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T 0303/18 (Klebeband/TESA) 19-02-2021
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KLEBEBAND MIT LAMINAT-TRÄGER GEBILDET AUS EINEM TEXTILEN TRÄGER UND EINER FOLIE ZUM UMMANTELN VON LANGGESTRECKTEM GUT WIE INSBESONDERE KABELSÄTZEN UND VERFAHREN ZUR UMMANTELUNG
Neuheit - (ja)
Zurückverweisung - besondere Gründe für Zurückverweisung
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 500 389 zu widerrufen.
II. Der erteilte Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut (Hervorhebung durch die Kammer):
"1. Klebeband, insbesondere zum Ummanteln langgestrecktem Gut wie Kabelsätzen in einem Automobil, mit einem Trägermaterial, das zumindest einseitig mit einer Klebebeschichtung versehen ist, wobei das Trägermaterial aus einem Laminat besteht, wobei das Laminat gebildet wird aus einem textilen Träger in Form eines Stapelfaservlieses oder eines Spinnvlieses und einer auf der Unterseite des textilen Trägers befindlichen Folie, vorzugsweise aus Polyolefinen, TPU oder PVC wie Weich-PVC, weiter vorzugsweise aus Polyolefinen, wobei die Folie eine Dicke von 15 bis 80 mym aufweist, wobei zur Verbindung der Folie und des textilen Trägers ein Kaschierklebstoff eingesetzt ist, wobei die Klebebeschichtung auf der freien Seite der Folie ist."
III. Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D5 (DE 20 2004 004804 U1) sei.
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin das folgende Dokument ein
D7 Vliesstoffe; Albrecht, Fuchs, Kittelmann;
Wiley-VCH, Weinheim; Abb. 4.1; 2000
und argumentierte, D7 beweise, dass die Offenbarung des allgemeineren Ausdrucks "Vlies" in D5 das spezifischere Merkmal in Anspruch 1 ("Stapelfaservlies oder Spinnvlies") nicht vorwegnehme. Die Beschwerdeführerin beantragte, das Streitpatent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten, hilfsweise die Neuheit festzustellen und die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
V. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Beschwerdegegnerin das folgende Dokument ein
D8 US 3 081 519
und argumentierte, unter Berücksichtigung der Offenbarung von D8 sei D5 neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1.
VI. In der Mitteilung nach Artikel 15(1) RPBA 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung dahingehend mit, dass unter Berücksichtigung der Offenbarung von D7 der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D5 sei.
VII. In einer weiteren Eingabe reichte die Beschwerdegegnerin das folgende Dokument ein
D9 Vliesstoffe; Lünenschloss, Albrecht; Georg Thieme
Verlag, Stuttgart, New York; Seiten 2, 3, 122 und
123; 1982
und argumentierte, unter Berücksichtigung der Offenbarung von D9 sei D5 neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1.
VIII. Die Beschwerdeführerin argumentierte in ihrer Eingabe vom 21. Januar 2021, dass auch unter Berücksichtigung der Offenbarung von D9 der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D5 sei. Für den Fall, dass die Kammer den Haupt- oder Hilfsantrag für gewährbar erachte, zog die Beschwerdeführerin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
IX. In einer weiteren Mitteilung führte die Kammer aus, dass auch unter Berücksichtigung der Offenbarung von D9 der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D5 sei. Weiterhin erklärte die Kammer, dass sie das Vorbringen der Beschwerdegegnerin so verstehe, dass sie im Fall der Feststellung der Neuheit gegenüber D5 und der Rückverweisung der Sache zur Klärung der weiteren offenen Punkte unter Artikel 83, 123 (2) und 56 und 54 EPÜ den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückziehe.
X. Mit ihrer Eingabe vom 27. Januar 2021 präzisierte die Beschwerdeführerin den ersten Hilfsantrag dahingehend, dass beantragt wird, die Neuheit (Art. 54 EPÜ) des Streitpatents in der erteilten Fassung gegenüber dem Dokument D5 festzustellen und die Angelegenheit zur Klärung der sonstigen Punkte an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
XI. Da beide Parteien ihre Anträge auf mündliche Verhandlung zurückgezogen haben, kann die Kammer diese Entscheidung im schriftlichen Verfahren treffen. Die endgültigen Anträge der Parteien sind wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragt:
das Patent in seiner erteilten Form aufrecht zu erhalten,
hilfsweise die Neuheit gegenüber D5 festzustellen und die Angelegenheit zur Weiterbehandlung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt:
die Beschwerde zurückzuweisen
hilfsweise die Neuheit gegenüber D5 festzustellen und die Angelegenheit zur Weiterbehandlung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
1. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber D5, denn das Merkmal "in Form eines Stapelfaservlieses oder eines Spinnvlieses" ist in D5 nicht offenbart.
1.1 D5 offenbart an mehreren Stellen (Anspruch 1, Absatz 0020 und 0028) das generische Merkmal "Vlies". Nach ständiger Rechtsprechung ist die Offenbarung eines generischen Merkmals für ein spezielleres Merkmal - hier das Merkmal "Stapelfaservlies oder Spinnvlies" - nicht neuheitsschädlich (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, neunte Auflage, I.C.5.2.6).
Der Neuheitseinwand hätte dann Erfolg, wenn es außer Spinnvliesen und Stapelfaservliesen keine anderen Vliestypen gäbe. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn D7, welches als Lehrbuch das allgemeine Fachwissen auf dem Gebiet nachweist, offenbart, dass es neben Spinnvliesen und Stapelfaserfliesen mit den "Folienfaservliesstoffen" eine weitere Gruppe von Vliesstoffen gibt. Somit ist das beanspruchte Merkmal "Stapelfaservlies oder Spinnvlies" enger und spezifischer als das in D5 offenbarte generische Merkmal "Vlies", woraus wiederum folgt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber D5 ist.
1.2 Diese Schlussfolgerung kann weder D8 noch D9 in Zweifel ziehen.
1.2.1 D8 wurde eingereicht um nachzuweisen, dass es sich bei den in D7 genannten Folienfaservliesstoffen auch um Spinn- oder Stapelfaservliese handele. Bei den in D8 offenbarten Vliesen handelt es sich für die Kammer jedoch nicht um Folienfaservliesstoffe im Sinne von D7, denn der in D8 beschriebene Herstellungsprozess beinhaltet weder die in D7 offenbarte Formung von Folien noch ihre Prägung bzw. Perforierung. Bei den in D8 offenbarten Vliesen handelt es sich somit nicht um Folienvliesstoffe im Sinne von D7, so dass D8 nicht nachweist, dass es sich bei diesen ebenfalls um Spinn- bzw. Stapelfaservliese handelt.
1.2.2 Gleiches gilt für D9 mit dem Unterschied, dass D9 die Existenz von Folienvliesstoffen ausdrücklich bestätigt. Die Tatsache, dass D9 die Folienvliesstoffe dabei als "exotisch" und als "lediglich in der Literatur anzutreffen" einstuft und in die in Abbildung 0.1 gezeigte Übersicht der verschiedenen Vliesstofftypen nicht aufnimmt, belegt lediglich, dass dies zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von D9 im Jahr 1982 der Fall war, d.h. 18 Jahre vor der Veröffentlichung von D7 und 22 Jahre vor dem Anmeldedatum von D5 (2004).
Aufgrund der größeren zeitlichen Nähe zum Anmeldedatum von D5 (2004) hält die Kammer die Offenbarung von D7 für relevanter als die der 18 Jahre älteren D9.
D9 kann somit die durch D7 nachgewiesene Existenz der Folienvliesstoffe nicht widerlegen.
1.3 Auch der ebenfalls in D5 offenbarte Ausdruck "vernadelte Filzschicht" ist nicht neuheitsschädlich für das beanspruchte Merkmal "Träger in Form eines Stapelfaservlieses oder Spinnvlieses". Zwar offenbart D9, dass sowohl gekrempelte Fasern (= Stapelfasern) als auch Spinnfasern zu vernadelten Filzschichten verarbeitet werden können (Seite 123, rechte Spalte), aber das bedeutet nicht, dass vernadelte Filzschichten ausschließlich und notwendigerweise aus Stapel- und Spinnfasern bestehen müssen - auch Folienfaservliese können gegebenenfalls einer Verfilzung durch Vernadelung unterzogen werden.
Somit kann der Ausdruck "vernadelte Filzschicht" nicht als direkte und unmittelbare Offenbarung des beanspruchten Merkmals "Stapelfaservlies oder Spinnvlies" angesehen werden.
1.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu gegenüber D5 (Artikel 54 EPÜ).
2. Zurückverweisung
2.1 Die erstinstanzliche Entscheidung beruht ausschließlich auf dem auf D5 basierenden Neuheitseinwand. Da der Einwand unter Berücksichtigung der erstmalig im Beschwerdeverfahren gemachten Eingaben nicht durchgreift, ist die Entscheidung aufzuheben. Der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin auf Zurückweisung der Beschwerde ist somit nicht gewährbar.
2.2 Die Einspruchsabteilung hat sich mit den übrigen Neuheitseinwänden, mit den Einwänden der mangelnden erfinderischen Tätigkeit sowie den Einwänden unter Artikel 100 b) und c) EPÜ noch nicht auseinandergesetzt und die Beschwerdeführerin hat zu diesen Einwänden noch nicht Stellung genommen, weder im Einspruchs- noch im Beschwerdeverfahren. Der Hauptantrag der Beschwerdeführerin auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung ist somit ebenfalls nicht gewährbar.
2.3 Der erste Hilfsantrag beider Parteien auf Feststellung der Neuheit gegenüber D5 und Rückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung ist dagegen gewährbar. Ferner liegen besondere Gründe im Sinne von Artikel 11 VOBK 2020 vor (siehe Ziffer 2.2), die eine Rückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung rechtfertigen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.