T 2591/19 29-06-2022
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FLACHBEUTEL FÜR STAUBSAUGER
Branofilter GmbH
Wolf PVG GmbH & Co. KG
Neuheit - abhängig von Auslegung eines Merkmals
Erfinderische Tätigkeit - allgemeines Fachwissen
Bedingt gestellter Hilfsantrag gegenstandslos
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
In dieser hat die Einspruchsabteilung u.a. festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) nicht neu sei, aber der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 neu sei und auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 hat die Kammer vorläufig die Einschätzung der Einspruchsabteilung hinsichtlich mangelnder Neuheit des Hauptantrags geteilt.
III. Am 29. Juni 2022 fand eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerin-Patentinhaberin und der Einsprechenden 2 statt.
Die verfahrensbeteiligte Einsprechende 1 hatte bereits mit Schreiben vom 15. Juni 2022 angekündigt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Gemäß Regel 115(2) EPÜ, Artikel 15(3) VOBK wurde die mündliche Verhandlung ohne sie durchgeführt.
IV. Die Beschwerdeführerin-Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag) und hilfsweise für den Fall, dass dem Hauptantrag aufgrund mangelnder Neuheit gegenüber E17 nicht stattgegeben wird, die eingeschränkte Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 26. November 2019.
Die Beschwerdegegnerinnen-Einsprechende 1 und 2 beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Flachbeutel mit einer Beuteloberseite und einer Beutelunterseite, dessen Beutelwandungen aus einem luftdurchlässigen Filtermaterial gebildet sind und wobei in der Beuteloberseite eine Einlassöffnung für die zu filtrierende Luft eingebracht ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass im Inneren des Flachbeutels zwischen der Beuteloberseite und der Beutelunterseite in ausschließlich einer Zwischenebene mindestens ein Diffusor angeordnet ist, der aus mindestens zwei zueinander angeordneten einzelnen Materialstreifen und/oder aus flächigen Materialgebilden, die länglich geformte Strömungsöffnungen aufweisen, besteht und dass der mindestens eine Diffusor an mindestens einer Seite mit der Beutelwand verbunden ist."
Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthält zur Abgrenzung gegenüber E17, einem Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ, zusätzlich folgenden Disclaimer:
"wobei in dem Innenraum keine Vorrichtung zur Begrenzung des Abstandes zweier beabstandeter Stellen des Filtermaterials vorgesehen ist, die an gegenüberliegenden Seiten mit dem Filtermaterial verbunden ist und kürzer als der Materialabschnitt des Filtermaterials ausgebildet ist, der zwischen den Verbindungsstellen der Vorrichtung an dem Filtermaterial angeordnet ist."
VI. Nachfolgend wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E6: DE 20 2008 003 248 U1
E14: WO 2007/059939 A1
E17: EP 2 198 765 A2.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Wortlaut des Anspruchs 1 könne nur dahingehend verstanden werden, dass im Inneren des Filterbeutels ein oder mehrere Diffusoren ausschließlich in einer einzigen Zwischenebene vorhanden sind.
Der Offenbarung der E6 könne entweder entnommen werden, dass kein Diffusor im engeren Sinn vorhanden ist, lediglich Strömungsabweiser - und verteiler, oder im weiteren Sinn, dass mehrere Diffusoren in Gestalt von jeweils einer Mehrzahl von Materialstreifen in mehreren Zwischenebenen angeordnet sind. Beides sei nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1. Für die Auswahl einer spezifischen Kombination aus Strömungsverteilern, bei nur einer der drei Strömungsverteiler die beanspruchten Merkmale des Diffusors aufweise, die anderen beiden jedoch nicht, gebe es keinen Hinweis und keine Veranlassung für den Fachmann.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin 1 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung der E6, E14 und E17. Zumindest beruhe er ausgehend von E6 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin 2 lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Für die enge Auslegung des Merkmals "ausschließlich" in Anspruch 1 durch die Patentinhaberin gebe es keine eindeutige Grundlage und Stützung in der Beschreibung (abgesehen von dem ebenfalls geänderten, an den Wortlaut des Anspruchs angepassten Absatz [0016]). Anspruch 1 schließe keine weiteren, aus anderen als den beanspruchten Diffusoren gebildete Zwischenebenen aus, ebenso wenig wie weitere nicht beanspruchte Komponenten am und im Flachbeutel.
Unter Berücksichtigung der Definition von "Diffusor" in Absatz [0017] der Patentschrift offenbare E6 in Gestalt des Materialstreifens genau einen solchen Diffusor mit den Merkmalen des Anspruchs 1 in genau einer Zwischenebene. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch den Filterbeutel der E6 neuhheitsschädlich vorweggenommen oder zumindest durch Kombination mit E14 nahegelegt.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das Patent und sein technischer Hintergrund
Das Patent befasst sich mit Flachbeuteln für Staubsauger, die in ihrem Inneren in Zwischenebenen sog. "Diffusoren" aufweisen. Solche Diffusoren bestehen aus Materialstreifen oder Flächengebilden mit Strömungsöffnungen und sollen einströmende Luft verwirbeln, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung des abgeschiedenen Staubs im Filterbeutel zu erreichen und so vorzeitige Verstopfung in einzelnen Bereichen zu verhindern (Absatz [0017] der Patentschrift). Dies verlängert wiederum die Standzeit der Filterbeutel, siehe Absätze [0002], [0013], [0014] der Patentschrift.
Aus dem Stand der Technik sind bereits zahlreiche Filterbeutel mit streifenförmigen, die Luftströmung in ihrem Inneren beeinflussenden Elementen bekannt, die insbesondere in Absatz [0004] und Fig. 3 des Patents gewürdigt werden. Während des Prüfungsverfahrens wurde deshalb der erteilte unabhängige Anspruch 1 darauf beschränkt, dass ausschließlich in einer Zwischenebene mindestens ein Diffusor angeordnet ist.
3. Hauptantrag - Auslegung von Anspruch 1
3.1 Im Gegensatz zu den aus dem Stand der Technik bekannten, strömungsbeeinflussenden Elementen, die u.a. als "Störmungsrichter" oder "Strömungsverteiler" bezeichnet werden, führt das Patent den Begriff des "Diffusors" ein. Dieser hat im Patent offensichtlich nicht seine in der Strömungsmechanik fachübliche Bedeutung und Form einer "umgekehrten" Düse, in der aufgrund der Erweiterung des Strömungsquerschnitts eine Strömung verlangsamt und der Druck erhöht wird. Nach ständiger Rechtssprechung ist in diesem Fall die im Patent selbst gegebene, von der fachüblichen Bedeutung abweichende Definition maßgeblich, siehe RSBK 2019, II.A.6.3.3.
In Absatz [0001] wird dort ein gattungsgemäßer Diffusor durch die strukturellen Merkmale "aus Materialstreifen und/oder Flächengebilden mit länglich geformten Strömungsöffnungen" charakterisiert. Diese strukturelle Definition findet sich auch in Anspruch 1 wieder. In der Patentschrift ist ansonsten keine andere Art oder Form von Diffusoren offenbart.
In Absatz [0017] des Patents sind "die Diffusoren" zusätzlich zu diesen strukturellen Merkmalen über die Funktion "einer Verwirbelung der einströmenden, mit Schmutz- und/oder Staubpartikeln beladenen Luft" definiert. Um dies zu gewährleisten, ist ein Diffusor insbesondere aus einem "biegeschlaffen" Material (Absatz [0019]).
3.2 Der kennzeichnende Teil von Anspruch 1 ist so formuliert, dass er zwei getrennte Merkmalsgruppen enthält (mit Merkmalsbezeichnung nach der Merkmalsanalyse auf Seiten 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung):
- (1.3) dass im Inneren des Flachbeutels zwischen der Beuteloberseite und der Beutelunterseite in ausschließlich einer Zwischenebene mindestens ein Diffusor angeordnet ist, (1.4a) der aus mindestens zwei zueinander angeordneten einzelnen Materialstreifen und/oder (1.4b) aus flächigen Materialgebilden, die länglich geformte Strömungsöffnungen aufweisen, besteht, und
- (1.5) dass der mindestens eine Diffusor an mindestens einer Seite mit der Beutelwand verbunden ist.
Aus der ersten Merkmalsgruppe (1.3, 1.4a, 1.4b) ergibt sich, dass ein oder mehrere aus den beanspruchten Merkmalen bestehende/r Diffusor/en, also allgemein Diffusoren im Sinne des Patents, lediglich in einer Zwischenebene des Filterbeutels vorhanden sind, nicht jedoch in mehreren. Über andere strömungsbeeinflussende Elemente, die nicht gattungsgemäße Diffusoren sind, trifft Anspruch 1 keine Aussage, so dass das Vorhandensein weiterer Zwischenebenen mit anderen solcher Elemente nicht ausgeschlossen ist.
3.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert, das zwischen Subjekt (Diffusor) und diesem beigeordneten Relativsatz (der aus ... besteht) "vorgezogene" Prädikat (angeordnet ist) bewirke eines Zuordnung des Relativsatzes mit den Merkmalen 1.4a und 1.4b zur zweiten Merkmalsgruppe 1.5, die ja wie der Relativsatz ebenfalls spezielle Eigenschaften des Diffusors bezeichne. Demgegenüber sei in der ersten Merkmalsgruppe 1.3 lediglich die Anordnung des Diffusors im Inneren des Beutels definiert, unabhängig von dessen genauer Gestalt. Folglich schließe Anspruch 1 grundsätzlich das Vorhandensein weiterer Zwischenebenen mit Diffusoren aus, gleich welcher Gestalt.
Dem kann die Kammer nicht folgen. Ob vorliegend das Prädikat vor oder hinter dem Relativsatz angeordnet ist, macht semantisch keinen Unterschied. Das Vorziehen des Prädikats vor den Relativsatz erleichtert lediglich das Lesen. Genauso würde eine Platzierung des Prädikats des Relativsatzes (besteht) vor der "und/oder aus"-Alternative ein flüssigeres Lesen erlauben, ohne den Sinngehalt des Relativsatzes in irgendeiner Weise zu beeinflussen.
Auch sind der Relativsatz mit den Merkmalen 1.4a und 1.4b und die zweite Merkmalsgruppe 1.5 nicht insofern gleichzusetzen, als dass sie gleichzusetzende Eigenschaften des Diffusors beinhalteten. Im Relativsatz ist der patentgemäße Diffusor abschließend über seine Bestandteile definiert, d.h. er weist keine weiteren auf. In der zweiten Merkmalsgruppe ist ein Mindestkriterium seiner Befestigung festgelegt, ohne weitere Kriterien auszuschließen, z.B. Befestigung auch an der jeweils gegenüberliegenden Seite, wie in allen Ausführungsbeispielen.
3.4 Da Anspruch 1 also klar einen unmittelbaren Bezug zwischen dem Merkmal "ausschließlich in einer Zwischenebene" und den Merkmalen beinhaltet, die den Diffusor im Sinne des Patents definieren, ist hier kein weiterer Raum für einen Rückgriff auf die Beschreibung, um zu einer engeren Auslegung zu gelangen, die auch andere, nicht im Patent offenbarte "Diffusoren" bzw. strömungsbeeinflussende Elemente in anderen Zwischenebenen ausschließt, siehe RSBK 2019, II.A.6.3.1.
3.5 Zudem unterstützt auch die Beschreibung keinesfalls eindeutig ein eingeschränktes Verständnis dieses Merkmals.
Zwar wird für mehrere Beispiele aus dem Stand der Technik in den Absätzen [0004], [0011] erwähnt, dass diese zwei oder mehr Zwischenebenen mit Strömungsverteilern bzw. -richtern aufweisen. Inwiefern diese den beanspruchten Diffusoren entsprechen sollten, und die Mehrzahl der Zwischenebenen ein wesentliches Unterscheidungskriterium wäre, wird jedoch nicht thematisiert.
Im Gegenteil deutet die Absatz [0001] der Patentschrift beibehaltene Formulierung des ursprünglichen Anspruchs 1 "mindestens einen eine Zwischenebene bildenden Diffusor" darauf hin, dass jeder Diffusor eine Zwischenebene bildet, also z.B. im Falle von zwei Diffusoren dann zwei Zwischenebenen vorhanden sind. Auch scheint entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin der Schwerpunkt der Offenbarung nicht auf dem Vorhandensein einer einzigen Zwischenebene mit Diffusoren oder anderen strömungsbeeinflussenden Elementen zu liegen, sondern auf den in den Absätzen [0019] - [0040] und den Fig. 4 - 21 dargestellten zahlreichen Gestaltungsvarianten des gattungsgemäßen Diffusors, mit denen die beabsichtigte technische Wirkung der Verwirbelung erzielt und somit die Aufgabe gelöst werden kann.
4. Hauptantrag - Neuheit
4.1 Unstreitig offenbart E6 einen Flachbeutel 1 mit oberen und unteren Beutelwänden 2, 3 aus luftdurchlässigem Vliesstoffmaterial und einer Einlassöffnung 5 in der Beuteloberseite, siehe Absätze [0041], [0046], Fig. 1.
Im Inneren des Flachbeutels bilden drei flächige, die einströmende Luft beeinflussende Elemente 7, 8 und 9 jeweils eine, also insgesamt drei Zwischenebenen und sind jeweils an mindestens zwei gegenüberliegenden Seiten mit der Beutelwand verbunden. Entscheidend ist die Frage, ob lediglich eines dieser Elemente, die in E6 (von oben nach unten im gezeigten Filterbeutel) als "Ablenkstreifen", "Materialstreifen" und "Materialstück" bezeichnet werden, eindeutig als Diffusor im Sinne des Patents ausgebildet ist.
4.2 Nach der funktionalen Definition aus Absatz [0017] des Patents ist der Ablenkstreifen 7 der E6 kein Diffusor, sondern eher ein "Strömungsverteiler" (siehe Absatz [0004] des Patents, in dem E6 gewürdigt wird). Der Ablenkstreifen soll den eintretenden Luftstrom nicht verwirbeln, sondern ablenken, so dass er nicht direkt auf den darunter liegenden Materialstreifen 9 trifft, Spalte 2, Zeilen 1-3. Insbesondere ist er zum Aufteilen des Luftstroms in wenigstens zwei Teilströme ausgebildet, indem er die Strömungsrichtung des einströmenden Luftstroms ändert, Absätze [0008] - [0010], [0057].
4.3 Das Materialstück 8 erfüllt eine ähnliche Aufgabe der Strömungslenkung, indem es die vom Ablenkstreifen 7 abgelenkten Teilströme in Fig. 1 "von unten", d.h. an der der Einlassöffnung 5 abgewandten Seite des Materialstreifens 9 in Richtung des Materialstreifens 9 lenkt, Spalte 2, Zeilen 4-11. Zu diesem Zweck kann es eine geringere Luftdurchlässigkeit als die Beutelwand und/oder der Materialstreifen 9 haben und auch innen oder außen fest mit der Beutelwand verbunden sein, z.B. durch thermisches Kalendrieren der Beutelwand, Absätze [0016]-[0019], [0034]. Es kann aber auch gefaltet, plissiert oder aus Karton sein, Absatz [0051]. Da das Materialstück 8 also vorrangig ausgebildet ist, um Luftströme gezielt unter den Materialstreifen zu führen, nicht um sie zu verwirbeln (siehe auch Absatz [0074], Fig. 4), ist es ebenfalls kein Diffusor im engeren Sinn des Patents.
4.4 Durch den vom Materialstück 8 geleiteten Luftstrom wird der Materialstreifen 9 angehoben und von der unteren Beutelwand 3 beabstandet. Sodann bewegt er sich besonders gut im Luftstrom, wodurch der eingesaugte Staub gleichmäßig im Beutelinneren verteilt wird, Spalte 2, Zeilen 11-16, Absatz [0058]. Da sich der offensichtlich biegeschlaffe Materialstreifen 9 nur im Betrieb des Staubsaugers abhebt und sich im Luftstrom bewegt, wenn also staubbeladene Luft über die Einlassöffnung 5 in den Flachbeutel 1 eintritt, geht die Kammer anders als die Beschwerdeführerin davon aus, dass der Materialstreifen nicht nur eingesaugten Staub, sondern auch den diesen enthaltende, einströmende Luft durch seine Bewegung verwirbelt. Im übrigen macht auch Absatz [0017] der Patentschrift keinen Unterschied zwischen Staub- und Schmutzpartikeln und der einströmenden Luft, die mit ihnen beladen ist.
Somit erfüllt der Materialstreifen 9 als einziges strömungsbeeinflussendes Element der E6 die Funktion eines die einströmende Luft verwirbelnden Diffusors.
In der Ausführungsform der Fig. 3 ist der Materialstreifen 9 an beiden Seiten mit der Beutelwand 3 verbunden und besteht aus vier einzelnen Teilstreifen 11, Absatz [0065]. Er weist also auch sämtliche strukturelle Merkmale des beanspruchten Diffusors auf.
4.5 Da bei Zugrundelegung der in Absatz [0017] angegebenen strukturellen und funktionalen Definition des Begriffs "Diffusor" ein Flachbeutel mit sämtlichen Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 somit aus E6 bekannt ist, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu im Sinne des Artikels 54(1), (2) EPÜ.
5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
5.1 Betrachtet man ein strömungsbeeinflussendes Element bereits dann als "Diffusor" im Sinne des Patents, wenn es die strukturellen Merkmale 1.4a und 1.4b des Anspruchs 1 aufweist, gibt es Ausführungsformen der E6, die einen, zwei oder drei solcher Diffusoren aufweisen.
5.2 Es scheint der Kammer zielführend, von dem in Absatz [0067] offenbarten Beispiel als nächstem Stand der Technik auszugehen, bei dem lediglich eines der beiden Elemente Materialstreifen 9 und Materialstück 8 als Diffusor ausgebildet ist, nämlich mit Streifen oder Schlitzen über die gesamte Länge, das andere jedoch nicht. Letzteres besteht nur aus einem einzigen flächigen Materialgebilde mit länglichen Strömungsöffnungen in Form von kürzeren Schlitzen oder mit gar keinen Strömungsöffnungen, nicht wie wahlweise beansprucht aus (mehreren) flächigen Materialgebilden.
5.3 Ausweislich Absatz [0062] kann das dritte Element, der Ablenkstreifen 7, "grundsätzlich ein durchgehender Streifen sein", also kein Diffusor. Alternativ kann er aus mehreren Teilstreifen zusammengesetzt sein, also einen Diffusor bilden, oder auch nur kürzere Schlitze aufweisen (kein Diffusor).
Die Auswahl und genaue Gestaltung des Ablenkstreifens 7 fällt nach Ansicht der Kammer in den Rahmen fachüblicher Auslegung und Anpassung. Sie kann z.B. mit der Auswahl eines bestimmten Materials für den Ablenkstreifen zusammenhängen. Wie in den Absätzen [0032], [0049] ausgeführt, kann der Ablenkstreifen aus luftdurchlässigem oder luftundurchlässigem Material bestehen. Bei luftdurchlässigem Material kann ggf. auf Schlitze verzichtet werden, wohingegen Luftundurchlässigkeit sich durch Strömungsöffnungen wieder kompensieren ließe. Als weiteres Auslegungskriterium nennt Absatz [0063] die jeweils zu erreichende Ausprägung der zwei erzeugten Teilströme. Ferner kann der Druck der einströmenden Luft geräteabhängig Unterschiede aufweisen. Dem könnte bei verschiedenen Filterbeutel-Modellen mit verschieden großen bzw. gar keinen Strömungsöffnungen im Ablenkstreifen Rechnung getragen werden.
5.4 Aus diesen verschiedenen Ausführungsformen die Varianten des Ablenkstreifens 7 ohne oder nur mit kurzen Schlitzen auszuwählen, so dass er kein Diffusor nach den Merkmalen 1.4a und 1.4b ist, stellt normales fachmännisches Handeln dar und führt unmittelbar zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1. Daher beruht dieser ausgehend vom Flachbeutel der E6 nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
5.5 Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass der in Fig. 3 gezeigte Materialstreifen 9 gar nicht notwendigerweise zum Ausführungsbeispiel der Fig. 1 gehören müsse.
Die Kammer geht zwar davon aus, dass im Verständnis des Fachmanns sowohl Fig. 2 als auch Fig. 3 eine bestimmte Ausführungsform des ersten 2 und des zweiten Wandstücks 3 des Beutels 1 nach Fig. 1 zeigen, siehe Absätze [0037] - [0039]. Darauf deutet auch Absatz [0064] hin, in dem ausdrücklich ein Bezug zwischen den Fig. 1, 2 und 3 hergestellt wird. Ob dem so ist, spielt aber für die oben dargelegte Argumentation keine Rolle.
5.6 Ferner errechnet die Beschwerdeführerin 27 in E6 offenbarte Kombinationen von Ablenkstreifen, Materialstreifen und Materialstück in unterschiedlicher Gestaltung. Eine bestimmte Auswahl aus diesen 27 zu treffen, die unter den Anspruch 1 fiele, sei nur in rückschauender Betrachtung naheliegend.
Zunächst erscheint es der Kammer durchaus legitim, statt von einer allgemeinen Offenbarung in E6 von einem bestimmten Ausführungsbeispiel auszugehen, das aufgrund der Anzahl der bereits mit Anspruch 1 übereinstimmenden Merkmale einen erfolgversprechenden Ausgangspunkt für den Erhalt des Anspruchsgegenstands bildet, siehe RSBK 2019, Einführung von I.D.3.1 und I.D.3.2. Das hat sie oben unter Punkt 5.2 getan.
Nähme man trotzdem theoretisch 3 Möglichkeiten für den Ablenkstreifen (siehe oben, Absätze [0062], [0063]) und 6 für Materialstreifen und Materialstück an (beide gleich lange oder kurze Schlitze, einer durchgehende Schlitze, der andere keine oder kurze Schlitze, Absätze [0065], [0067]), käme man auf 18 Kombinationen, von denen 8 (2 der 3 zusammen mit 4 der 6 Möglichkeiten) unter Anspruch 1 fielen. Wie oben in Punkt 4 erläutert, sind in der E6 nicht nur Kriterien für die Gestaltung des Ablenkstreifens genannt, sondern auch für die des Materialstreifens und des Materialstücks, insbesondere hinsichtlich der von diesen zu erfüllenden Funktion. Berücksichtigt der Fachmann diese für die Zusammenstellung eines bestimmten Filterbeutels im Rahmen der Offenbarung der E6, erhält er je nach den im Einzelfall zu erfüllenden Anforderungen in naheliegender Weise eine oder mehrere dieser möglichen Kombinationen.
5.7 Deshalb beruht auch ausgehend von der Gesamtoffenbarung der E6 mit allen theoretisch möglichen Ausführungsbeispielen die Auswahl eines von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag umfassten Beispiels keine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
6. Hilfsantrag 1
Der Vollständigkeit halber merkt die Kammer an, dass Hilfsantrag 1 nur unter der Bedingung zum Tragen käme, dass mangelnde Neuheit des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung der E17 festgestellt würde.
Da dies nicht erfolgt ist, ist Hilfsantrag 1 gegenstandslos. Die Beschwerdeführerin hat dies in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten. Eine auf den Disclaimer gestützte Abgrenzung gegenüber E6 wäre in der Tat nicht zulässig.
7. Ergebnis
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 genügt nicht den Erfordernissen des EPÜ, insbesondere nicht dem der Neuheit bzw. erfinderischen Tätigkeit, Artikel 100a) EPÜ. Somit bleibt die Beschwerde der Patentinhaberin, die gegen die auf diesem Einspruchsgrund beruhende Entscheidung der Einspruchsabteilung auf eingeschränkte Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des Hilfsantrags 2 gerichtet ist, in der Sache erfolglos.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.