T 2251/18 30-08-2021
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Windenergieanlage mit einer zentralen Steuerungseinrichtung und einer Steuerungseinheit im Rotor sowie Verfahren zum Betreiben einer derartigen Windenergieanlage
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2 192 298 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass keiner der erhobenen Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.
III. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen zitiert:
E1 DE 20 2005 011 896 U1
E7 WO 2009 / 050 157 A2
Das folgende Beweismittel aus dem Einspruchsverfahren wird in der vorliegenden Entscheidung behandelt:
E33 Wikipedia-Artikel "Wireless Local Area Network", 15.11.2007
Dieses Dokument wurde mit der Einspruchsbegründung eingereicht.
IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mit. Die mündliche Verhandlung fand am 30. August 2021 in Anwesenheit aller Parteien als Videokonferenz statt.
V. Die Beschwerdeführerin Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VI. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 9 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags (erteilte Fassung) haben den folgenden Wortlaut:
"1. Windenergieanlage mit einer Gondel (16), einem Rotor, der mindestens ein in seinem Blatteinstellwinkel verstellbares Rotorblatt (10) aufweist, einer zentralen Steuerungseinrichtung (18) zur Steuerung der Windenergieanlage und einer im Rotor angeordneten Steuerungseinheit (36) zur Steuerung des Blatteinstellwinkels des mindestens einen Rotorblatts (10), wobei die zentrale Steuerungseinrichtung (18) und die Steuerungseinheit (36) im Rotor über eine Datenverbindung, die mindestens eine gondelseitige erste Sende- und Empfangseinrichtung (22) und mindestens eine rotorseitige zweite Sende- und Empfangseinrichtung (26) umfasst, miteinander Daten austauschen können, wobei zwischen der mindestens einen ersten Sende- und Empfangseinrichtung (22) und der mindestens einen zweiten Sende- und Empfangseinrichtung (26) eine drahtlose Netzwerkverbindung (76) mit einem sicherheitsgerichteten Kommunikationsprotokoll vorgesehen ist und der ersten und der zweiten Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) jeweils eine Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung (32, 34) zugeordnet ist, die die Funktion der Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) überwachen und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleiten kann, dadurch gekennzeichnet, dass die Überwachungs- und Kommunikationseinrichtungen (32, 34) über eine einen Schleifring aufweisende elektrische Verbindung (56) zum ständigen Austausch von Statusmeldungen miteinander verbunden sind."
"9. Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage mit einer Gondel, einem Rotor, der mindestens ein in seinem Blatteinstellwinkel verstellbares Rotorblatt (10) aufweist, einer zentralen Steuerungseinrichtung (18), die die Windenergieanlage steuert, und einer im Rotor angeordneten Steuerungseinheit (36), die den Blatteinstellwinkel des mindestens einen Rotorblatts ( 10) steuert, wobei die zentrale Steuerungseinrichtung (18) und die Steuerungseinheit (36) im Rotor über eine Datenverbindung, die mindestens eine gondelseitige erste Sende- und Empfangseinrichtung (22) und mindestens eine rotorseitige zweite Sende- und Empfangseinrichtung (26) umfasst, miteinander Daten austauschen, wobei die Daten über eine drahtlose Netzwerkverbindung (76) mit einem sicherheitsgerichteten Kommunikationsprotokoll ausgetauscht werden, der ersten und der zweiten Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) jeweils eine Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung (32, 34) zugeordnet ist, die die Funktion der Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) überwacht und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleitet und die Überwachungs- und Kommunikationseinrichtungen (32, 34) über eine einen Schleifring aufweisende elektrische Verbindung (56) miteinander verbunden sind, über die sie ständig Statusmeldungen miteinander austauschen."
VIII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber jedem der Dokumente E1 und E7. Zudem beruhe der Gegenstand jedes der Ansprüche 1 und 9 ausgehend von E1 oder E7 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
IX. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 9 sei neu und beruhe gegenüber dem angezogenen Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Windenergieanlage mit mindestens einem in seinem Blatteinstellwinkel verstellbaren Rotorblatt. Die Windenergieanlage besitzt eine zentrale Steuerungseinrichtung (18) zur Steuerung der Windenergieanlage und eine im Rotor angeordnete Steuerungseinheit (36) zur Steuerung des Blatteinstellwinkels des mindestens einen Rotorblatts. Die zentrale Steuerungseinrichtung (18) und die Steuerungseinheit (36) im Rotor können über eine Datenverbindung, die mindestens eine gondelseitige erste Sende- und Empfangseinrichtung (22) und mindestens eine rotorseitige zweite Sende- und Empfangseinrichtung (26) umfasst, miteinander Daten austauschen. Dazu ist zwischen diesen beiden Sende- und Empfangseinrichtungen (22, 26) eine drahtlose Netzwerkverbindung (76) vorgesehen. Den beiden Sende- und Empfangseinrichtungen (22, 26) ist jeweils eine Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung (32, 34) zugeordnet, die die Funktion der Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) überwachen und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleiten kann. Die Überwachungs- und Kommunikationseinrichtungen (32, 34) sind über eine einen Schleifring aufweisende elektrische Verbindung (56) zum ständigen Austausch von Statusmeldungen miteinander verbunden.
Dadurch, dass die Funktion der rotorseitigen Sende- und Empfangseinrichtungen überwacht wird, und die beiden Überwachungs- und Kommunikationseinrichtungen über die einen Schleifring aufweisende elektrische Verbindung zum ständigen Austausch von Statusmeldungen miteinander verbunden sind, soll die Windenergieanlage besser gegen Störungen, auch der Sende- und Empfangseinrichtungen, gesichert sein (Patentschrift, Absatz 0013).
3. Neuheit
Die angegriffene Entscheidung bejahte die Neuheit gegenüber der Offenbarung jedes der Dokumente E1 und E7, siehe die Punkte 7 und 8 der Entscheidungsgründe. Die Beschwerdeführerin Einsprechende bestreitet diesen Befund der Entscheidung.
3.1 Das Dokument E1 offenbart eine Windenergieanlage mit in ihrem Blatteinstellwinkel verstellbaren Rotorblättern, siehe die Verstelleinrichtung 6 für die Rotorblätter in den Figuren 1 und 2. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass die vorbekannte Windenergieanlage eine zentrale Steuereinrichtung 12 in der Gondel zur Steuerung der Windenergieanlage und ein im Rotor angeordnetes Verstellmodul 14 zur Steuerung des Blatteinstellwinkels der Rotorblätter aufweist. Die zentrale Steuerungseinrichtung 12 und das Verstellmodul 14 im Rotor tauschen über eine drahtlose Datenverbindung zwischen einer gondelseitigen ersten Sende- und Empfangseinrichtung 13 und einer rotorseitigen zweiten Sende- und Empfangseinrichtung 9 miteinander Daten aus, siehe Absatz 0025 der E1. Außerdem ist zwischen dem Verstellmodul 14 im Rotor und der Steuereinrichtung 12 in der Gondel eine elektrisch leitende Datenverbindung mit Drehdurchführung vorgesehen, siehe Absatz 0018. Aus Sicht der Kammer weist diese Drehdurchführung bei fachmännischer Lesart einen Schleifring auf.
3.2 Die Beschwerdeführerin vertritt unter Verweis auf Absatz 0016 der E1 die Auffassung, dass das Störfallmodul 8 im Rotor als anspruchsgemäße Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung anzusehen sei. Daher muss die Kammer nun prüfen, ob dieses Störfallmodul die Funktion der rotorseitigen Sende- und Empfangseinrichtung überwacht und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleitet.
3.2.1 In der aus E1 bekannten Windenergieanlage wird die drahtlose Datenverbindung zwischen der Steuereinrichtung 12 in der Gondel und dem Verstellmodul 14 bzw. dem Störfallmodul 8 im Rotor zur Übertragung eines Störungssignals genutzt, das zur Auslösung der Störfallrotorblattverstellung dient. Dabei empfängt das Störfallmodul 8 das Störungssignal, wertet es mit einem Signalauswertemodul aus und löst danach ggf. die Störfallrotorblattverstellung in die Fahnenstellung aus, siehe die Absätze 0007, 0009 und 0016.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin darin zu, dass das als Teil des Störfallmoduls offenbarte Signalauswertemodul durchaus als eine rotorseitige Überwachungseinrichtung angesehen werden kann, da es Überwachungsaufgaben ausführt. Das Signalauswertemodul überprüft nämlich die Kommunikation über die drahtlose Datenverbindung daraufhin, ob ein Störungssignal an den Rotor übertragen wird, siehe Absatz 0016. Jedoch wird in E1 lediglich das empfangene Signal ausgewertet, um festzustellen, ob es sich um das Signal für die Störfallrotorblattverstellung handelt, also beispielsweise um ein von der Gondel ausgesandtes Impulssignal oder die Unterbrechung eines Dauersignals, siehe Absatz 0013. Ein Fehler der rotorseitigen Sende- und Empfangseinrichtung bzw. dessen Erkennung durch das Signalauswertemodul wurde dagegen in E1 nicht in Erwägung gezogen, da das Störfallmodul das "richtige" Störungssignal empfangen muss, um die Störfallrotorblattverstellung auszulösen, siehe diese Formulierung in Absatz 0009 und die entsprechende Formulierung "ob das Signal das Signal für eine Störfallrotorblattverstellung ist" in Absatz 0016. Im Falle eines Fehlers in der rotorseitigen Sende- und Empfangseinrichtung kann jedoch kein richtiges, also fehlerfreies, Signal mehr empfangen bzw. an das Störfallmodul weitergeleitet werden. Folglich ist das Signalauswertemodul als Teil des Störfallmoduls nicht dazu ausgebildet, die rotorseitige Sende- und Empfangseinrichtung auf einen möglichen Fehler hin zu überwachen (und dann bei Auftreten dieses Fehlers eine vorbestimmte Aktion einzuleiten).
3.2.2 Auch die alternative Sichtweise der Beschwerdeführerin, wonach die gondelseitige Steuereinrichtung 12 laut Absatz 0019 der E1 im Rahmen einer Selbstdiagnose einen Fehler detektieren könne (Seite 13, zweiter vollständiger Absatz der Beschwerdebegründung), oder wonach die Überwachung der rotorseitigen Sende- und Empfangseinrichtung bei Ausbleiben von empfangenen Daten in der gondelseitigen Sende- und Empfangseinrichtung 13 implizit erfolge, überzeugen die Kammer nicht. Eine anspruchsgemäße elektrische Verbindung mittels Schleifring ist unbestritten zwischen dem Rotor und der Gondel angeordnet. Daher folgt aus dem kennzeichnenden Merkmal "die Überwachungs- und Kommunikationseinrichtungen über eine einen Schleifring aufweisende elektrische Verbindung ... miteinander verbunden sind" in Anspruch 1, dass sich neben einer Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung in der Gondel eine weitere solche Einrichtung im Rotor befinden muss. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Fehlerdetektion durch die gondelseitige Steuereinrichtung 12 der E1 oder eine implizite Überwachung des Rotors durch die gondelseitige Sende- und Empfangseinrichtung 13 ist daher unerheblich, solange keine rotorseitige Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung vorhanden ist. Das wurde von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen, und ist aus den voranstehende genannten Gründen insbesondere bei dem rotorseitig vorhandenen Störfallmodul 8 der E1 auch nicht der Fall.
3.2.3 Aus diesen Gründen offenbart das Dokument E1 keine im Rotor angeordnete Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung, die die Funktion der rotorseitigen Sende- und Empfangseinrichtung 9 überwacht und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleitet. Daraus folgt aus logischen Gründen, dass die elektrisch leitende Datenverbindung mit einem Schleifring in E1 nicht zwischen einer Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung im Rotor bzw. in der Gondel angeordnet ist. Wegen dieses Unterschieds kann dahingestellt bleiben, ob die Verbindung über den Schleifring eine elektrische Verbindung zum ständigen Austausch von Statusmeldungen ist.
3.3 Im Hinblick auf den gegenüber E7 erhobenen Neuheitseinwand verweist die Beschwerdeführerin auf ihr schriftliches Vorbringen. Die Kammer hat bereits in ihrer Mitteilung, Abschnitt 2.2, die Auffassung vertreten, dass E7 einen Schleifring nur im Zusammenhang mit dem dort diskutierten Stand der Technik offenbare. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"2.2 .Im Hinblick auf E7 scheint insbesondere strittig zu sein, ob das Dokument eine elektrische Verbindung, die einen Schleifring aufweist, offenbart. Nach Meinung der Kammer scheint die Formulierung "Üblicherweise" in Absatz 2 der E7 den in Absatz 3 genannten Schleifring dem Stand der Technik zuzuordnen. Siehe auch Seite 11, zweiter Absatz ("so die Verwendung von Schleifringen unnötig machen"). Die Kammer ist daher nicht von den Argumenten überzeugt, dass ein Fachmann die Möglichkeit eines Schleifrings als technische Alternative bei der Frage der Neuheit berücksichtigen würde, oder dass ein Fachmann die E7 in dem Bewusstsein lesen würde, dass berührungslose Schleifringe bekannt sind."
Die Einsprechende als Beschwerdeführerin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.
3.4 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber den Dokumenten E1 und E7, Artikel 100(a) i.V.m. 54 EPÜ. Dieser Befund gilt mutatis mutandis für den unabhängigen Verfahrensanspruch 9 wegen des gleichlautenden Merkmals "der ersten und der zweiten Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) jeweils eine Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung (32, 34) zugeordnet ist, die die Funktion der Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) überwacht und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleitet".
4. Erfinderische Tätigkeit
Die angegriffene Entscheidung bejahte das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit ausgehend von E1 in Zusammenschau mit dem Fachwissen des Fachmannes. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet diesen Befund der Entscheidung.
4.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich aus den vorangehend genannten Gründen von der Offenbarung der E1 wenigstens darin, dass der rotorseitigen Sende- und Empfangseinrichtung eine Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung zugeordnet ist, die die Funktion der Sende- und Empfangseinrichtung überwachen und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleiten kann, und dass diese rotorseitige Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung mit der gondelseitigen Überwachungs- und Kommunikations-einrichtung über eine einen Schleifring aufweisende Verbindung verbunden ist.
4.2 Im Streitpatent überprüfen die Überwachungs- und Kommunikationseinrichtungen, ob die überwachten Sende- und Empfangseinrichtungen ordnungsgemäß funktionieren, siehe Absatz 0013 der Patentschrift. Der in Anspruch 1 genannte Fehler betrifft daher eine Störung der drahtlosen Netzwerkverbindung, so dass nach dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz die objektive technische Aufgabe darin gesehen werden kann, die aus E1 bekannte Windenergieanlage besser gegen Störungen zu sichern.
Selbst wenn man die objektive technische Aufgabe in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin darin sieht, die Funkverbindung der E1 zu verbessern, um eine höhere Zuverlässigkeit zu erreichen, wird die Lösung durch die angeführten Kombinationen nicht nahegelegt.
4.3 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Frage, ob der beanspruchte Gegenstand eine naheliegende Lösung für eine objektive technische Aufgabe darstellt, danach zu fragen, ob der Fachmann in der Erwartung, die Aufgabe zu lösen, die Lehre der nächstliegenden Entgegenhaltung angesichts anderer Lehren des Stands der Technik so abgewandelt hätte, dass er zu der beanspruchten Erfindung gelangt wäre (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.5 "Could-would approach").
Im vorliegenden Fall teilt die Kammer die Sichtweise der Beschwerdeführerin, wonach dem Fachmann eine drahtlose Funkverbindung per WLAN aus seinem Fachwissen bekannt ist, so dass er die drahtlose Datenverbindung der E1 als WLAN ausgestalten könnte. Die Kammer ist aber aus den folgenden Gründen nicht davon überzeugt, dass der Fachmann dabei die zusätzliche Verbindung der E1 mittels Schleifring beibehalten würde, so dass er zur beanspruchten Erfindung gelangt wäre:
4.3.1 Über die drahtlose Datenverbindung der E1 wird ein Störungssignal in Form eines Impulses oder eines periodischen Dauersignals übertragen. Im Zusammenhang mit diesem Signal verweist das Dokument auf Rauschen (Absatz 0011), einen Toleranzbereich um ein Referenzsignal (Absatz 0014) oder auf ein Frequenzfilter zur Auswertung des Signals (Absatz 0016). Aus Sicht der Kammer versteht ein Fachmann das als Verweis auf die Übertragung eines analogen Signals über eine deswegen in Analogtechnik ausgestaltete drahtlose Datenverbindung.
Zusätzlich zu dieser analogen drahtlosen Datenverbindung sind der Rotor und die Gondel in E1 auch noch über eine Drehdurchführung miteinander verbunden, die laut Absatz 0008 zur Energieübertragung in den Rotor verwendet wird. Da auf die Verschleißanfälligkeit hingewiesen wird, umfasst diese Drehdurchführung bei fachmännischer Lesart einen Kontakt-Schleifring. Ein Fachmann versteht Absatz 0018 der E1 - also die Nutzung der Drehdurchführung mit Schleifring als elektrisch leitende Datenverbindung wenn an der drahtlosen Verbindung ein Fehler vorliegt - in dem Sinne, dass diese bei Vorliegen eines Fehlers in der drahtlosen Verbindung auch zur Übertragung des Störungssignals dient und daher auch das "einfache" Bestätigungssignal für die Störfall-rotorblattverstellung vom Rotor an die gondelseitige Steuerung überträgt. Dieses einfache Signal ist ein Statussignal (Anspruch 14), anhand dessen die gondelseitige Steuereinrichtung erfährt, dass die Schutzvorrichtung der Windenergieanlage ausgelöst hat (Absatz 0017). Für ein solches Statussignal reicht der in E1 nicht näher beschriebene Kontakt-Schleifring unbestritten aus, da lediglich eine einzige elektrische Leitung über den Schleifring verbunden sein muss.
4.3.2 Die Parteien stimmen darin überein, dass eine drahtlose Datenverbindung per WLAN digitale Datenpakete überträgt. Das ist auch aus Sicht der Kammer der Fall, siehe den von der Einsprechenden als E33 vorgelegten Wikipedia-Artikel über die Eigenschaften eines WLAN nach dem Standard IEEE 802.11. Wenn der Fachmann die analoge drahtlose Netzwerkverbindung der E1 als WLAN ausgestalten würde, müsste das gondelseitig ausgesandte Störsignal statt in analoger in digitaler Form erzeugt, in Datenpakete umgewandelt und über das WLAN übertragen werden. Damit das bisher in Analogtechnik als Frequenzauswerterelais oder Frequenzfilter ausgebildete rotorseitige Signalauswertemodul, siehe Absatz 0016 der E1, den Inhalt der über das WLAN übertragenen digitalen Datenpakete dann auswerten kann, müsste es durch eine Baugruppe in Digitaltechnik ersetzt werden. Auch das Störsignal zur Bestätigung der Störfall-rotorblattverstellung müsste dann in Form eines Datenpakets, also digital, über das WLAN an die gondelseitige Steuerungseinrichtung übertragen werden, solange (wie von E1 gelehrt) die drahtlose Datenverbindung nicht gestört ist. Ein digitales Störsignal in Form eines WLAN-tauglichen Datenpakets kann aber nicht bei Ausfall der drahtlosen Verbindung über den lediglich für ein einfaches analoges Signal ausgelegten Schleifring der E1 übertragen werden. Ein Fachmann wird daher bei der Umwandlung der drahtlosen Netzwerkverbindung in ein WLAN den Schleifring mangels Eignung für digitale Datenpakete nicht beibehalten.
Aus diesen Gründen wird der von E1 ausgehende Fachmann bei der Ausgestaltung der drahtlosen Datenverbindung als WLAN zu einer Windenergieanlage gelangen, die ohne den Schleifring nicht alle Merkmale von Anspruch 1 aufweist. Deswegen kann dahingestellt bleiben, ob der von der Beschwerdeführerin argumentierte Wechsel auf ein WLAN dazu führt, dass jeder der beiden Sende- und Empfangseinrichtungen aufgrund der einem WLAN vermeintlich inhärenten technischen Ausgestaltung eine eigene Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung zur Überwachung ihrer Funktion zugeordnet ist.
4.4 In der Beschwerdebegründung, siehe Absatz 1.3.2, wurde die erfinderische Tätigkeit auch ausgehend von E7 angegriffen. Das Dokument E7 gehört zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) i.V.m Artikel 153(3) und Regel 165 EPÜ. Es ist daher für die erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.
4.5 Folglich beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem angezogenen Stand der Technik, Artikel 100(a) i.V.m. 56 EPÜ. Dieser Befund gilt mutatis mutandis für den unabhängigen Verfahrensanspruch 9 wegen des gleichlautenden Merkmals "der ersten und der zweiten Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) jeweils eine Überwachungs- und Kommunikationseinrichtung (32, 34) zugeordnet ist, die die Funktion der Sende- und Empfangseinrichtung (22, 26) überwacht und im Falle eines Fehlers eine vorbestimmte Aktion einleitet".
5. Die Kammer bestätigt aus den obengenannten Gründen die Befunde der angegriffenen Entscheidung zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit gegenüber E1 und E7 für das Patent in der erteilten Fassung. Sonst wurden die Befunde der Entscheidung nicht in Frage gestellt. Die Beschwerde bleibt somit ohne Erfolg.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.