T 1772/18 26-05-2021
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Staubsaugerfilterbeutel
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 11. Mai 2018, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 366 320 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass keiner der erhobenen Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
III. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen zitiert:
D2: DE 103 48 375 A1
D3: DE 20 2009 004 433 U1
D4: EP 1 091 795 B1
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende als Beschwerdeführerin am 10. Juli 2018 Beschwerde eingelegt und am 11. Juli 2018 die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 27. Juli 2018 eingereicht.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 26. Mai 2021 statt.
VI. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VII. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang eines der Hilfsanträge 1, 2 oder 3, alle eingereicht mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung, oder des Hilfsantrages 1a, eingereicht mit Schreiben vom 12. September 2019.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (erteilte Fassung)
"Staubsaugerfilterbeutel mit einer ersten ein Filtermaterial umfassenden Beutelwand (104; 804) und einer zweiten ein Filtermaterial umfassenden Beutelwand und einem Boden (103; 803), wobei die erste und die zweite Beutelwand jeweils entlang eines Teils ihres Umfangs mit dem Boden und entlang des verbleibenden Teils ihres Umfangs miteinander verbunden sind (120, 130, 140; 820, 830), wobei die verbindung zwischen erster Beutelwand, zweiter Beutelwand und Boden derart ausgebildet ist, dass der Staubsaugerfilterbeutel vollständig geschlossen ist, wobei das Filtermaterial der ersten und der zweiten Beutelwand aus Vliesstoff gebildet ist, wobei der Staubsaugerfilterbeutel eine Eintrittsöffnung (102; 902), durch die zu reinigende Luft in den Staubsaugerfilterbeutel einströmen kann, und eine Halteplatte (103; 803) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die erste und/oder die zweite Beutelwand wenigstens fünf Falten (101; 801) aufweist."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"... und entlang des verbleibenden Teils ihres Umfangs durch drei Schweißnähte miteinander verbunden sind (120, 130, 140; 820, 830), wobei die [deleted: verbindung] Verbindung zwischen erster Beutelwand, zweiter Beutelwand und Boden ..."
Hilfsantrag 1a
Wie im Hilfsantrag 1, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... vollständig geschlossen ist und der Boden mit der ersten Beutelwand durch eine erste Klebenaht und mit der zweiten Beutelwand durch eine zweite Klebenaht verbunden ist, wobei das Filtermaterial der ersten und der zweiten Beutelwand aus Vliesstoff gebildet ist ..."
Hilfsantrag 2
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgenden Änderungen aufweist (von der Kammer mit Durch- und Unterstreichung hervorgehoben):
"... wobei die [deleted: verbindung] Verbindung zwischen erster Beutelwand, zweiter Beutelwand und Boden ... [deleted: dadurch gekennzeichnet, dass] wobei die erste und/oder die zweite Beutelwand wenigstens fünf Falten (101; 801) aufweist und die Faltenschenkel der wenigstens fünf Falten Inflexionslinien aufweisen, die im wesentlichen gerade verlaufen."
IX. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Die Offenbarung der D4 sei ausführbar. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 2 sei nicht neu gegenüber D4. Zudem beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 aller Hilfsanträge ausgehend von D4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
X. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Das Dokument D4 offenbare keinen Staubsauger-filterbeutel aus zwei getrennten und dann entlang ihres Umfangs miteinander verbundenen Lagen Vliesstoff. Zudem seien die omegaförmigen Auffaltungen nicht als Falten im Sinne des Streitpatents anzusehen. Außerdem mangele es der D4 an Ausführbarkeit ihres Offenbarungsgehalts.
Dessen ungeachtet sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge neu gegenüber der Offenbarung der D4, und beruhe ausgehend von D4 auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft einen Staubsaugerbeutel aus Vliesmaterial mit einer ersten und einer zweiten Beutelwand sowie einem Boden. Die erste und/oder die zweite Beutelwand weist wenigstens fünf Falten auf. Dadurch lässt sich die zur Filtration verfügbare Fläche bei vorgegebenen Abmessungen des Staubsauger-filterbeutels vergrößern (Patentschrift, Absatz 0170).
3. Hauptantrag - Neuheit gegenüber D4
Die angegriffene Entscheidung bejahte die Neuheit des Hauptantrags gegenüber dem Dokument D4, siehe Punkt 2.4 der Entscheidungsgründe. Die Beschwerdeführerin Einsprechende bestreitet diesen Befund der Entscheidung.
3.1 Für die Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags ist das Ausführungsbeispiel nach Figur 28 der D4 relevant. Diese Figur offenbart unbestritten einen Staubsauger-filterbeutel 29 mit einer ersten, oberen, Beutelwand und einer zweiten, unteren, Beutelwand und einem Boden mit einer Eintrittsöffnung und einer Halteplatte 31. Der Beutel besteht aus einem Filtermaterial aus Vliesstoff, siehe die Absätze 0002 und 0030 sowie die Ansprüche 1 und 25 der D4.
Die Kammer muss darum nun die von der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin bestrittenen Aspekte prüfen, wonach die in D4 enthaltene Lehre nicht nacharbeitbar sei, und wonach das Dokument weder offenbare, dass die erste und die zweite Beutelwand entlang des verbleibenden (nicht mit dem Boden verbundenen) Teils ihres Umfangs miteinander verbunden sind, noch, dass mindestens eine der Beutelwände wenigstens fünf Falten aufweist.
3.2 Im Hinblick auf die technisch nacharbeitbare Lehre in D4 vertritt die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin die Auffassung, dass unklar sei, wie und wo das Filtermaterial zu einem Schlauch geschlossen werde, und wie der Randbereich hergestellt werde bzw. wie die Bodenplatte befestigt werde. Zudem könnten die in D4 beschriebenen Filtermaterialien wegen ihrer hohen Steifigkeit weder in Staubsaugerfilterbeuteln verwendet noch in handelsüblichen Filterbeutelpaketen verkauft werden. Siehe dazu die Erwiderung der Patentinhaberin vom 21. April 2021, Seite 2.
Keines dieser Argumente überzeugt die Kammer:
3.2.1 Hinsichtlich der Frage, wie und wo das Filtermaterial zu einem Schlauch geschlossen werde, und wie der Randbereich hergestellt werde, gehört die Herstellung eines schlauchförmigen Staubsaugerfilterbeutels nach Ansicht der Kammer zum allgemeinen Fachwissen des Fachmannes. Zudem wird in der Patentschrift im Zusammenhang mit dem dort genannten Stand der Technik die Herstellung eines schlauchförmigen Staubsaugerbeutels beschrieben, siehe die in Absatz 0004 genannte EP 1 677 660, die inhaltlich der D2 zu entsprechen scheint. Laut Figur 4a und Absatz 0041 dieses Dokuments wird eine Lage eines Filtermaterials zu einem Schlauch zusammengefaltet und an dessen Rändern 22 und 23 unter Ausbildung einer Längsnaht 6 verschweißt. Anschließend wird der so gebildete Schlauch an seinem freien Ende 13, und damit quer zur Längsnaht 6, ebenfalls verschweißt. Ein Fachmann wird daher unter Anwendung dieser Lehre den in Figur 28 der D4 gezeigten Staubsaugerfilterbeutel dadurch fertigen, dass er die in Anspruch 1 genannte Werkstoffbahn aus Vliesstoff zu einem Schlauch formt und parallel zu einer der Faltlinien 3 mit einer Längsnaht verschweißt. Den quer dazu verlaufenden Randbereich 26 wird der Fachmann anschließend ebenfalls verschweißen, da das thermoplastische Vliesmaterial gemäß Anspruch 1 und Absatz 0014 der D4 plastifizierbar und somit schweißbar ist. Alternativ dazu ist dem Fachmann anhand seines Fachwissens bekannt, dass ein solches Vliesmaterial auch geklebt werden kann. Aufgrund dieser Materialeigenschaften wird der Fachmann daher die Bodenplatte eines Staubsaugerfilterbeutels entweder anschweißen oder ankleben.
3.2.2 Bezüglich der vermeintlich zu hohen Steifigkeit der in D4 beschriebenen Filtermaterialien stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin darin zu, dass das Dokument auf Filtermaterialien mit erhöhter Gestaltfestigkeit gegen Einknicken gerichtet ist, siehe Absatz 0012. Dieser Umstand ist jedoch für die Ausführbarkeit des Offenbarungsgehalts der D4 unerheblich, da die technische Lehre des Dokuments nicht auf eine bestimmte Steifigkeit beschränkt ist. Ein zu steifer Staubsaugerbeutel mag zwar nachteilig sein, da er sich unter Umständen nicht der Form des Aufnahmeraums im Staubsauger anpassen kann. Die Beschwerdegegnerin hat aber nicht belegt, dass der Fachmann einen solchen Beutel aus dem in D4 beschriebenen Filtermaterial nicht durch Falten -notfalls unterstützt durch eine vorherige Erwärmung des Kunststoffvlieses - und Kleben bzw. Schweißen herstellen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist jeder Verfahrensbeteiligte für die von ihm behaupteten Tatsachen beweispflichtig (RdBK, 9. Auflage 2019, III.G.5.1.1). Da die unbelegte Behauptung der Beschwerdegegnerin sich auch nicht im Wege der Amtsermittlung belegen lässt, kann sich die Kammer ihr nicht anschließen.
3.2.3 Das weitere Argument der Beschwerdegegnerin, wonach der in Figur 28 der D4 gezeigte Filterbeutel nicht in handelsüblichen Beutelpaketen verkauft werden könne, ist für die Frage der Ausführbarkeit des Offenbarungsgehalts der D4 ebenfalls unerheblich. Es mag sein, dass ein steifer Staubsaugerfilterbeutel schlecht oder überhaupt nicht faltbar ist und ihm daher kein kommerzieller Erfolg beschieden wäre. Da die technische Lehre, die Gegenstand der D4 ist, aber weder auf einen gefalteten noch einen in handelsüblichen Beutelpaketen verpackten Filterbeutel gerichtet ist, haben diese Überlegungen keine Auswirkungen auf die Nacharbeitbarkeit.
3.2.4 Aus diesen Gründen ist die in D4 enthaltene Lehre bezüglich des in Figur 28 gezeigten Staubsauger-filterbeutels nacharbeitbar. Mithin steht die Ausführbarkeit der darin offenbarten Erfindung der Relevanz des Dokuments für die Frage der Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht entgegen.
3.3 Im Hinblick die Verbindung der Beutelwände miteinander stimmen die Parteien darin überein, dass in Figur 28 der D4 die obere und die untere Beutelwand jeweils entlang eines Teils ihres Umfangs mit dem Boden in Form der Halteplatte 31 bzw. am oberen Randbereich 26 miteinander verbunden sind. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin bestreitet jedoch, dass die beiden Beutelwände auch entlang des verbleibenden Teils ihres Umfangs miteinander verbunden sind, also im Bereich der beiden perspektivisch dargestellten seitlichen Einfaltungen. Dabei vertritt sie die Auffassung, dass die beiden Beutelwände in D4 nicht voneinander getrennt waren, bevor sie zu einem Beutel verbunden wurden, da beide Wände unbestritten ein Teil derselben schlauchförmig geschlossenen Werkstoffbahn sind, siehe Anspruch 25 der D4. Aus Sicht der Kammer liegt diesem Argument das Verständnis zugrunde, dass die beiden Beutelwände nur dann im Bereich dieser seitlichen Einfaltungen miteinander "verbunden" sein können, wenn sie dort vorher voneinander getrennt waren.
Die Kammer sieht das anders. Bereits im normalen Sprachgebrauch umfasst der Begriff "verbunden" Anordnungen, bei denen die verbundenen Teile niemals voneinander getrennt waren. So ist ein Arm mit dem Rumpf oder ein Ast mit dem Baumstamm verbunden, ohne jemals von diesem getrennt gewesen zu sein. Dasselbe Begriffsverständnis findet sich auch im Streitpatent. Dort wird in Figur 12c ein Staubsaugerfilterbeutel mit einer ersten Beutelwand 1201c und einer zweiten Beutelwand 1202c beschrieben, dessen Beutelwände durch das Faltscharnier SII der Falte II miteinander verbunden sind (Patentschrift, Seite 3, Zeile 1: "mit einander verbunden"). Da die Schweißnaht 1203c in der unteren Beutelwand liegt, waren die beiden Beutelwände im Bereich der Falte II bzw. von deren Faltscharnier niemals voneinander getrennt. Diese Aussage im Streitpatents betont, dass die Beutelwände auch durch eine Falte miteinander verbunden werden, obwohl sie zuvor an dieser Stelle nicht voneinander getrennt waren.
Die Parteien stimmen darin überein, dass die beiden seitlichen Einfaltungen in Figur 28 der D4 zum Umfang der Beutelwände gehören. Folglich sind die beiden Beutelwände entlang ihres gesamten Umfangs derart miteinander verbunden, dass der Staubsaugerbeutel geschlossen ist. Zusammengefasst ist Anspruch 1 des Hauptantrags bei diesem Verständnis des Begriffs "verbunden" nicht auf zwei distinkte, also getrennt voneinander vorliegende Beutelwände beschränkt, die durch ein Verbindungsverfahren wie Schweißen oder Kleben entlang ihres gesamten Umfangs miteinander verbunden worden sind.
3.4 Im Hinblick auf die wenigstens fünf Falten in einer der Beutelwände weist der Staubsaugerfilterbeutel in Figur 28 der D4 auf seiner oberen, waagerechten Oberfläche dreizehn waagerecht verlaufende Reihen von jeweils vier Erhebungen auf. Diese Erhebungen werden unbestritten dadurch gebildet, dass die in Figur 28 waagerecht verlaufenden Auffaltungen 6, 8 an quer dazu verlaufenden Faltlinien 3 fixiert werden. Dadurch bilden die Auffaltungen zwischen diesen Faltlinien Röhren mit einem omegaförmigen Querschnitt aus, siehe die Figuren 1 und 3 sowie den Absatz 0026 der D4. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass diese Auffaltungen Falten im Sinne von Anspruch 1 des Hauptantrags seien, da sie keine Faltenschenkel und auch keine Faltenscharniere aufweisen.
Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin darin zu, dass Absatz 0115 der Patentschrift eine Falte als Kombination zweier Faltenschenkel und eines Faltenscharniers definiert. Diese Definition ist jedoch nicht in Anspruch 1 des Hauptantrags enthalten, so dass das Merkmal "Falten" im breitmöglichsten Sinne auszulegen ist. Die Figur 13d der Patentschrift zeigt unbestritten eine omegaförmige Oberflächenfaltung (Absatz 0126 der Patentschrift: "in Figur 13d ist eine Oberflächenfaltung gezeigt..."). Bereits aus dem Wortbestandteil "Faltung" im dort verwendeten Begriff "Oberflächenfaltung" geht hervor, dass diese Figur eine Falte betrifft. Das wird durch die Absätze 0118 und 0116 der Patentschrift bestätigt, wonach eine Oberflächenfaltung eine Abfolge von Faltungen auf der Beutelwand ist, und eine Faltung als eine Abfolge von zwei oder mehreren Falten zu verstehen ist. Aus logischen Gründen folgt aus diesen beiden Definitionen, dass die in Figur 13d gezeigte Oberflächenfaltung eine Abfolge mehreren Falten, und damit selbst eine Falte ist. Das wird außerdem durch die Kurzbeschreibung der Figuren 13a bis 13d in Absatz 0129 der Patentschrift bestätigt, wonach diese Figuren die Begriffe der maximalen Faltenhöhe und maximalen Faltenbreite erläutern sollen (Hervorhebung durch die Kammer).
3.5 Die Kammer schließt aus alledem, dass die in Figur 13d der Patentschrift gezeigte omegaförmige Oberflächen-faltung als (mindestens eine) Falte im Sinne von Anspruch 1 des Hauptantrags anzusehen ist, und dass der in Figur 28 der D4 gezeigte Staubsaugerfilterbeutel in seiner oberen Beutelwand wenigstens fünf solcher omega-förmigen Falten aufweist. Somit weist dieser Staubsaugerfilterbeutel alle Merkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags auf, so dass der Gegenstand dieses Anspruchs nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D4 ist.
4. Hilfsanträge 1 und 1a
4.1 Die Neuheit von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 1a gegenüber D4 ist unbestritten. Die zusätzlichen Merkmale in diesen Ansprüchen betreffen die Ausgestaltung der Verbindung zwischen den Beutelwänden durch drei Schweißnähte bzw. zusätzlich in Hilfsantrag 1a die Ausgestaltung der Verbindung zwischen den Beutelwänden und dem Boden des Staubsaugerfilterbeutels durch zwei Klebenähte. Sowohl das Verschweißen der Seitenwände als auch das Kleben des Bodens wurden von der Beschwerdeführerin Einsprechende als naheliegend angesehen, so dass die Kammer nun diese von dem in Figur 28 der D4 gezeigten Staubsaugerbeutel ausgehenden Angriffslinien prüfen wird.
4.2 Die dem Unterscheidungsmerkmal "drei Schweißnähte" von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 zugrunde liegende objektive technische Aufgabe kann darin gesehen werden, die Verbindung zwischen den beiden Beutelwänden auf eine alternative Weise auszugestalten.
Zur Lösung dieser Aufgabe würde ein Fachmann die D3 heranziehen, da sie ebenfalls einen Klotz- bzw. Blockbodenbeutel mit einem Beutelkörper 2 aus einer ersten und zweiten Beutelwand 10, 11 sowie einen Boden in Form einer Halteplatte 4 offenbart, siehe die Absätze 0034 und 0035 sowie die Figuren 1 und 5 dieses Dokuments.
4.2.1 Im Hinblick auf die Ausgestaltung des Beutelkörpers aus den beiden Beutelwänden 10 und 11 offenbart D3 explizit, dass diese als zwei rechteckige Flachwände oder aus einem einstückigen Filtermaterial bestehen können, siehe Absatz 0037. Ein Fachmann versteht den Verweis auf das einstückige Filtermaterial in dem Sinne, dass es durch eine Faltung zu einem schlauchförmigen Beutelkörper zusammengelegt und dann an einer Längsnaht z.B. durch Schweißen oder Kleben verbunden wird. Das entspricht der Konfiguration des Beutelkörpers in D4, so dass der Fachmann dem Absatz 0037 der D3 die Lehre entnimmt, dass zwei rechteckige Flachwände eine Alternative zum schlauchförmigen Beutelkörper der D4 darstellen.
4.2.2 Zur Herstellung eines solchen Beutelkörpers werden die beiden Flachwände in D3 aufeinandergelegt und entlang ihres Umfangrandes miteinander verschweißt, siehe Absatz 0052. Dabei stellen sich zwar vier Schweißnähte - zwei entlang der Längskanten und zwei entlang der beiden Querkanten ein. Diese Zahl der Schweißnähte ist der besonderen Beutelform in D3 geschuldet, welche ein flaches Zusammenlegen des Staubsaugerfilterbeutels für Verpackungszwecke und ein anschließendes Auffalten in eine Betriebsstellung ermöglicht, siehe die Absätze 0009 und 0041. Der Fachmann erkennt, dass er auf eine vierte Schweißnaht im Bereich des später anzubringenden Bodens verzichten kann, falls er die kompakte Faltbarkeit des Staubsaugerbeutels nicht benötigt. Dessen ungeachtet schließt die Formulierung "entlang eines Teils ihres Umfangs mit dem Boden und entlang des verbleibenden Teils ihres Umfangs durch drei Schweißnähte" in Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 1a nicht aus, dass die beiden Beutelwände zusätzlich im Bereich des Bodens - wie in D3 gezeigt - durch eine (vierte) Schweißnaht miteinander verbunden sind.
4.2.3 Das Argument der Beschwerdegegnerin Patentinhaberin, wonach der Fachmann zur Weiterbildung des aus D4 bekannten Staubsaugerfilterbeutels mit Oberflächenfalten keinen Beutel ohne solche Falten, wie er in D3 gezeigt ist, heranziehen würde, überzeugt die Kammer nicht, da unbelegt.
4.2.4 Aus diesen Gründen gelangt der von D4 ausgehende Fachmann durch die D3 zu einer alternativen Ausgestaltung des Beutelkörpers aus zwei rechteckigen Materiallagen, die durch drei Schweißnähte am verbleibenden Teil ihres Umfangs (und ggf. durch eine vierte Schweißnaht im Bereich des Bodens) miteinander verbunden sind. Mithin beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gegenüber einer Kombination von D4 und D3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
4.3 Die dem weiteren Unterscheidungsmerkmal "erste und zweite Klebenaht" von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a zugrunde liegende objektive technische Aufgabe kann darin gesehen werden, die Verbindung zwischen den beiden Beutelwänden und dem Boden des Staubsaugerfilterbeutels auszugestalten.
Zur Lösung dieser Aufgabe zieht ein Fachmann ebenfalls die D3 heran, da sie aus den bereits genannten Gründen einen Klotz- bzw. Blockbodenbeutel mit einem Boden offenbart. D3 offenbart explizit, dass der Boden mit dem Beutelkörper verbunden werden kann, siehe Absatz 0043. Alternativ wird der Fachmann die auch auf einen Klotzbodenbeutel gerichtete D2 heranziehen, in der ein Boden 9 an seinen beiden Querseiten 10 jeweils mit den beiden Beutelwänden verklebt ist, siehe den Absatz 0040 und die Figur 2. Jedes der Dokumente D2 oder D3 wird daher den von D4 ausgehenden Fachmann dazu veranlassen, die obere und die untere Beutelwand durch eine erste und eine zweite Klebenaht mit dem Boden des Staubsaugerfilterbeutels zu verbinden.
4.4 Aus diesen Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 1a nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
5. Hilfsantrag 2
5.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 enthält das zusätzliche Merkmal "die Faltenschenkel der ... Falten weisen Inflexionslinien auf, die im wesentlichen gerade verlaufen". Laut Absatz 0025 verbindet eine Inflexionslinie oder Wendelinie eines Faltenschenkels mehrere Punkte einer Falte, an denen sich jeweils die Krümmung der Falte von konkav zu konvex ändert. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet die Neuheit dieses Anspruchs unter Verweis auf die Figuren 1 und 3 der D4. Dabei vertritt sie die Ansicht, dass der in Figur 3 omegaförmig dargestellte Faltenquerschnitt sowohl im linken als auch im rechten Schenkel des Omega einen Wendepunkt aufweise. Die Verbindung dieser Wendepunkte ergebe eine Wendelinie, deren Verlauf den gestrichelten Linien in Figur 1 entspräche. Diese seien zwar etwas gebogen, aber ein Fachmann sähe einen solchen Verlauf als im wesentlichen gerade an.
5.2 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. Die röhren- oder omegaförmigen Auffaltungen 15 der D4 sind nämlich durch streifenförmige Fügezonen 7 entlang der Faltlinien 3 fixiert. Dort hat der Querschnitt einer Auffaltung nicht mehr die Form eines Omega gemäß Figur 3, sondern die Form des in Figur 2 gezeigten und in Absatz 0028 beschriebenen Rechtecks. Folglich verändert sich der Querschnitt einer Falte auf dem Weg von einer Faltlinie 3 zur nächsten. Der Querschnitt geht dabei von der Rechteckform an der Faltlinie 3 in die omega-Form über, die unbestritten in der Mitte zwischen zwei Faltlinien 3 vorliegt, bevor er sich wieder der Rechteckform annähert, je näher man an die nächste Faltlinie 3 gelangt. Bei dem in Figur 2 gezeigten Querschnitt der Falte befinden sich die beiden Inflexionspunkte sowohl in waagerechter als auch senkrechter Richtung gesehen in der Mitte der mit "D" bezeichneten Überlappungsbereiche. In Figur 3 befinden sie sich in der Mitte der Schenkel der omegaförmigen Auffaltung, etwa auf Höhe des Bezugszeichens 15. Da die Breite der Werkstoffbahn 2 unbestritten konstant ist, muss sich der Inflexionspunkt auf dem Weg vom Rechteckquerschnitt zum Omega sowohl in waagerechter als auch in senkrechter Richtung verschieben, was durch einen Vergleich der Figuren 2 und 3 bestätigt wird. Eine Verbindung aller Inflexionspunkte entlang eines Faltenschenkels verläuft räumlich in Bogenform. Das führt zu einem bogenförmigen räumlichen Verlauf der beiden Inflexionslinien, so dass sie nicht im wesentlichen gerade verlaufen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist folglich neu.
5.3 Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit wurde das zusätzliche Merkmal "die Faltenschenkel der ... Falten weisen Inflexionslinien auf, die im wesentlichen gerade verlaufen" von der Beschwerdeführerin Einsprechenden als naheliegend gegenüber der Ausführungsform nach Figur 9 der D4 angesehen.
Aus den folgenden Gründen ist die Kammer nicht davon überzeugt:
5.3.1 Der Beschwerdeführerin wird darin zugestimmt, dass die in Figur 9 der D4 gezeigten punktförmigen Fügezonen dazu führen, dass die Falten durchgehend röhren- bzw. omegaförmig ausgebildet sind. Der Faltenquerschnitt ist jedoch über deren Länge, z.B. auf dem Weg von einer Faltlinie 3a zur nächsten Faltlinie 3b, nicht konstant, was in Absatz 0033 der D4 mit den Begriffen "die Form bauchiger Flaschen" bzw. "unterschiedliche Querschnitte der Röhren" zum Ausdruck kommt. Er verändert sich nämlich vom kleinsten Querschnitt an der Faltlinie 3a - sozusagen dem Flaschenhals der bauchigen Flasche - über den größten Querschnitt L2 am Flaschenbauch zum mittelgroßen Querschnitt am Flaschenboden, der sich an der Faltlinie 3b befindet. Da sich die beiden Inflexionspunkte aus den vorangehend genannten Gründen jeweils in der Mitte der Schenkel der omegaförmigen Auffaltung befinden, verschieben sie sich wegen der konstanten Breite der Materialbahn auf dem Weg von der Faltlinie 3a zur Faltlinie 3b auch bei dieser Ausführungsform sowohl in waagerechter als auch in senkrechter Richtung, so dass die Verbindung der Inflexionspunkte eines Faltenschenkels wieder räumlich in Bogenform verläuft. Das führt erneut zu einem bogenförmigen räumlichen Verlauf der Inflexionslinien, so dass sie auch in der Ausführungsform nach Figur 9 der D4 nicht im wesentlichen gerade verlaufen.
5.3.2 Die Beschwerdeführerin Einsprechende formuliert die objektive technische Aufgabe, die dem Unterscheidungs-merkmal "die Faltenschenkel der ... Falten weisen Inflexionslinien auf, die im wesentlichen gerade verlaufen" zugrunde liegt, als das Erzielen einer gleichmäßigen Form der Falten über deren Länge.
Die Kammer sieht das anders, da eine solche Aufgabenformulierung wegen der geraden Inflexions-linien, die einer gleichmäßigen Faltenform inhärent sind, bereits Lösungsansätze enthält. Im Hinblick auf die objektive technische Aufgabe gilt jedoch, dass die Aufgabe so zu formulieren ist, dass sie keine Lösungsansätze enthält oder teilweise die Lösung vorwegnimmt (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.4.3.1). Laut der Patentschrift bleibt die Falte durch eine im wesentlichen gerade Inflexionslinie unversteift, so dass der Staubsaugerbeutel flexibler bleibt und die Falten sich besser an den Bauraum des Staubsaugers anpassen, siehe Absatz 0047. Daher besteht nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz die objektive technische Aufgabe aus Sicht der Kammer darin, die Falten bzw. den Staubsaugerbeutel derart auszugestalten, dass er sich besser an den Bauraum des Staubsaugers anpasst.
Die Kammer muss darum nun untersuchen, ob ein Fachmann zur Lösung dieser Aufgabe ohne eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise zu obigem Unterscheidungsmerkmal gelangt wäre. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung danach zu fragen, ob der Fachmann in der Erwartung, die Aufgabe zu lösen, die Lehre der nächstliegenden Entgegenhaltung angesichts anderer Lehren des Stands der Technik so abgewandelt hätte, dass er zu der beanspruchten Erfindung gelangt wäre (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.5 "Could-would approach").
5.3.3 Im vorliegenden Fall ist die Kammer weder davon überzeugt, dass der von D4 ausgehende Fachmann einen flexibleren Staubsaugerbeutel anstreben würde, noch dass er durch die in Absatz 0033 dieses Dokuments genannten weiteren Fügezonen zur Zwischenstabilisierung auf naheliegende Weise zur Lösung gelangt wäre.
Das erklärte Ziel der D4 ist nämlich, Faltenfilter mit einer erhöhten Gestaltfestigkeit gegen Einknicken zu schaffen, siehe Absatz 0012. Das wird durch die röhrenförmigen Auffaltungen erreicht, welche die Filterflächen versteifen und ein Einknicken oder Ausbeulen vermeiden, siehe Absätze 0015 und 0019. Statt eines flexiblen Staubsaugerbeutels offenbart die D4 folglich einen besonders steifen Staubsaugerbeutel. Die von der Beschwerdeführerin genannten weiteren Fügezonen 7e bewirken eine zusätzliche Verfestigung des Filtermaterials, siehe Absatz 0033, und folglich noch eine weitere Versteifung des Staubsaugerbeutels.
Auch das Argument der Beschwerdeführerin, wonach die drei in Figur 9 der D4 gezeigten Fügezonen 7e so dicht beieinander liegen, dass die Inflexionslinien zwischen diesen Punkten im wesentlichen gerade verlaufen, kann nicht das Naheliegen des Unterscheidungsmerkmals begründen. Die weiteren Fügezonen 7e liegen nämlich so dicht beieinander, dass sie nur entlang eines kleinen Teils der Längsausdehnung einer Falte angeordnet sind, siehe die Figur 9. Dagegen folgt bei einer zum Verständnis bereiten Leseweise von Absatz 0047 der Patentschrift aus den unterschiedlichen Wirkungen einer gekrümmten Inflexionslinie (Stabilisierung der Falte) und einer im wesentlichen geraden Inflexionslinie (unversteifte Falte), dass der Begriff Inflexionslinie die gesamten Faltenlänge betrifft. Folglich bilden die Verbindungen zwischen den nahe beieinander liegenden weiteren Fügezonen 7e in Figur 9 der D4 keine Inflexionslinien im Sinne von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2.
5.4 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem angezogenen Stand der Technik.
6. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 und 1a nicht gewährbar sind, da Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu ist, Artikel 100(a) und 54 EPÜ, und da Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 1a nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ. Dagegen ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
Unter Berücksichtigung der nach dem Hilfsantrag 2 vorgenommenen Änderungen stellt die Kammer fest, dass das Patent die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, und somit nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechterhalten werden kann, die Anpassung der Beschreibung vorausgesetzt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Maßgabe zurückverwiesen, das Patent in der Fassung des mit der Beschwerdeerwiderung am 18. Oktober 2018 eingereichten Hilfsantrags 2 mit den Ansprüchen 1 - 18 nebst einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.