Lars Liljeryd
Digitale Audiokompression
Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2017
Die Spektralbandreplikation (SBR) ist ein neuartiges Verfahren zur Kompression digitaler Audiodateien, das Millionen von Menschen weltweit einen komfortablen, kostengünstigen und qualitativ hochwertigeren Hörgenuss ermöglicht hat. Das Verfahren wurde vom schwedischen Erfinder Lars Liljeryd entwickelt und dann gemeinsam mit einem Team von Ingenieuren, dem auch Martin Dietz aus Deutschland sowie Kristofer Kjörling, Per Ekstrand und Fredrik Henn aus Schweden angehörten, zur Marktreife gebracht. Ohne die SBR-Technik wären Download, Speicherung und Streaming von Audiomedien auf modernen Smartphones, tragbaren Wiedergabegeräten, digitalen Radios, Videokameras, Fernsehgeräten und PCs wesentlich weniger effizient.
Die Ideen von Liljeryd waren für die gesamte Branche revolutionär. Sein Konzept für die Verbesserung bestehender Codierungsformate erhöhte die Standards für digitale Audiotechnologie auf ein Niveau, das bis dahin als unerreichbar gegolten hatte. Es erweiterte andere Audiokompressionstechnologien, insbesondere MP3 und Advanced Audio Coding (AAC), die nach Ansicht zahlreicher Experten zu diesem Zeitpunkt ihr maximales Potenzial erreicht hatten. Und was für das breite internationale Publikum, das die SBR-Technologie nutzt - und für den Musikliebhaber, der sie entwickelte - wohl am wichtigsten war: Mit SBR klingt Musik immer noch richtig, richtig gut.
Gesellschaftlicher Nutzen
Die volle Markteinführung der SBR-Technologie erfolgte 2002 im Rahmen des "MPEG High-Efficiency Advanced Audio Coding Standard" (HE-AAC), zu einer Zeit, als Bandbreite und Speicherplatz nicht mit der Begeisterung der breiten Öffentlichkeit für Musik und Audiostreaming Schritt halten konnten. Mit SBR konnte die Audiokompression auf einen Schlag um 30 bis 50 Prozent verbessert und damit die Menge an Musik, die auf einem Endgerät gespeichert bzw. die Geschwindigkeit, mit der diese übertragen werden konnte, praktisch verdoppelt werden.
Die Effektivität und hohe Wiedergabetreue der SBR-Technologie überzeugten Satellitenrundfunk-, Mobilfunk- und Internetunternehmen schnell, und so wurde sie schon sehr bald in populäre Musikwiedergabesysteme, insbesondere iTunes von Apple, integriert und von Multimedia-Plug-ins wie dem Adobe Flash Player unterstützt. Nutzer in den USA kennen SBR unter Umständen von Streaming-Musikdiensten wie Pandora Radio oder Rhapsody und auch von Satellitenradiodiensten wie SiriusXM. In Europa ist SBR besser bekannt durch das Sendernetzwerk Digital Radio Mondiale, zu dem z. B. die Deutsche Welle, der BBC World Service und Radio France Internationale gehören. Außerdem wird SBR in vielen Ländern auch zur Kompression der Audiodaten von digitalen TV-Sendesignalen verwendet.
SBR ist heutzutage Standardtechnologie auf ca. 6 Mrd. Geräten weltweit, von Videokameras über Smartphones bis hin zu PCs. Wenn allein die hohe Verbreitung schon als Hinweis auf den gesellschaftlichen Nutzen gewertet wird, dann kann SBR zweifellos die Zahlen aufweisen, die dies belegen. Der wahre Wert von SBR liegt jedoch in der hohen Audioqualität, die diese Technologie bietet, bei gleichzeitiger Senkung des Platzbedarfs beim Speichern und Senden, sodass Zuhörer weltweit mehr Auswahl und eine bessere Kontrolle über die Musik und die Audioprogramme haben, die sie hören wollen.
Wirtschaftlicher Nutzen
Mit drei Absolventen eines Master-Studiengangs - Kjörling, Ekstrand und Henn - gründete Liljeryd ein kleines Start-up-Unternehmen und begann dort mit der Realisierung seiner ursprünglichen Idee. In der Folge suchte er dann Unterstützung bei den Fachleuten des Fraunhofer-Instituts in Erlangen, in dem sowohl MP3 als auch AAC entwickelt worden waren, mit dem Ziel, die SBR-Technologie in diese Codecs zu integrieren. Mit zusätzlichem Investitionskapital gründete Liljeryd die Coding Technologies AB in Schweden und- gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut - die deutsche Tochtergesellschaft dieses Unternehmens, die Coding Technologies GmbH. Die Leitung beider Unternehmen wurde dem MP3-Spezialisten des Fraunhofer-Instituts Martin Dietz übertragen.
2002 wurde die SBR-Technologie erfolgreich in HE-AAC integriert - bis heute einer der beliebtesten Audio-Codecs auf MPEG-Standard. Fünf Jahre später wurde das Unternehmen Coding Technologies mit seinen wichtigen SBR-Patenten zu einem Gesamtpreis von ca. 170 Mio. EUR (auf der Grundlage des Wertes von 2007) von den US-amerikanischen Dolby Laboratories übernommen, einem führenden Unternehmen im Bereich der Audiocodierung/Audiokompression und Störunterdrückung.
Mit dieser Übernahme begann die Lizenzierung der SBR-Technologie im großen Stil. Mit einem Jahresumsatz von rund 950 Mio. EUR ist Dolby eines der führenden Unternehmen auf dem Markt für Audiocodecs, der 2015 auf ein Volumen von 5,2 Mrd. EUR beziffert wurde. Branchenanalysten zufolge soll er bis zum Jahr 2022 auf ein Volumen von 7 Mrd. EUR anwachsen.
An den Standorten Stockholm und Nürnberg sind ca. 100 Spezialisten für Audiocodierung direkt beschäftigt und arbeiten an der weiteren Verbesserung und künftigen Upgrades von SBR. Darüber hinaus schafft die Codierungstechnologie Arbeitsplätze für Softwareentwickler, Produktentwickler und Hersteller in nachgelagerten Bereichen.
Funktionsweise
Vor der Entwicklung der SBR-Technologie durch Liljeryd wurden digitale Audiodateien meist dadurch komprimiert, dass bestimmte Teile der Originaldatei ausgelassen wurden. Prinzipiell sind digitale Audiodateien ganz einfach Schallwellen, die in Form von Bits, d. h. als Folge von Einsen und Nullen codiert wurden. Um deren Gesamtgröße zu reduzieren, mussten also bestimmte Frequenzen herausgeschnitten werden. Normalerweise wurden die höchsten und die niedrigsten Frequenzen weggelassen. Mit diesem Verfahren konnte zwar die Gesamtgröße gesenkt werden, aber ab einem bestimmten Kompressionsgrad (90 Prozent bei AAC) litt die Audioqualität.
Liljeryd hatte seinen genialen Einfall, als ihm bewusst wurde, dass er gar nicht alle Bits einer Datei übertragen musste, um eine hohe Audioqualität aufrechtzuerhalten. Es war ausreichend, nur die niedrigen Frequenzen zu übertragen und diese als Richtschnur für die Wiederherstellung der Anteile mit höheren Frequenzen zu nutzen. Auf diese Weise war es möglich, einen Song zu zerlegen und in seinen Teilen zu übertragen, zusammen mit Anweisungen für die restlichen Anteile, und so konnte das Ganze dann am Empfangsende wieder zusammengesetzt werden.
Der Erfinder
Bereits in jungen Jahren machte der heute 66-jährige Liljeryd aktiv Musik - insbesondere Rock'n'Roll - und verband dies mit seiner Begeisterung für Elektronik. Wenn er nicht gerade in einer seiner Musikgruppen Schlagzeug spielte, saß er wahrscheinlich an seinem Amateurfunkgerät oder experimentierte mit Verstärkern, und er verkaufte sogar einfache Kristallempfänger an seine Freunde. 1971 hatte er bereits sein erstes Unternehmen gegründet, in dem er Hammond-Orgeln umbaute und ihnen einen "rockigeren" Sound verpasste. 1973 landete eine seiner Bands einen Nummer-eins-Hit in Schweden. Deshalb musste er sich eine Weile von seinem Vollzeitjob als Ingenieur in einem Tonstudio beurlauben lassen, um mit seiner Band auf Tournee gehen zu können.
Ab 1980 zeichnete Liljeryd dann verantwortlich für eine Reihe von Innovationen in der Audiotechnik: ein Tiefseetaucher-Kommunikationssystem für die Offshore-Ölindustrie, für das er einen Preis für Meerestechnik erhielt, ein tragbares, hochsensibles, kapazitives Unterwassermikrofon für die schwedische Marine sowie ein digitales Hörgerät. Eben jenes Hörgerät legte bereits den Samen für die SBR-Technologie, weil Liljeryd schon bei diesem Projekt erkannte, dass das menschliche Gehör bestimmte Frequenzen weniger gut wahrnimmt. Dies gab ihm die Freiheit, die höheren Frequenzen auf der Grundlage des akustischen Phänomens der harmonischen Redundanz zu replizieren, ohne Gefahr zu laufen, dass es dabei zu einer durch das menschliche Ohr wahrnehmbaren Granularität kommt.
Wussten Sie das?
Erfinder von Audio- und Videocodierungstechnologien waren über die Jahre hinweg bereits mehrfach beim Europäischen Erfinderpreis erfolgreich. Vor Liljeryd waren bereits Karlheinz Brandenburg (2006; Lebenswerk), den viele als Vater der digitalen Audiokompression betrachten und der als eine der wichtigsten Triebfedern der MP3-Technik beim Fraunhofer-Institut gilt, und Leonardo Chiariglione (2008; Lebenswerk) unter den Finalisten. Die beiden entwickelten den MPEG-Codec und trieben die Entwicklung von Videostandards voran, die schließlich in der HDTV-Technik gipfelten. Und Kornelis A. Schouhamer Immink (2015; Lebensleistung - Finalist) war maßgeblich an der Entwicklung von EFM beteiligt, dem Codierungsverfahren, auf dem CDs, DVDs und Minidiscs basieren.
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