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Anton van Zanten

Electronic stability control for cars

Preiskategorie
Lebenswerk
Technisches Gebiet
Transport
Firma
Robert Bosch GmbH
Dank der Erfindungen des Automobilingenieurs Anton van Zanten sind die Straßen und Schnellstraßen weltweit erheblich sicherer geworden. Seine bahnbrechende Errungenschaft, die Elektronische Stabilitätskontrolle oder Fahrdynamikregelung (Electronic Stability Control, ESC), auch als ESP für Elektronisches Stabilitätsprogramm abgekürzt, ist mittlerweile in vielen Ländern Pflicht und nach dem Gurt der wichtigste Lebensretter im Straßenverkehr.

Gewinner des Europäischen Erfinderpreis 2016

Die elektronischen Leitsysteme von van Zanten gingen 1995 in Serie und lösten ein seit Langem bestehendes Problem der Fahrzeugsicherheit: Wenn der Fahrer eine Vollbremsung macht, um einem Hindernis auszuweichen, blockieren die Räder und das Fahrzeug bricht seitlich aus - oft mit fatalen Folgen. In solchen Situationen greift die Fahrdynamikregelung von van Zanten, indem sie die Stabilität des Fahrzeugs innerhalb einer Hundertstelsekunde wiederherstellt - eine Reaktionszeit, mit der der Fahrer nicht aufwarten kann.

Als Leiter einer 35-köpfigen Forschungsgruppe bei Bosch erzielte van Zanten 1987 bei Fahrzeugtests und Computersimulationen seinen Durchbruch. Im Fahrzeug eingebaute Sensoren senden in Echtzeit Daten an ESC, sodass ESC in Gefahrensituationen (Aquaplaning, Bremsung auf Schnee oder Eis) Schleuderbewegungen aufgrund höherer Seitenkräfte des Fahrzeugs umgehend ausgleichen kann (Querdynamik). Seit ihrer Einführung hat sich diese wichtige Sicherheitstechnik für Tausende von Fahrzeuginsassen als lebensrettend erwiesen. Damit ist ESC vom Sicherheitsgewinn her mit dem Sicherheitsgurt und dem Airbag vergleichbar.

Gesellschaftlicher Nutzen

Der Weltgesundheitsorganisation zufolge kommen weltweit jedes Jahr rund 1,25 Millionen Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben - weit mehr als durch Tötungsdelikte und Militäreinsätze, die zusammen 440 000 Todesopfer fordern. ESC mindert das hohe Risiko von Unfällen mit tödlichem Ausgang, wenn ein Fahrzeug ins Schleudern gerät und von der Fahrbahn abkommt. Gemäß Angaben der Firma Bosch, die sich auf mehrere Studien beruft, können bis zu 80 % der Schleuderunfälle durch die Erfindung von van Zanten verhindert werden. Seit ihrer Einführung habe sie allein in Europa 260 000 Unfälle verhindert und rund 8 500 Menschen das Leben gerettet.

Der Erfolg der in der Branche über 110-mal ausgezeichneten elektronischen Stabilitätskontrolle zeigt sich vor allem in der Unfallverhütung. Die US-amerikanische Behörde National Highways Traffic Safety Administration (NHTSA) hat berechnet, dass sich 34 % aller Alleinunfälle sowie 70 % der Überschläge von Fahrzeugen durch ESC verhindern lassen. Der NHTSA zufolge verringert ESC die Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle um knapp ein Drittel und hat sich seit der Einführung für Zehntausende von Fahrzeuginsassen als Lebensretter erwiesen. Dies macht ESC zum wichtigsten Sicherheitssystem nach dem Gurt.

Wirtschaftlicher Nutzen

1995 wurden die Limousinen der S-Klasse von Mercedes-Benz als erste Serienautos mit der Technik ausgerüstet. Angaben der Firma Bosch zufolge wurden zwischen 1995 (dem Jahr der Markteinführung) und 2010 insgesamt 52 Millionen ESC-Systeme verkauft; seit 2014 sind sie bei Neufahrzeugen in Europa Pflicht. Bis 2016 hat die Bosch GmbH mehr als 150 Millionen ESC-/ESP-Systeme hergestellt. In der EU müssen mittlerweile alle neu zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen das Sicherheitssystem an Bord haben. In Europa sind 90 % aller Pkw und leichten Nutzfahrzeuge mit ESC ausgerüstet.

Den jüngsten Branchenprognosen von Research and Markets zufolge wird der Markt für ESC mit einer jährlichen Wachstumsrate von 10,9 % in den nächsten Jahren bis 2019 auf 38,4 Mrd. EUR (42 Mrd. USD) ansteigen. Da mit dem ESC-System in erster Linie Unfälle vermieden werden, ist sein wirtschaftlicher Nutzen sogar noch größer als der von Sicherheitsgurten und Airbags, die nur unfallbedingte Verletzungen mindern. ESC verringert nicht nur den durch Unfälle verursachten finanziellen Schaden, sondern trägt auch zur Vermeidung von Verkehrsstaus bei, die durch höheren Treibstoffverbrauch und Zeitverluste indirekte Kosten verursachen.

Funktionsweise

Beim normalen Fahren läuft das ESC-System unauffällig im Hintergrund und vergleicht permanent den Fahrerwunsch mit dem tatsächlichen Fahrzustand. Fahrzeugseitige Sensoren liefern dem System kritische Daten zu Faktoren wie Spureinstellung, Beschleunigung und Fahrbahnkontakt. Diese Faktoren werden in einem zentralen Bordcomputer - der elektronischen Steuereinheit (ECU) - von einer Kombination aus Mikroprozessoren und proprietärer Software ausgewertet.

In Gefahrensituationen wie dem Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug oder dem Traktionsverlust kann ESC einzelne Räder gezielt abbremsen und dadurch ein mögliches Schleudern verhindern. Durch diese genau abgestimmten automatischen, hydraulisch gesteuerten Bremseingriffe wird bei Bremsmanövern des Fahrers ein "Blockieren" der Räder und damit ein Überschlagen des Fahrzeugs und ein seitliches Abkommen von der Fahrbahn verhindert.

Der Erfinder

Anton van Zanten setzte sich bereits 1973 in seiner Doktorarbeit an der Cornell University mit der Zukunft von Sicherheitssystemen in Fahrzeugen auseinander. Nach seinem Eintritt in die Robert Bosch GmbH im Jahr 1977 arbeitete der Ingenieur in einem Forschungsteam am Antiblockiersystem (ABS), das 1987 den Weg für erfolgreiche ESC-Tests ebnete. Damals waren Computer noch so groß, dass das Prototypfahrzeug, ein Mercedes-Kombi, bis zum Rand mit Elektronik vollgestopft werden musste. Dennoch vertraute van Zanten seiner Technik und führte die Tests mit diesem Fahrzeug auf vereisten Straßen selbst durch.

Während seiner mehr als 40-jährigen Laufbahn im Bereich der Kfz-Sicherheitstechnik war van Zanten Urheber von rund 180 erteilten Patentfamilien ‑ 36 davon mit Bezug zur Fahrzeugsicherheit -, die enorme Auswirkungen auf den Markt hatten. Auf ABS und ESC folgten Erfindungen wie Überschlagschutz (Rollover Mitigation, ROM), Anhängerstabilisierung (Trailer Sway Mitigation, TSM) und das Assistenzsystem zur Kollisionsminderung (Secondary Collision Mitigation, SCM), das bei einer Kollision des Fahrzeugs automatisch alle vier Räder abbremst. Seit 2003 befindet sich van Zanten im Ruhestand und hält nun an verschiedenen Hochschulen Vorträge über Fahrzeugsysteme und berät führende Automobilunternehmen.

Für seine Beiträge zur Fahrzeugsicherheit wurde van Zanten mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem "Henry Ford II Distinguished Award for Excellence in Automotive Engineering" (1995), dem "Professor Ferdinand Porsche Preis" (1999) und dem "IFAC Industrial Achievement Award" (2011).

Wussten Sie das?

Die elektronische Stabilitätskontrolle verdankt ihren rasanten Erfolg zumindest teilweise einem größeren Marketingdebakel im Jahr 1997. Fahrzeuge der A-Klasse von Mercedes-Benz kippten im "Elchtest" des schwedischen Magazins Teknikens Värld bei 78 km/h um. Mit dem Begriff Elchtest wird ein Kollisionstest des Fahrzeugs mit einem (simulierten) Elch bezeichnet. Die Medien hielten mit Spott nicht zurück, doch Mercedes-Benz reagierte schnell und setzte neue Sicherheitsmaßstäbe.

Da die elektronische Stabilitätskontrolle bereits 1995 in Serie gegangen war, startete Mercedes-Benz einen Rückruf und stattete 130 000 Fahrzeuge der A-Klasse mit dem Antischleudersystem aus - und bestand den Test.

Das große Medieninteresse gab dem Markt den nötigen Anstoß, und ESC entwickelte sich zu einem globalen Branchenstandard.

 

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