D 0007/82 (Prüfungs- u. Entscheidungsbefugnis -Disziplinarkammer) 15-12-1982
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1. In Prüfungsangelegenheiten besteht die Befugnis der Disziplinarkammer gemäß Artikel 23(1) VEP darin, zu prüfen, ob die Vorschriften der VEP mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem EPÜ, in Übereinstimmung stehen, und ob die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung solchen Rechts oder der in der VEP gegebenen Vorschriften beruht.
Folglich ist für die Durchführung der Prüfung die Prüfungskommission und in keinem Fall die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten an ihrer Stelle zuständig.
2. Da die Prüfungskommission sich in jedem Ausschuß aus mehreren Prüfern zusammensetzt, wird die Note für jede Prüfungsarbeit von dem Ausschuß in seiner Gesamtheit vergeben.
Daraus ergibt sich, daß weder die Methode der arithmetischen Mittelwertbildung noch die sogenannte Methode der Notenabgleichung für die Ausschüsse zwingend geboten ist.
3. Die Befassung der Großen Beschwerdekammer durch die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ist ausgeschlossen.
Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis der Diziplinarkammer
Benotung durch die Prüfungsausschüsse, nicht durch einzelne Prüfer
Unzuständigkeit der Großen Beschwerdekammer
I. ...
II. Außerdem wurde die Prüfungskommission durch die Kammer aufgefordert zu überlegen., erstens, ..., und zweitens, wie im Fall verschiedener Resultate für die einzelnen Arbeiten das Gesamtprädikat vergeben werden soll.
III. ... Außerdem beantwortete die Prüfungskommission die zwei Anregungen der Beschwerdekammer wie folgt:
a) ...
b) Im Fall verschiedener Resultate für die einzelnen Arbeiten könne ein Bewerber, der in einer Arbeit die den Ausschluß bedingende Note 7 (Ungenügend) erzielt hat, die Prüfung "in aller Regel" nicht bestehen. Dieser Grundsatz sei in den "Anweisungen an die Prüfungsausschüsse für die Bewertung der Arbeiten" ausgedrückt, und die Kommission sehe keinen Grund, im vorliegenden Fall davon abzuweichen.
IV. ...
V. Aus der Mehrzahl der Anträge ... ergeben sich folgende ... Beanstandungen:
a) ...
b) Außerdem beanstandet er die Benotung der Arbeit A und D wie folgt:
Prüfungsarbeit A: ...
Prüfungsarbeit D: Die hier durch den Prüfungsausschuß III angewandte Bewertungsskala sei - im Gegensatz zu der von den anderen Ausschüssen auf gestellten Skala "unlinear", d.h. in ungleiche Stufen eingeteilt, - also an sich keine Skala. So habe ein Bewerber, der zwischen 40 und 49% der Punkte für eine Arbeit erreichte, von den Ausschüssen I und II die Note 5 (leicht mangelhaft), von dem Ausschuß III aber nur die Note 7 (Ungenügend) erhalten.
c) Darüber hinaus rügt der Beschwerdeführer, daß seine Prüfungsarbeit D "ganz offensichtlich" von zwei englischsprachigen Prüfern beurteilt worden sei. Da in der Beurteilung 10 Punkte für die intellektuelle Darstellung und den Stil zu vergeben seien, sei die gesamte Benotung daher noch fragwürdiger. Es scheine ihm durchaus anzweifelbar, "ob ein nicht deutschsprachiger Prüfer in der Lage ist, den Stil von fremdsprachigen Ausführungen zu beurteilen".
d) Endlich, was die Prüfungsarbeit D betrifft, sei das den Ausschluß bedingende Merkmal der Note "Ungenügend" willkürlich und unberechtigt, um so mehr, als der Vorsitzende der Prüfungskommission selbst anerkenne, daß dieser Grundsatz nur "in aller Regel" anwendbar ist, was einen gewissen Bewertungsspielraum für die Kommission zu ermöglichen scheine.
1. ...
2. ...
3. Bei der Prüfungsarbeit D beanstandet der Beschwerdeführer, daß die angewandte Bewertungsskala nicht linear, also an sich keine Skala sei und zudem im Gegensatz zu dem von den anderen Prüfungsausschüssen angewandten System stehe.
Das Wort Skala, das aus dem Italienischen kommt, wo es den Sinn von Treppe oder Leiter hat, ist hier jedoch im Sinne von "Tabelle" zu verstehen. Das heißt, der Prüfer muß auf jeden Bewerber eine bestimmte Zahl von Punkten vergeben, die wiederum einer bestimmten Leistung entspricht; dies soll die Gleichbehandlung der einzelnen Prüfungsteilnehmer gewährleisten. Das Wort Skala bedeutet nicht unbedingt eine arithmetische oder geometrische Progression, und vom sprachlichen Standpunkt aus ist es durchaus richtig, bei einer Tabelle oder Skala von progressiv oder degressiv zu sprechen.
Von der Sache her gesehen und in Anbetracht des oben erwähnten Grundsatzes der Ermessensfreiheit der Prüfungskommission, die natürlich nicht gegen die geltenden Bestimmungen verstoßen darf, stellt die bloße Tatsache, daß die Prüfungskommission eine nicht lineare Tabelle angewandt hat, weder einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber noch gegen irgendeinen anderen Grundsatz dar, für dessen Wahrung die Kammer zu sorgen hat.
4. Obwohl der Beschwerdeführer in seinen letzten Anträgen nicht mehr wie früher ausdrücklich verlangt. daß die Prüfungsarbeit D von "unabhängigen" Prüfern deutscher Muttersprache erneut bewertet wird, muß die Beschwerde dennoch geprüft werden, da der Antrag auf erneute "unabhängige" Bewertung der betreffenden Arbeiten aufrechterhalten wird.
Es ist hierzu zu bemerken, daß ein Prüfer mit z. B. englischer Muttersprache sehr wohl in der Lage sein kann, den Aufbau, die Klarheit und die grammatikalische Richtigkeit eines in deutscher Sprache abgefaßten Textes zu beurteilen, und nichts läßt darauf schließen, daß dies hier nicht der Fall gewesen ist. Man könnte hinzufügen, daß ein Bewerber, der sich bemüht, klar und ohne überflüssige stilistische Kompliziertheit zu schreiben, durchaus auch von einem ausländischen Leser verstanden und auch beurteilt werden kann.
Vor allem darf der Bewerber einen Prüfer nicht wegen seiner Nationalität, die meistens auch eine bestimmte Muttersprache bedingt, ablehnen. Dieser Grundsatz läßt sich aus Artikel 24(3) EPÜ über die Ablehnung von Mitgliedern der Beschwerdekammern analog ableiten.
5. Das Verfahren, wonach bestimmte Noten den Ausschluß bedingen, ist an sich keine Seltenheit und stellt auch keinen Verstoß gegen das Prinzip der Gleichheit der Bewerber dar, nur weil einige Bewerber aufgrund einer schwachen Note in einer bestimmten Prüfungsarbeit ausscheiden. während andere, die in einer anderen Prüfungsarbeit dieselbe Note erhalten, die Prüfung bestehen.
Im vorliegenden Fall hat die Prüfungskommission zu Recht den Grundsatz vertreten, daß ein Bewerber, der in der Prüfungsarbeit D, mit der die Rechtskenntnisse festgestellt werden sollten, nur die Note "Ungenügend" erhalten hat, nicht als Vertreter zugelassen werden kann, auch wenn seine Leistungen in den anderen Fächern gut waren.
Bedauerlicherweise lautet die Nummer VII der Anweisungen für die Prüfungsausschüsse, in der dieser Grundsatz festgeschrieben ist, wie folgt: "Die Note 7 bedeutet, daß der Bewerber nach Auffassung des Prüfers die Prüfung keinesfalls bestehen sollte"; dies scheint die Möglichkeit von Ausnahmen zuzulassen, was auch der Vorsitzende der Prüfungskommission am 30. März 1982 mit folgenden Worten eingeräumt hat: "Insbesondere hält (die Kommission) daran fest, daß ein Bewerber, der in einer Arbeit die Note 7 erhalten hat, die Prüfung in aller Regel nicht bestanden hat"; die englische und vor allem die französische Fassung dürften eine solche Auslegung kaum zulassen.
"A mark 7 is an indication that the examiner considers that the candidate should not pass in any circumstances." "La note 7 signifie que les examinateurs estiment que le candidat ne doit en aucun cas être reçu."
Andererseits wäre es wünschenswert gewesen, die Bewerber vor der Prüfung davon in Kenntnis zu setzen, daß bei der betreffenden Prüfungsarbeit die Note "Ungenügend" das Nichtbestehen der Prüfung zur Folge hat. Diese Mängel lassen jedoch die Gültigkeit der Prüfung unberührt und führen auch nicht dazu, daß die Sache zur erneuten Beurteilung an die Prüfungskommission zurückverwiesen werden muß.
6. ...
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Der Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer wird abgelehnt.
2. Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungskommission für die europäische Eignungsprüfung des EPA vom 30. März 1982 wird zurückgewiesen.