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T 0055/20 (Spreitnetz/Roche) 20-09-2021
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ANALYTISCHES TESTELEMENT UND VERFAHREN ZU DESSEN HERSTELLUNG
F. Hoffmann-La Roche AG
Roche Diabetes Care GmbH
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin (Beschwerdeführerin) betrifft die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung EP 09 797 481.0 durch die Prüfungsabteilung wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit.
II. Zusammen mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen Haupt- und einen Hilfsantrag 1 ein.
III. In der Mitteilung der Kammer vom 27. Juli 2021 wurde der Beschwerdeführerin die vorläufige Meinung der Kammer mitgeteilt, dass u.a. keinem der vorliegenden Anträge eine erfinderische Tätigkeit zugrunde liege.
IV. Die Beschwerdeführerin nahm zur vorläufigen Meinung der Kammer nicht Stellung. Jedoch nahm sie mit dem Schreiben vom 3. September 2021 den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
V. Die Entscheidung kann daher schriftlich ergehen.
VI. Folgende im Prüfungsverfahren zitierte Dokumente sind hier von Relevanz:
D4|EP 0 821 233 A2 |
D6|WO 2004/067444 A1|
D7|GB 2 065 302 A |
VII. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 7 des Hauptantrags lauten wie folgt:
"1. Analytisches Testelement mit einer als chemische Nachweisschicht (14) ausgebildeten Oberfläche und einem darauf angeordneten Spreitnetz (16), welches eine Applikationsstelle für eine Flüssigprobe und eine Filamentstruktur zum flächigen Verteilen der Flüssigprobe auf der Nachweisschicht (14) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Filamentstruktur des Spreitnetzes (16) aus metallischen Filamenten (18) und/oder mit einer metallischen Beschichtung versehenen Kunststofffilamenten besteht, dass das Spreitnetz (16) zumindest an seiner der Nachweisschicht (14) zugewandten Oberfläche eine oxidierte metallische Schicht (20) aufweist, und dass das Spreitnetz eine mit mindestens einem zusätzlichen Hydrophilierungsmittel nachbehandelte Metalloxid-Oberfläche aufweist."
"7. Verfahren zur Herstellung eines Testelements nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die metallische Schicht mittels eines sauerstoffhaltigen oder schwefelhaltigen Oxidationsmittels oxidiert wird, und dass das Spreitnetz (16) mit mindestens einem zusätzlichen Hydrophilierungsmittel nachbehandelt wird."
Die Ansprüche 2-6 beziehen sich auf besondere Ausführungsarten der Vorrichtung und die Ansprüche 7-13 beziehen sich auf besondere Ausführungsarten des Verfahrens.
VIII. Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthält am Ende das zusätzliche Merkmal "und dass das Spreitnetz mittels eines Klebers fixiert ist.". Anspruch 7 des Hilfsantrags 1 enthält am Ende das analoge Merkmal.
IX. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Die Wirkung der Kombination einer Metalloxid- mit einer Sekundärbeschichtung sei eine weitere hydrophile Modifizierung des Spreitnetzes die ermögliche, dass Hydrophilierungsmittel genutzt werden können, die bisher für herkömmliche Spreitnetze nicht verwendet werden konnten bzw. unerwünschte Effekte bewirkten.
Das objektive Problem ginge daher über das Bereitstellen einer Alternative hinaus.
Im zitierten Stand der Technik fehle jeder Hinweis, der die Fachperson auf die Erfindung führen würde.
X. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Hauptantrags oder des Hilfsantrags 1, beide eingereicht mit der Beschwerdebegründung, zu erteilen.
1. Hauptantrag, Artikel 56 EPÜ
1.1 Die Patentanmeldung betrifft ein analytisches Testelement mit einer chemischen Nachweisschicht und einem Spreitnetz zum Verteilen einer Flüssigprobe, welche auf eine Applikationsstelle aufgebracht wurde, auf der Nachweisschicht.
1.2 Das Dokument D4 wird als nächstliegender Stand der Technik angesehen, denn es offenbart ein Testelement mit einer chemischen Nachweisschicht und einem darauf angeordneten hydrophilen Netzwerk zum Verteilen einer in einer Applikationsstelle eingebrachten Flüssigkeitsprobe auf der chemischen Nachweisschicht (siehe D4, Anspruch 1).
1.3 Die Beschwerdeführerin gibt an, dass sich die Aufgabe als die Optimierung der Hydrophilie der Filamentstruktur darstelle, um ein erweitertes Spektrum von Hydrophilierungsmitteln einsetzen zu können.
1.4 Diese Aufgabe soll durch den kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 gelöst werden.
1.5 Aus folgenden Gründen ist es nicht glaubhaft, dass diese Aufgabe über den gesamten Bereich gelöst wird:
Die Beschreibung der vorliegenden Patentanmeldung offenbart, dass bisher bestimmte Gruppen von Hydrophilierungsmitteln nicht eingesetzt worden seien, um ein hydrophobes Spreitnetz, z.B. aus Kunststoff, zu hydrophilieren, weil sie aus einer wässrigen Lösung aufgetragen werden müssten, welche jedoch nicht in der Lage sei, eine hydrophobe Oberfläche zu benetzen. Die hydrophile Metalloxidoberfläche schaffe hier Abhilfe, da sie ohne weiteres durch eine wässrige Lösung benetzt werden könne (Beschreibung, Seite 12, Zeilen 15-32 und Seite 13, Zeilen 20-24).
Auch nichtionische, flüssige Tenside wie das Polysorbat 20, könnten ohne das Auftreten von unerwünschten Effekten wie Kriechen oder die Bildung von Häufungs- und Verarmungszonen, erfolgreich auf der oxidierten Metallschicht aufgetragen werden (Beschreibung, Seite 11, Zeilen 5-23).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist jedoch nicht auf diese Gruppen von Hydrophilierungsmitteln beschränkt, sondern umfasst alle Arten von Hydrophilierungsmitteln, auch jene, die ohnehin keine Probleme der geschilderten Art bereiten.
Darüber hinaus sind Metalle in der Regel hydrophil. Auch die in Dokument D7 auf der Seite 3 (Zeilen 10 bis 17) beschriebenen Spreitschichtgewebe aus Kunststoffen, welchen Titanoxid- oder Bariumsulfatpartikel zugesetzt wurden, sind hydrophil. Damit stellt sich das geschilderte Problem auch für gewisse Kunststoffe nicht.
Die Merkmale des kennzeichnenden Teils lösen somit nicht die durch die Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe. Diese muss daher weniger ambitioniert formuliert werden, nämlich dem Bereitstellen einer Alternative.
1.6 Die Lösung ist aus folgenden Gründen naheliegend:
Das Dokument D6 offenbart auf Seite 16, letzter Absatz, eine Deckschicht, die einer Flüssigkeit zahlreiche nichtionische hydrophile Gruppen zuwendet, auf eine Metalloxidschicht aufzubringen. In den Beispielen auf der Seite 32 wird dafür ein wässriges, nichtionisches Tensid auf die Metalloxidoberfläche (Indium-Zink-Oxid bzw. Siliziumoxid) adsorbiert.
Der Zweck dieser Beschichtung ist, bei ausreichender Hydrophilie, das Fouling der Mikrokanäle von mikrofluidischen Diagnosegeräten zu reduzieren (Seite 1, Zeile 25; Seite 11, Zeilen 15 und 16). Fouling im Sinne der D6 umfasst das unspezifische Adsorbieren bzw. Denaturieren von Reaktanten (Seite 3, Zeilen 4-6).
Das ungewollte Adsorbieren von Reaktanten an nicht dafür vorgesehenen Oberflächen ist gerade bei den in der D4 betrachteten sehr kleinen Probenvolumina von 3 µL (Seite 2, Zeile 40), ein von der Fachperson beachtetes Problem.
1.7 Deshalb würde die Fachperson ohne erfinderische Tätigkeit das Spreitnetz der D4 mit einer Beschichtung gemäß der D6 versehen, um bei einer ausreichend hydrophilen Oberfläche das Fouling zu reduzieren. Somit würde sie ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
1.8 Die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ sind somit nicht erfüllt.
2. Hilfsantrag
Wie bereits in der angefochtenen Entscheidung dargelegt wird (Gründe 3), ist in der D4 das Spreitnetz mit einem Kleber fixiert (Seite 8, Zeilen 23-27).
Daher gelten die Gründe die der Patentierbarkeit des Hauptantrags entgegen stehen, unverändert für den Hilfsantrag.
3. Regel 103 EPÜ
Der Antrag auf mündliche Verhandlung wurde innerhalb eines Monats ab Zustellung der von der Beschwerdekammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erlassenen Mitteilung zurückgenommen und keine mündliche Verhandlung fand statt. Somit sind die Bedingungen gemäß Regel 103(4)c) EPÜ für eine 25% Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfüllt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. 25% der Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.