Franz Lärmer, Andrea Urban
Verfahren zum anisotropen Ätzen von Silicium
Erfinder des Jahres 2007 in der Kategorie "Industrie"
Gelegentlich können kleine Dinge einen enormen Unterschied bewirken. Die bei Robert Bosch angestellten Erfindern Dr. Franz Lärmer und Andrea Urban (geborene Schilp) ahnten nur wenig davon, dass ihr Verfahren zur Unterstützung der Herstellung winziger Vorrichtungen aus einem einfachen Stück Silizium den Bereich der mikrolektromechanischen Systeme (MEMS) revolutionieren würde.
Das Patent aus dem Jahr 1994 - ein Verfahren zum anisotropen Ätzen von Silizium - ermöglichte die Konstruktion ausgefeilter kompakter Vorrichtungen, die kostengünstiger zu produzieren waren und heute in den Sicherheitsausrüstungen von Fahrzeugen breite Anwendung finden.
Lärmer beschreibt sich selbst als Physiker mit einer „starken Affinität zur Chemie". Er wurde in der bayerischen Stadt Waldsassen geboren und studierte Physik und Mathematik an der Technischen Universität München, um anschließend sein Physikstudium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zu vertiefen. Frau Urban wurde im südwestdeutschen Waiblingen im Land Baden-Württemberg geboren und studierte Oberflächentechnik an der Fachhochschule Aalen.
In vielen Anwendungen eingesetzte Technik
Die aus ihrem Patent entwickelte Technologie hatte bei Einführung sofortigen Erfolg und wurde von Bosch in Form eines Airbags 1997 auf den Markt gebracht. Obwohl der Einsatz von Silizium-Beschleunigungsmessern für Airbag-Aufprallsensoren keine brandneue Idee war, so war die Kostenfrage immer das Haupthindernis für deren breite Einführung gewesen. Das Bosch-Verfahren ermöglichte plötzlich die viel kostengünstigere Herstellung dieser Sicherheitsvorrichtungen und die Anwendung in allen Fahrzeugen zum erschwinglichen Preis, nicht nur für Wagen der oberen Luxusklasse.
Surface Technology Systems, ein Ätzwerkzeughersteller mit Sitz im Vereinigten Königreich, arbeitete mit Bosch bei der Kommerzialisierung des Verfahrens zusammen und wurde der erste Lizenznehmer. In den Jahren 1998 und 2000 verwendete Bosch das Verfahren zur Einführung neuer Generationen von Gyroskopen, hauptsächlich für Antiblockiersysteme und Überrollschutz.
Bosch ist nach wie vor der führende Hersteller von MEMS-Sensoren im Automobilbereich. Nach eigener Aussage produziert Bosch unter Verwendung der Technologie von Lärmer und Urban jährlich 50 Millionen Sensoren aller Arten von Beschleunigungssensoren und Gyroskopen. Gerade einmal fingernagelgroß, sind diese Chips in der Lage, genau den zu Moment erfassen, in dem ein Fahrzeug ins Rutschen gerät.
Die Sensoren werden auch in anderen Anwendungen wie Mobiltelefonen bzw. Laptops verwendet. Die Technologie hat praktisch alle MEMS-Bereiche erfasst, von Anwendungen im Gesundheitsbereich (einschließlich DNA-Chips und Einweg-Blutdruckmessern) bis hin zu hochauflösenden Tintenstrahl-Druckköpfen.
Laut NEXUS Marktanalyse wird der MEMS-Markt vom heutigen Stand von 33 Mrd USD jährlich um 11 Prozent wachsen und bis 2009 einen Wert von 57 Mrd USD erreichen.
Obwohl nicht alle Geräte das Bosch-Verfahren nutzen, steht fest, dass ohne diese Erfindung die Herstellung von preisgünstigen Beschleunigungssensoren und Miniatur-Gyroskopen - die das Kernelement von so wichtigen Autosicherheitssystemen wie Antiblockier-Bremssystemen und Airbag-Ausstattungen sind - undenkbar gewesen wäre.
Funktionsweise
Lärmer und Urban arbeiteten in der Forschungsabteilung von Robert Bosch in der Sensor- und Prozessentwicklung und entwickelten dort ein Verfahren zur Herstellung von Hochpräzisions-Siliziumsensoren mit Plasmatechnik. Zweck ihrer Erfindung bestand darin, tiefe Mikrostrukturen mit vertikalen Seitenwänden in hoher Geschwindigkeit und großer Genauigkeit in Siliziumscheiben zu ätzen.
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum anisotropen Ätzen von Merkmalen, die durch eine mit einem Plasmaätzverfahren hergestellte Ätzmaske (vorzugsweise Aussparungen mit exakt definierten Seiten im Silizium) definiert werden.
Das Ätzverfahren gibt es bereits seit etwa 30 Jahren in der Welt der MEMS. Ein allgemeines Problem bei der Tiefenätzung von Silizium bestand darin, dass das Verfahren auch zur Seite ätzte, wodurch die Seitenwand der Struktur angegriffen wurde, was zu Wandverformungen führte.
Das Verfahren der Erfinder löste das Problem durch den Einsatz eines Fluorkohlenstoff-basierten Plasmas zum Abscheiden einer ätzresistenten Schutzschicht vor Durchführung einer nachfolgenden Ätzstufe. Dieses Plasmaätzverfahren, das heute einfach als Bosch-Verfahren bezeichnet wird, erlaubt die Tiefenätzung in durchdefinierter Weise.
Die Technologie revolutionierte damals den MEMS-Bereich und wird heute in der ganzen Welt zur Herstellung von Silizium-MEMS verwendet.
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