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T 1143/02 29-09-2004
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Beschußfester Helm
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat am 20. November 2002 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 17. September 2002 den Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 9. Januar 2003 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Der Einspruch war auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 (a) EPÜ gestützt worden.
III. Folgende Druckschriften haben während des Beschwerdeverfahrens eine Rolle gespielt:
D1: AT-B-380 569
D2: US-A-2 802 212
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) lautet wie folgt:
"1. Beschußfester Helm bestehend aus einer schußfesten Kalotte (1) und einer Innenausstattung (13), die an der Kalotte (1) mit einer Schrauben-Hülsen-Verbindung (3, 8) befestigt ist, die durch eine Öffnung (4) der Kalotte (1) ragt und an der Außenseite der Kalotte (1) mit einem zum Verdrehen mittels eines Werkzeugs ausgebildeten flachen, runden Kopf (2) anliegt, dadurch gekennzeichnet, daß der Kopf (2) mit dem zugehörigen Teil (3) der Schrauben- Hülsen-Verbindung (3, 8) massiv mit ebener Oberfläche aus einem hochfesten Material besteht und mit parallelen, einander gegenüberliegenden geraden Kanten (7) als Schlüsselflächen versehen ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:
"1. Beschussfester Helm bestehend aus einer schussfesten Kalotte (1) und einer Innenausstattung (13), die an der Kalotte (1) mit einer Schrauben-Hülsen-Verbindung (3, 8) befestigt ist, die durch eine Öffnung (4) der Kalotte (1) ragt und an der Außenseite der Kalotte (1) mit einem zum Verdrehen mittels eines Werkzeugs ausgebildeten flachen, kugelförmig konvex gewölbten, runden Kopf (2) mit einer kreisförmigen Außenkante (6) anliegt, dadurch gekennzeichnet, dass der Kopf (2) mit dem zugehörigen Teil (3) der Schrauben-Hülsen-Verbindung (3, 8) massiv mit ebener Oberfläche aus einem hochfesten Material besteht und dass die kreisförmige Außenkante (6) mit zwei parallelen, einander gegenüberliegenden geraden Kanten (7) als Schlüsselflächen ausgebildet ist."
V. Am 29. September 2004 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
VI. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, daß die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabenstellung vom Kunden käme, der in seinen Versuchsstellen Beschußproben mit solchen Helmen durchgeführt habe und die Ergebnisse an den Lieferanten übermittelt habe, um die von Kunden entdeckte Schwachstelle zu beseitigen. Die zu lösende Aufgabe sei daher die durch die Schrauben-Hülsen- Verbindung bestehende Schwachstelle zu beseitigen. Es sei für einen Fachmann keine überraschende Erkenntnis, daß ein Querschlitz in einer Schraube eine Schwachstelle für eine Schraubenverbindung darstelle. Es gehöre auch zum Fachwissen, diese Schwachstelle durch Weglassen des störenden Querschlitzes zu beheben. Dies bedinge aber, Schlüsselflächen am Außenrand der Schraube vorzusehen. Es sei auch selbstverständlich, daß der Schraubenkopf nicht störend hervorstehen dürfe und daß bei Aufrechterhaltung des notwendigen Kraftvektors in Folge der dadurch bedingten Querschnittsverringerung Material zur Verwendung käme, dessen Festigkeit diese Verringerung wieder ausgleiche. Des Weiteren seien Vorbilder für solche Schrauben bereits aus der Norm und der D2 bekannt. Deshalb beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen und folgendes vorgebracht:
Ausgangspunkt sei der Stand der Technik gemäß der D1. Es sei jedoch nicht naheliegend und es fehle auch eine schlüssige Darlegung warum ein Fachmann eine Veranlassung gehabt haben sollte, die in der D1 vorhandene Schraube durch eine Schraube mit elliptischem Rundkopf zu ersetzen. Für ein solches Vorgehen gebe es auch in der Norm keine Hinweise und es sei auch nicht zu erkennen, zu welchem weiterführenden Ergebnis eine derartige Kombination der D1 mit einer aus einer Norm bekannten Schraube führen würde. Des Weiteren würde ein Fachmann die gattungsfremde D2 nicht in Betracht ziehen. Schließlich mangele es im Stand der Technik bereits an der Erkenntnis, daß die Schrauben-Hülsen-Verbindung gegenüber der Kalotte eine Schwachstelle für die Beschußfestigkeit bilden könnte. Da diese Erkenntnis in der Fachwelt nicht vorhanden war, hatte ein Fachmann am Prioritätstag auch keine Veranlassung, die aus der D1 bekannte Schrauben-Hülsen-Verbindung zu ändern.
Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des mit Schreiben vom 10. August 2004 eingereichten Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag aufrechtzuerhalten.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit - Hauptantrag:
Die Kammer hält die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 für gegeben. Die Neuheit ist im Beschwerdeverfahren auch nicht bestritten worden.
3. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag:
3.1. Die D1 wird im Einverständnis mit den Parteien als nächstkommender Stand der Technik angesehen. Die D1 offenbart die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1.
3.2. Der beschußfeste Helm gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von dem, der aus der D1 bekannt ist, dadurch, daß:
der Kopf mit dem zugehörigen Teil der Schrauben-Hülsen- Verbindung massiv mit ebener Oberfläche aus einem hochfesten Material besteht und mit parallelen, einander gegenüberliegenden geraden Kanten als Schlüsselflächen versehen ist.
3.3. Hiervon ausgehend ist die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe, wie in der Streitpatentschrift in Spalte 1, Zeilen 42 bis 45 angegeben, darin zu sehen, die Beschußfestigkeit eines gattungsgemäßen Helmes zu verbessern.
3.4. Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, daß die zu lösende Aufgabe darin lag, die Beschußfestigkeit der Schrauben-Hülsen-Verbindung eines bekannten Helmes zu verbessern.
3.5. Dem kann die Kammer nicht folgen, weil eine derartige Aufgabestellung voraussetzt, daß die Schrauben-Hülsen- Verbindung gegenüber der Kalotte eine Schwachstelle für die Beschußfestigkeit bildet. Daß diese Erkenntnis vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents vorlag, konnte aber von der Beschwerdeführerin nicht überzeugend dargelegt werden. Die Formulierung der technischen Aufgabe muß jedoch so vorgenommen werden, daß sie keine Lösungsansätze enthält (T 229/85; ABl. 1987, 237; Abschnitt 5). Eine solche Erkenntnis war jedoch vor dem Prioritätstag nicht bekannt, und ist deshalb als Lösungsansatz zu betrachten.
3.6. Die Beschwerdeführerin hat auch dazu vorgebracht, daß, nachdem es im Fachgebiet der beschußfesten Helme üblich geworden war, Stahlkalotten durch Kunststoffkalotten zu ersetzen, es offensichtlich wurde, daß nun der eigentliche Schwachpunkt dieser Helme nicht mehr in der Kalotte sondern in der, im Vergleich zur stabiler gewordenen Kalotte, weniger stabilen Schrauben-Hülsen- Verbindung lag.
Dem kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden.
Es ist von den Parteien unbestritten, daß beschußfeste Helme, die eine Kunststoffkalotte aufweisen, seit langer Zeit zum Einsatz kommen (die Parteien bestätigten während der mündlichen Verhandlung, daß solche Helme seit 1960 verwendet werden). Trotzdem ist aus dem aufgedeckten Stand der Technik kein Hinweis zu entnehmen, daß bei solchen Helmen die Schrauben-Hülsen-Verbindung eine Schwachstelle darstellen könnte oder daß Versuche unternommen wurden, um diese Schwachstelle zu beseitigen.
3.7. Die Beschwerdeführerin hat weiter argumentiert, daß die Erkenntnis, daß die Schrauben-Hülsen-Verbindung eine Schwachstelle bildet, kein Verdienst der Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) sei, sondern durch den Kunden/Benutzer erbracht worden sei.
Ein solches dem Erfinder oder dem Kunden zuzuschreibendes Verdienst ist jedoch ein rein subjektives Element, das für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unerheblich ist. Wesentlich ist nur die Frage, ob die Fachwelt diese neue Erkenntnis, daß bei gattungsgemäßen Helmen die Schrauben-Hülsen- Verbindung eine Schwachstelle darstellt, vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents hätte gewinnen können.
3.8. Der in diesem Fall berufene Fachmann ist ein mit der Herstellung von beschußfesten Helmen vertrauter Techniker, der Kenntnisse in Mechanik, Werkstoff- Festigkeit und Ballistik besitzt.
3.9. Da aus dem Stand der Technik nichts Gegensätzliches zu entnehmen ist, gab es für einen Fachmann aufgrund seiner fachlichen Kenntnisse keinen Anlaß daran zu zweifeln, daß die aus dem Stand der Technik bekannten Schrauben- Hülsen-Verbindungen (zum Beispiel mit einem Innensechskant oder mit einem Schlitz versehenen Schraubenköpfe) beschußfest waren.
Wie von der Beschwerdegegnerin glaubhaft ausgeführt, werden die bekannten Schrauben auch nur unter einem ganz speziellen Schußwinkel zur Schwachstelle und verbleiben unter allen anderen möglichen Schußwinkeln beschußfest.
Deshalb war es für einen Fachmann auch nicht offensichtlich, eine der bekannten Schrauben (z. B. mit einem Kopf mit Innensechskant oder mit einem Schlitz) als Schwachstelle zu identifizieren, da die Wahrscheinlichkeit, während eines Beschußtests diese Schraube unter dem für sie kritischen Schußwinkel zu treffen, sehr gering war.
3.10. Es besteht somit für einen Fachmann keine Veranlassung, bei einem gattungsgemäßen beschußfesten Helm den Schraubenkopf der Schrauben-Hülsen-Verbindung mit parallelen einander gegenüberliegenden geraden Kanten als Schlüsselflächen zum Zweck der Beseitigung einer Schwachstelle auszubilden.
Auch wenn der Schraubenkopf der beanspruchten Lehre bereits zum Stand der Technik gehört, besteht für den Fachmann schon deshalb keine Veranlassung, einen derartigen Schraubenkopf auch bei einem gattungsgemäßen Helm in Betracht zu ziehen, weil aus dem Stand der Technik entsprechende Anregungen für die Betrachtung einer Schrauben-Hülsen-Verbindung als mögliche Schwachstelle eines beschußfesten Helmes nicht zu entnehmen sind.
3.11. Die Beschwerdeführerin hat auch auf die D2 verwiesen und insbesondere auf die Figuren 8 und 9, sowie auf die Spalte 6, Zeilen 40 bis 43, woraus hervorgeht, daß bei dem in der D2 offenbarten Feuerwehrhelm die Schrauben auf der Innenseite des Helmes angeordnet sind, wo sie nicht in Kontakt mit externen Objekten kommen können, die diese (Schrauben) lockern könnten.
Die Kammer kann der Beschwerdeführerin jedoch nicht folgen wenn sie daraus schließt, daß ein Fachmann aus dieser Passage die Lehre entnehmen würde, daß an einem Helm vorhandene Schrauben von Schrauben-Hülsen- Verbindungen vor Zerstörung durch den Aufprall eines Geschosses geschützt werden können, indem sie auf der Innenseite des Helmes angebracht werden. Für eine solche Schlußfolgerung sieht die Kammer in der o. g. Passage keine Grundlage.
3.12. Des Weiteren würde ein mit der o. g. Aufgabe konfrontierter Fachmann, nicht auf dem technischen Gebiet der Feuerwehrhelme nach einer Lösung dieser Aufgabe suchen. Selbst falls, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, die Aufprallenergie eines herunterfallenden Ziegelsteines mit der eines Geschosses vergleichbar wäre, so ist die Auswirkung eines Aufpralls dieser beiden Objekte auf einen Helm nicht vergleichbar, da durch die respektive Größe der Objekte bedingt, diese sehr unterschiedliche spezifische Drücke auf den Helm ausüben würden. Deshalb kann ein Fachmann auch nicht davon ausgehen, daß eine durch einen solchen Helm offenbarte Schrauben-Hülsen-Verbindung beschußfest sei. Daher würde ein Fachmann auch nicht in Betracht ziehen, eine solche Schrauben-Hülsen-Verbindung bei einem beschußfesten Helm einzusetzen.
Somit beruht der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.13. Da die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegeben ist, erübrigt es sich auf den Hilfsantrag näher einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.