T 1981/17 06-05-2021
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EINRICHTUNG FÜR DIE BETÄTIGUNG UND DIE RÜCKSTELLUNG EINER FANGVORRICHTUNG
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 1 und 2 (nein)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ladung - Hilfsantrag 4 berücksichtigt (nein)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, mit der festgestellt wurde, dass das europäische Patent 2 651 810 in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.
II. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung vom 2. März 2018 verfolgte die Beschwerdegegnerin die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage eines der gleichzeitig eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.
III. Mit der Mitteilung vom 23. September 2020 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen.
IV. Mit einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) wurden die Parteien über die vorläufige Beurteilung der Sache durch die Kammer informiert. Demnach schien der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin unter anderem nicht neu im Sinne der Artikel 54 (1) und (3) EPÜ gegenüber
D6 : WO2011/113754A1
zu sein. Auch die Hilfsanträge 1 bis 3 schienen diesen Mangel nicht zu beheben.
V. Mit Schreiben vom 6. April 2021 reichte die Beschwerdegegnerin Hilfsantrag 4 ein.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 6. Mai 2021 als Videokonferenz statt. Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin per E-Mail zwei modifizierte Versionen der Figuren 11 und 12 der D6 ein und nahm Hilfsantrag 3 zurück.
VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 und 2 eingereicht mit Schreiben vom 2. März 2018, oder auf der Grundlage des Hilfsantrags 4 eingereicht mit Schreiben vom 6. April 2021.
IX. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut (in eckigen Klammern hinzugefügte Merkmalsgliederung durch die Kammer):
"Einrichtung [1A] für die Betätigung und Rückstellung einer Fangvorrichtung einer Aufzugsanlage,
[1B] welche Fangvorrichtung (11,11a, 11b, 11g) mindestens ein Fangelement (12) zum Klemmen einer Bremsfläche oder einer Führungsschiene (10) aufweist,
[1C] wobei die Einrichtung (14) einen Druckspeicher (24), vorzugsweise eine Druckfeder, einen Betätiger (17) und eine Halteeinrichtung (26) beinhaltet,
[1D] wobei eine fernbetätigbare Rückstelleinrichtung (30) ausgestaltet ist um den Druckspeicher (24) in eine Bereitschaftsposition zu spannen,
dadurch gekennzeichnet,
[1E] dass der Betätiger (17) zu dem Fangelement (12) verbindbar und mit dem Druckspeicher (24) verbunden ist und
[1F] der Betätiger (17) ausgestaltet ist um das Fangelement (12) einerseits in der Bereitschaftsposition zu halten und andererseits im Bedarfsfalle, bei Freigabe des Druckspeichers (24), bzw. der Druckfeder, in eine Fangposition zu bewegen, und
[1G] dass die Halteeinrichtung (26) eine mittels Elektromagnet (28) gehaltene und mittels Federkraft ausgelöste Halteklinke (27) umfasst, welche Halteklinke (27) ausgestaltet ist um den Betätiger (17) in der Bereitschaftsposition zu halten."
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde im Merkmal 1G folgendes unterstrichene Merkmal hinzugefügt:
"dass die Halteeinrichtung (26) eine mittels Elektromagnet (28) gehaltene und mittels der Federkraft einer Klinkenfeder ausgelöste Halteklinke (27) umfasst,...".
Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurde die Änderung im Merkmal 1G wieder rückgängig gemacht und folgende Merkmale am Ende des Anspruchs hinzugefügt:
", dass der Betätiger (17) um eine im Wesentlichen horizontale Schwenkachse (18) schwenkbar in der Einrichtung (14) gelagert ist und
dass der Betätiger (17) ausgestaltet ist, um im Bedarfsfalle mehrere Fangelemente (12) der Fangvorrichtung (11,11a, 11b, 11g), vorzugsweise mehrere Fangkeile der Fangvorrichtung, im Wesentlichen synchron in eine Fangposition zu bewegen".
In Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 werden neben den in Hilfsantrag 2 aufgenommenen Merkmalen am Ende des Anspruchs noch folgende Merkmale hinzugefügt:
", und dass die Einrichtung (14) in einem Gehäuse (15) eingebaut ist, welches geformt und mit entsprechender Anschlussplatte (16) versehen ist um an eine Fangvorrichtung (11,1la, 11b, 11g) angebaut zu werden".
X. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag
Die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gegenüber D6 beruhe in Bezug auf die von ihr als nicht offenbart angesehenen Teilmerkmale der Merkmale 1E und 1F auf einer zu engen Auslegung seines Wortlauts anhand des Ausführungsbeispiels des Streitpatents. Eine direkte Verbindbarkeit zwischen dem Betätiger und dem Fangelement sei nicht durch entsprechende Merkmale im Anspruch gefordert. Der Betätiger sei im Ausführungsbeispiel des Streitpatents auch nur lose über Anschlusslaschen (13) und somit nicht direkt mit dem Fangelement (12) verbunden. Merkmal 1E sei somit vollständig in D6 offenbart. Ebenso sei auch Merkmal 1F vollständig in D6 offenbart, einschließlich seiner Funktion, das Fangelement in einer Bereitschaftsposition zu halten. Der Anspruch verlange nicht, dass das Fangelement vom Betätiger allein gehalten werden solle. Der Anspruch sei nicht durch entsprechende Merkmale eingeschränkt. Auch im Ausführungsbeispiel des Streitpatents seien darüber hinaus weitere Merkmale vorgesehen, so zum Beispiel eine vertikale Führung der Fangelemente, um letztere in ihrer Bereitschaftsposition zu halten. Der Betätiger in D6 liefere zumindest einen Beitrag dazu, das Fangelement in seiner Bereitschaftsstellung zu halten, siehe auch D6, Seite 18, Zeilen 8-13 und 30-32.
Die Argumente der Beschwerdegegnerin zur behaupteten fehlenden Offenbarung des Merkmals 1A in D6 seien nicht nachvollziehbar. Sowohl auf Seite 19 wie auch ab Zeile 23 auf Seite 21 der D6 werde die Rückstellung der Fangeinrichtung beschrieben. Diese könne nicht von der Rückstellung nach Merkmal 1A unterschieden werden, wonach lediglich eine Einrichtung gefordert ist, die geeignet zur Rückstellung sein muss. Die Rückstellung selbst wird im Anspruch 1 nicht näher definiert.
Hilfsantrag 1
Eine Klinkenfeder gemäß dem hinzugefügten Merkmal in Anspruch 1 sei in D6, Seite 21, Zeilen 8-10 offenbart. Die dort beschriebene Feder müsse technisch identisch mit dem geänderten Merkmal im Anspruch 1 sein. Dieses könne nur mit Blick auf die Passage in der ursprünglichen Beschreibung verstanden werden, aus der es entnommen wurde. Die beiden von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Ausführungsformen einer Klinkenfeder in den modifizierten Figuren 11 und 12 der D6 würden nicht der in D6 beschriebenen Wirkung des Aufdrückens der Halteeinrichtung entsprechen.
Hilfsantrag 2
Das neu aufgenommene Merkmal sei auch aus D6 bekannt. Die Angabe einer horizontalen Schwenkachse schränke die beanspruchte Einrichtung nicht ein. Eine feste Orientierung im eingebauten Zustand der Einrichtung ist nicht im Anspruch definiert. Wie sich weiter zum Beispiel aus Figuren 9 und 10 der D6 ergebe, könne der Betätiger mehrere Fangelemente im Bedarfsfall auch synchron bewegen.
Hilfsantrag 4
Dieser Antrag sei nicht in das Verfahren zuzulassen, da er ein neues Merkmal einführe, was zuvor nie Gegenstand der Diskussion gewesen sei, keine Reaktion auf irgendein Argument im Verfahren darstelle und auch nichts mit dem in der Mitteilung der Kammer genannten Einwand hinsichtlich der Merkmale des Betätigers zu tun habe.
XI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag
D6 offenbare die Merkmale 1E und 1F nicht. Der Bremsbacken (15) sei nicht mit dem Betätigungshebel (33) verbunden oder verbindbar, insbesondere nicht, wie es im Absatz 18 und in Figur 6 der Patentschrift dargestellt werde. Demnach sei von einer direkten Verbindung auszugehen. Der Fachmann verstehe aufgrund seines Wissens über Verbindungstechniken, welches Verbindungen zweier eng nebeneinander liegender Komponenten mittels z.B. Schrauben, Kleben etc. umfasse, dass eine indirekte Verbindung über mehrere zwischen den beiden Komponenten liegende Einzelteile ausgeschlossen sei. Die funktionelle Definition des Merkmals der Verbindbarkeit sei darüber hinaus zulässig, da es nicht objektiver umschrieben werden könne ohne andere gleichwertige Verbindungstechniken auszuschließen. Einer solchen anspruchsgemäßen Verbindbarkeit des Betätigungshebels (33) mit dem Bremsbacken (15) in D6 stehe der zwischen ihnen liegende unüberwindbare Abstand entgegen. D6 benötige zu viele Zwischenelemente zwischen dem Betätigungshebel und dem Bremsbacken. Außerdem werde der Bremsbacken nicht entsprechend Merkmal 1F durch den Betätiger in der Bereitschaftsstellung gehalten. Einzig die Rückzugeinrichtung (16) halte den Bremsbacken in dieser Stellung. Dies ergebe sich schon daraus, dass beim Durchtrennen des Drahtes der Rückzugeinrichtung der Bremsbacken in seine Eingriffstellung kommen würde, ein Entfernen des Betätigungshebels (33) hingegen die Bremse nicht auslösen würde.
Auch Merkmal 1A sei hinsichtlich der geforderten Rückstellung der Fangeinrichtung einer Aufzugsanlage nicht erfüllt. In D6 werde automatisch während des Verklemmens der Bremsbacken auch der Druckspeicher und der Betätigungshebel wieder gespannt. Folglich habe die Einrichtung und ihr Betätiger keinen Einfluss auf die Rückstellung der Fangvorrichtung.
Hilfsantrag 1
Das aufgenommene Merkmal stützt sich auf die ursprüngliche Beschreibung, Seite 6, Zeilen 2 bis 4. Die auf Seite 21 der D6 erwähnte Hilfsfeder sei keine Klinkenfeder, die die Halteeinrichtung anspruchsgemäß auslöst. Vielmehr drücke die in D6 offenbarte Feder erst nach der Auslösung die Halteeinrichtung in eine Offen-Position mit dem Ziel, ein Zurückschlagen zu verhindern. Eine Feder mit dieser Wirkung könne z.B. als eine Blattfeder mit entsprechend angeformter Haltenase oder als Zugfeder realisiert werden (siehe modifizierte Figuren 11 und 12 der D6), die beide jeweils erst in der Offen-Position ihre Wirkung entfalteten, zum Öffnen aber selbst nichts beitrugen.
Hilfsantrag 2
In D6 liege die Schwenkachse (P1) des Betätigers in der eingebauten Lage vertikal, was sich aus Figuren 3 und 11 schließen lasse. Eine Festlegung der Orientierung der Achse in der beanspruchten Einrichtung ergebe sich aus den Bezügen auf andere Merkmale: die Zustellung der Fangelemente im Falle einer Bewegung in die Fangposition auf die in einer Aufzugsanlage immer vertikal verlaufende Schiene könne nur vertikal erfolgen. Folglich ergebe sich aus der notwendigerweise auszuführenden Bewegung der Fangelemente auch die notwendige Bewegung des Betätigers und damit die Orientierung seiner Schwenkachse.
Hilfsantrag 4
Die Kammer habe in ihrer vorläufigen Stellungnahme in Abschnitten 1.4 und 1.5 erstmals vorgebracht, dass funktionelle Merkmalsdefinitionen nicht als ausreichend erachtet werden und dass strukturelle Merkmale zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik gefordert seien. Insbesondere stellten die auf dem erteilten Anspruch 10 beruhenden neuen Merkmale klar, wie der Betätiger mit dem Fangelement verbunden ist, wodurch insbesondere dann auch die im Streitpatent erwähnten Vorteile impliziert seien.
Hauptantrag - Artikel 54 (1) und (3) EPÜ
1. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist nicht neu gegenüber der aus D6 bekannten Einrichtung.
1.1 Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass D6 Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ bildet. Die Kammer hat auch keinen Grund zur Annahme des Gegenteils.
1.2 Streitig ist dagegen die Offenbarung in D6 von Teilmerkmalen der Merkmale 1A, 1E und 1F der beanspruchten Einrichtung.
Die Kammer findet allerdings in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin, dass insbesondere die Beurteilung der Offenbarung der strittigen Teilmerkmale der Merkmale 1E und 1F durch die Einspruchsabteilung ebenso wie die Argumentation der Beschwerdegegnerin auf einer ungerechtfertigt engen Auslegung des Anspruchswortlauts im Lichte des im Streitpatent beschriebenen Ausführungsbeispiels beruht (siehe z.B. am Ende von Abschnitt 2.4.2.2 der angefochtenen Entscheidung, "nicht in derselben Form gegeben wie im Streitpatent" oder die ersten zwei Absätze unter der Überschrift "Verbindbarkeit" auf Seite 3 im Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 6. April 2021). Es gibt im EPÜ keine Grundlage für eine einschränkende Auslegung des Anspruchswortlaut im Lichte eines Ausführungsbeispiels im Streitpatent bei der Beurteilung der Neuheit (oder erfinderischen Tätigkeit). Die Beschreibung und die Figuren können zwar zur Auslegung eines Anspruchs herangezogen werden um festzustellen, was vom Wortlaut eines Anspruchs umfasst sein soll. Nicht aber um Merkmale in den Anspruch hineinzulesen, die dort nicht definiert sind aber zu seiner Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik herangezogen werden sollen.
Eine funktionelle Definition von Anspruchsmerkmalen ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Aber auch funktionell definierte Anspruchsmerkmale erlauben nicht, dass im Ausführungsbeispiel gezeigte Merkmale zur Realisierung einer entsprechenden Funktion dann zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik herangezogen werden können.
Wie unten weiter begründet wird, erkennt die Kammer keine strukturellen (oder funktionellen) Unterschiede zwischen
a) der nach Merkmal 1E geforderten Eignung des Betätigers zu dem Fangelement verbindbar zu sein und der in D6 offenbarten Verbindung zwischen den beiden entsprechenden Komponenten (33 und 15), sowie
b) der nach Merkmal 1F geforderten Ausgestaltung des Betätigers um das Fangelement in der Bereitschaftsposition zu halten und der Ausgestaltung des Betätigers (33) in D6.
Ebensowenig ist ein Unterschied der beanspruchten Einrichtung und der aus D6 bekannten Einrichtung (30) hinsichtlich ihrer Eignung zur Rückstellung der Fangvorrichtung feststellbar.
1.3 Wie auch von der Beschwerdegegnerin anerkannt, sind die Fangvorrichtung und ihre Komponenten, z.B. die Fangelemente, keine strukturellen Merkmale der anspruchsgemäßen Einrichtung. Bezugnahmen auf Merkmale der Fangvorrichtung schränken folglich die beanspruchte Einrichtung nur dahingehend ein, als ihre Merkmale strukturell und funktionell geeignet bzw. ausgestaltet sein müssen, mit den Merkmalen einer Fangvorrichtung entsprechend den Angaben im Anspruch zusammenwirken zu können.
Dies trifft zweifelsfrei für alle unter 1.3 identifizierten Merkmale der aus D6 bekannten Einrichtung zu wie im Folgenden erläutert wird.
1.4 Die aus D6 bekannte Einrichtung ist geeignet für die Rückstellung einer Fangvorrichtung gemäß Merkmal 1A. Wie auch die Beschwerdeführerin ausgeführt hat, ist die Rückstellung der Fangvorrichtung nicht durch entsprechende funktionelle oder strukturelle Merkmale im Anspruch definiert. Selbst wenn in dem Abschnitt aus D6, beginnend in Zeile 6 auf Seite 21, konkret nur die Rückstellung des Aktuators 30 beschrieben ist und nicht die Rückstellung der Fangvorrichtung, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, so ist aus dem dort offenbarten Ablauf der Rückstellung und der dabei notwendigerweise resultierenden Bewegung der Komponenten der Einrichtung und der mit diesen verbundenen Komponenten der Fangvorrichtung kein Unterschied zur beanspruchten Einrichtung erkennbar. Die Bewegungen der Verbindungsstangen (40, 40.1, 40.2), die den Betätiger (Betätigungshebel 33) mit der Fangvorrichtung (Bremse 11) verbinden (siehe auch Seite 13, Zeilen 31,32), müssen bei der Rückstellung der Einrichtung (30) der D6 notwendigerweise entgegen ihrer Bewegung beim Auslösen der Fangvorrichtung ablaufen (siehe Figur 12 der D6, die Pfeile an Merkmalen 40, 40.1, 40.2). Folglich entspricht die Wirkung dieser umgekehrten Bewegung der Verbindungsstangen auf die an ihren distalen Enden verbundenen Komponenten der Fangvorrichtung der Wirkung, die der mit dem Betätiger integrierte Hebelarm 20 im Streitpatent bei seiner Rückstellung ausführt (vgl. Figuren 6 und 7). Die von der Einrichtung (30) der D6 bewirkten Bewegungen der Verbindungsstangen bei ihrer Rückstellung sind damit eindeutig und zweifelsfrei geeignet, eine entsprechende Fangvorrichtung zurückzustellen. Dass in D6 zusätzlich eine Rückzugeinrichtung (16) mit Spiralfeder (21) bei der Rückstellung der Fangvorrichtung verwendet wird, ist vom Anspruch des Streitpatents nicht ausgeschlossen. Die Kammer bestätigt daher ihre vorläufige Meinung, wonach Merkmal 1A in D6 als vollständig offenbart anzusehen ist.
1.5 Auch hinsichtlich der im Merkmal 1E geforderten Verbindbarkeit des Betätigers (33) der Einrichtung (30) zu dem Fangelement (Bremsbacken 15) in D6 ist die Kammer bei ihrer vorläufigen Meinung geblieben. Eine direkte oder feste Verbindung zwischen dem Betätiger der Einrichtung zu dem Fangelement der Fangvorrichtung ist im Anspruch nicht definiert. Gefordert ist lediglich, dass der Betätiger zu dem Fangelement in unbestimmter Form verbindbar ist, d.h. direkt oder indirekt mittels zwischengeschalteter Komponenten. Die Kammer kann der Beschwerdegegnerin dahingehend folgen, dass über die Verbindung der Kraftfluss vom Betätiger auf das Fangelement übertragen werden muss. Dies ist aber in D6 zweifelsfrei auch der Fall, da die Betätigungsstangen (40, 40.1, 40.2) an einem Ende des Betätigers (33) angelenkt sind und am anderen Ende über die Zustelleinrichtung (22) und den Bremsbackenschlitten (13) mit den Bremsbacken (15) (siehe z.B. Seite 16, Zeilen 14-19). Die Verbindung vom Betätiger (33) zu der Bremsbacke (15) in D6 ist daher geeignet, die Kraft vom Betätiger auf das Fangelement zu übertragen.
Die enge Auslegung des Merkmals durch die Einspruchsabteilung und die Beschwerdegegnerin ist darüber hinaus noch nicht einmal durch das im Streitpatent beschriebene Ausführungsbeispiel gestützt. Wie auch von der Beschwerdeführerin vorgetragen wurde, weist nämlich das in den Figuren illustrierte erfindungsgemäße Ausführungsbeispiel (siehe Absatz 58 des Streitpatents), welches also unter den Wortlaut von Anspruch 1 fallen soll, keine direkte oder feste Verbindung des Betätigers zum Fangelement auf. Vielmehr ist das Ende des im Betätiger (17) integrierten Hebelarms (20) mittels einer Anschlusslasche (13) festgehalten (Streitpatent, Spalte 17, Zeilen 41-45). Die Anschlusslasche (13) ist wiederum mit dem Fangelement (12) verbunden (Figur 5, die eine perspektivische Darstellung der in Figur 6 gezeigten Einrichtung ist). Der Betätiger ist somit nicht direkt oder unmittelbar, sondern nur indirekt mittels der Anschlusslaschen zu dem Fangelement verbunden. Eine direkte oder feste Verbindung des Endes des Hebelarms (20) mit dem Fangelement (12) ist in den Figuren des Streitpatents nicht gezeigt und in seiner Beschreibung auch nicht erwähnt. Folglich ist bereits die der engen Auslegung zugrundeliegende Annahme fehlerhaft oder zumindest nicht nachvollziehbar. Dass die Anschlusslasche (13) als Teil des Fangelements zu verstehen sein soll, beruht auf einer willkürlichen Festlegung durch die Beschwerdegegnerin, die im Streitpatent nicht reflektiert ist. Zumindest hat die Beschwerdegegnerin keine Fundstelle im Patent genannt, die ihre Behauptung stützt.
Würde der Fachmann die Anschlusslasche hingegen doch als Teil des Fangelements verstehen, gibt es keinen Grund, warum der Fachmann nicht auch in D6 den Bremsbackenschlitten (13) mit der an ihm fest angebrachten Zustelleinrichtung (22) als Teil des Fangelements (15) ansehen sollte. Die willkürliche Abgrenzung zwischen den einzelnen Merkmalen, wie sie von der Beschwerdegegnerin vorgenommen wird, führt daher zu keiner anderen Schlussfolgerung.
Gemäß dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents fallen also unter Merkmal 1E von Anspruch 1 auch solche Verbindungen, die indirekt wirken, d.h. bei denen zwischen dem Betätiger und dem Fangelement noch andere Komponente(n) zur Übertragung der Kräfte vom Betätiger auf das Fangelement mitwirken können. Es kann dahingestellt bleiben, ob in D6 die Verbindungsstangen 40, 40.1 und 40.2, ähnlich wie der Hebelarm 20 im Streitpatent, als integrierte Merkmale des Betätigers anzusehen sind. In jedem Fall ist der Betätigungshebel (33) in D6 geeignet, den Kraftfluss vom Betätiger zu dem dem Fangelement entsprechenden Bremsbacken (15) zu leiten, folglich zumindest indirekt verbunden und damit natürlich "verbindbar".
Auch das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach der Begriff "verbindbar" für den Fachmann aufgrund seines Wissens über Verbindungstechniken für zwei eng benachbarte Einzelteile nur direkte Verbindungen impliziere, überzeugt die Kammer nicht. Einer solchen Auslegung steht bereits die zuvor diskutierte Verbindung des Betätigers mittels einer Anschlusslasche entgegen.
Ein struktureller (oder selbst nur funktioneller) Unterschied zwischen der bekannten Einrichtung (30) aus D6 und der beanspruchten Einrichtung unter dem oben erörterten Aspekt ist nicht feststellbar. Merkmal 1E ist daher vollständig in D6 offenbart.
1.6 Keine andere Schlussfolgerung ergibt sich für die im Merkmal 1F geforderte Ausgestaltung des Betätigers (33) um das Fangelement (15) in der Bereitschaftsposition zu halten.
Auch hier findet die Kammer keine Grundlage im Wortlaut des Anspruchs für die ungerechtfertigt enge Auslegung, wonach der Betätiger ausgestaltet sein soll, um allein das Fangelement in der Bereitschaftsposition zu halten. Die Mitwirkung von anderen Komponenten, wie der Rückzugeinrichtung (16) in D6, ist vom geänderten Anspruch 1 des Streitpatents nicht ausgeschlossen. Der Betätigungshebel (33) in D6 ist nach Überzeugung der Kammer in der Tat geeignet und ausgestaltet, die Fangvorrichtung in der Bereitschaftsposition zu halten. Er hat zum Beispiel einen Riegel (34a), der zusammen mit der Halteeinrichtung 34 genau diese Funktion erfüllt. Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass im Unterschied zu einer Durchtrennung des Drahtes der Rückzueinrichtung (16), mit der in D6 der Bremsbacken (15) in der Bereitschaftsposition gehalten werde, eine Entfernung z.B. des Betätigers (33) die Fangelemente nicht aus ihrer Bereitschaftsposition entlassen würde, der Betätiger in D6 also in keinster Weise zum Halten beitrage. Dieser Vergleich der Beschwerdegegnerin hinkt. Das Durchtrennen des Drahtes 16 (welches in der Praxis wohl kaum eine Bedeutung haben dürfte) müsste wohl eher mit der Trennung des Riegels (34a) - und nicht einer Entnahme/Entfernung des Betätigers aus der Einrichtung - verglichen werden oder, technisch und in der Praxis bedeutsamer, mit der Freigabe des Riegels (34a) als Folge einer Auslösung der Halteeinrichtung 34. Die unmittelbare Folge dieser Freigabe ist die Auslösung der Fangelemente, also ihr Bewegen aus der Bereitschaftsposition heraus (Seite 18, Zeile 28 bis Seite 20, Zeile 12 der D6). Solange der Riegel (34a) aber den Betätigungshebel (33) der D6 in seiner in Figur 11 der D6 gezeigten Position hält, bzw. durch die Halteeinrichtung (34) in dieser Position gehalten wird, trägt der Betätiger zumindest dazu bei, das Fangelement in der Bereitschaftsposition zu halten. Folglich ist der Betätiger (33) der D6 auch entsprechend Merkmal 1F ausgestaltet.
Die weiteren, erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragenen Argumente der Beschwerdegegnerin, beruhend auf der Doppelfunktion des Betätigers zum Halten und Bewegen, können an dieser Beurteilung nichts ändern. Einerseits ist wie zuvor dargelegt die Funktion des Haltens des Fangelements durch den Betätiger (33) der D6 ebenso erfüllt wie die unbestritten offenbarte Funktion des Bewegens. Andererseits sind Eigenschaften wie Steifigkeit oder Schnelligkeit aufgrund geringer Masse des Betätigers nicht im Anspruch durch entsprechende (strukturelle oder funktionelle) Merkmale definiert.
1.7 Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass die aus D6 bekannte Einrichtung alle anderen Merkmale (1B-1D, 1G) von Anspruch 1 offenbart. Die Kammer hat auch keine Zweifel, dass dies der Fall ist.
1.8 Die Kammer findet daher, dass D6 neuheitsschädlich für die Einrichtung gemäß Anspruch 1 ist, so dass das Erfordernis des Artikels 54 (1) und (3) EPÜ nicht erfüllt ist. Folglich kann dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin nicht entsprochen werden.
Hilfsantrag 1
2. Auch der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 von Hilfsantrag 1 ist durch die aus D6 bekannte Einrichtung vorweggenommen.
2.1 Insbesondere wird in D6 auf Seite 21, in Zeilen 8-10 offenbart, dass "die Halteeinrichtung (34) so ausgeführt [ist], dass sie nach der Auslösung, beispielsweise durch eine Hilfsfeder, in eine Offen-Position gedrückt wird." Die Kammer kann keinen technischen Unterschied, weder strukturell noch funktionell, zwischen einer solchen Hilfsfeder und der im geänderten Anspruch hinzugefügten Klinkenfeder erkennen.
2.2 Die Beschwerdegegnerin hält dem entgegen, dass die Feder in D6 erst nach der Auslösung wirke, also die Halteeinrichtung nicht mittels der Hilfsfeder ausgelöst werde. Auf den ersten Blick könnte sich in der Tat ein Unterschied zwischen der Klinkenfeder gemäß dem Anspruchswortlaut und der in D6 beschriebenen Hilfsfeder ergeben. Allerdings ist hier bei der Auslegung des geänderten Anspruchs die Beschreibung zu berücksichtigen. Ähnlich wie die Hilfsfeder in D6 ist die Klinkenfeder nämlich im gesamten Streitpatent auch nur in der Beschreibung in einem einzigen Satz erwähnt und in den Figuren nirgends gezeigt, geschweige denn in den erteilten (oder ursprünglichen) Ansprüchen definiert. Laut Absatz 24 des Streitpatents hat die Klinkenfeder folgende Funktion: "Bei einem Abfallen des Elektromagneten drückt eine Klinkenfeder die Halteklinke auf und der Druckspeicher kann die Fangkeile über den Betätiger in ihre Fangposition drücken." Diese Funktion muss bei der Interpretation des geänderten Anspruchs mit berücksichtigt werden, weil sie vom Anspruch mit umfasst sein muss; würde man dem geänderten Anspruch einen davon abweichenden Sinn geben, wäre die Änderung scheinbar ohne Grundlage im Patent (und der ursprünglichen Offenbarung). Die in Absatz 24 des Streitpatents erwähnte Halteklinke entspricht unbestritten der Halteeinrichtung (34) nach D6. Die Parteien stimmen außerdem darin überein, dass der Moment des Auslösens durch das Abfallen des Stroms durch den Elektromagneten bestimmt ist, sowohl in der Einrichtung aus D6 als auch bei der des Streitpatents. Entsprechend dem Inhalt der beiden Passagen im Patent und in D6 drücken beide Federn nach dem Abschalten des Elektromagneten, d.h. nach dem Auslösen die jeweilige Halteklinke oder Halteeinrichtung in eine Offen-Position. Dass die Hilfsfeder in D6 erst nach vollständig beendeter Bewegung der Halteeinrichtung wirken sollte, d.h. wenn die Auslösung beendet ist und die Halteeinrichtung in der Offen-Position steht, wie die Beschwerdegegnerin behauptet, entspricht hingegen nicht dem fachmännischen Verständnis der Passage auf Seite 21 der D6. Zumindest wurde nicht überzeugend dargelegt, wie die Halteeinrichtung erst nach einer mehr oder weniger vollständig erfolgten Auslösung der Halteeinrichtung durch eine Hilfsfeder in eine Offen-Position gedrückt werden kann, ohne dass diese Hilfsfeder schon zu Beginn bzw. beim Abfallen des Stroms durch den Elektromagneten in dieser Art wirkt. Die von der Beschwerdegegnerin in diesem Zusammenhang während der mündlichen Verhandlung vorgelegten modifizierten Figuren 11 und 12 der D6 passen nicht zu der auf Seite 21 in D6 beschriebenen Funktion der Hilfsfeder. Die dort von ihr zusätzlich eingezeichneten Federn halten zwar die Halteeinrichtung jeweils in ihrer Offen-Position und verhindern damit das in Zeile 10 auf Seite 21 der D6 beschriebene Zurückschlagen. Allerdings drücken sie nicht, wie im vorhergehenden Satz offenbart, die Halteeinrichtung "in eine Offen-Position". Eine andere Möglichkeit, eine Hilfsfeder in der Einrichtung zu verwirklichen, die gemäß D6 die Halteeinrichtung in eine Offen-Position drückt, ohne aber die im geänderten Anspruch 1 definierte Funktion zu bewirken, im Sinne des Absatzes 24 des Streitpatents, wurde von der Beschwerdegegnerin nicht nachgewiesen. Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass der Fachmann hier auf technisch unterschiedliche Lösungen zurückgreifen könnte.
2.3 Um Missverständnissen entgegenzutreten merkt die Kammer an, dass die Auslegung des geänderten Anspruchs von Hilfsantrag 1 anhand der Passage der Beschreibung des Streitpatents nicht im Widerspruch steht zu ihrer Entscheidung hinsichtlich der Offenbarung der Merkmale 1E und 1F, bei der die enge Auslegung des Anspruchs anhand des Ausführungsbeispiels verworfen wurde. Die Kammer hat keine einschränkende Auslegung des geänderten Anspruchs im Sinne der zitierten Passage vorgenommen, die ausschließlich diese Ausgestaltung zulassen würde. Die Kammer hat hingegen nur berücksichtigt, was laut Beschreibung unter den geänderten Wortlaut fallen muss.
2.4 Da Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 das Erfordernis der Neuheit (Artikel 54 (1) und (3) EPÜ) nicht erfüllt, kann das Patent in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 nicht aufrechterhalten werden.
2.5 Der Vollständigkeit halber: es kann dahingestellt bleiben, ob die Änderungen unter Artikel 123 (2) EPÜ überhaupt gewährbar hätten sein können.
Hilfsantrag 2
3. Auch der geänderte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 kann den Neuheitsmangel nicht beheben. Die im Vergleich zum Hauptantrag in den Anspruch aufgenommenen Merkmale sind in der aus D6 bekannten Einrichtung (30) ebenfalls realisiert.
3.1 Die Angabe der horizontalen Orientierung der Schwenkachse des Betätigers im ersten Teil des hinzugefügten Merkmals stellt keine zusätzliche Abgrenzung zum Stand der Technik nach D6 dar.
Anspruch 1 ist auf eine Einrichtung an sich gerichtet und enthält keine Angaben, die ihre Lage im eingebauten Zustand in einer definierten Orientierung bestimmen würden. Die Fangvorrichtung und ihre Komponenten sind keine Merkmale des Anspruchs. Die Bezugnahmen auf die zuzustellenden Fangelemente an die in der Regel vertikalen Schienen einer Aufzugsanlage, bestimmen die Orientierung der Einrichtung, bzw. der Schwenkachse des Betätigers nicht eindeutig. Der Betätiger (33) der aus D6 bekannten Einrichtung (30) verschiebt die beiden an ihm angelenkten Verbindungsstangen 40.1 und 40.2 im Wesentlichen entlang ihrer longitudinalen Erstreckung, und zwar unabhängig davon, ob seine Schwenkachse horizontal, vertikal oder in einer beliebigen Richtung liegt. Die Einrichtung (30) funktioniert dabei in jeder Orientierung gleich. Dass die Verbindung des Betätigers zur Fangvorrichtung bei einer anderen Orientierung der Einrichtung (30) unter Umständen einer Änderung bzw. Anpassung bedarf, z.B. durch eine Anpassung der Kopplung der Verbindungstangen mit entsprechenden Komponenten der Fangvorrichtung, widerspricht nicht der grundsätzlichen Eignung und Ausgestaltung des Betätigers (33) aus D6 für die im Anspruch geforderten Funktionen (Verbindbarkeit zum Fangelement, Halten in der Bereitschaftsposition etc.).
3.2 In Figuren 3 und 11 der D6 ist gezeigt, dass der Betätiger (33) auch ausgestaltet ist, um im Bedarfsfalle mehrere Fangelemente (15) der Fangvorrichtung (11, 11a) im Wesentlichen synchron in eine Fangposition zu bewegen.
Die Beschwerdegegnerin hat zwar bestritten, dass die den Fangelementen entsprechenden Bremsbacken (15) synchron zugestellt werden würden. Dieses Argument überzeugt die Kammer aber nicht. Der Anspruch fordert keine absolute Synchronizität, sondern nur dass die Zustellung im Wesentlichen synchron erfolgt. Dies ist aber in D6 zweifelsfrei der Fall. Die Verbindungsstangen 40.1 und 40.2 werden beide gleichzeitig vom Betätiger (33) beim Auslösen bewegt, was sich aus dem Aufbau der Einrichtung (30) ergibt, siehe auch Figuren 3, 11 und 12. Die mit ihnen verbundenen Fangvorrichtungen (11, 11a), bzw. deren Fangelemente sind baugleich ausgeführt (Seite 12, Zeilen 24-28). Es ist kein Grund erkennbar, warum es zu einer asynchronen Zustellung kommen sollte. Der Betätiger (33) der bekannten Einrichtung (30) ist in jedem Fall geeignet und ausgestaltet, diese Funktion zu erfüllen.
3.3 Auch Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 erfüllt somit das Erfordernis der Neuheit (Artikel 54 (1) und (3) EPÜ) nicht.
Hilfsantrag 4
4. Hilfsantrag 4 wurde in Antwort auf die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020, d.h. nach Ablauf der Frist zur Einreichung der Beschwerdeerwiderung, eingereicht. Er stellt folglich eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin im Sinne des Artikels 13 VOBK 2020 dar. Da der Hilfsantrag 4 außerdem nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, sind die Bestimmungen des Artikels 13 (2) VOBK 2020 anwendbar. Demnach bleiben solche Änderungen grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Die Kammer sieht im vorliegenden Fall keine außergewöhnlichen Umstände.
Die Beschwerdegegnerin begründet die Vorlage mit angeblich von der Kammer ins Verfahren eingeführten Einwänden in Abschnitten 1.4 und 1.5 ihrer vorläufigen Stellungnahme. Insbesondere hätte die Kammer in diesen Abschnitten erstmals funktionelle Merkmale als nicht ausreichend für eine Abgrenzung zum Stand der Technik angesehen und eine Abgrenzung durch strukturelle Merkmale gefordert. Die Kammer hat allerdings weder ausgeführt, dass funktionelle Merkmale für eine Abgrenzung nicht ausreichen würden, noch hat sie strukturelle Merkmale "gefordert". Sie hat lediglich ausgeführt, dass sie vorläufig nicht erkennen könne, welche strukturellen Unterschiede zwischen dem beanspruchten Betätiger und dem Stand der Technik bestehen könnten hinsichtlich der in Abschnitten 1.4 und 1.5 ihrer Mitteilung behandelten Anspruchsmerkmale und dass diese Fragen in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein würden. Entsprechende Fragen wurde von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung aufgeworfen, insbesondere auf Seiten 7 bis 9, wo sie vorträgt, warum zwischen den Merkmalen und dem Stand der Technik kein Unterschied besteht.
Die Zusammenfassung der Argumentation der Beschwerdeführerin und ihre Kristallisation auf die zentrale Frage nach dem strukturellen Unterschied zwischen den Anspruchsmerkmalen und dem Stand der Technik in Abschnitten 1.4 und 1.5 der Kammermitteilung führt zu keiner neuen, von Seiten der Kammer erstmals aufgeworfenen Frage.
Im Übrigen sei erwähnt, dass die im Hilfsantrag 4 eingefügten Merkmale, die auf dem erteilten Anspruch 10 beruhen, bisher auch nicht Gegenstand des Verfahrens waren.
In Ermangelung außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Artikel 13 (2) VOBK 2020 hat die Kammer Hilfsantrag 4 nicht berücksichtigt, das heißt, nicht in das Verfahren zugelassen.
5. Da kein Antrag vorliegt, der die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, muss das angegriffene Patent widerrufen werden (Artikel 101 (3)(b) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.