T 1595/17 30-04-2021
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Vorrichtung zur Durchführung einer Geldtransaktion
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 14 171 785.0 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückzuweisen.
Die Patentanmeldung ist eine Teilanmeldung im Sinne von Artikel 76 EPÜ zu der früheren europäischen Patentanmeldung Nr. 13 163 185.5, auf die das Patent EP 2 790 163 B1 erteilt worden ist.
II. Es wird auf die folgenden, in der angefochtenen Entscheidung zitierten Dokumente verwiesen:
D1: EP 2 450 823 A1
D2: EP 1 530 150 A1
D3: EP 2 521 107 A1
D4: DE 10 2008 012 231 A1
D5: WO 2008/057057 A1
III. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) beantragte zunächst, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent gemäß dem Hauptantrag oder einem der Hilfsanträge 1 und 2 zu erteilen. Alle Anträge wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
IV. In einer Mitteilung gemäß Regel 100(2) EPÜ teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe, Hilfsantrag 1 jedoch den Erfordernissen des EPÜ genüge.
V. Mit Schreiben vom 21. Januar 2021 nahm die Beschwerdeführerin den Hauptantrag und den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück. Der bisherige Hilfsantrag 1 wurde als alleiniger Antrag zum Hauptantrag.
VI. Der nunmehrige Hauptantrag besteht aus folgenden Anmeldungsunterlagen:
- Ansprüche 1 bis 7 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten "HILFSANTRAGS 1";
- Beschreibung:
Seiten 4, 5 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten "HILFSANTRAGS 1";
Seiten 1 bis 3 und 6 bis 11 der ursprünglichen Fassung;
- Zeichnungen, Blätter 1/2, 2/2 der ursprünglichen Fassung.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
Vorrichtung (1) zur Durchführung einer Geldtransaktion, mit
- einem Lesegerät (10) zum Lesen von Daten einer Identifikationseinrichtung (4) eines Nutzers,
- mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) zum Erzeugen eines magnetischen Wechselfeldes (H) in einem Erfassungsbereich an dem Lesegerät (10) und
- einer Steuer- und Auswerteinrichtung (2), die ausgebildet ist, eine erste der mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) zum Erzeugen des magnetischen Wechselfeldes (H) anzusteuern und zumindest eine von dem erzeugten magnetischen Wechselfeld (H) abhängende Kenngröße (Z) der Magnetfeldspule (20, 21) zu überwachen, um anhand der Kenngröße (Z) ein Objekt (3) in dem Erfassungsbereich zu erfassen,
dadurch gekennzeichnet,
dass die erste der mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) ein magnetisches Wechselfeld (H) mit einer ersten Frequenz größer als 100 kHz und eine zweite der mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) ein magnetisches Wechselfeld (H) mit einer zweiten Frequenz, die niedriger als die erste Frequenz ist, erzeugt.
VIII. Der unabhängige Anspruch 7 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
Verfahren zum Schutz einer Vorrichtung (1) zur Durchführung einer Geldtransaktion, bei dem
- ein Lesegerät (10) Daten einer Identifikationseinrichtung (4) eines Nutzers einliest,
- mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) ein magnetisches Wechselfeld (H) in einem Erfassungsbereich an dem Lesegerät (10) erzeugen und
- eine Steuer- und Auswerteinrichtung (2) eine erste der mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) zum Erzeugen des magnetischen Wechselfeldes (H) ansteuert und zumindest eine von dem erzeugten magnetischen Wechselfeld (H) abhängende Kenngröße (Z) der ersten der mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) überwacht, um anhand der Kenngröße (Z) ein Objekt (3) in dem Erfassungsbereich zu erfassen,
dadurch gekennzeichnet,
dass die erste der mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) ein magnetisches Wechselfeld (H) mit einer ersten Frequenz größer als 100 kHz und eine zweite der mindestens zwei Magnetfeldspulen (20, 21) ein magnetisches Wechselfeld (H) mit einer zweiten Frequenz, die niedriger als die erste Frequenz ist, erzeugt.
IX. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen vor, dass die Vorrichtung gemäß D2 nur eine Magnetspule aufweise. Der Fachmann würde in D2 oder in den übrigen Dokumenten des Stands der Technik keinen Hinweis finden, die Vorrichtung von D2 so zu ändern, dass er die beanspruchte Vorrichtung in naheliegender Weise erreicht.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1 Änderungen
2.1.1 Anspruch 1 ist eine Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1 und 6. Anspruch 7 (Verfahren) stützt sich auf den ursprünglichen Anspruch 8, der entsprechend dem Anspruch 1 geändert worden ist.
Die ursprünglichen abhängigen Ansprüche wurden gegebenenfalls umnummeriert und sprachlich angepasst.
2.1.2 Die Beschreibung wurde an die Ansprüche des Hauptantrags angepasst.
2.1.3 Die Kammer ist somit überzeugt, dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ erfüllt sind.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1), 56 EPÜ)
3.1 Die Prüfungsabteilung sah das Dokument D2 als nächstliegenden Stand der Technik an. Die Beschwerdeführerin war damit einverstanden, und die Kammer ist es auch.
D2 beschreibt eine Vorrichtung zur Durchführung einer Geldtransaktion mit einem Sensor zur Identifizierung von Fremdkörpern in der Nähe der Vorrichtung (siehe z. B. Absätze [0001] und [0002]). Der Sensor umfasst einen Sender ("Transmitter"), der ein Wechselfeld in der Nähe der Vorrichtung erzeugt. Das Wechselfeld weist eine Frequenz auf, die größer als 18 kHz ist (siehe Absatz [0015], Figur 1). Der Sensor überwacht die Impedanz (Z) des Feldes und erfasst somit durch eine Änderung der gemessenen Impedanz einen Fremdkörper innerhalb des Feldes (siehe Absätze [0016], [0017] und Figur 2).
Das erzeugte Wechselfeld kann ein magnetisches Feld sein (siehe Spalte 4, Zeile 2 bis 5). Nach Ansicht der Kammer bedeutet dies implizit, dass der Sensor eine magnetische Spule aufweisen muss, um ein solches magnetisches Feld erzeugen zu können.
3.2 Die im Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Vorrichtung unterscheidet sich von D2 dadurch, dass
- sie mindestens zwei Magnetspulen aufweist;
- die erste Magnetspule ein Wechselfeld mit einer ersten Frequenz größer als 100 kHz erzeugt;
- die zweite Magnetspule ein Wechselfeld mit einer zweiten Frequenz, die niedriger als die erste Frequenz ist, erzeugt.
Die Vorrichtung gemäß D2 weist nur eine (implizit offenbarte) Magnetspule auf, die ein magnetisches Wechselfeld mit einer Frequenz größer als 18 kHz erzeugt.
3.3 Die technische Wirkung dieser Merkmale besteht darin, dass mittels des zweiten, niederfrequenten Wechselfeldes eine zusätzliche, zweite Erfassung durchgeführt werden kann. Die Erfassung eines Fremdkörpers in dem Bereich um die Vorrichtung wird somit zuverlässiger und das Risiko für einen Fehlalarm weiter reduziert (siehe Absätze [0018] bis [0021] der Anmeldung).
Der Fachmann hat daher die technische Aufgabe zu lösen, wie die Erfassung von Fremdkörpern in der Nähe der Vorrichtung von D2 zuverlässiger werden kann.
3.4 In D2 gibt es keinen Hinweis auf eine Erzeugung eines zweiten Wechselfeldes zwecks Erfassung von Fremdkörpern in der Nähe der Vorrichtung. Der Fachmann würde somit in D2 keinen Anreiz finden, der Vorrichtung eine zweite Magnetfeldspule hinzuzufügen.
3.5 Die übrigen Dokumente des Stands der Technik würden dem Fachmann ebenfalls nicht weiterhelfen:
- D1 beschreibt einen Sensor für eine Vorrichtung zur Durchführung von Geldtransaktionen, der eine Antenne aufweist, die ein Wechselfeld erzeugt, um Fremdkörper in der Nähe der Vorrichtung durch Messung des Phasenunterschieds zwischen dem erzeugten und dem erfassten Wechselfeld zu identifizieren (siehe z. B. Absätze [0011] bis [0013]). Es gibt in D1 keinen Hinweis auf eine Erzeugung eines zweiten Wechselfeldes, um die Erfassung von Fremdkörpern zu verbessern.
- D3 beschreibt eine Vorrichtung zur Durchführung von Geldtransaktionen, die zwei Magnetspulen aufweist. Die Magnetspulen erzeugen aber kein Wechselfeld, sondern Störungssignale, um ein nicht autorisiertes Auslesen der Informationen einer Geldkarte ("Skimming") zu verhindern (siehe z. B. Absätze [0007] bis [0016]).
- D4 beschreibt ebenfalls eine Vorrichtung zur Durchführung von Geldtransaktionen, die zwei Magnetspulen aufweist. Zwar werden die Spulen für die Erfassung von metallischen Fremdkörpern in der Nähe der Vorrichtung eingesetzt, sie funktionieren aber auf andere Weise als die Magnetspulen der beanspruchten Vorrichtung. Die erste Spule erzeugt ein primäres elektromagnetisches Feld im Bereich des Eingangsschlitzes der Vorrichtung. Dieses primäre elektromagnetische Feld wirkt mit den metallischen Komponenten einer fremden Lesevorrichtung zusammen, und so wird ein sekundäres elektromagnetisches Feld erzeugt, das von der zweiten Spule detektiert wird (siehe Absätze [0024] und [0025]). Somit wird in der Vorrichtung gemäß D4 kein zweites Wechselfeld erzeugt.
- D5 beschreibt eine Vorrichtung zur Durchführung von Geldtransaktionen, die einen Sensor zur Identifizierung von Fremdkörpern in der Nähe der Vorrichtung umfasst. Der Sensor funktioniert aber mit Schall/Ultraschall und weist keine Magnetspulen auf (siehe Seite 4, Zeile 15 bis Seite 5, Zeile 16).
3.6 Die Kammer gelangt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht. Dies gilt ebenfalls für den Gegenstand des Anspruchs 7, der ein entsprechendes Verfahren bestimmt.
4. Die Kammer ist somit überzeugt, dass die Patentanmeldung gemäß Hauptantrag und die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen. Daher ist gemäß Artikel 97(1) EPÜ ein Patent zu erteilen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit den folgenden Dokumenten zu erteilen:
Ansprüche 1 bis 7 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten "HILFSANTRAG 1";
Beschreibung:
Seiten 4, 5 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten "HILFSANTRAG 1";
Seiten 1 bis 3 und 6 bis 11 der ursprünglichen Fassung;
Zeichnungen: Blätter 1/2, 2/2 der ursprünglichen Fassung.