Umwandlung von Abfall in erneuerbaren Kraftstoff: finnische Gruppe in der Endauswahl für den Europäischen Erfinderpreis 2023
- Die NEXBTL-Technologie ermöglicht die Umwandlung von Abfällen und Restrohstoffen wie tierischen Abfallfetten und gebrauchten Speiseölen in hochwertige erneuerbare Kraftstoffe
- Den Erfindern zufolge senkt der erneuerbare Diesel die Treibhausgasemissionen gegenüber fossilem Diesel um etwa 75–95 %
- Ihre verschiedenen Kraftstoffe eignen sich für bestehende Fahrzeuge in verschiedenen Bereichen: Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr
München, 9. Mai 2023 – Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) stößt der Verkehrssektor weltweit jährlich etwa 7,3 Milliarden Tonnen CO2 aus, also rund 20 % der globalen CO2-Emissionen. Den Schätzungen der Agentur zufolge sind 30 % dieser Gesamtmenge allein auf mittelschwere bis schwere Lkw und den Luftverkehr zurückzuführen. Um eine nachhaltigere Zukunft zu sichern und die Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen, muss der weltweite Treibhausgasausstoß reduziert werden. Ein finnisches Team bestehend aus Pia Bergström, Annika Malm, Jukka Myllyoja, Jukka-Pekka Pasanen und Blanka Toukoniitty hat an der Entwicklung eines innovativen Verfahrens zur Umwandlung von Abfällen und Restrohstoffen in erneuerbare Produkte für Straßen- und Luftverkehr sowie andere Sektoren mitgewirkt. In Anerkennung seiner vielversprechenden Arbeit ist das finnische Team in der Endauswahl in der Kategorie "Industrie“ des Europäischen Erfinderpreises 2023 . Für die diesjährige Ausgabe wurden sie unter mehr als 600 Kandidaten und Kandidatinnen ausgewählt.
Ein sauberer und leistungsfähigerer Kraftstoff
Die Erfindergruppe aus Finnland war an der Entwicklung der proprietären Technologie NEXBTL™ von Neste und damit zusammenhängenden Verfahren beteiligt, die dazu dienen, verschiedenste erneuerbare Fette und Öle in hochwertige erneuerbare Produkte umzuwandeln. Zu den mit der Technologie produzierten Lösungen gehört Neste MY Renewable Diesel™, der für alle Dieselmotoren geeignet ist und dessen Einsatz Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus des Kraftstoffs um ganze 75–95 % gegenüber fossilem Diesel reduzieren kann. Dem Unternehmen zufolge ist Neste MY Sustainable Aviation Fuel™ (SAF) eine direkte Alternative zu fossilem Düsentreibstoff und kann – unvermischt verwendet – die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Düsentreibstoff während des Kraftstoff-Lebenszyklus um bis 80 % senken.
Das Unternehmen verwendet für die Herstellung seiner erneuerbaren Produkte eine Vielzahl von Rohstoffen aus der ganzen Welt, wie tierische Abfallfette, gebrauchtes Speiseöl sowie Abfälle und Rückstände aus der Pflanzenölverarbeitung. Die Umwandlung unterschiedlicher Abfälle und Rückstände in reine Kohlenwasserstoffe erfolgt in mehreren Schritten. Als Erstes werden die Rohmaterialien in einem Vorbehandlungsverfahren von Verunreinigungen befreit und anschließend in einem katalytischen Prozess weiter raffiniert; dabei werden Öle und Fette erneuerbaren Ursprungs in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Um eine Verfestigung des Produkts zu vermeiden, wird als nächstes eine so genannte Hydroisomerisierung durchgeführt; dabei ordnen chemische Katalysatoren die Atome so an, dass das Erzeugnis sich weniger leicht verfestigt und daher als Kraftstoff für kalte Witterungsbedingungen geeignet ist. Dadurch wird gewährleistet, dass der Motor eines Flugzeugs oder Kraftfahrzeugs auch bei Kälte störungsfrei läuft.
Derzeit produziert Neste jährlich etwa 3,3 Millionen Tonnen erneuerbaren Diesel und andere erneuerbare Produkte und plant, die Produktionskapazität bis Ende 2023 auf 5,5 Millionen Tonnen zu erhöhen. Ebenfalls geplant ist die Einführung verflüssigter Kunststoffabfälle als Ausgangsmaterial für petrochemische Produkte.
Keine Innovation ohne Kollaboration
Innovation ist eine Teamleistung, bei der die im Unternehmen und bei den Partnern vorhandene Expertise von Fachleuten für Chemie, Ingenieurwesen, Forschung und Entwicklung, nachwachsende Rohstoffe usw. genutzt wird. Zum Thema disruptive Ideen meint Blanka Toukoniitty: "Alles ist möglich; unmöglich dauert nur länger. Wir haben an unsere Sache geglaubt und hart gearbeitet. In Zeiten der Herausforderung und des Zweifels ist es wichtig, sich ganz auf das Ziel zu konzentrieren. In der Forschung und Entwicklung muss man Geduld haben und einfach weitermachen."
Pia Bergström, die einen Master in organischer Chemie hat, war vorher in der Forschung tätig und ist jetzt leitende Spezialistin für Ausgangsmaterialien. Annika Malm hat einen Master in chemischer Verfahrenstechnik. Nach ihrer Forschungslaufbahn bei Neste arbeitet sie jetzt an der Entwicklung der Rohstoffverwertung. Jukka-Pekka Pasanen hat einen Master in Bioprozess- und Lebensmitteltechnik und widmet sich der Erforschung von erneuerbaren Kraftstoffen und nachwachsenden Einsatzstoffen; Jukka Myllyoja ist ausgebildeter Synthesechemiker und erfahrener R&D Fellow und arbeitet seit über 30 Jahren bei Neste R&D an der Entwicklung neuer Technologien. Blanka Toukoniitty hat in chemischer Verfahrenstechnik promoviert und verfügt über breites Wissen in der Entwicklung von Wertschöpfungsketten für die Verarbeitung erneuerbarer und kreislaufwirtschaftlicher Einsatzstoffe zu wertvollen Produkten.
Myllyoja beschreibt die Schwierigkeiten und die gemeinsame Motivation zur Senkung von verkehrsbedingten Kohlenstoffemissionen so: "Der Klimawandel ist eine gewaltige Herausforderung. Alle möglichen Lösungen werden gebraucht, um die verkehrsbedingten Kohlenstoffemissionen zu senken; eine einzelne Technologie schafft das nicht. Wir müssen alle Fähigkeiten und verschiedene Wege nutzen, um den auf Erdöl und Kohle basierenden Energiesektoren ein Ende zu bereiten." Bergström fügt hinzu: "Wir sehen uns als Vorreiter auf dem Gebiet der erneuerbaren Kraftstoffe. Sehr oft mussten wir Antworten auf Herausforderungen oder Möglichkeiten suchen. Hinter unseren Innovationen und unserem Erfolg stecken viel harte Arbeit, viele großartige Kolleginnen und Kollegen sowie Talent und etwas Glück."
Das Team wurde von einer unabhängigen internationalen Jury in die engere Wahl gezogen. Die Sieger des Europäischen Erfinderpreises 2023 werden im Rahmen einer hybriden Zeremonieam am 4. Juli 2023 in Valencia (Spanien) bekanntgegeben. Diese Zeremonie wird online übertragen und ist für alle offen.
Weitere Informationen zu den Auswirkungen der Erfindung, der Technologie und den Geschichten der Erfinder finden sie hier.
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Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Allen Erfindern muss ein europäisches Patent für ihre Erfindung erteilt worden sein. Lesen Sie mehr über die verschiedenen Kategorien, Preise, Auswahlkriterien und die Livestream-Zeremonie, die am 4. Juli 2023 stattfinden wird.
Über das EPA
Mit 6 300 Beschäftigten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das Amt, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinderinnen und Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist zudem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.