T 2783/17 20-05-2021
Download und weitere Informationen:
ENDKAPPE
Neuheit - Hauptantrag
Neuheit - Hilfsantrag 1 (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Patentansprüche - Stützung durch die Beschreibung (ja)
I. Mit der am 23. Oktober 2017 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin Beschwerde ein.
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf Basis des Hauptantrages, hilfsweise auf Basis eines der Hilfsanträge 1 - 3 aufrechtzuerhalten.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 20. Mai 2021 vor der Kammer als Videokonferenz statt.
V. Auf folgende Dokumente wurde im Beschwerdeverfahren verwiesen:
D6: DE 82 21 853 U1
D7: DE 196 15 378 C2
VI. Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"Endkappe (5) zum Verschließen einer Hohlkammer einer Profilleiste (4) eines Fensters, einer Tür und dergleichen, mit in die Hohlkammer eingreifenden Halteelementen (55), mit einem an die Profilleiste (4) wenigstens teilweise axial anschließenden Außenumfang, wobei die Endkappe (5) wenigstens ein Funktionselement (50) aufweist, welches wenigstens teilweise aus einem weichelastischen Werkstoff besteht, dadurch gekennzeichnet, dass
das Funktionselement (50) eine Basis (51) und wenigstens ein Toleranzausgleichselement (52) aufweist, wobei Toleranzausgleichselement (52) bezogen auf seine Längsachse flexibel ausgebildet ist."
1. Hilfsantrag
Der Oberbegriff ist so umformuliert, dass eine
"Endkappe (5) zum Verschließen einer Hohlkammer eines Blindpfostens, eines Stulpprofils oder eines Sprossenprofils" beansprucht wird.
Das Merkmal, wonach
"das Toleranzausgleichselement (52) wenigstens eine Ausnehmung (520) oder Hohlkammer aufweist", wurde hinzugefügt.
2. Hilfsantrag
Der erste Hilfsantrag wurde als Verwendungsanspruch umformuliert und Anspruch 1 lautet nunmehr "Verwendung einer Endkappe (5) zum Verschließen einer Hohlkammer eines Blindpfostens, eines Stulpprofils oder eines Sprossenprofils..."
(Hinzufügungen unterstrichen).
VII. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen Folgendes vor:
a) Hauptantrag
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber D6 und D7. Diese Dokumente offenbarten keine Endkappe mit einem Toleranzausgleichselement im Sinne des Patents.
Bezüglich D6 sei der Lappen 28 ein Dichtungselement und kein Toleranzausgleichselement.
Aus dem Patent, Absatz [0002] gehe klar hervor, dass die Erfindung auf eine Endkappe zum Verschließen einer Hohlkammer einer Profilleiste beschränkt sei.
D7 offenbare keine Endkappe im Sinne des Patents und auch kein Toleranzausgleichselement. Vielmehr zeige D7 ein Verbindungselement mit angespritztem Dichtkörper, das dazu diene, eine Verbindung zwischen zwei im rechten Winkel zueinander angeordneten Profilleisten herzustellen. Die Dichtlippe 42 diene lediglich zum Abdichten der Pfostenverbindung und gleiche keine Toleranzen zwischen verschiedenen Profilen aus.
Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.
b) Hilfsantrag 1
Weder D6 noch D7 offenbarten eine Ausnehmung. In D7 sei lediglich eine umlaufende Dichtlippe dargestellt, die nicht als Ausnehmung oder Hohlkammer betrachtet werden könne.
Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 neu.
c) Hilfsantrag 2
i) Einwände der Beschwerdegegnerin
Der Hilfsantrag 2 sei 2018 eingereicht worden. Die Beschwerdegegnerin habe daher drei Jahre Zeit gehabt, um Einwände zu formulieren. In der mündlichen Verhandlung sei es zu spät, um neue Einwände zu präsentieren. Außerdem habe die Beschwerdegegnerin keine stichhaltigen Gründe vorgetragen, wieso diese Änderung des Vorbringens zugelassen werden solle.
ii) Anpassung der Beschreibung
Es existiere kein Widerspruch zwischen Beschreibung und Ansprüchen und damit keinen Grund, die von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagenen Änderungen hinzuzufügen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen Folgendes vor:
a) Hauptantrag
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber D6 und D7. Der Anspruch sei auf eine Endkappe gerichtet, die für die angegebene Zwecke nur geeignet sein solle. Diese Dokumente offenbarten ebenfalls jeweils ein Toleranzausgleichselement. Außerdem gebe der Anspruch nicht an, zwischen welchen Teilen Toleranzen kompensiert werden sollten.
D6 offenbare eine Endkappe ("Dichtungsstopfen" 20) mit einem Lappen 28, der Toleranzen zwischen den Elementen 3 und 12' ausgleiche.
D7 offenbare eine Endkappe 30, die im Pfostenprofil 10 eingesetzt sei. Durch die Dichtungslippe 42 würden Toleranzen zwischen den Teilen ausgeglichen.
Damit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber entweder D6 oder D7.
b) Hilfsantrag 1
D7 offenbare eine umlaufende Dichtlippe 42. Diese Dichtlippe bilde eine Ausnehmung, siehe Fig. 7, teilreproduziert unten:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Damit sei das hinzugefügte Merkmal ebenfalls aus D7 bekannt.
c) Hilfsantrag 2
i) Einwände der Beschwerdegegnerin
Mit der Beschwerdebegründung sei der Antrag gestellt worden, die Beschwerde zurückzuweisen. Damit sei auch der Hilfsantrag 2 bereits angegriffen worden.
ii) Anpassung der Beschreibung
Wie aus der Diskussion des Hilfsantrags 1 hervorgehe, sei eine solche Endkappe aus dem Stand der Technik bekannt. Es sei daher geboten, die Beschreibung entsprechend zu formulieren.
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Im Hinblick auf D6
D6 offenbart:
Eine Endkappe (Dichtungsstopfen - 20) zum Verschließen einer Hohlkammer einer Profilleiste eines Fensters, einer Tür und dergleichen, mit in die Hohlkammer eingreifenden Halteelementen (Seite 26, 4. Absatz), mit einem an die Profilleiste wenigstens teilweise axial anschließenden Außenumfang, wobei die Endkappe wenigstens ein Funktionselement aufweist, welches wenigstens teilweise aus einem weichelastischen Werkstoff besteht (siehe Anspruch 21), wobei das Funktionselement eine Basis und wenigstens ein Toleranzausgleichselement aufweist, wobei das Toleranzausgleichselement (Lappen - 28) bezogen auf sein Längsachse flexibel ausgebildet ist.
Strittig ist, ob der Lappen 28 als Toleranzausgleichselement betrachtet werden kann. Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass das Toleranzausgleichselement gemäß der Erfindung im geschlossenen Zustand des Fensters zwischen den beiden Flügeln 2, 3 an der Seite des Flügels 2 angeordnet sei. Da dies bei dem Lappen 28 der D6 nicht der Fall sei, stelle der Lappen kein Toleranzausgleichselement im Sinne des Patents dar.
Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Tatsächlich befindet sich der Lappen 28 bei der D6 zwar zwischen der Anschlagsdichtung (12') des Fensterflügels (7) und einem als Steg (3) bezeichneten Teils des L-Profilstabs (16). Weil der Anspruch jedoch lediglich eine Endkappe beansprucht, die geeignet sein soll, in einem Fenster, einer Tür oder dergleichen eingesetzt zu werden, kommt es auf die Position des Lappens nicht an. Außerdem gleicht eine Dichtung wegen ihrer Elastizität stets bis zu einem gewissen Grad auch Toleranzen aus. Der Lappen 28 fungiert deshalb auch als Toleranzausgleichselement.
Damit sind alle Merkmale des Anspruchs 1 aus D6 bekannt.
1.2 Im Hinblick auf D7
D7 offenbart eine Kappe, die als Teil eines Verbindungsstücks ausgebildet ist, schließt aber gleichzeitig das Ende einer Profilleiste ab. Damit ist sie als Endkappe im Sinne des Anspruchs zu betrachten.
Somit offenbart D7:
Eine Endkappe (30, 40) zum Verschließen einer Hohlkammer (2) einer Profilleiste (10) eines Fensters, einer Tür und dergleichen, mit in die Hohlkammer eingreifenden Halteelementen (30), mit einem an die Profilleiste wenigstens teilweise axial anschließenden Außenumfang, wobei die Endkappe wenigstens ein Funktionselement aufweist, welches wenigstens teilweise aus einem weichelastischen Werkstoff besteht (siehe Spalte 4, Zeile 55), wobei das Funktionselement eine Basis und wenigstens ein Toleranzausgleichselement aufweist, wobei Toleranzausgleichselement bezogen auf seine Längsachse flexibel ausgebildet ist (wegen des elastischen Werkstoffs).
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass D7 auch kein Toleranzausgleichselement im Sinne des Patents offenbare. Anspruch 1 des Hauptantrags enthält jedoch keine Angaben darüber, wie das Toleranzausgleichselement aussehen soll. Es soll lediglich bezogen auf seine Längsachse flexibel ausgebildet sein. Dies ist bei der als Teil eines Verbindungsstücks ausgebildeten Kappe der D7 der Fall.
1.3 Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D6 oder D7.
2. Hilfsantrag 1 - Neuheit
2.1 D7 offenbart eine Endkappe gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags, siehe Paragraf [1.2] oben.
Außerdem weist diese Endkappe eine umlaufende Dichtlippe 42 auf, siehe Figuren 6 und 7. Innerhalb des Umfangs dieser Dichtlippe befindet sich eine Ausnehmung, siehe Figur 7 oben.
2.2 Damit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D7.
3. Zulassung des Einwands gegen den Hilfsantrag 2
Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte die Beschwerdegegnerin die Beschwerde zurückzuweisen. Dieser Antrag umfasst Hilfsantrag 2. Die Beschwerdegegnerin hat aber nicht erklärt, wieso der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 2 nicht patentfähig sei. Der Antrag war daher in Bezug auf Hilfsantrag 2 nicht begründet.
Nach Artikel 13(2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Solche Gründe hat die Beschwerdegegnerin nicht genannt. Zudem ist weder der Beschwerdeführerin noch der Kammer zuzumuten, sich während der mündlichen Verhandlung mit diesem neuen Einwand auseinanderzusetzen. Damit ist dieser Einwand nicht in das Verfahren zuzulassen.
4. Anpassung der Beschreibung
Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin neue Absätze der Beschreibung ein, die an die Ansprüche des Hilfsantrags 2 angepasst worden waren.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Einfügung der Worte "bekannten" oder "im Stand der Technik bekannten" vor dem Wort "Endkappe" in Absatz 1, Zeile 1 der angepassten Beschreibung.
Nach ständiger Rechsprechung der Beschwerdekammern, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Ausgabe, 2019, II.A.5.3., ist die Beschreibung an umformulierte Ansprüche anzupassen, um den Erfordernissen von Artikel 84 EPÜ zu genügen. Hier stimmt der von der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vorgeschlagene Wortlaut von Absatz [0001] mit dem Wortlaut des gewährbaren Anspruchs überein. Daher besteht kein Widerspruch zwischen Beschreibung und Ansprüchen und die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind erfüllt. Der Antrag der Beschwerdegegnerin war daher zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden Fassung aufrecht zu erhalten:
- Ansprüche 1 bis 9 des zweiten Hilfsantrags,
eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom
2. März 2018.
- Beschreibung: Paragraphen 0001, 0011, 0015,
0016, 0018, 0020, 0021, 0022, 0025, 0026, 0028,
0043, 0044 wie eingereicht in der mündlichen
Verhandlung vor der Kammer und im Übrigen wie
erteilt.
- Zeichnungen: Figuren 1 bis 3 wie erteilt.