Günter Hufschmid
Superschwamm für Ölverschmutzungen
Gewinner des Europäischen Erfinderpreis 2017
Wohl gibt es herkömmliche Bindemittel, aber diese brauchen meist länger, um weniger der kontaminierenden Substanzen aufzunehmen. Einige dieser Mittel hinterlassen chemische Rückstände, und die Mehrzahl der Bindemittel ist nicht wiederverwendbar. Die Erfindung von Hufschmid, die er "Pure" nennt, ist in allen Punkten überlegen. Sie ist extrem saugfähig und schnellwirkend, verursacht keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen und lässt sich nach dem Einsatz ganz einfach auswringen und wiederverwenden.
Die Entdeckung von Pure war eigentlich eine Panne, wenn auch eine mit einem glücklichen Ergebnis. Beim Versuch, eine neue Art eines mikronisierten Wachses zu erhalten, ließ ein Mitarbeiter in Hufschmids Unternehmen eine Maschine über Nacht mit falschen Temperatur- und Druckeinstellungen laufen. Am nächsten Morgen war der Boden mit einer flauschigen, faserigen Substanz bedeckt, die die Mitarbeiter schnell scherzhaft als "Zauberwatte" bezeichneten.
Gesellschaftlicher Nutzen
Nach Angaben der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften gelangen jedes Jahr mehrere Millionen Liter Öl in die Ozeane unserer Erde. Bei der Katastrophe der Deepwater Horizon liefen 2010 rund 770 Millionen Liter Öl aus, die die umliegenden Bereiche des Golfs von Mexiko verseuchten - und dabei war dies nur die viertschwerste Ölpest in der Geschichte. Neben den verheerenden Auswirkungen, die eine solche Verschmutzung auf die Meeresflora und -fauna hat, kann die Kontaminierung durch Öl und Chemikalien auch zu einer Verseuchung des Trinkwassers für Menschen führen und in den am schlimmsten betroffenen Gebieten eine Reihe gesundheitlicher Probleme verursachen.
Die Mitarbeiter von Deurex haben Spaß daran, die Fähigkeiten von Pure im kleinen Maßstab zu demonstrieren: Sie gießen etwas Öl in ein Glas mit Wasser, streuen ein wenig Pure obenauf, nehmen es wieder heraus und trinken dann einen Schluck des Wassers. Aber Pure hat sich bereits in einem viel größeren Rahmen als wirksam erwiesen. Das Unternehmen arbeitet mit einer NRO zusammen, um bei der Reinigung beispielsweise des schwer verseuchten Niger-Deltas behilflich zu sein. 2013 schickte Deurex außerdem ganze Lastwagenladungen von Pure nach Süddeutschland, um Feuerwehrleute dabei zu unterstützen, die Keller einiger Dutzend Häuser von dem aufgrund einer Überschwemmung ausgelaufenen Heizöl zu befreien.
Wirtschaftlicher Nutzen
Im Jahr 2010, in dem Pure erfunden wurde, wurde der globale Markt für das Management von Ölunfällen auf etwa 13 Mrd. EUR (14 Mrd. USD) beziffert. Von der Ölindustrie veröffentlichte Zahlen zeigen, dass bei den von Tankschiffen und Ölplattformen ausgehenden Ölverseuchungen ein Rückgang zu beobachten ist. Dennoch geht man davon aus, dass der Markt für die Ölschadensbekämpfung bis 2020 einen Wert von 118 Mrd. EUR (125,6 Mrd. USD) erreicht haben wird. Dies hängt damit zusammen, dass insgesamt mehr Öl in Hochseetankern und durch Überlandpipelines befördert wird, und dass Regierungen - insbesondere in den USA und Europa - den Ausbau des Einsatzes von Technologien für das Management von Ölunfällen gesetzlich verankert haben.
Noch laufen Verhandlungen mit Unternehmen der Erdölbranche, und Deurex ist zuversichtlich, dass es dank seines innovativen Produkts dort Fuß fassen wird. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es Einsatzmöglichkeiten für Pure: Moderne Windkraftanlagen benötigen große Mengen an Schmieröl, und auch hier kommt es gelegentlich zu Ölaustritten. Mit der Verwendung des Öl adsorbierenden Wachses von Deurex können Unternehmen Kosten bei der Reinigung sparen und Stillstandszeiten verringern. Dank einer kürzlich errichteten neuen Produktionsanlage kann Deurex derzeit jährlich 700 Tonnen Pure herstellen. Weitere Investitionen in Deutschland und anderen Ländern sind geplant.
Funktionsweise
Was genau hinter den neuartigen chemischen Eigenschaften von Pure steht und weshalb es dazu in der Lage ist, Öl von Wasser zu trennen, bleibt tatsächlich etwas rätselhaft. Wachs ist naturgemäß wasserabweisend, aber Pure, das aus Polyethylen hergestellt wird, hat zusätzlich eine Besonderheit, die es ihm ermöglicht, andere wasserabweisende Flüssigkeiten wie Öl oder Chemikalien aufzusaugen. Die Chemiker von Deurex arbeiten immer noch daran herauszufinden, warum ihre Zufallserfindung diese Eigenart besitzt - auch wenn der Nachweis, dass es sie besitzt, ausreichend war, um ein Patent für Pure zu erhalten.
Der Herstellungsprozess für Pure ist ähnlich wie für herkömmliches Wachs: Ein pulverartiges Granulat wird erhitzt und verdichtet. Allerdings wird Pure mit einer höheren Temperatur und höherem Druck hergestellt. Während der Schmelzpunkt von konventionellem Wachs zwischen 40 und 60 Grad Celsius liegt, schmilzt Pure erst bei einer Temperatur von 120 Grad Celsius. Pure hat außerdem eine größere Oberfläche als andere Bindemittel auf Granulatbasis: Aus einem Gramm des Rohwachses können drei Quadratmeter Pure gewonnen werden.
Der Erfinder
Günter Hufschmid nahm 1977 ein Studium der Chemie an der Technischen Universität München auf, bevor er 1982 nach Aachen ging, um ein betriebswirtschaftliches Aufbaustudium abzuschließen. Seine berufliche Laufbahn begann er beim deutschen Chemiekonzern BASF. Dort war er zunächst als Vertriebsleiter für Spezialchemikalien tätig. Später arbeitete er im Marketing, in der Marktforschung, im Kundenmanagement sowie in Vertriebsabteilungen rund um die Welt für die BASF, bevor er diese 1992 verließ, um sein eigenes Unternehmen zu gründen.
Noch im selben Jahr nahm die Deurex-Gruppe in Sachsen-Anhalt ihren Betrieb auf, nur zwei Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung. Hufschmid profitierte von Subventionen des Bundes für neue Unternehmen und er begann mit der Vermarktung eines neuen Verfahrens, das er entwickelt hatte, um mikronisierte Wachse herzustellen, die für die Verwendung als Schutzüberzug geeignet waren. Heute beschäftigt das Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter, von denen allein 20 auf Pure entfallen.
Wussten Sie das?
Pure von Deurex ist nicht die einzige Erfindung, die auf einen glücklichen Zufall zurückgeht. Auch Innovationen wie künstliche Süßstoffe, Mikrowellengeräte und sogar Klettverschlüsse verdanken ihre Entstehung eher zufälligen Umständen. Auch manch namhaftem Finalisten oder Gewinner des Europäischen Erfinderpreises kam ein Zufallstreffer zu Hilfe: So führt der preisgekrönte Physiker Sumio Iijima (Finalist 2015 in der Kategorie "Außereuropäische Staaten"), der Vater der Kunststoffnanoröhren, seine anfängliche Entdeckung ganz bescheiden auf eine glückliche Fügung zurück, und der französische Neurochirurg Alim-Louis Benabid, der den Preis in der Kategorie "Forschung" 2016 erhielt, wurde von Neugierde getrieben, als er das Gehirn eines Patienten mittels Elektroden untersuchte und dabei zufällig auf ein Heilmittel gegen die Parkinsonkrankheit stieß. Und auch der schwedische Ingenieur und Physiker John Elvesjö (SMEs, 2015) stellte nur durch einen Zufall fest, dass sein Sensor zum Tracking von Faserpartikeln in einer Lösung auch die Bewegung des menschlichen Auges aufzeichnen konnte.
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