Elmar Mock
Swatch, Ultraschallschweißen und weitere
Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2017
Was als eine in aller Schnelle aufgezeichnete Skizze einer einfachen Plastikarmbanduhr begann, wurde schließlich zum meistverkauften Zeitmesser der Welt. Die Swatch-Uhr, die 1983 erstmals auf den Markt gebracht wurde, erweckte die darniederliegende Schweizer Uhrenindustrie zu neuem Leben.
Die Schöpfung der Swatch-Uhr hat ihrem Miterfinder Elmar Mock viel zu verdanken: Er war es, der die Ultraschallschweißverfahren entwickelte, mit deren Hilfe sowohl die Teile im Inneren des Gehäuses als auch das Acryl-Uhrenglas befestigt wurden. Dank dieser Verfahren sowie des völlig neuen Designs wurden zur Herstellung einer Armbanduhr nur noch etwas mehr als halb so viele Einzelteile benötigt - genau gesagt 51 anstatt der 91, die vorher in einer Standarduhr zu finden waren. Dadurch konnten die Produktionskosten drastisch gesenkt werden.
Die Swatch war eine echte Sensation. Und sie war sozusagen die Initiativzündung für Mocks Laufbahn: Als Erfinder oder Miterfinder von 178 Patentfamilien quer durch die verschiedensten Branchen, von der Uhrmacherei über den Maschinenbau bis zur Medizintechnik, ist er so etwas wie ein "Berufserfinder". Mock und sein Creaholic Team überarbeiteten die Ultraschallschweißverfahren, die bei der Herstellung der Swatch eingesetzt wurden, für eine Reihe weiterer Anwendungen wie das "Schweißen" von Holz, Beton und sogar menschlichen Knochen. Und diese wiederum waren der Nährboden für sein Unternehmen Creaholic, das heute innovative technische Lösungen für mehr als 200 Kunden entwickelt und aus dem bereits neun erfolgreiche Spin-offs hervorgegangen sind.
Gesellschaftlicher Nutzen
Die Swatch war eine Revolution. Sie war eines der ersten Produkte, die Funktionalität mit modischem Design verbanden, und damit ein Vorläufer der modernen, allgegenwärtigen Gadgets unserer Tage. Der Einfluss der Swatch-Uhr geht jedoch weit über die Konsumkultur hinaus. Für Mock war der Erfolg der Swatch eine Schlüsselerfahrung, die ihn dazu brachte, den Rest seines Lebens dem Erfindergeist zu verschreiben und die Innovation zu fördern. Sein Beratungsunternehmen Creaholic ist nicht nur eine Ideenschmiede, die Kunden in den unterschiedlichsten Branchen mit kreativen Lösungen versorgt - es ist auch eine Brutstätte für Neugründungen.
Creaholic hat bereits neun Spin-off-Unternehmen hervorgebracht. SpineWelding ist eines davon. Es nutzt die Ultraschallschweißtechnik, die Mock bei der Swatch verwendete, für eigene Zwecke. SpineWelding ist allerdings nicht in der Uhrenindustrie aktiv, sondern produziert orthopädische Implantate, die sich mithilfe eines thermoplastischen Klebeharzes, das mittels Ultraschall zum Schmelzen gebracht wird, erfolgreich an Wirbeln befestigen lassen. Ein anderes Spin-off-Unternehmen ist WoodWelding. Es setzt ein ähnliches Verfahren ein, um Holz und andere poröse Materialen, wie sie im Möbelbau, in Fußbodenbelägen oder Paneelen verwendet werden, zu verbinden. Unter den Lizenznehmern, die diese Technik nutzen, sind auch IKEA und das auf Befestigungsmaterialien spezialisierte deutsche Unternehmen Würth.
Aber Creaholic beschäftigt sich inzwischen längst nicht mehr nur mit Anwendungen des Ultraschallschweißens. Drei seiner Spin-offs bieten Lösungen an, mit denen sich der Wasserverbrauch auf ein Minimum reduzieren lässt. Die patentierte Händewaschstation "Smixin" beispielsweise spart gegenüber einem herkömmlichen Waschbecken bis zu 90% an Wasser ein. Der Duschkopf "Gojsa" und die Duschrinne "Joulia" senken den Wasser- und Energieverbrauch beim Duschen drastisch. Und das Spin-off-Unternehmen Miniswys, das im Elektronikbereich arbeitet, hat mittlerweile einen winzigen, hocheffizienten Piezomotor entwickelt, der in Smartphone-Kameras für die Autofokus-, die Zoom- und die Makrofunktion eingesetzt wird.
Wirtschaftlicher Nutzen
Die Markteinführung der Swatch beendete ein für die Schweizer Uhrenindustrie bitteres Jahrzehnt. In der Blütezeit, die von den 1950er bis in die 1970er-Jahre währte, beherrschten die Schweizer den Weltmarkt mit einem Marktanteil von bis zu 90 Prozent. 1983 jedoch war dieser Anteil auf 15 Prozent zurückgegangen. Nur wenige Jahre, nachdem die Swatch die internationale Bühne betreten hatte, wurden bereits jedes Jahr mehrere Millionen davon verkauft. Bis zum Jahr 2014 waren mehr als 600 Millionen Swatch-Armbanduhren verkauft worden und hatten Einnahmen von über 6,15 Mrd. EUR erwirtschaftet. Die Swatch Group, der weltweit größte Uhrenhersteller, ist mit 37 Tochtergesellschaften in 50 Ländern vertreten und umfasst 18 Marken.
Creaholic wurde 1986 gegründet, beschäftigt heute rund 50 Mitarbeiter und hat über 800 Beratungsverträge erfüllt. Der Jahresumsatz des Unternehmens liegt bei knapp unter 5 Mio. EUR. Mit den Ideen, die seine Berater entwickeln, erwirtschaften die Kunden von Creaholic jährlich schätzungsweise 3,75 Mrd. EUR. Einer der wichtigsten Kunden von Creaholic ist der schwedische Lebensmittelverpackungshersteller Tetra Pak; er trägt etwa 5 bis 10 Prozent zum Jahresertrag bei. Creaholic hat unter anderem für Würth, IKEA, Nestlé, Du Pont, Bosch, Nespresso, BMW und Roche gearbeitet.
Die neun aus Creaholic hervorgegangenen Spin-offs gehören den Mitarbeitern selbst. Mehrere dieser Spin-off-Unternehmen beruhen auf Technologien, die zunächst für Kunden entwickelt wurden und dann im Rahmen gewerblicher Schutzrechtsvereinbarungen in unterschiedlichen Bereichen oder Branchen eingesetzt werden.
Funktionsweise
Um das Gehäuse einer Swatch-Uhr zu montieren, werden etwa 30 vormontierte Einzelteile mithilfe von 20 ABS-Kunstoffstiften zusammengesetzt. Die Befestigung eines solchen Stiftes erfolgt in weniger als einer Hundertstel Sekunde. Das aus Acrylglas bestehende Uhrglas wird auf das Gehäuse aufgeschweißt. Dadurch ist dieses dann wasserdicht abgeschlossen.
Das Ultraschallschweißverfahren, das zur Befestigung des Glases und der Stifte eingesetzt wird, arbeitet mit hochfrequenten Schwingungen (mehr als 15 kHz), die über ein Werkzeug, das als Sonotrode bezeichnet wird, eingeleitet werden. Diese Schwingungen werden auf die Polymere auf den beiden zu verbindenden Seiten übertragen. Die mechanische Energie wird in Wärme umgewandelt, und so werden die Polymere "verschweißt".
Mock war nicht nur der Erste, der das Ultraschweißverfahren zum Verbinden von Uhrenteilen eingesetzt hat, er sein Creaholic Team haben dessen Anwendung auch auf das Verbinden von Knochen, Holz und zahlreichen weiteren porösen Materialien ausgedehnt. Bei der Verwendung im Holzbereich könnte damit beispielsweise ein Polymerstift durch ein Kunststoffteil auf der Oberfläche einer Holzplatte getrieben werden. Der Stift wird dann mithilfe von Ultraschallenergie verflüssigt, um eine Verbindung zwischen dem Holz und dem Kunststoffteil herzustellen. Diese Art der Verbindung kann schneller hergestellt werden und ist außerdem kostengünstiger als andere Verfahren, bei denen Klebstoffe oder Schrauben zum Einsatz kommen.
Der Erfinder
Elmar Mock wuchs im französischsprachigen Teil der Schweiz auf und hat zwei ingenieurwissenschaftliche Abschlüsse erworben. Als Einziger seines Jahrgangs gelang es ihm, gleich nach seinem Studienabschluss eine Stelle bei dem renommierten Uhrenhersteller ETA zu ergattern. Dort übernahm er schon bald die Leitung im Bereich der Kunststoffspritzgießtechnik.
Nach einer kurzen Unterbrechung seiner Arbeit zum Erwerb eines weiteren Abschlusses konnte er seinen Chef davon überzeugen, in eine moderne Kunststoffspritzgießmaschine zu investieren. Mock, der zu dieser Zeit erst 26 war, machte sich daran, einen eilig dahingekritzelten Entwurf für eine einfache Kunststoffarmbanduhr in das umzusetzen, was dann die weltberühmte Swatch-Uhr werden sollte.
Mock verließ ETA - das Unternehmen, das zu Swatch wurde - im Jahr 1986 und war dann ein paar Jahre als selbstständiger Berater tätig. Die Gründung seines Unternehmens Creaholic, in dem er noch immer aktiv ist, basierte auf der Idee, die durch einen innovativen Durchbruch gewonnenen Erkenntnisse als Quelle für weitere innovative Entwicklungen zu nutzen.
2010 wurde Mock für seine Erfindung der Swatch-Uhr der "Gaïa Prize" des Internationalen Uhrenmuseums verliehen (zusammen mit dem Miterfinder und Uhrmacher Jacques Müller).
Wussten Sie das?
Auch wenn Mock die Uhrmacherei längst hinter sich gelassen hat und sich inzwischen auf andere Bereiche konzentriert, so lässt er sich doch noch immer vom "Blick auf die Uhr" zu neuen technologischen Entwicklungen anregen. In Elmar Mocks Worten bleibt das Handgelenk ein "innovativer Hotspot", auch wenn die Uhr inzwischen zu einer Nebenfunktion in der Technologie anderer Geräte degradiert wurde: "Das Uhrmacherhandwerk besteht heute nicht mehr in der Beherrschung mechanischer Zahnräder, sondern im geschickten Umgang mit Elektronik und Algorithmen." Vielleicht wird die Integration der Uhr in ihrem Träger und in neuen Technologien in Zukunft noch ganz andere Formen annehmen. Nach Mocks Einschätzung könnte sich die Uhr komplett neu erfinden und ihren Platz vielleicht sogar als Teil unserer Kleidung einnehmen oder an ganz anderen Körperteilen zu finden sein.
Inventors revisited
In 2020 hat das EPA ehemalige Finalist(inn)en und Gewinner(inn)en erneut kontaktiert, nach ihren Ansichten zu den Trends bei Innovationen und geistigem Eigentum befragt und dabei seltene Einblicke in die neuesten Forschungsprojekte und Erfindungen gewonnen.
Im Kopf eines Erfinders
Von Technologien zur Wasserersparnis bis hin zur berühmten Swatch: Elmar Mock kann auf eine erfolgreiche Laufbahn zurückblicken, während der er für 178 Patentfamilien als Erfinder oder Miterfinder genannt wurde. Aber was treibt einen professionellen Erfinder an? Elmar Mock, der inzwischen teilweise im Ruhestand ist, erlaubt uns einen Einblick in seinen neugierigen Geist und das unkonventionelle Denken, mit dem er über viele Jahrzehnte hinweg nonkonformistische Lösungen entwickelt hat.
Talk innovation
Nur wenige denken so über den Tellerrand hinaus wie Elmar Mock. Nur wenige sind auch so produktiv wie er: Elmar Mock hat an rund 800 Projekten gearbeitet. Wie geht er an den Erfindungsprozess heran? Das Erfinden ist ganz offensichtlich kein geradliniger Prozess.
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