf Grund des dargestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ genügt und somit patentierbar ist. Die Ansprüche 2 bis 9, die auf besondere Ausführungsformen der Erfindung nach Anspruch 1 gerichtet sind, haben zusammen mit Anspruch 1 Bestand.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit den in Punkt III genannten Unterlagen zu erteilen.